Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 12. April 2011
Aktenzeichen: 6 U 235/10
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 12.04.2011, Az.: 6 U 235/10)
1. Ob die Markenrechte an einem mit einer Marke versehenen Parfumtester erschöpft sind oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.2. An der für die Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs im Eilverfahren erforderlichen Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung fehlt es in der Regel, wenn die hierfür erforderlichen streitigen Tatsachen lediglich glaubhaft gemacht worden sind.
Tenor
Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, werden die Kosten des Eilverfahrens der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt haben, war gemäß § 91 a ZPO allein über die Kosten des Eilverfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie ohne die zur übereinstimmenden Erledigungserklärung führende Auskunftserteilung aller Voraussicht nach unterlegen gewesen wäre.
Nach bisherigem Sach- und Streitstand stand der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch nicht zu. Sie konnte die begehrte Auskunft über den Inhaber des Verkäuferkontos €€€ insbesondere nicht aus §§ 125 b Nr. 2, 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG herleiten. Denn es fehlte jedenfalls an einer offensichtlichen Markenrechtsverletzung im Sinne von § 19 Abs. 3 MarkenG. Eine Markenrechtsverletzung ist offensichtlich, wenn eine Fehlentscheidung oder eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens kaum möglich erscheint (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz,3. Auflage, § 19 Rdn. 46). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht erfüllt, wenn der Antragsteller die Markenrechtsverletzung lediglich glaubhaft machen kann (Beschluss vom 14.03.2002, Az.: 6 U 254/01, Rdz. 11 bei Juris). Dies genügt zwar, um im Eilverfahren einen Verfügungsanspruch nach der hier stattfindenden summarischen Prüfung feststellen zu können. Es bleibt jedoch offen, ob es dem Antragsteller auch im ordentlichen Erkenntnisverfahren gelänge, seinen Anspruch nachzuweisen.
Die Voraussetzungen einer offensichtlichen Markenrechtsverletzung sind nicht erfüllt, weshalb die Frage, ob § 19 MarkenG auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar ist, letztlich offen bleiben kann. Allerdings setzt die Anwendung deutschen Markenrechts gemäß Artikel 102 Abs. 2 GMV, der Artikel 101 Abs. 2 GMV als speziellere Regelung vorgeht (Eisenführ/Schennen, GMV 3. Auflage, Art. 101 Rn. 5) einen hinreichenden Inlandsbezug der Verletzungshandlung voraus. Artikel 102 Abs. 2 GMV (entspricht Artikel 98 Abs. 2 GMV a.F.) findet auf Auskunftsansprüche Anwendung, da die Gemeinschaftsmarkenverordnung im Unterschied zum autonom geregelten Unterlassungsanspruch keine Regelungen zu den Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz enthält (BGH GRUR 2008, 254, 257, Tz. 41 € The Home Store; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 19 Rn. 4).
Der Inlandsbezug einer Kennzeichenbenutzung muss eine hinreichende wirtschaftliche Relevanz aufweisen (BGH GRUR 2005, 431, Tz. 22 € Hotel Maritime - unter ausdrücklichem Verweis auf die Richtlinien der WIPO und den von ihr geforderten €commercial effect€). Ob das Angebot des Account-Inhabers von €€€ diesen Inlandsbezug bereits deshalb aufweist, weil er einen Versand weltweit anbietet, die Preise der von ihm angebotenen Parfum-Tester nicht nur in englischen Pfund, sondern auch in Euro angibt und vereinzelt auch tatsächlich nach Deutschland geliefert hat, muss hier wegen der fehlenden Offensichtlichkeit der Markenverletzung nicht entschieden werden.
Gibt der Markeninhaber einen mit seiner Marke gekennzeichneten Parfumflakon zu Testzwecken an die nachgeordneten Wirtschaftsstufen weiter, sind seine Rechte an der Marke nur dann nicht erschöpft, wenn er die betreffenden Flakons ohne Übertragung des Eigentums und mit dem Recht des jederzeitigen Rückrufs der Ware an seine vertraglich gebundenen Zwischenhändler weitergibt. Voraussetzung ist weiter, dass sich die Aufmachung der Ware von der Aufmachung der den genannten Zwischenhändlern üblicherweise vom Markeninhaber zur Verfügung gestellten Parfumflakons unterscheidet und diese mit der Aufschrift €Demonstration€ und €unverkäuflich€ versehen sind (EuGH GRUR 2010, 723, 726, Tz. 48; Senat, GRUR-RR 2007, 200).
Die Antragstellerin hat vorgetragen, mit all ihren Depositären Depotverträge abgeschlossen zu haben, kraft derer weitergegebene Parfum-Tester ihr Eigentum bleiben und auf ihre Anforderung zurückzugeben sind. Die Antragsgegnerin hat bestritten, dass ein derartiger Depotvertrag auch für das Gebiet von Großbritannien existiert. Den eidesstattlichen Versicherungen von Herrn A und Frau B lässt sich zwar - mittelbar - entnehmen, dass ein derartiger Depotvertrag, wie von der Antragstellerin als Anlage AS4 vorgelegt, auch für Depositäre in Großbritannien gilt. Dies reicht jedoch nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht aus, um die Offensichtlichkeit einer Markenrechtsverletzung zu begründen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Antragsgegnerin auch bestritten hat, dass ausnahmslos alle Parfum-Tester mit dem Hinweis €Demonstration€ und €unverkäuflich€ versehen worden sind. Auch dies vermochte die Antragstellerin lediglich durch Vorlage entsprechender eidesstattlicher Versicherungen glaubhaft zu machen, jedoch nicht in einer Art und Weise zu belegen, die eine für das Kriterium der Offensichtlichkeit hinreichend sichere Feststellung der Richtigkeit des von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalts ermöglichen würde.
Für die fehlende Erschöpfung ihrer Markenrechte kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23.06.2010 (Az. 6 W 21/10, WRP 2010, 1279) berufen. Darin hat das Oberlandesgericht Karlsruhe ausgeführt, dass eine Erschöpfung der Markenrechte der Markeninhaberin an zu Testzwecken weitergegebenen Parfumflakons auch dann nicht eintritt, wenn sich die Markeninhaberin jedenfalls gemäß § 24 Abs. 2 MarkenG der Weiterveräußerung widersetzen darf, weil sich der Zustand der Ware deshalb verschlechtert hat, weil er ohne Umverpackung weiterveräußert wird. Ein hinreichend sicherer Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Auslieferung erfolgt, ergibt sich noch nicht aus dem Angebot unter Verwendung einer Abbildung, die den Parfumflakon ohne Umverpackung zeigt. Dies ist üblich und gibt keinen Aufschluss darüber, in welchem Zustand das Produkt ausgeliefert wird. In dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe zu entscheidenden Fall bestand die Besonderheit, dass dem Angebot der Satz hinzugefügt war: €Der Artikel wird wie in der Abbildung geliefert.€ An dieser Voraussetzung fehlt es hier, so dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Parfumflakons ganz ohne Umverpackung oder in einer Umverpackung ausgeliefert werden, die dem Markeninhaber Anlass geben kann, sich dem Weitervertrieb gemäß § 24 Abs. 2 MarkenG zu widersetzen. Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, dass sämtliche ihrer nur zu Testzwecken weitergegebenen Parfumflakons lediglich in weißen, vergleichsweise minderwertigen Kartons abgegeben werden. Auch dies hat die Antragsgegnerin jedoch in zulässiger Weise bestritten und vermochte die Antragstellerin lediglich glaubhaft zu machen.
Aus den dargelegten Gründen fehlt es jedenfalls an einer offensichtlichen Markenverletzung mit der Folge, dass die Entscheidung des Landgerichts in der Berufungsinstanz aller Voraussicht nach abgeändert worden wäre.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 12.04.2011
Az: 6 U 235/10
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