Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 2/02

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2004, Az.: 24 W (pat) 2/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"nichtmedizinische Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel"

eingetragene Wortmarke 397 08 122 L. Gallinoist Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 2 000 341 GALILEO, die für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel, Seifen"

im Register eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch eine Beamtin des höheren Dienstes mit Beschluß vom 11. September 2001 den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Hierbei ist sie zwar davon ausgegangen, daß angesichts der vorliegenden Warenidentität sowie einer zugunsten der Widersprechenden anzunehmenden normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Abstand beider Marken zu stellen seien. Dieser Abstand werde aber noch gewahrt, da die Vergleichsmarken einander nicht hinreichend ähnlich seien. Bei der Beurteilung dieser Frage könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß der Gesamteindruck der angegriffenen Marke nur durch den Bestandteil "Gallino" geprägt werde, weil die Rechtsprechung davon ausgehe, daß der Verkehr bei aus Vor- und Familiennamen zusammengesetzten Marken sich an dem Gesamtnamen orientiere, zu dessen Individualisierung auch der Vorname wesentlich beitrage. Im übrigen unterschieden sich auch die Wörter "Gallino" und "GALILEO" klanglich und schriftbildlich deutlich voneinander, wobei vor allem die verschiedene Buchstaben- und Silbenzahl sowie die abweichenden Konsonanten in Betracht zu ziehen seien.

Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde macht die Widersprechende vor allem geltend, die Rechtsprechung zu Vor- und Familiennamen (vgl. BGH GRUR 2000, 233 "RAUSCH/ELFI RAUCH") könne nicht ohne weiteres auf die angegriffene Marke bezogen werden, weil der Einzelbuchstabe "L." nicht als individualisierender Vorname aufzufassen sei. Insoweit sei für die Frage der Verwechslungsgefahr ein Vergleich der Wörter "Gallino" und GALILEO" angezeigt, die sowohl klanglich wie auch schriftbildlich nicht hinreichend zu unterscheiden seien. Beide Wörter begännen mit den Silben "Gal(l)i" und wiesen auch in den Endungen "(l)ino" und "leo" starke Ähnlichkeiten auf, so daß insgesamt ein sicheres Auseinanderhalten nicht gewährleistet sei.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 000 341 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellt demgegenüber den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die angegriffene Marke "L. Gallino" werde durchaus als einheitlicher Begriff (etwa wie die bekannte Marke "S. Oliver") verstanden und bereits deshalb nicht mit "GALILEO" verwechselt. Abgesehen davon stimmten auch die Wörter "Gallino" und "GALILEO" lediglich in der zweiten Silbe "li" überein, wiesen aber im übrigen deutliche klangliche und schriftbildliche Unterschiede auf, die eine Verwechslungsgefahr ausschlössen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß dem sehr häufig verwendeten und als Synonym für Erfindergeist sowie Innovation bekannten Namen "Galileo" keine wesentliche markenrechtliche Kennzeichnungskraft zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Markenstelle hat zu Recht eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und deshalb den Widerspruch zurückgewiesen (§ 42 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität der jeweiligen Marken sowie der von ihnen erfaßten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser Marke im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. z.B. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2002, 1067, 1068 "DKV/OKV", jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden.

Zwar sind in diesem Zusammenhang strenge Anforderungen an den erforderlichen Abstand der Vergleichsmarken zu stellen. So ist nicht nur von der Identität der beiderseitigen Waren, sondern auch von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen. Jedenfalls vermag der Senat eine von der Inhaberin der angegriffenen Marke behauptete Kennzeichnungsschwäche des Namens "Galileo" für den Bereich der im vorliegenden Fall maßgeblichen kosmetischen Erzeugnisse nicht festzustellen.

Aber auch in Berücksichtigung dieser kollisionsfördernden Umstände ist nach Ansicht des Senats eine zur Bejahung der Verwechslungsgefahr ausreichende Markenähnlichkeit nicht anzunehmen.

Allerdings bestehen nach Auffassung des Senats gewisse Zweifel, ob der Einzelbuchstabe "L." in der jüngeren Marke "L. Gallino" in gleicher Weise wie ein ausgeschriebener Vorname für den Gesamteindruck dieser Marke von mitbestimmender Bedeutung ist. So kann die seitens der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommene besondere "Individualisierungsfunktion" von Vornamen innerhalb vollständiger - aus Vor- und Familiennamen bestehender - Namen (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 "RAUSCH/ELFI RAUCH") schon deswegen nicht ohne weiteres auch auf bloße Einzelbuchstaben übertragen werden, weil solche Einzelbuchstaben für völlig verschiedene Vornamen stehen können und sich deshalb weniger zur eindeutigen Individualisierung eignen. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil auch ein als prägend und deshalb selbständig kollisionsbegründend angesehener Markenbestandteil "Gallino" der jüngeren Marke der Widerspruchsmarke "GALILEO" nicht hinreichend ähnlich wäre.

In klanglicher Hinsicht ist nicht zu verkennen, daß die Widerspruchsmarke "GALILEO" über eine zusätzliche Silbe ("LE") verfügt, was von besonderer Bedeutung ist, weil die Betonung des Wortes gerade auf dieser Silbe liegt, die in der angegriffenen Marke keine phonetische Entsprechung findet. Insoweit entsteht ein durchaus unterschiedlicher Sprechrhythmus ("Gall’-no" gegenüber "Galileo"), der die abweichende Silbenzahl auch bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen als unüberhörbar erscheinen läßt.

Bei der Erörterung einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich von einem Vergleich der Zeichen in ihrer Gesamtheit auszugehen, ohne daß auf einzelne Bestandteile abgestellt werden darf. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu unterstellen, daß sich der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung von Marken ausschließlich an einem Wortbestandteil orientiert, ohne die übrigen Markenelemente in sein Erinnerungsbild aufzunehmen (vgl. z.B. BGH GRUR 1999, 241, 244 "Lions"; GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; GRUR 2002, 167, 170 Bit/Bud; GRUR 2002, 1067, 1069 "DKV/OKV"). Dementsprechend sind im vorliegenden Fall die Marken "L. Gallino" und "GALILEO" schriftbildlich zu vergleichen, deren graphische Unterschiede unverkennbar sind.

Da auch sonstige Möglichkeiten einer relevanten markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht ersichtlich sind, muß die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen werden.

Für die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine Verfahrensbeteiligte (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) besteht keine Veranlassung.

Dr. Ströbele Richter Prof. Dr. Hacker ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.

Dr. Ströbele Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 27.01.2004
Az: 24 W (pat) 2/02


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