Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 157/99

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2000, Az.: 27 W (pat) 157/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Als Anmeldemarke für "Halbleiterbauelemente, insbesondere Transistoren, Dioden, Speicher, Sensoren und integrierte Schaltungen" eingetragen ist die Bezeichnung "VDP".

Hiergegen ist aus der als durchgesetztes Verbandszeichen unter der Nr 780 139 registrierten Marke "VDE" Widerspruch eingelegt worden, die Schutz genießt für "elektrische Beleuchtungs-, Heizungs-, Koch-, Kühl-, Trocken- und Lüftungsgeräte; Kabel, elektrische Leitungen sowie Isolier-Rohre für elektrische Kabel und Leitungen; elektrische Werkzeuge, Kabelvergußmassen; elektromedizinische Geräte, insbesondere Hochfrequenzapparate für medizinische Zwecke; elektrische Meßinstrumente, Rundfunkgeräte, Lautsprecher, Fernmeldegeräte, Elektrovorschaltgeräte für Gasentladungslampen, elektrische Temperaturregelgeräte, elektrotechnisches Installationsmaterial, elektrotechnische Apparate und Geräte sowie elektrische Elemente und Batterien; elektrische Haus- und Küchengeräte, Elektrozaungeräte, Elektrofischereigeräte, Elektromotoren, elektrische Rasierapparate, elektrische Futterdämpfer, elektrische Haarschneidemaschinen, elektrische Viehschermaschinen sowie Nähmaschinen mit elektrischem Betrieb, elektrische Spieluhren; Heizkissen und Heizteppiche mit elektrischer Heizeinrichtung; elektrische Uhren".

Die Anmelderin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten und ihre Einrede nach einem Versuch der Glaubhaftmachung durch die Widersprechende aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamts hat durch einen Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dabei hat sie die Frage der Benutzung offen gelassen und ist von jedenfalls höchst ähnlichen Waren ausgegangen. Dennoch reicht nach ihrer Meinung der Abstand der Vergleichsmarken für ein sicheres Auseinanderhalten aus. Auf dem in Rede stehenden Warengebiet besitze die Widerspruchsmarke einen normalen Schutzumfang. Für eine erhöhte Kennzeichnungskraft lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, zumal die Anmelderin jedenfalls für die Wort-Marke "VDE" eine solche bestritten habe. Hiervon ausgehend sei eine Verwechslungsgefahr in zeichenrechtlich beachtlichem Umfang nicht zu befürchten. Die verhältnismäßig kurzen (Buchstaben-)Zeichen unterschieden sich im Klang deutlich, weil dem Vokal "e" in der Widerspruchsmarke akustisch die Lautfolge "pe" gegenüberstehe, die einen Sprenglaut enthalte, der wegen der Kürze der Kennzeichnungen stark ins Gewicht falle. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Anmeldewaren für Fachleute bestimmt seien, die besser unterrichtet und aufmerksamer seien als ein normales Publikum. Da auf dem einschlägigen Warengebiet Buchstaben- und Zahlenkombinationen häufig verwendet würden, sei der angesprochene Verkehr auch daran gewöhnt, bei derartigen Kennzeichnungen größere Aufmerksamkeit walten zu lassen. Dies gelte entsprechend für die optische Wahrnehmung der Marken.

Gegen diesen Beschluß hat der Widersprechende Beschwerde eingelegt. Er hält die Vergleichszeichen für verwechselbar. Nach seiner Meinung geht die Markenstelle fälschlicherweise von einem Fachpublikum aus; sowohl die Anmeldewaren als auch die der Widerspruchsmarke würden heute aber in beachtlichem Umfang auch Endverbrauchern angeboten (zB in Baumärkten) und von ihnen auch gekauft. Diese Kreise seien sonach bei der Prüfung der Kollisionsgefahr zugrundezulegen. Die einander gegenüberstehenden Waren seien identisch oder in hohem Maße ähnlich. Die Widerspruchsmarke sei eine der bekanntesten Kennzeichnungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik, wofür der Widersprechende verschiedene Unterlagen eingereicht hat. Sowohl klanglich als auch schriftbildlich seien die Buchstabenfolgen "VDP" und "VDE" so ähnlich, daß Verwechslungen in hohem Maße zu befürchten seien.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle hatte die Vorgängerin der jetzigen Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke weiterhin bestritten, desgleichen eine Bekanntheit der eingetragenen Widerspruchsmarke (- nur die bildlich ausgestaltete Dreiecksmarke "VDE" sei dem Verkehr geläufig, und auch das nur im Zusammenhang mit elektrischen Geräten, nicht aber für Halbleiterelemente). Sie hatte ferner vorgetragen, daß es einerseits schon an der Warenähnlichkeit fehle, andererseits aber auch die Vergleichsmarken nicht verwechselbar seien.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde mußte in der Sache ohne Erfolg bleiben, da es dem Widersprechenden nicht gelungen ist, die zulässigerweise bestrittene Benutzung seiner Marke für hier relevante Waren glaubhaft zu machen (MarkenG § 43 Abs 1, § 26).

Die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin bezieht sich nach derzeitigem Verfahrensstand (nur) auf die fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldemarke (November 1995), wie sich dies aus der Vorschrift des MarkenG § 43 Abs 1 Satz 1 ergibt. Der Widersprechende hat zwar einen Versuch der Glaubhaftmachung unternommen, der aber viele Fragen offenläßt und die Einrede der Markeninhaberin nicht entkräftet.

Da es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Kollektivmarke handelt, würde eine Benutzung durch den Widersprechenden selbst oder durch wenigstens eine hierzu befugte Person ausreichen (MarkenG § 100 Abs 2). Der Widersprechende hat nun einerseits erklärt, daß sein Institut sämtliche im Warenverzeichnis genannten Geräte etc. prüfe und dem jeweiligen Antragsteller eine Zertifizierung erteile, die ihn berechtige, das positiv geprüfte Produkt mit dem in der Zertifizierung genannten Prüfzeichen zu versehen. Nach Kenntnis des Widersprechenden würden die Prüfzeichen auch im Zusammenhang mit den geprüften Waren verwendet. Er hat einige anonymisierte Beispiele von Zertifizierungen vorgelegt sowie ein Zertifizierungsregister, aus dem die Firmen ersichtlich sind, die Inhaber von Zertifizierungen sind.

Die drei vorgelegten Zertifizierungsbeispiele betreffen eine "Switching Diode", ein "optoelektronisches Koppelelement" und einen Transistor. Die Frage ist zunächst - darauf hatte auch die Markeninhaberin im Verfahren vor dem Patentamt bereits hingewiesen -, ob diese Waren überhaupt im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten sind. Zumindest auf den ersten Blick können insoweit erhebliche Zweifel auftauchen, da es sich hier nicht um irgendeines der vielen dort genannten Elektrogeräte handelt. Anderseits ist zu bedenken, daß die Widerspruchsmarke ein verhältnismäßig altes Zeichen ist, das im Jahr 1961 angemeldet wurde. Das Warenverzeichnis solcher Marken nimmt generell am technischen Fortschritt teil, so daß bei der Subsumtion von Einzelwaren unter dort genannte Oberbegriffe großzügig zu verfahren ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 26 Rdn 72). So gesehen ist es letztlich möglich, die Waren, für die eine Benutzung behauptet wird (Diode, Transistor, Koppelelement), in diesem Fall wenigstens noch unter die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke genannten "elektrischen Elemente" zu subsumieren (- auch wenn damals, bei der Anmeldung, mit diesem Begriff wohl etwas anderes gemeint war). Dies allein kann jedoch noch nicht zu einer Anerkennung der Benutzung der Widerspruchsmarke führen, da hinsichtlich des Vorliegens dieses Tatbestands weitere Bedenken bestehen.

Zwar könnte man vielleicht im Hinblick auf MarkenG § 26 Abs 3 - jedenfalls bei großzügiger Betrachtungsweise - eine rechtswirksame Benutzung annehmen, obgleich aus den eingereichten Unterlagen hervorgeht, daß die Lizenz nicht für die Widerspruchsmarke in ihrer eingetragenen Form, sondern für das VDE-Zeichen in den bekannten bildlichen Ausgestaltungen erteilt wurde.

Selbst wenn man aber unterstellt, daß eine Verwendung der Markenformen, für die die Lizenz erteilt wurde, für eine rechtserhaltende Benutzung ausreichen würde, so geht aus dem Versuch der Glaubhaftmachung weder hervor, ob denn nun überhaupt eine Benutzung für die in Rede stehenden Waren stattgefunden hat, noch, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang dies geschehen wäre. So ist es durchaus möglich, daß ein Hersteller von Transistoren für ein bestimmtes Produkt eine VDE-Zertifizierung erhält, ohne daß er deshalb zwangsläufig das Prüfzeichen auch markenmäßig einsetzen müßte. Es ist ferner sehr fraglich, wie dies im Zusammenhang mit sehr kleinen, zum Einbau in andere Geräte bestimmten Halbleiterelementen praktisch gehandhabt werden sollte, ob dies dem maßgeblichen Verkehr üblicherweise überhaupt zu Gesicht kommt usw. Eben diese Ungewißheiten hat die Markeninhaberin (bzw ihre Vorgängerin) - neben anderen - bereits im Verfahren vor dem Patentamt ausdrücklich gerügt, ohne daß der Widersprechende hierzu noch etwas vorgetragen hätte. Etwas Schlüssiges zugunsten einer Benutzung läßt sich hierzu auch nicht dem (übrigens erst dem Jahr 1996 entstammenden) Zertifizierungsregister entnehmen. Aus ihm ergibt sich zunächst einmal, daß der Widersprechende gerade im Bereich der einschlägigen Halbleiterbauelemente recht wenig Prüfzeichen vergeben hat, vergleicht man das mit der wohl bei 200.000 liegenden Zahl von Zertifizierungen für sonstige Elektrogeräte jeglicher Art (auf die sich ja wohl auch die Bekanntheit des VDE-Signets zurückführen läßt); es ist nämlich lediglich an die Firma Siemens für einige Dioden (Gruppe 4820, S 800) und Transistoren (Gruppe 4830, S 801) die Genehmigung zur Führung eines Prüfzeichens erteilt worden. Ob die Firma Siemens dies auch tut und ggf wie sie so ein Zeichen anbringt und in welchem Umfang das (in dem maßgeblichen Zeitraum, nämlich in den fünf Jahren vor November 1995) geschehen sein könnte, läßt sich weder den eingereichten Unterlagen noch dem Vortrag der Widersprechenden entnehmen. Solche Unklarheiten, insbesondere wenn sie vom Gegner auch noch ausdrücklich gerügt worden sind, müssen zu Lasten des Widersprechenden gehen (vgl Althammer/Ströbele aaO § 43 Rdn 23 f). Gerichtliche Aufklärungshinweise nach MarkenG § 82 Abs 1 Satz 1 iVm ZPO § 139, § 278 waren nicht veranlaßt. Insbesondere war der Senat nicht gehalten, die Widersprechende auf die erforderliche Konkretisierung ihres Vortrags und die Vorlage zusätzlicher Mittel zur Glaubhaftmachung der weiterhin bestrittenen Benutzung hinzuweisen. Denn ein derartiger Hinweis hätte zu einer Verlagerung der ausschließlich der Widersprechenden obliegenden Verpflichtung zum Beibringen geeigneter Tatsachen und Beweismittel auf das Gericht zu Lasten der Verfahrensgegnerin geführt und damit im Widerspruch zu dem für Benutzungsfragen geltenden Beibringungsgrundsatz sowie der Neutralitätspflicht des Gerichts gestanden (vgl auch Althammer/Ströbele aaO Rdn 25; außerdem BPatG 25 W pat 24/98 "EURAPHARM", veröffentlicht in PAVIS PROMA).

Der Widerspruch würde nach Ansicht des Senats aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn man zugunsten des Widersprechenden (ausnahmsweise) von einer amtsbekannten Benutzung der Widerspruchsmarke ausgehen wollte; denn eine solche Annahme könnte dann selbstverständlich nur typische Elektrogeräte betreffen, bei denen die Verwendung einer VDE-Kennzeichnung allgemein bekannt ist, also zB elektrische Haushaltsgeräte, elektrische Werkzeuge usw. Insoweit würde dann aber wiederum das Problem der Warenähnlichkeit relevant werden; selbst wenn man eine solche in einigen Fällen letztlich nicht verneinen wollte, müßte doch ein erheblicher Warenabstand zu den speziellen Bauteilen der Anmeldemarke unterstellt werden. Unter solchen Aspekten möchte der Senat - auch bei Endverbrauchern, die im vorliegenden Fall wohl nicht unberücksichtigt gelassen werden dürften - den Abstand der Marken noch als klanglich und bildlich ausreichend ansehen.

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Kosten wird auf MarkenG § 71 Abs 1 verwiesen.

Hellebrand Friehe-Wich Albert Wf/Pü






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2000
Az: 27 W (pat) 157/99


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