Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 429/08
(BPatG: Beschluss v. 07.04.2009, Az.: 35 W (pat) 429/08)
Tenor
1.
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner ist Inhaber des am 26. Januar 2006 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldeten Gebrauchsmusters 20 2006 001 224. Das Gebrauchsmuster wurde am 16. März 2006 unter der Bezeichnung
"Dichtungsanordnung"
mit 9 Schutzansprüchen in das Register eingetragen. Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:
Dichtungsanordnung, insbesondere für flache Flanschverbindungen, bei welcher ein ringförmiger, metallischer Grundkörper (1)
aus Edelstahlblech beidseitig Weichstoffauflagen (2) vorzugsweise aus Graphit oder PTFE oder sonstigen Materialien aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens 4 bis 80 % der Flanschdichtleisten (7) nach außen hin nicht durch die Weichstoffauflagen abgedeckt sind, dass zumindest der mit den Weichstoffauflagen (2) abgedeckte Teil des metallischen Grundkörpers (1) wellenförmig oder vorzugsweise zackenförmig ausgebildet ist und dass der außen liegende, nicht abgedeckte Teil des Grundkörpers als überwiegend flacher Zentrierring (3) ausgebildet ist.
Zu den nachfolgenden Schutzansprüchen 2 bis 9 wird auf die Schrift des Streitgebrauchsmusters verwiesen.
2. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006, eingegangen im Deutschen Patentund Markenamt am 7. Dezember 2006, hat die Antragstellerin einen Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters gestellt. Sie führt zur Begründung aus, dass der beanspruchte Gegenstand im Streitgebrauchsmuster nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass der zuständige Fachmann ihn ausführen könne. Außerdem beruhe der beanspruchte Gegenstand nicht auf einem erfinderischen Schritt. Zur Begründung verweist sie auf folgende Druckschriften Der Antragsgegner hat widersprochen und mit Eingabe vom 16. März 2007 neue Schutzansprüche 1 bis 6 vorgelegt, die dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollen. Der Schutzanspruch 1 vom 16. März 2007 lautet (Änderungen zum eingetragenen Schutzanspruch 1 sind durch Streichung oder Fettdruck kenntlich gemacht):
D1 WO 99/45298 A1 D2 US 2004/0160017 A1 D3 WO 97/49939 A1 D4 Prospekt der Firma Garlock: "Metall-Weichstoff Flachdichtungen"
D5 DE 201 21 984 U1 D6 Prospekt der Antragstellerin: "ProfilÜbersicht, Statische Dichtungenfür Flanschverbindungen", veröffentlicht vor 1993.
Dichtungsanordnung insbesondere für flache Flanschverbindungen, bei welcher ein ringförmiger, metallischer Grundkörper (1) aus Edelstahlblech beidseitig Weichstoffauflagen (2) vorzugsweise aus Graphit oder PTFE oder sonstigen Materialien aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass - mindestens 4 % bis 80 % der Flanschdichtleisten (7) nach außen hin nicht durch die Weichstoffauflagen abgedeckt sind,
- zumindest der mit den Weichstoffauflagen (2) abgedeckte Teildes metallischen Grundkörpers (1) wellenförmig oder vorzugsweise zackenförmig ausgebildet ist,
- der außen liegende, nicht abgedeckte Teil des Grundkörpersals überwiegend flacher Zentrierring (3) ausgebildet ist,
- der äußere Rand des nicht abgedeckten Teils des Zentrierrings (3) mehrere Sicken oder Wellen aufweist, welche jedoch flacher sind als die Wellen oder Zackendes metallischen Grundkörpers (1) im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich (4) und - die Abschnitte zwischen jeweils zwei Sicken des Zentrierrings außen in abwechselnder Richtung umbördelt sind.
Mit Eingabe vom 14. Januar 2008 hat der Antragsgegner neue Schutzansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag und Schutzansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 1 und in der mündlichen Verhandlung Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen 2 und 3 vorgelegt, die dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollen. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 14. Januar 2008 lautet (Änderungen zum eingetragenen Schutzanspruch sind durch Streichung oder Fettdruck kenntlich gemacht):
Dichtungsanordnung insbesondere für flache Flanschverbindungen, bei welcher ein ringförmiger, metallischer Grundkörper (1) aus Edelstahlblech beidseitig Weichstoffauflagen (2) vorzugsweise aus Graphit oder PTFE oder sonstigen Materialien aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass - mindestens 4 % bis 80 % der Flanschdichtleisten (7) nach außen hin nicht durch die Weichstoffauflagen abgedeckt sind,
- zumindest der mit den Weichstoffauflagen (2) abgedeckte Teildes metallischen Grundkörpers (1) wellenförmig oder vorzugsweise zackenförmig ausgebildet ist,
- der außen liegende, nicht abgedeckte Teil des Grundkörpersals überwiegend flacher Zentrierring (3) ausgebildet ist und - der äußere Rand des nicht abgedeckten Teils des Zentrierrings (3) mehrere Sicken oder Wellen aufweist, welche jedoch flacher sind als die Wellen oder Zackendes metallischen Grundkörpers (1) im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich (4).
Hiergegen hat die Antragstellerin eingewandt, der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 14. Januar 2008 sei unzulässig, da er auf einen Gegenstand gerichtet sei, auf den bereits mit Vorlage des Schutzanspruchs 1 vom 16. März 2007 verzichtet worden sei. Darüber hinaus seien die beanspruchten Gegenstände nicht schutzfähig.
3.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts hat das Gebrauchsmuster mit Beschluss vom 1. Februar 2008 teilgelöscht, soweit es über den Hauptantrag des Antragsgegners vom 14. Januar 2008 hinausgeht. Im Übrigen hat sie den Löschungsantrag zurückgewiesen. Sie führt zur Begründungaus, dass der Schutzanspruch 1 vom 14. Januar 2008 zulässig sei, da die Vorlage des Anspruchssatzes vom 16. März 2007 als vorläufige Äußerung zu verstehen sei und keinen expliziten Verzicht auf von diesem Schutzanspruch nicht mehr umfasste Gegenstände darstelle. Die Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands sei unter Berücksichtigung der Fachkenntnisse des zuständigen Fachmanns gegeben. Außerdem sei zum Auffinden der Dichtungsanordnung nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag ein erfinderischer Schritt erforderlich gewesen, da keine der angeführten Druckschriften einen Zentrierring einer Dichtungsanordnung mit Sicken oder Wellen nahe lege, die flacher als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich seien.
4.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie verweist zum Stand der Technik auf weitere Druckschriften D7 DE-Buch: "Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau"
17. Auflage, 1990, Seiten K11, K18 D8 Prospekt der Antragstellerin "Allgemeine Maß tabellen"
D9 US-PS 1 030 055 D10 US-PS 843 394 und D11 DE 25 01 000 A1.
Sie stützt ihre Beschwerde weiter auf die Gründe, -dass der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag unzulässig sei, da dem Antrag des Antragsgegners im Schriftsatz vom 16. März 2007 gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bindende Wirkung zukomme -dass die Lehre des Streitgebrauchsmusters den beanspruchten Gegenstand nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, und - dass der beanspruchte Gegenstand nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I aufzuheben und das Gebrauchsmuster DE 20 2006 001 224 in vollem Umfang zu löschen.
Außerdem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an, falls der Senat den Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag als zulässig ansehen werde.
Der Antragsgegner beantragt,
- die Beschwerde zurückzuweisen,
- hilfsweise den Löschungsantrag im Umfang eines der mit Schriftsatz vom 5. April 2009 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 7 zurückzuweisen.
Nach Auffassung des Antragsgegners liegt kein Grund vor, das Streitgebrauchsmuster in den verteidigten Fassungen zu löschen.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Die mit dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchte Vorrichtung ist schutzfähig.
1. Nach den Ausführungen im Streitgebrauchsmuster (Seite 1, Absätze [0001] bis [0004]) geht es beim Streitgegenstand um eine Dichtungsanordnung für flache Flanschverbindungen, bei welcher ein ringförmiger, metallischer Grundkörper aus Edelstahlblech beidseitig Weichstoffauflagen vorzugsweise aus Graphit oder PTFE oder sonstigen Materialien aufweist.
Aus der DE 25 01 000 A1 (D11) seien als Wellringdichtungen bezeichnete Dichtungsanordnungen bekannt, bei denen der metallische Grundkörper wellenförmig profiliert sei. Beim Einbau dieser Dichtungsanordnungen würden die Weichstoffauflagen zum Teil in die Wellungen eingepresst, so dass bei dem geforderten hohen Anpressdruck die Wellungen irreversibel auseinander gespreizt und dabei weitgehend flachgedrückt würden. Wesentliche weitere Nachteile seien die schlechte Ausblassicherheit, die zunehmende Undichtigkeit der Flanschverbindungen bei Beanspruchungen durch Druckund Temperaturschwankungen und die hohe Einbaudicke vor dem Einbau. Deshalb könnten Wellringdichtungen nur bei niedrigen Anforderungen und bei relativ niedrigen Drücken eingesetzt werden.
Mit dem Streitgebrauchsmuster sollen daher bekannte Wellringdichtungen dahingehend verbessert werden (Absatz [0005] des Streitgebrauchsmusters), dass sie auch bei höheren Beanspruchungen eingesetzt werden können. Weiterhin soll die Einbaudicke verringert werden. Schließlich soll diesen Dichtungen eine Federcharakteristik verliehen werden, welche auch bei höheren Beanspruchungen durch Druckund Temperaturschwankungen noch eine längerfristige Dichtigkeit gewährleistet.
Die beanspruchte Dichtungsanordnung nach dem geltenden Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag weist folgende Merkmale auf:
M1) Die Dichtungsanordnung für flache Flanschverbindungenbesitzt einen ringförmigen, metallischen Grundkörper aus Edelstahlblech.
M2) Der Grundkörper weist beidseitig Weichstoffauflagen, vorzugsweise aus Graphit oder PTFE-oder sonstigen Materialien, auf.
M3) Mindestens 4 bis 80 % der Flanschdichtleisten sind nachaußen hin nicht durch die Weichstoffauflagen abgedeckt.
M4) Zumindest der mit den Weichstoffauflagen abgedeckte Teil des metallischen Grundkörpers ist wellenförmig oder vorzugsweise zackenförmig ausgebildet.
M5) Der außen liegende, nicht abgedeckte Teil des Grundkörpers ist als überwiegend flacher Zentrierring ausgebildet.
M6) Der äußere Rand des nicht abgedeckten Teils des Zentrierrings weist mehrere Sicken oder Wellen auf, welche flacher sind als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich.
Nach diesem Schutzanspruch weist der metallische Grundkörper zwei Bereiche auf: der erste liegt im Bereich der Weichstoffauflagen und wird von diesen abgedeckt. Dieser Bereich ist wellenoder zackenförmig ausgebildet. Der zweite, als Zentrierring bezeichnete Bereich ist überwiegend flach ausgebildet. Er weist mehrere Wellen oder Sicken auf, welche flacher sind als die Wellen oder Zacken im ersten Bereich.
Nach der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters besitzen diese beanspruchten Dichtungsanordnungen bezogen auf die Breite der Flanschdichtleisten der jeweiligen Flanschverbindung einen relativ schmalen Bereich mit Weichstoffauflagen. Daher werde bei gleichen Anzugsmomenten ein höherer Anpressdruck erzeugt, so dass auch bei hohen Drücken in der Rohrleitung eine gute Abdichtung erfolge. Durch die wellenoder zackenförmige Ausbildung des metallischen Grundkörpers werde eine gute Federcharakteristik bewirkt. Bei der Herstellung des wellenoder zackenförmigen Teils des Grundkörpers würden Verwerfungen vermieden, indem der Zentrierring mit Sicken oder Wellen versehen sei, die flacher seien als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers in dem mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich.
2. Der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag ist zulässig.
Dieser mit Eingabe vom 14. Januar 2008 eingereichte Schutzanspruch enthält alle Merkmale der ursprünglich eingereichten und später eingetragenen Schutzansprüche 1 und 4, so dass die Offenbarung der Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen unstreitig gegeben ist.
Auch erweist sich die Verteidigung des Streitgebrauchsmusters mit diesem Schutzanspruch entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als unzulässig. Zwar hat der Gebrauchsmusterinhaber im Laufe des Löschungsverfahrens am 16. März 2007 einen Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag eingereicht, der gegenüber dem eingetragenen Schutzanspruch 1 durch die zusätzlichen Merkmale M6) der äußere Rand des nicht abgedeckten Teils des Zentrierrings weist mehrere Sicken oder Wellen auf, welche flacher sind als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich, und M7) die Abschnitte zwischen jeweils zwei Sicken des Zentrierrings sind außen in abwechselnder Richtung umbördeltbeschränkt war, während der nunmehr verteidigte Schutzanspruch lediglich die Merkmale M1 bis M6 aufweist.
In der Einreichung des Schutzanspruchs 1 vom 16. März 2007 kann jedoch entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine teilweise Rücknahme des Widerspruchs gegen die beantragte Löschung und eine den Gebrauchsmusterinhaber bindende materielle Beschränkung des Streitgebrauchsmusters gesehen werden.
Es entspricht der langjährigen Rechtsprechung des Senats -wiederholt bestätigt vom Bundesgerichtshof (vgl. BGH Beschl. v. 28. Oktober 1997 -X ZB 11/94 GRUR 98, 910 Scherbeneis ; BGH Beschl. v. 11. März 1997 -X ZB 10/95 GRUR 97, 625 -Einkaufswagen; BGH Beschl. v. 13. Dezember 1994 X ZB 9/94 GRUR 95, 210 -Lüfterkappe) -, dass angesichts der weit reichenden Folgen der Rücknahme eines Widerspruchs an in diesem Sinne auszulegende Erklärungen des Gebrauchsmusterinhabers hinsichtlich ihrer Klarheit und Bestimmtheit strenge Anforderungen zu stellen sind. Legt der Gebrauchsmusterinhaber im Laufe des Löschungsverfahrens -auch mehrmals -neu gefasste Ansprüche vor und beschränkt seine Verteidigung hierauf, so kann daher allein aus der Einreichung neuer Ansprüche weder ein Verzicht auf das Schutzrecht noch eine verfahrensrechtliche Beschränkung des Gegenstandes der Prüfung im Sinne einer teilweisen Rücknahme des Widerspruchs abgeleitet werden (vgl. BGH a. a. O.).
Auch die Antragstellerin sieht allein in der Einreichung des neuen Anspruchssatzes mit Schriftsatz vom 16. März 2007 durch den Gebrauchsmusterinhaber noch keine als Teilverzicht oder als Teilrücknahme des Widerspruchs zu sehende Erklärung.
Soweit sie eine den Gebrauchsmusterinhaber an seine Beschränkung bindende Wirkung in der Formulierung des im Schriftsatz vom 16. März 2007 gestellten Antrags sieht, kann ihr nicht gefolgt werden.
Die Formulierung des Leitsatzes Nr. 3 in der von der Antragstellerin ausdrücklich zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH Beschl. v.
13. Dezember 1994 X ZB 9/94 GRUR 95, 210 -Lüfterkappe), dass der verfahrensrechtliche Antrag, das Gebrauchsmuster mit einem eingeschränkten Gegenstand aufrechtzuerhalten, in der Regel als Einschränkung eines zunächst unbeschränkt eingelegten Widerspruchs zu verstehen sei, kann sich zwingend nur auf den am Ende der mündlichen Verhandlung abschließend gestellten und der Entscheidung zugrunde liegenden Antrag beziehen.
Dies ergibt bereits die Begründung der zitierten Entscheidung unter Ziffer 2 b bb, in der ausdrücklich auf den "..nach dem Protokoll des Termins zur Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung ...." gestellten Antrag abgestellt wird.
Es wäre auch rechtlich nicht verständlich, wenn dem Gebrauchsmusterinhaber zugestanden würde, zum Zwecke einer beschränkten Verteidigung im Laufe des Verfahrens und insbesondere auf Grund der mündlichen Verhandlung noch veränderbare, unverbindliche Formulierungsvorschläge einzureichen und gleichzeitig einem etwaigen auf diese Formulierungsvorschläge abgestimmten und damit ebenfalls notwendigerweise vorläufigen Antrag bindende Wirkung zuzuerkennen. Eine derartige Rechtsauslegung hätte zur Folge, dass ein Gebrauchsmusterinhaber in Widerspruch zu seinem Formulierungsvorschlag für eine beschränkte Verteidigung gezwungen wäre, generell in den vorbereitenden Schriftsätzen die vollständige Zurückweisung des Löschungsantrags zu beantragen.
Schließlich kann der Antragstellerin auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Absicht des Antragsgegners, endgültig auf einen Teil seines Schutzrechts zu verzichten bzw. den Widerspruch teilweise zurückzunehmen, müsse auch daraus hergeleitet werden, dass er in seinem Schriftsatz vom 16. März 2007 nicht -wie beim Kostenantrag -von der Möglichkeit eines Hauptund Hilfsantrags Gebrauch gemacht habe. Wie vorstehend dargelegt sind nach der gefestigten Rechtsprechung an Erklärungen, die zu so weit reichenden Folgen wie den rückwirkenden Verlust von Schutzrechten führen, strenge Anforderungen hinsichtlich ihrer Klarheit und Bestimmtheit zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass es dem Gebrauchsmusterinhaber durch die Rechtsprechung freigestellt ist, sich im Rahmen von Hauptund Hilfsanträgen oder mit Hilfe von Formulierungsvorschlägen beschränkt zu verteidigen, erscheint es dem Senat rechtlich nicht vertretbar, vorliegend allein aus der Wahl der Vorgehensweise und einem -dem Sinn nach ohnehin nicht nachvollziehbarem -Kostenantrag des Antragsgegners diese strengen Anforderungen als erfüllt anzusehen.
3. Das Streitgebrauchsmuster offenbart den beanspruchten Gegenstand so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann ihn ausführen kann. Als Fachmann ist auf diesem Gebiet ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Kenntnissen in der Kunststofftechnik anzusehen, der im Bereich der Dichtungstechnik mit der Entwicklung und Konstruktion von Flanschdichtungen befasst ist.
Die Antragstellerin führt aus, dass der Fachmann nicht erkennen könne, ob sich im Merkmal M3) die Angabe "4 bis 80 %" auf die radiale Erstreckung oder auf die Fläche der Flanschdichtleiste beziehe. Außerdem werde in diesem Merkmal auf eine "Flanschdichtleiste" abgestellt. Diese sei jedoch nicht Bestandteil der Dichtungsanordnung, so dass der Fachmann nicht wisse, mit welchen Abmessungen die Dichtungsanordnung auszuführen sei.
Der erste Einwand der Antragstellerin betrifft nicht die Ausführbarkeit, sondern die Rechtssicherheit. Es ist nämlich offensichtlich, dass für den Fachmann das prozentuale Verhältnis sowohl bei der Bezugsgröße "radiale Erstreckung der Flanschdichtleiste" als auch bei der Bezugsgröße "Fläche der Flanschdichtleiste" ohne weiteres ausführbar ist. Im Übrigen folgt aus der Richtungsangabe im Merkmal M3) "nach außen hin" eindeutig, dass es sich im Schutzanspruch 1 um die Bezugsgröße "radiale Erstreckung der Flanschdichtliste" handelt. Als Flanschdichtleiste ist dabei der Bereich des Flansches anzusehen, der vor den äußeren Verschraubungsbereich des Flansches ein wenig vorspringt und der bei Verwendung üblicher Flachdichtungen die Abdichtung gewährleistet. Die prozentuale Angabe im Schutzanspruch 1 bestimmt somit den Bereich für die radiale Erstreckung der Weichstoffauflagen abhängig von der beim jeweiligen Anwendungsfall vorliegenden radialen Erstreckung der Flanschdichtleiste. Diese Bestimmung erfordert lediglich einfachste geometrische und algebraische Grundkenntnisse, die der Fachmann bereits aus seiner Schulbildung kennt.
4. Die mit dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchte Dichtungsanordnung ist schutzfähig.
4.1 Die beanspruchte Dichtungsanordnung ist unstreitig neu. Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt eine Dichtungsanordnung mit dem Merkmal M6, nach dem der äußere Rand des nicht abgedeckten Teils des im wesentlichen flach ausgebildeten Zentrierrings mehrere Sicken oder Wellen aufweist, welche flacher sind als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich.
4.2 Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 ist das Ergebnis eines erfinderischen Schritts, da dem zuständigen Fachmann am Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters die beanspruchte Lösung durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahe gelegt wurde.
Der beanspruchten Dichtungsanordnung am nächsten kommt die Lehre nach der WO 99/45298 A1 (D1), aus der das EP-Patent 1 062 442 B1 entstanden ist, das bereits in der Beschreibungseinleitung des Streitgebrauchsmusters angeführt ist. Es ist unstreitig, dass aus dieser Schrift eine Dichtungsanordnung mit den Merkmalen M1) bis M3) und M5) des Schutzanspruchs 1 bekannt ist.
In dieser Schrift ist nämlich eine Dichtungsanordnung mit einem metallischen Grundkörper 1, der üblicherweise aus Edelstahl besteht, und beidseitig angeordneten Weichstoffauflagen 11, 12 aus Graphit oder PTFE angegeben -Merkmale M1) und M2) (Patentanspruch 1, Seite 10, letzter Absatz, und Figur 1 der D1). Aus der Figur 1 der D1 ist zu entnehmen, dass durch die Weichstoffauflage lediglich etwa 2/3 der Flanschdichtleiste abgedeckt sind -Merkmal M3). Außen am metallischen Grundkörper 1 ist ein flach ausgebildeter Zentrierring vorgesehen -Merkmal M5) (Seite 11, letzter Absatz, und Figur 1 der D1).
Bei dieser bekannten Dichtungsanordnung ist der Grundkörper 1 im mit den Weichstoffauflagen 11, 12 belegten Bereich flach ausgebildet. Die Weichstoffauflagen sind lediglich am Rand von jeweils einem Ringzahn 2, 5 bzw. 3, 6 eingegrenzt (Anspruch 1 und Figur 1 mit zugehörigem Beschreibungsteil der D1). Der an den äußeren Ringzahn 6 anschließende Zentrierring ist als ebene Ringfläche ausgebildet (Figur 1 und Seite 11, letzter Absatz der D1). Somit unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand hiervon durch die Merkmale M4) und M6) des Schutzanspruchs 1. Denn nach Merkmal M4) ist zumindest der (gesamte) mit den Weichstoffauflagen abgedeckte Teil des metallischen Grundkörpers wellenförmig oder vorzugsweise zackenförmig ausgebildet. Nach Merkmal M6) ist der Zentrierring nicht wie in D1 gezeigt eben ausgebildet, sondern weist mehrere Sicken oder Wellen auf, welche flacher sind als die Wellen oder Zacken des metallischen Grundkörpers im mit Weichstoffauflagen abgedeckten Bereich.
Eine Anregung zur Weiterbildung der aus der WO 99/45298 A1 (D1) bekannten Dichtungsanordnung in die mit dem Streitgebrauchsmuster beanspruchte Richtung wird dem Fachmann weder durch sein fachmännisches Wissen noch durch den weiteren angeführten Stand der Technik gegeben.
Bei der WO 99/45298 A1 (D1) soll durch die Ringzähne 2/5, 3/6 verhindert werden, dass die Weichstoffauflagen 11, 12 aus den Dichtbereich austreten können (Seite 11, Absatz 2 und Figur 1 der D1). Aus diesem Grund erstrecken sich die Ringzähne jeweils bis zur Flanschwand und liegen mit ihren Spitzen an dieser an. Da die Ringzähne durch diese Anordnung zum einen die Weichstoffauflagen zuverlässig einkammern und zum anderen die Ringzähne noch eine zusätzliche metallische Dichtung bilden, besteht für den Fachmann keine Veranlassung, von dieser Gestaltung des Grundkörpers abzuweichen. Auf Grund fachmännischer Überlegungen ergeben sich auch keine Gründe, den ebenen Zentrierring umzugestalten.
Die von der Antragstellerin weiter angeführte ProfilÜbersicht der Firma K... (D6) zeigt auf Seite 2 mit dem Profil W11A eine gewellte Dichtung mit einem metallischen Grundkörper und einer Weichstoffauflage. Der zugehörige Flansch ist dort nicht gezeigt. Der Fachmann geht daher auf Grund seines Fachwissens davon aus, dass die Weichstoffauflage in üblicher Weise nach außen hin die gesamte Flanschdichtleiste abdeckt. Der Rand des metallischen Grundkörpers ist für die Zentrierung der Dichtung am Schraubenlochkreis nicht mit der Weichstoffauflage belegt (Seite 2, rechte Spalte, Absatz 1 der D6). Der metallische Grundkörper ist über seine gesamte radiale Erstreckung gleichmäßig durchgehend gewellt (Seite 2, rechte Spalte, Figur der D6). Diese Lehre führt den Fachmann vom Streitgegenstand weg. Zum einen lehrt diese Schrift nämlich, den metallischen Grundkörper nicht wie beim Streitpatent im Dichtbereich und im Bereich des Zentrierrings mit unterschiedlichen Höhen der Sicken oder Wellen auszubilden, sondern den gesamten metallischen Grundköper durchgehend gleichmäßig gewellt zu gestalten. Außerdem lehrt diese Schrift, nicht nur 4 bis 80 %, sondern den gesamten Dichtbereich mit Weichstoffauflagen zu versehen.
Aus der DE 201 21 984 U1 (D5) ist eine Dichtungsanordnung bekannt, die vor allem als Zylinderkopfdichtung eingesetzt werden soll (Seite 2, Absatz [0001] der D5). Daher befasst sich diese Druckschrift in erster Linie mit der Ausbildung der metallischen Lagen, die die Dichtung darstellen.
Bei den dort beschriebenen Dichtungen wird unterschieden zwischen einem Abschnitt mit einer Profilierung 2 einerseits und einer Sicke 3 andererseits. Die Höhe der Sicke 3 ist größer als die der Profilierung 2 (vgl. den letzten Satz von Absatz [0075] der D5). Die Profilierung 2 besteht aus Wellen, die vor allem eine Stopperfunktion aufweisen. Die Profilierung wirkt somit als Verformungsbegrenzer für die Sicke 3, damit diese nach Herstellung der Flanschverbindung weiter ihre elastischen Eigenschaften beibehält. Zugleich weist die Profilierung 2 eine Abdichtfunktion auf (Seite 5, letzter Satz des Absatzes [0052] der D5). Zur Beeinflussung der Federcharakteristik der Profilierung können die Zwischenräume zwischen den benachbarten Wellenbergen der Profilierung z. B. mit einem Elastomer ausgefüllt sein (Seite 5, Absatz [0054] der D5).
Aus dieser Funktionsweise folgt unmittelbar, dass bei dieser Dichtungsanordnung die Sicke 3 zusammen mit der Profilierung 2 die Abdichtung des Zylinderkopfes oder des Flansches bewirkt. Weder die Sicke 3 noch die Profilierung 2 ist als Zentrierring anzusehen, da diesem keine Abdichtfunktion zukommt. Somit können von dieser Schrift keine Anregungen zur Ausgestaltung eines Zentrierringes ausgehen.
Aus der US-PS 1 030 055 (D9) und der US-PS 843 394 (D10) sind Dichtungen mit einem Grundkörper bekannt, der wellenförmig ausgebildet ist (Figuren 1 bis 4 der D9 und Figuren 1, 2 der D10). Die Höhe der Wellungen verringert sich vom Innendurchmesser des Flansches zu seinem Außendurchmesser hin. Mit dieser Ausgestaltung soll erreicht werden, dass über die gesamte Dichtfläche eine sichere Abdichtung erreicht wird, indem überall gleiche Dichtkräfte wirken (Seite 1, Zeilen 53 bis 59 der D9 und Seite 1, Zeilen 43 bis 47 der D10). Denn eine Verformung des Flansches, die beim Herstellen der Flanschverbindung durch die Schraubenkräfte erfolgt, wird durch die unterschiedlichen Höhen der Wellungen kompensiert.
Bei beiden Druckschriften wirkt der gesamte gewellte Ring als Dichtung. Ein Zentrierring ohne Abdichtfunktion ist dort nicht vorgesehen. Diese Druckschriften können somit keine Anregung zur Gestaltung eines außerhalb des Abdichtbereichs liegenden Zentrierrings geben. Gleiches gilt für die aus der DE 25 01 000 A1 (D11) bekannte Dichtungsanordnung, da bei dieser ebenfalls kein Zentrierring offenbart ist.
Vom Streitgegenstand weiter ab liegt die Lehre nach der WO 97/49939 A1 (D3). Diese von der Antragstellerin lediglich am Rande erwähnte Schrift zeigt Segmente für eine Dichtungsanordnung. Mehrere dieser Segmente 1 sind verteilt am Umfang eines Dichtungsrings 5 angeordnet, um die Dichtungsanordnung beim Einbau zwischen zwei Flansche zu zentrieren (Seite 1, Absatz 2 und Figur 2 der D3). Zur Ausgestaltung der Dichtungsanordnung selber sind dieser Schrift keine näheren Angaben zu entnehmen.
Die Entgegenhaltungen "Dubbel" (D7) und "Maßtabellen" (D8) wurden von der Antragstellerin nicht zur Schutzfähigkeit des beanspruchten Gegenstands, sondern als Nachweis angeführt, dass am Markt eine Vielzahl von Flanschen mit unterschiedlich breiten Flanschdichtleisten allgemein bekannt ist. Diese Druckschriften liegen somit ebenso wie die weitere im Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin nicht mehr aufgegriffene Entgegenhaltung US 2004/0160017 A1 (D2) vom Beanspruchten noch weiter ab als der vorstehend abgehandelte Stand der Technik.
Da somit keine der angeführten Druckschriften dem Fachmann am Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters eine Anregung gegeben hat, bei einer Dichtungsanordnung einen Zentrierring in der Ausgestaltung nach Merkmal M6) des geltenden Schutzanspruchs 1 vorzusehen, kann auch keine der weiteren möglichen Kombinationen der insgesamt angeführten Druckschriften zu einer Dichtungsanordnung mit diesem Merkmal M6) führen.
Die Entgegenhaltung D4 ist nach dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters veröffentlicht worden und daher nicht zu berücksichtigen.
5. Die Rechtsbeschwerde war auf Anregung der Antragstellerin zuzulassen, da es sich bei der Frage, welche rechtliche Auswirkung der Einreichung neuer Schutzansprüche im Laufe des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens zukommt und unter welchen konkreten Umständen dem verfahrensrechtlichen Antrag, das Gebrauchsmuster mit einem eingeschränkten Gegenstand aufrechtzuerhalten die Bedeutung einer Einschränkung eines zunächst unbeschränkt eingelegten Widerspruchs zukommt, um eine rechtliche Frage grundsätzlicher Bedeutung handelt, § 18 Abs. 4 S. 1 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2 PatG.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Müllner Bülskämper Reinhardt Pr
BPatG:
Beschluss v. 07.04.2009
Az: 35 W (pat) 429/08
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