Landgericht Lübeck:
Beschluss vom 6. März 2006
Aktenzeichen: 5 O 315/05
(LG Lübeck: Beschluss v. 06.03.2006, Az.: 5 O 315/05)
Tenor
1. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu 1.) jeweils zur Hälfte. Die Beklagte zu 1.) hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
2. Der Streitwert wird auf EUR 4.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien haben um die Unterlassung der Zusendung von Werbe E-Mails gestritten.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und nutzt seine E-Mail Adresse ... beruflich. Die Beklagte zu 1.) ist Inhaberin der Domain www...de. Ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1.) bestand nicht. Gegen den verstorbenen Beklagten zu 2.) hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
Am 27. Juni 2005 erhielt der Kläger ohne Aufforderung von der Beklagten zu 1.) eine E-Mail, in der für flexible Raumsysteme, unter anderem für Büroflächen geworben wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Ausdruck der E-Mail (Anlage K1, Bl. 4-7 d. A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 19. Juli 2005 forderte der Kläger die Beklagte zu 1.) zur Abgabe einer von ihm vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 25. Juli 2005 auf, in der sich die Beklagte auch zu der Übernahme von Anwaltskosten in Höhe von 756, 09 Euro verpflichten sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Unterlassungserklärungsentwurf des Klägers (Bl. 10 d. A.) und das Schreiben vom 19. Juli 2005 (Anlage K3, Bl.11-12 d. A.) ergänzend Bezug genommen.
Am 25. Juli 2005 sendete die Beklagte zu 1.) an den Kläger ein Fax mit folgendem Inhalt:
€...
Die Mail ist aufgrund eines fehlerhaften Verzeichnisses ungewollt versandt worden. Natürlich sollten Sie nicht zu Werbezwecken angesprochen werden, wie sich aus der Produktpalette klar erkennen lässt. Der Fehler wurde zwischenzeitlich behoben und Sie werden keine weiteren E-Mails von meiner Mandantin mehr erhalten...€
Der Kläger forderte die Beklagte zu 1.) am 26. Juli 2005 erneut zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf, was die Beklagte zu 1.) durch Fax vom 12. August 2005 mit folgendem Inhalt ablehnte:
...€
Ich hatte Ihnen per Fax am 25. Juli 2005 mitgeteilt, dass sie von meiner Mandantin keine weiteren E-Mails mit Werbematerial mehr erhalten werden. Das ist die Unterlassungserklärung. Wir sehen nicht ein, warum hier noch zusätzliche Gebühren angefallen sein sollten...€
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die per Fax gesandten Schreiben der Beklagten vom 25. Juli und 12. August 2005 (Bl. 31 und 32 d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000.00 Euro ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, mit dem Kläger per E-Mail unter dessen E-Mail Adresse ... Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist.
Die Beklagte zu 1.) hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der einmalige Empfang der E-Mail habe für den Kläger keine nennenswerte Störung des Betriebsablaufes dargestellt. Zudem sei eine Wiederholungsgefahr durch das Versprechen ausgeschlossen, das Zusenden weiterer Werbe E-Mails zu unterlassen. Nachdem die Beklagte eine neu formulierte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben der Kläger und die Beklagte zu 1.) die Hauptsache mit wechselseitigen Kostenanträgen für erledigt erklärt.
II. Der Kläger hatte gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten zu tragen, soweit er die Klage gegen den Beklagten zu 2.) zurückgenommen hat.
Nachdem der Kläger und die Beklagte zu 1.) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war insoweit über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitsstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten auf die Beklagte zu 1.), da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wäre.
Die Klage war zulässig. Das Landgericht Lübeck ist sachlich und örtlich zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 13 Abs. 1 UWG. Auf den Streitwert kommt nicht an. Danach ist das Landgericht ausschließlich zuständig, wenn Ansprüche auf Grund des UWG geltend gemacht werden. Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB sowohl auf § 823 Abs. 1 BGB als auch auf einen Verstoß gegen § 1 UWG.
Das Landgericht Lübeck ist gemäß § 32 ZPO auch örtlich zuständig. Danach ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies ist bei der Versendung unerlaubter Werbeemails zumindest jeder Ort, an dem die Verletzungshandlung sich bestimmungsgemäß auswirken sollte (vgl. OLG Hamburg, CR 2003, 286, OLG Bremen, CR 2000, 770). Hier hat die Beklagte zu 1.) die Werbeemail dem Kläger zugesandt. Dieser hat sie an seinem Arbeitsplatz abgerufen. Dies stellt einen bestimmungsgemäßen Abruf der Mail innerhalb des Landgerichtsbezirks Lübeck dar. Dass die Werbung aus dem Landgerichtsbezirk Kiel heraus abgesendet wurde, begründet nicht die Unzuständigkeit des Gerichts.
Die Klage war begründet.
Dem Kläger stand gegen die Beklagte ein Unterlassungsspruch gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB zu. Nach diesen Vorschriften kommt ein Unterlassungsanspruch in Betracht, wenn die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch §§ 823 ff BGB geschütztes Rechtsgut vorliegt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Zusenden einer unerwünschten werbenden E-Mail stellte einen objektiv widerrechtlichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als ein sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB dar. Auf diesen Schutz kann sich der Kläger als Rechtsanwalt berufen. Auch Angehörige freier Berufe fallen unter den Schutz dieses Rechts (Palandt, BGB, 65. Auflage, § 823, Rn. 127).
Bei der streitgegenständlichen E-Mail handelte es sich um Werbung. Die Beklagte wollte hiermit für flexible Raumsysteme, unter anderem für Büroräume werben.
Des Weiteren liegt ein zielgerichteter, betriebsbezogener Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers vor. Das Zusenden einer unerwünschten, werbenden E-Mail ist ein unzulässiger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und vom Schutz des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht umfasst.
Die online abgerufene E-Mail erzeugt zusätzliche Gebühren, da sich die Übertragungszeit des Abrufs der Nachrichten insgesamt verlängert. Darüber hinaus muss der Empfänger Arbeitszeit aufwenden, um die unerwünschte E-Mail auszusondern. Insbesondere ist das Einsetzen vom Spamfiltern nicht ohne Weiteres möglich, ebenso wie das Löschen einer E-Mail ohne vorherige Prüfung. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass bereits die Einordnung des Adressaten einigen Zeitaufwand für den Empfänger bedeutet. Das versehentliche Löschen einer wichtigen Nachricht könnte für den Rechtsanwalt einen Haftungsfall nach sich ziehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die einzelne E-Mail keine erheblichen nachteiligen Folgen für den Kläger erzeugt. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass die einzelne E-Mail durch einen Klick zu entfernen ist. Die einzelne E-Mail darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spammings aufzufassen (vgl. OLG Düsseldorf, 15. Zivilsenat, Urteil vom 22. September 2004, Az. I-15 U 41/04, 15 U 41/04, zitiert nach Juris, Rn. 26). Auf Grund der Ausuferungsgefahr, die die kostengünstige E-Mail Werbung mit sich bringt, muss der einzelne Mitverursacher auch für die Gesamtwirkung einstehen, die durch das Zusenden unerlaubter werbender E-Mails entsteht (vgl. LG Berlin, NJW-RR 2004, 1631,1632).
Der Eingriff war auch rechtswidrig. Unstreitig lag vorliegend weder eine Zustimmung noch ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten vor. Gerechtfertigt ist das Versenden einer werbenden E-Mail allein dann, wenn der Empfänger der Werbung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis auf Grund bestehender geschäftlicher Kontakte vermutet werden darf.
Auch war die gemäß § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Vermutung der Wiederholungsgefahr zu widerlegen. Hat der Eingriff bereits stattgefunden, besteht die widerlegbare Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Die Schreiben der Beklagten zu 1.) vom 25. Juli und 12. August 2005 haben nicht genügt, um eine Wiederholungsgefahr auszuräumen. An die Widerlegung der Gefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen. Das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht zu wiederholen, kann die Wiederholungsgefahr nur ausräumen, wenn es in Verbindung mit einer Vertragsstrafe erklärt wird (vgl. OLG Düsseldorf (a.a.O.), Rn. 29). Die Beklagte hat in den Schreiben vom 25. Juli und 12. August 2005 lediglich das Versprechen abgegeben, von der Zusendung weiterer E-Mails abzusehen. Eine Vertragsstrafe bei Zuwiderhandlung war nicht vorgesehen.
Auch wenn sich die Beklagte mit dem Versprechen gegen die Anerkennung der im Erklärungsentwurf des Klägers geltend gemachten Anwaltskosten wenden wollte, hätte sie dieses Versprechen durch eine Vertragsstrafe unter Verwahrung gegen die Kostenlast aus der Honorarabrechnung absichern können. Eine solche Sicherung des Versprechen hat sie jedoch nicht vorgenommen, so dass ein erneuter Verstoß für sie sanktionslos geblieben wäre.
Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es im Rahmen des § 1004 BGB nicht an (vgl. Palandt, 65. Auflage, § 1004, Rn.13). Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, das Versenden an den Kläger sei eine Fehlleitung auf Grund eines Fehlers im Adressenprogramm gewesen.
Das Gericht geht gemäß § 3 ZPO von einem Streitwert von EUR 4.000,- aus, wobei folgende Erwägungen maßgebend sind:
Das einmalige Zusenden einer Werbe-E-Mail stellt eine verhältnismäßig geringe Belästigung dar, selbst wenn der Empfänger als Rechtsanwalt seine E-Mail Adresse beruflich nutzt. Auf den Aufwand der Beseitigung ist insoweit nicht abzustellen. Vorliegend hat der Beklagte eine einzelne werbende E-Mail an den Kläger, der seine E-Mail Adresse als Rechtsanwalt beruflich nutzt, geschickt.
Der Streitwert ist entsprechend des Grades der Belästigung des Adressaten durch die unerlaubten Werbe E-Mails festzusetzen. Hierbei kommt es nicht auf einen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden, sondern auf das Interesse des Klägers im Einzelfall an. Ist diese Belästigung verhältnismäßig geringfügig zu bewerten, beträgt der Streitwert EUR 3.000,- (vgl. BGH, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 30.11.2004, VI ZR 65/04, zitiert nach Juris). Nur bei Hinzukommen weiterer Umstände kann der Streitwert diesen Betrag übersteigen. Auch unter Berücksichtigung weiterer Besonderheiten des Einzelfalles sollte die Grenze aber gegenwärtig bei EUR 12 500,- gesetzt werden (vgl. Schmittmann, JurBüro 2003, 398, 400).
Das Interesse des Unterlassungsgläubigers ist zunächst an Artikel 13 der Datenschutzrichtlinie 2002/58/EG Abs. 1 und 5 zu messen, der das Zusenden von Werbung mit elektronischer Post als unzumutbare Belästigung festlegt, soweit eine Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt oder vermutet werden kann. Daraus ergibt sich, dass der Empfänger grundsätzlich ein Interesse von einigem Gewicht daran hat, keine unerwünschten E-Mails zu erhalten. Eine Streitwertfestsetzung auf EUR 3.000,- ist daher auch für verhältnismäßig geringfügige Beeinträchtigungen angesichts des durch die Richtlinie bezweckten Schutzes angemessen. Der Empfänger soll vor einer Ausuferung der kostengünstigen Werbung durch E-Mails geschützt werden. Eine weitergehende Konkretisierung des Empfängerinteresses ist anhand zusätzlicher Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Hierbei ist insbesondere auf die Anzahl der zugesendeten E-Mails abzustellen. Das einmalige Zusenden einer Werbe E-Mail kann für den Adressaten nicht eine ebenso hohe Belästigung darstellen wie das mehrmalige oder ständige Zusenden von Werbe E-Mails. Auch muss ins Gewicht fallen, ob der Adressat seine E-Mail Adresse beruflich nutzt (KG Berlin 5. Zivilsenat, Beschluss vom 23.September 2002-5W 106/02, 5 W 124/02, zitiert nach Juris). Anders als bei der Bewertung des betriebsbezogenen Eingriffs kann für die Festsetzung des Streitwertes nicht grundsätzlich der Beseitigungsaufwand berücksichtigt werden, da auf den Einzelfall abzustellen ist. Insoweit ergibt sich meist erst aus der Gesamtheit aller zugesendeten E-Mails ein erheblicher Aufwand, während im Einzelfall der Kosten- und Arbeitsaufwand für die konkreten E-Mails des Unterlassungsschuldners als gering zu erachten ist. Diesbezüglich kann sich nur dann etwas anderes ergeben, wenn durch den Unterlassungsschuldner eine Vielzahl von E-Mails an den Empfänger gesendet worden sind.
Anhand dieser Kriterien ergibt sich folgende Ansetzung des Streitwertes:
Bei einmaligem Zusenden einer E-Mail sollte der Streitwert auf EUR 3.000,- festgesetzt werden. Selbst wenn der Empfänger seine Adresse beruflich nutzt, sollte der Streitwert EUR 4000,- nicht übersteigen. Auf den Arbeitsaufwand kann hierbei nicht abgestellt werden, da die Kosten für die Beseitigung der einzelnen E-Mail geringfügig sind.
Bei mehrmaligem unerlaubten Zusenden übersteigt der Streitwert EUR 5.000,-. Auch hier ist angesichts geringer Kosten nicht auf den Arbeitsaufwand der Beseitigung abzustellen. Das Hinzukommen der beruflichen Nutzung der E-Mail Adresse kann den Streitwert wiederum erhöhen, nicht jedoch um mehr als EUR 2.000,-.
Bei dem Zusenden einer Vielzahl von E-Mails, ab einer Anzahl von 5 E-Mails, ist der Streitwert zwischen EUR 8.000,- und 12.500,- anzusetzen. Dieser Maßstab gilt auch, wenn der Empfänger trotz Eintrags in eine anerkannte Liste zum Schutz vor unlauterer Emailwerbung (vgl. etwa http://www.erobinson.de/ ) von einer - auch einmaligen - Emailwerbung betroffen wird. EUR 8.000,- sollte der Streitwert nur dann übersteigen, wenn die berufliche Nutzung der E-Mail Adresse hinzukommt oder ein erheblicher Kosten- und Arbeitsaufwand durch die Beseitigung der E-Mails entstanden ist. Auch bei Vorliegen beider Umstände erscheint hierbei gegenwärtig eine Begrenzung auf EUR 12.500,- angemessen.
LG Lübeck:
Beschluss v. 06.03.2006
Az: 5 O 315/05
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