Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 167/99

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2000, Az.: 25 W (pat) 167/99)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 1999 wird in der Hauptsache aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 396 07 592 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Ageroist für "Arzneimittel und Präparate für die Gesundheitspflege, nämlich Geriatrika, ausgenommen solche, die Vitamin E enthalten" am 9. Januar 1997 in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. März 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 8. Juli 1996 für "pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 396 07 592 ABRENO, deren Benutzung nicht bestritten ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von möglicher Warenidentität, einem durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke und der zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern. Diesen halte die jüngere Marke in klanglicher Hinsicht nicht ein, da sie in der Silbenzahl, dem Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der Vokalfolge mit der Widerspruchsmarke übereinstimme und die Unterschiede der Markenwörter sich auf klangschwache Konsonanten beschränkten, welche sich insbesondere bei undeutlicher Sprechweise kaum unterschieden. Ein möglicher, die Gefahr von Verwechslungen mindernder Bedeutungsanklang der Wörter sei nicht erkennbar.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Markenwörter unterschieden sich sowohl in schriftbildlicher Hinsicht durch die abweichende Buchstabenanzahl und Schreibweise der Widerspruchsmarke in Großbuchstaben als auch klanglich durch die unterschiedlichen Konsonanten deutlich, so daß eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Dies gelte um so mehr als zu berücksichtigen sei, daß der Kennzeichnung von Arzneimitteln regelmäßig auch von Laien eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht werde und Unterschiede deshalb eher wahrgenommen würden als bei Kennzeichnungen von Waren anderer Klassen. Auch sei die Verschreibungspflicht der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren verwechslungsmindernd zu berücksichtigen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf den Beschluß der Markenstelle und führt ergänzend aus, daß der rein zahlenmäßige Unterschied der Buchstaben weder phonetisch noch schriftbildlich nachhaltig in Erscheinung trete und die Markenwörter klanglich durch die identische Vokalfolge geprägt seien, so daß eine Verwechslungsgefahr bestehe. Demgegenüber komme den Konsonanten nur eine untergeordnete Bedeutung zu, zumal die betonten Anfangs- und Endsilben weitgehend identisch seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der angefochtene Beschluß aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen war (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auf identischen Waren, nämlich den von der jüngeren Marke beanspruchten Geriatrika, begegnen.

Da für die vorliegend maßgeblichen Waren eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, sind die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand gleichwohl noch strenge Anforderungen zu stellen, die nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht noch eingehalten sind.

In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die jeweils dreisilbigen, gut überschaubaren Markenwörter "A-gero" und "A-breno" in ihrem jeweiligen Gesamteindruck hinreichend deutlich durch ihre abweichenden Konsonanten, die als Anlaute der zweiten und dritten Sprechsilbe das Gesamtklangbild wesentlich mitbestimmen. Zwar sind insoweit keine besonders markanten Unterschiede der einzelnen Laute vorhanden. Jedoch überwiegt hier der Umstand, daß sämtliche gegenüberstehenden Konsonanten verschieden sind und nur die angegriffene Marke in der Wortmitte ein zusätzliches "r" enthält. Dem steht nicht entgegen, daß die Übereinstimmung der Wörter in ihrer Vokalfolge, insbesondere am stärker beachteten Wortanfang, dem unterschiedlichen Klangeindruck entgegenwirkt. Auch insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, daß die recht deutlichen konsonantischen Unterschiede der Mittelsilben "ge" und "bre" durch die je nach Aussprache unterschiedliche Klangfarbe des jeweiligen Vokals "e" verstärkt werden und bei der Prüfung der markenrechtlichen Ähnlichkeit des maßgeblichen Gesamteindrucks der Marken insbesondere auch die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR 1998, 387, 390 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Insgesamt erweist sich deshalb der jeweilige Gesamteindruck der Markenwörter als hinreichend verschieden, so daß diese auch aus der Erinnerung heraus (vgl hierzu BGH GRUR 1993, 972, 974 - Sana / Schosana; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) mit ausreichender Sicherheit auseinandergehalten werden können und eine Verwechslungsgefahr auch unter Berücksichtigung strenger Anforderungen zu verneinen ist.

Auch im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Markenwörter noch einen ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zwar grundsätzlich bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von den Marken in ihrer eingetragenen oder angemeldeten Form ausgehen (vgl BGH MarkenR 2000 140, 143 - ATTACHÉ / TISSERAND; GRUR 1996, 775, 777 - Sali Toft), da diese für die Bestimmung des verteidigten bzw beanspruchten Schutzbereichs maßgeblich ist. Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke sind daneben nach allgemeiner Auffassung aber auch andere verkehrsübliche Wiedergabeformen zu berücksichtigen. Dies wird insbesondere bei Groß- und Kleinschreibung sowie für den Wechsel gebräuchlicher Schrifttypen angenommen, uU auch für handschriftliche Wiedergabe (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 9 Rdn 65; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 14 Rdn 345 mit weiteren Hinweisen auf die st Rspr). Dennoch reichen auch bei Gegenüberstellung der Wörter in jeder gebräuchlichen Schriftform die in der Buchstabenkontur, der Wortlänge und der bei Normalschrift hinzukommenden Unterschiede in der Umrißcharakteristik aus, eine sichere Unterscheidung zu gewährleisten, zumal das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke der angefochtene Beschluß aufzuheben und der Widerspruch aus der Marke 396 07 592 zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






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Az: 25 W (pat) 167/99


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