Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 348/04
(BPatG: Beschluss v. 17.07.2007, Az.: 23 W (pat) 348/04)
Tenor
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 19. Februar 2002 eingegangene Patentanmeldung, für die eine innere Priorität vom 7. März 2001 (Aktenzeichen 201 03 967.2) in Anspruch genommen ist, das am 13. Mai 2004 veröffentlichte Patent 102 06 756 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Schalt-Federkontaktstift" erteilt.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 6. August 2004, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 11. August 2004, Einspruch gegen das Streitpatent eingelegt und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen, da sein Gegenstand mangels Neuheit und/oder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei und/oder das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könnte.
Der Einspruch stützt sich auf den Stand der Technik nach den auf dem Deckblatt der Streitpatentschrift angegebenen Dokumenten:
- DE 195 41 287 C2 (Druckschrift D1)
- DE 28 39 982 C2 (Druckschrift D2)
- DE 40 10 297 A1 (Druckschrift D3)
- DE 37 16 705 A1 (Druckschrift D4
- DE 34 26 295 A1 (Druckschrift D5)
- DE 26 57 016 A1 (Druckschrift D6)
- DE 26 08 430 A1 (Druckschrift D7) und - DD 271 986 A1 (Druckschrift D8), von denen die Druckschriften D1 bis D7 bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zum Stand der Technik genannt worden sind und die Druckschriften D1, D4 und D7 im Prüfungsverfahren aufgegriffen worden sind, sowie zusätzlich auf die Dokumente:
- DE 38 01 222 A1 (Druckschrift D9)
- DE 33 40 431 A1 (Druckschrift D10)
- DE 198 07 913 A1 (Druckschrift D11)
- DE 36 04 717 A1 (Druckschrift D12)
- DE 93 11 187 U1 (Druckschrift D13)
- DE 88 06 071 U1 (Druckschrift D14)
- DE 34 06 796 A1 (Druckschrift D15)
- DE 30 16 483 A1 (Druckschrift D16)
- DE 92 17 922 U1 (Druckschrift D17)
- DE 30 22 394 A1 (Druckschrift D18) und - DE 693 32 604 T2 (Druckschrift D19), von denen die Druckschriften D9 bis D14 auch bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen genannt worden sind.
Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, wobei sie hierzu auf den Stand der Technik nach den Druckschriften D2, D4, D6 und D7 verweist. Das Merkmal des Unteranspruchs 2 ergebe sich eindeutig aus der Druckschrift D6 und auch aus der Druckschrift D2. Zum Nebenanspruch 3 verweist die Einsprechende auf die Druckschriften D9, D15 sowie insbesondere auf die Druckschrift D4 und schlussfolgert, dass durch den Gegenstand des Nebenanspruchs 3 keine erfinderische Tätigkeit begründet werde. Die Merkmale des Unteranspruchs 4 lieferten keinen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe. Ferner sei die Ausgestaltung nach dem Unteranspruch 4 aus der Druckschrift D1 (Fig. 1) und der Druckschrift D13 (Fig. 1) bekannt. Anhaltspunkte dafür ergäben sich auch aus der Druckschrift D8 (Fig. 1), der Druckschrift D15 (Fig. 1) und der Druckschrift D16 (Fig. 7). Die Merkmale des Unteranspruchs 5 lieferten ebenfalls keinen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe. Die Verwendung von Gewinden für lösbare Verbindungen sei dem Durchschnittsfachmann bestens bekannt. Die Druckschrift D15 (Fig. 5) sowie die Druckschrift D16 (Anspruch 1 und Figuren) zeigten solche Beispiele. Zum Unteranspruch 6 werde beispielsweise auf die Druckschrift D15 (insbesondere Fig. 3) als Beleg dafür verwiesen, dass eine klemmende Verbindung zweier Elemente dem Durchschnittsfachmann in vielen Varianten geläufig sei. Auch sei dem Durchschnittsfachmann die Herstellung lösbarer Verbindungen mittels Rastung, wie sie der Unteranspruch 7 vorsehe, bestens bekannt, wobei dazu auf die Druckschrift D15 (insbesondere Figuren 7 und 8) verwiesen werde.
Zudem vertritt die Einsprechende die Auffassung, dass die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 nicht so deutlich gefasst seien, dass ein Fachmann deren Lehre nacharbeiten könnte. So sei im Anspruch 1 ausgeführt, dass der Anschlussstift in das Innere des Isolierstücks eingreife, und im Anspruch 3, dass der Anschlussstift mit einem Außengewinde in ein Innengewinde des Isolierstücks eingreife. Da der Anschlussstift somit durch das Isolierstück permanent vom Lötanschluss isoliert sei, könne zu keinem Zeitpunkt eine elektrische Verbindung zwischen dem Kontaktkopf und dem Lötanschluss entstehen. Die Einheit aus Befestigungshülse und Schalt-Federkontaktstift sei funktionslos. Es stelle sich daher die Frage der Nacharbeitbarkeit.
Die Patentinhaberin ist dem Einspruchsvorbringen mit Schriftsatz vom 25. Januar 2005 in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten. Sie verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung und vertritt die Auffassung, dass das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und dass die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 des Streitpatents durch den gesamten im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen seien.
Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2006 einen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 26. März 2006 zum parallelen Gebrauchsmuster vorgelegt.
Mit der Terminsladung ist darauf hingewiesen worden, dass in der mündlichen Verhandlung die Druckschriften D1, D2 und D4 eine wichtige Rolle spielen würden.
Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 15. Juni 2007 ihre Auffassung bekräftigt, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 3 des Streitpatents nicht erfinderisch seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2007 hat die Patentinhaberin das Streitpatent unverändert in der erteilten Fassung verteidigt und die Auffassung vertreten, dass das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und dass die Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 des Streitpatents durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen seien.
Die Einsprechende hat daran festgehalten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 3 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D4 und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 bei zusätzlicher Einbeziehung der Druckschrift D2 jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.
Der Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet:
"Schalt-Federkontaktstift (1) mit einer Befestigungshülse (9), die insbesondere an einer Kontaktträgerplatte (10) angeordnet ist, wobei die Einheit aus Befestigungshülse (9) und Schalt-Federkontaktstift (1) auf der einen Seite der Kontaktträgerplatte (10) mit einem Kontaktkopf (15a) und auf der anderen freien Seite mit einem Lötanschluss (12) ausgerüstet ist, dadurch gekennzeichnet, dass an der Befestigungshülse (9) an der freien Seite der Lötanschluss (12) den Innenwand-/Bodenbereich (13) eines in der Befestigungshülse (9) am freien Ende eingepassten Isolierkopfes (11) bildet, wobei der Schalt-Federkontaktstift (1) an seinem dem Kontaktkopf (15a) gegenüberliegenden, dem Lötanschluss (12) zugeordneten Ende mit einem in einer Isolierhülse (4) befestigten Anschlussstift (5) ausgerüstet ist, dessen freies Ende (7) zum spreizfedernden Eingriff in das Innere (13) des topfförmigen Isolierstückes (11) geschlitzt (8) ausgebildet ist."
Der nebengeordnete Patentanspruch 3 des Streitpatents unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nur durch das abgeänderte letzte Merkmal "dessen freies Ende (7) zum Eingriff in ein Innengewinde (22) des topfförmigen Isolierstückes (11) mit einem Außengewinde (23) versehen ist".
Wegen der Unteransprüche 2 und 4 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 maßgeblichen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren auch nach dem 30. Juni 2006 zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der in allen gerichtlichen Verfahren geltende Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit bestehen bleibt. Die Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrichtlichen Einspruchsverfahren und des Patentkostengesetzes" (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. Senatsentscheidung vom 19. Oktober 2006, GRUR 2007, 499 - Rundsteckverbinder/perpetuatio fori"). Der gegenteiligen Rechtsauffassung (Entscheidung des 11. Senats des Bundespatentgerichts 11 W (pat) 383/06 vom 12. April 2007), kann nicht gefolgt werden (siehe die zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen 23 W (pat) 313/03 vom 10. Mai 2007 und 19 W (pat) 344/04 vom 9. Mai 2007 - Einspruchszuständigkeit).
Die Rechtsauffassung zur fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatentgerichts wurde nunmehr auch durch den BGH bestätigt (vgl. die zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung X ZB 6/05 vom 27. Juni 2007 - Informationsübermittlungsverfahren II).
III.
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Streitpatent mangels Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) zu widerrufen.
1. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag des Patentinhabers die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145), da ein unzulässiger - einziger - Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").
Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 3 des Streitpatents u. a. den Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit geltend gemacht hat und dazu die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen sollen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie nämlich darauf verwiesen hat, dass die Einheit aus Befestigungshülse und Schalt-Federkontaktstift funktionslos - d. h. nicht funktionsfähig - sei, da der Anschlussstift durch das Isolierstück permanent vom Lötanschluss isoliert sei und deshalb zu keinem Zeitpunkt eine elektrische Verbindung zwischen dem Kontaktkopf und dem Lötanschluss entstehen könne. Ob die vorgetragenen Tatsachen zutreffen und somit den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern erst bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH BlPMZ 1987, 203, 204, li. Sp., vorle. Abs. - "Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz - "Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 84). Von daher ist es unschädlich, dass sich der Einspruch bezüglich des Widerrufsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit lediglich mit Teilaspekten der Lehre der Patentansprüche 1 und 3 des Streitpatents befasst, d. h. nicht den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 bzw. 3 des Streitpatents und dem Stand der Technik herstellt (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82).
2. Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Im Einspruchsverfahren ist die Zulässigkeit der Patentansprüche von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH Mitt. 1995, 243, Leitsatz 2 - "Aluminium-Trihydroxid").
Im vorliegenden Fall kann jedoch dahinstehen, ob die Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents zulässig sind, denn der Einspruch hat jedenfalls deshalb Erfolg, weil die zweifelsohne gewerblich anwendbaren und neuen Gegenstände der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung mangels erfinderischer Tätigkeit als nicht patentfähig erweisen (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage").
3. Patentgegenstand Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl. die Abschnitte [0001] und [0002]) wird in den gleichlautenden Oberbegriffen der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 des Streitpatents von einem Schalt-Federkontaktstift mit einer Befestigungshülse ausgegangen, wie er aus der Druckschrift D1 bekannt ist (vgl. dort den Schalt-Federkontaktstift (Federkontaktstift 1; 1'), die Befestigungshülse (Lagerhülse 4; 4'), die Kontaktträgerplatte (3), den Kontaktkopf (Kontaktteil 8 mit Kopf 9) und den Lötanschluss (Kontaktteil 26) im Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 3, Zeile 35 bis Spalte 5, Absatz 1).
Als nachteilig wird von der Patentinhaberin dabei angesehen, dass der Ein- und Ausbau und insbesondere der Wechsel des Schalt-Federkontaktstiftes sehr umständlich sei, zumal teilweise Lötverbindungen erstellt werden müssten, die beim Wechsel - beispielsweise der Kontaktstifte - getrennt und nachfolgend wieder erstellt werden müssten (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0005]).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, den Ein- und Ausbau einerseits und den Wechsel andererseits derartiger Schalt-Federkontaktstifte nur von der Tastkopfseite aus zu ermöglichen und zu vereinfachen und insbesondere dabei jegliche Lötarbeiten entbehrlich zu machen (vgl. Abschnitt [0006] der Streitpatentschrift).
Mit der Angabe "nur von der Tastkopfseite aus" enthält diese Aufgabe unrichtigerweise einen Lösungsansatz (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 811, amtlicher Leitsatz 2 - "Falzmaschine").
Die Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Schalt-Federkontaktstift mit Befestigungshülse mit den Merkmalen nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 bzw. 3 gelöst:
Denn dadurch, dass gemäß dem Patentanspruch 1:
- an die Befestigungshülse (9) am freien Ende ein Isolierkopf (11) eingepasst ist, dessen Innenwand-/Bodenbereich vom Lötanschluss (12) gebildet wird, ist der Lötanschluss (12) Bestandteil der Befestigungshülse (9) (vgl. hierzu auch die Fig. 3 der Streitpatentschrift).
Dadurch, dass gemäß dem Patentanspruch 1 ferner:
- der Schalt-Federkontaktstift (1) an seinem dem Kontaktkopf (15a) gegenüberliegenden, dem Lötanschluss (12) zugeordneten Ende mit einem Anschlussstift (5) ausgerüstet ist, der in einer Isolierhülse (4) befestigt ist, wobei dessen freies Ende (7) zum spreizfedernden Eingriff in das Innere (13) des topfförmigen Isolierstückes (11) geschlitzt (8) ausgebildet ist (vgl. hierzu auch die Figuren 1, 2 und 4 bzw. 5 der Streitpatentschrift), kann der Schalt-Federkontaktstift (1) zum Wechsel aus der Befestigungshülse (9) herausgezogen werden - von Seiten des Tastkopfes (15a) aus -, wobei die Verlötung des zur Befestigungshülse (9) gehörenden Lötanschlusses (12) von dem Wechsel des Schalt-Federkontaktstiftes (1) unberührt bleibt (vgl. hierzu auch die Streitpatentschrift, Abschnitt [0007] i. V. m. den Figuren 1, 3 und 4).
Durch die Isolierhülse (4) und den Isolierkopf (11) wird dabei ein Kurzschluss des Schalters des Schalt-Federkontaktstiftes (1) über das hülsenförmige Gehäuse (2) des Schalt-Federkontaktstiftes (1) bzw. die Befestigungshülse (9) vermieden und damit die Schaltfunktion des Schalt-Federkontaktstiftes (1) sichergestellt (vgl. zu letzterem die Figuren 4 und 5 mit zugehöriger Beschreibung im Abschnitt [0031] der Streitpatentschrift).
Die Variante nach dem nebengeordneten Patentanspruch 3 unterscheidet sich von derjenigen nach dem Patentanspruch 1 nur dadurch, dass bei ihr die lösbare Spreizfederverbindung des Patentanspruchs 1 (vgl. Fig. 8) durch eine lösbare Schraubverbindung ersetzt ist (vgl. Fig. 9), wobei der Anschlussstift (5') zu diesem Zweck ein Außengewinde (23) zum Eingriff in eine Innengewinde (22) des topfförmigen Isolierstückes (11) aufweist (vgl. die Figuren 6 und 7 mit zugehöriger Beschreibung).
4. Ausführbarkeit Der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, die Lehre der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 sei aufgrund unzureichender Offenbarung nicht ausführbar, kann nicht gefolgt werden.
Die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung benötigt, müssen nicht im Patentanspruch enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus dem Inhalt der Patentunterlagen insgesamt ergeben (BGH GRUR 2003, 223 Leitsatz, 225 li. Sp. - "Kupplungsvorrichtung II" m. w. N.; BGH GRUR 2004, 47, 48 re. Sp. - "blasenfreie Gummibahn I" m. w. N.). Im vorliegenden Fall offenbart das Ausführungsbeispiel des Streitpatents die Erfindung aber so klar und deutlich, dass ein Fachmann sie ausführen kann (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG). Im Übrigen ist die Erfindung aber auch in den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 3 des Streitpatents bei sorgfältigem Studium so offenbart, dass sie vom Fachmann ausführbar ist. Denn gemäß den Patentansprüchen 1 und 3 bildet der - ersichtlich elektrisch leitende - Lötanschluss (12) den Innenwand-/Bodenbereich eines an der Befestigungshülse (9; 9a) eingepassten Isolierkopfes (11) (vgl. den ersten Merkmalskomplex im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 bzw. 3). Soweit in den Patentansprüchen 1 bzw. 3 sodann davon die Rede ist, dass das freie Ende (7) des Anschlussstiftes (5) zum spreizfedernden Eingriff in das Innere (13) des topfförmigen Isolierstückes (11) geschlitzt (8) ausgebildet ist (vgl. den letzten Merkmalskomplex im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1) bzw. das freie Ende des Anschlussstiftes (5') zum Eingriff in ein Innengewinde (22) des topfförmigen Isolierstückes (11) mit einem Außengewinde (23) versehen ist (vgl. den letzten Merkmalskomplex im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 3), besagt dies somit, dass das freie Ende (7) des Anschlussstiftes (5) spreizfedernd in das Innere (13) des den Innenwand-/Bodenbereich des topfförmigen Isolierstückes (11) bildenden Lötanschlusses (12) eingreift (Patentanspruch 1) bzw. dass das freie Ende des Anschlussstiftes (5') mit seinem Außengewinde (23) in ein Innengewinde (22) des den Innenwand-/Bodenbereich des topfförmigen Isolierstückes (11) bildenden Lötanschlusses (12) einschraubbar ist (Patentanspruch 3). In beiden Fällen ist also eine elektrische Verbindung zwischen dem Anschlussstift (5 bzw. 5') und dem Lötanschluss (12) gewährleistet.
5. Patentfähigkeita) Patentanspruch 3 Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 3 des Streitpatents ist zwar neu, jedoch beruht er gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Schalt-Federkontaktstiften befasster, berufserfahrener Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung zu definieren ist.
Die Druckschrift D4 offenbart - in der Terminologie des Streitpatents - einen Federkontaktstift (Kontaktstift 10) mit einer Befestigungshülse (Zylinderwand 21), die von einer Kontaktträgerplatte getragen werden (vgl. Spalte 1, Zeilen 25 bis 41) und dabei folgende Merkmale des Patentanspruchs 3 des Streitpatents aufweisen:
- die Einheit aus Befestigungshülse (21) und Federkontaktstift (10) ist auf der einen Seite der Kontaktträgerplatte mit einem Kontaktkopf (15) und auf der anderen freien Seite mit einem Anschluss (Buchse 20 mit Sackloch 30 für nicht dargestellte Verdrahtung) ausgerüstet (vgl. Anspruch 1 i. V. m. Spalte 1, Zeilen 29 bis 41 und der Zeichnung mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 2, letzter Absatz),
- wobei der Anschluss (20) auf der anderen freien Seite einen topfförmigen Innenwand-/Bodenbereich (Sacklochbohrung 30) der Befestigungshülse (21) bildet und - wobei der Federkontaktstift (10) an seinem dem Kontaktkopf (15) gegenüberliegenden, dem Anschluss (20) zugeordneten Ende mit einem Anschlussstift (Schraubzapfen 27) ausgerüstet ist, dessen freies Ende zum Eingriff in ein Innengewinde (24) des topfförmigen Innenwand-/Bodenbereichs (23) des Anschlusses (20) mit einem Außengewinde (28) versehen ist (vgl. die Zeichnung mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 2, vorletzter Absatz).
Dazu ist zu bemerken, dass der Anschluss (20) gemäß der Druckschrift D4 zwar als Crimpanschluss ausgebildet ist (vgl. Spalte 2, letzter Absatz), dass jedoch für den Fachmann ein Lötanschluss gegenüber einem Crimpanschluss ein fachnotorisch austauschbares Mittel darstellt, das er bei der aufmerksamen Lektüre der Druckschrift D4 in Gedanken gleich mitliest (vgl. BGH GRUR 1995, 330, Leitsatz 2 - "Elektrische Steckverbindung").
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 3 des Streitpatents von diesem Stand der Technik nach der Druckschrift D4 noch dadurch, dass bei ihm:
- der Federkontaktstift als Schalt-Federkontaktstift (1) ausgebildet ist,
- wobei in die Befestigungshülse (9a) am freien Ende ein topfförmiger Isolierkopf (11) eingepasst ist, dessen Innenwand-/Bodenbereich (13) der Lötanschluss (12) bildet, und - der Anschlussstift (5') in einer Isolierhülse (4) befestigt ist.
Diesem Unterschied ist jedoch keine patentbegründende Bedeutung beizumessen:
Aus der Druckschrift D1 ist nämlich bereits ein Schalt-Federkontaktstift (1) bekannt, dessen Anschlussstift (Kontaktstift 26) in einer Isolierhülse (Isolierteil 16) befestigt ist (vgl. Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung), ersichtlich um einen Kurzschluss des Schalters des Schalt-Federkontaktstiftes (1) durch dessen Hülse (5) zu vermeiden.
Es beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann den Federkontaktstift nach der Druckschrift D4 - um der vorteilhaften Schaltfunktion willen - als Schalt-Federkontaktstift ausbildet und dabei den Anschlussstift (27) zur Kurzschluss-Vermeidung ebenfalls in einer Isolierstoffhülse befestigt.
Da gemäß der Druckschrift D4 (vgl. Zeichnung) die Befestigungshülse (Zylinderwand 21) aber leitend mit dem Anschluss (20) verbunden ist, wird der Fachmann zur Vermeidung des daraus resultierenden Kurzschlusses des Schalters des Schalt-Federkontaktstiftes über die Befestigungshülse (21) selbstverständlich eine entsprechende - weitere - Isolierstoffhülse auch zwischen der Befestigungshülse (21) und dem Anschluss (20) vorsehen, wobei der Anschluss (20) dann mit seiner Sackbohrung (23) den Innenwand-/Bodenbereich der Isolierhülse bildet. In der Terminologie des Patentanspruchs 3 des Streitpatents wird der Fachmann also in die Befestigungshülse (21) am freien Ende einen Isolierkopf (weitere Isolierhülse) einpassen, dessen Innenwand-/Bodenbereich den Anschluss (20) bildet, wobei das freie Ende des Anschlussstiftes (27) zum Eingriff in das Innengewinde (24) des topfförmigen Isolierkopfes bzw. Isolierstückes mit einem Außengewinde (28) versehen ist. Damit gelangt der Fachmann aber ohne erfinderisches Zutun bereits zum Gegenstand des Patentanspruchs 3 des Streitpatents.
Der Schalt-Federkontaktstift nach dem Patentanspruch 3 des Streitpatents ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D4 nicht patentfähig.
b) Patentanspruch 1 Soweit der Patentanspruch 1 inhaltlich mit dem Patentanspruch 3 übereinstimmt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden diesbezüglichen Ausführungen verwiesen.
Der Schalt-Federkontaktstift nach dem Patentanspruch 1 unterscheidet sich von demjenigen nach dem Patentanspruch 3 - wie dargelegt - nur dadurch, dass bei ihm anstelle der Schraubverbindung gemäß dem Patentanspruch 3 das freie Ende (7) des Anschlussstiftes (5) zum spreizfedernden Eingriff in das Innere (13) des topfförmigen Isolierstückes (11) geschlitzt (8) ausgebildet ist. Unter Berücksichtigung des ersten Merkmals nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1, gemäß dem der Lötanschluss (12) den Innenwand-/Bodenbereich (13) des - dort als Isolierkopf (11) bezeichneten - Isolierstücks (11) bildet, ist das freie Ende (7) des Anschlussstiftes (5) sonach zum spreizfedernden Eingriff in das topfförmige Innere (13) des Lötanschlusses (12) ausgebildet (vgl. hierzu auch die Figuren 2 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung).
Auch dies erweist sich jedoch nicht als patentbegründend:
Denn der Patentanspruch 1 der Druckschrift D4 lässt bewusst offen, auf welche Weise der Federkontaktstift (10) mit dem topfförmig (Sackbohrung 23) ausgebildeten Anschluss (20) lösbar zu verbinden ist (die Schraubverbindung ist nämlich erst Gegenstand des dortigen Patentanspruchs 2). Daher wird der Fachmann auch andere Verbindungsarten in Betracht ziehen. Die Druckschrift D2 offenbart aber einen Federkontaktstift mit einem Anschlussstift (4), der mit einem geschlitzten Ende zum spreizfedernden Eingriff in ein Messgerät versehen ist (vgl. die Figuren 1 und 2 i. V. m. Spalte 2, Zeilen 41 bis 47). Es beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Fachmann diese Art der lösbaren Verbindung auch bei dem Anschlussstift (27) des Federkontaktstiftes (10) nach der Druckschrift D4 vorsieht, d. h. - in der Terminologie des Patentanspruchs 1 des Streitpatents - das freie Ende des Anschlussstiftes (27) zum spreizfedernden Eingriff in das Innere (Sacklochbohrung 23) des topfförmigen Anschlusses (20) geschlitzt ausbildet, womit er ohne erfinderisches Zutun bereits zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gelangt.
Der Schalt-Federkontaktstift nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1, D2 und D4 ebenfalls nicht patentfähig.
c) Unteransprüche Mit den unabhängigen Patentansprüchen 1 und 3 fallen wegen der Antragsbindung auch die direkt oder indirekt darauf zurückbezogenen Unteransprüche 2 und 4 bis 7. Dass diese etwas Patentbegründendes enthalten könnten ist auch von der Patentinhaberin nicht geltend gemacht worden.
Das Patent ist daher nicht rechtsbeständig.
Dr. Tauchert Dr. Gottschalk Knoll Lokys Be
BPatG:
Beschluss v. 17.07.2007
Az: 23 W (pat) 348/04
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