Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 16. November 2011
Aktenzeichen: 19 U 12/11
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 16.11.2011, Az.: 19 U 12/11)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 10.12.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um den geschuldeten Rückzahlungskurs für Genussscheine. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 242 € 248 d.A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es den klägerseits verfolgten Zahlungsanspruch sowohl unter den Gesichtspunkten der Rückzahlung und der Auffüllung als auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes für unbegründet hielt (Bl. 241 € 254 d.A.).
Der Kläger hat gegen das ihm am 15.12.2010 zugestellte Urteil (Bl. 257 d.A.) am 14.01.2011 Berufung eingelegt (Bl. 258 d.A.) und nach zweimaliger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.03.2011 (Bl. 264, 269 d.A.) das Rechtsmittel am 28.03.2011 begründet (Bl. 270 ff. d.A.).
Der Kläger verfolgt mit der Berufung den erstinstanzlichen Klageanspruch weiter. Zunächst macht er geltend, dass das Landgericht verkannt habe, dass eine unvertretbare Geschäftstätigkeit im Sinne der Klöckner-Entscheidung (BGH, Urt. v. 5.10.1992, II ZR 172/91, zitiert nach Juris) gegeben sei. Denn obwohl die Beklagte in den Jahren 2007 und 2008 Jahresüberschüsse erwirtschaftet habe, sei es allein aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte bzw. deren Alleinaktionärin, die A-Gruppe, nicht zwingend erforderliche Verlustvorträge ihrer Bilanzen beschlossen habe, zu einem Bilanzverlust gekommen. Damit sei das Instrument des Verlustvortrages dazu benutzt worden, um das Gegenteil der Wiederauffüllung, nämlich den fast vollständigen Wertverfall der Genussscheine zu bewirken.
Für einen Verlustvortrag habe keine Notwendigkeit bestanden und da dieser zudem im Bankenwesen absolut unüblich sei, habe der Kläger damit auch nicht rechnen müssen. Nutznießer der Aktion seien die Beklagte und deren Alleinaktionärin, die zu Lasten der Genussscheininhaber sowohl die Früchte der unbeschrittenen Jahresüberschüsse genießen als auch den Rückkaufwert der Genussscheine dramatisch herabsetzen konnte.
Zudem seien allein die Inhaber der streitgegenständlichen Genussscheine benachteiligt worden.
Die Beklagte habe unstreitig für Eigenkapital in Höhe von 211 Mio. EUR, das seitens der Alleinaktionärin und damit der alleinigen Eigentümerin der Beklagten im Jahr 2006 zur Verfügung gestellt wurde, in den Jahren 2007 und 2008 Zinsen von jeweils 19 Mio. EUR jährlich gezahlt, also insgesamt 38 Mio. EUR, wodurch die Alleinaktionärin verdeckte Ausschüttungen erhalten habe.
Auch diese Ausschüttungen seien daran gebunden, dass ein Gewinn erzielt werde. Die Ausschüttung auf Eigenkapital in Form des nachrangigen Darlehens sei bilanziell als Kosten erfasst worden, die den Gewinn des Unternehmens mindern würden, respektive den Verlustbetrag weiter erhöhen würden. Dadurch sei sowohl gegen Ziff. 8d der Genussscheinbedingungen verstoßen worden als auch eine Schädigung der Genussscheininhaber in Form eines noch höheren Verlustes zusätzlich herbeigeführt worden, da sich deren Rückzahlungswerte hierdurch noch stärker vermindert hätten.
Dieses Vorgehen müsse, da die Beklagte ihre Marktstellung einseitig zu ihren Gunsten ausgenutzt habe, als unvertretbares Geschäftsgebaren bezeichnet werden.
Weiterhin habe das Landgericht übersehen, dass § 8 der Genussscheinbedingungen nur eine Teilnahme der Genussscheininhaber am Bilanzverlust vorsehe. In diesem Zusammenhang führt die Berufung aus, dass das Landgericht in seiner Würdigung der Genussscheinbedingungen nicht berücksichtigt habe, dass die Genussscheinbedingungen sich teilweise selbst widersprechen würden, insofern schon inhaltlich Unklarheiten aufweisen würden, die zu Lasten des Verwenders gehen würden. Als durchschnittlicher Anleger habe der Kläger davon ausgehen können, dass unter dem Begriff Gewinn ein erzielter Gesamtüberschuss zu verstehen sei. Ein Durchschnittsanleger sei nicht in der Lage, Begriffe wie Gewinn, Überschuss, positives Jahresergebnis, Bilanzgewinn oder Jahresüberschuss zu differenzieren. Dass rein wirtschaftlich erzielte Jahresüberschüsse und damit Gewinne durch buchhalterische Tricks wie Verlustvorträge in einen Bilanzverlust umgewandelt werden könnten, übersteige das Verständnis und die Kenntnis des durchschnittlichen Anlegers. In diesem Sinne seien also die Bestimmungen in den AGB der Beklagten nicht offensichtlich und eindeutig, denn in den AGB werde der Begriff €Gewinn€ verwendet, der aber eigentlich €Bilanzgewinn€ heißen müsse. Zudem handele es sich bei den §§ 2 und 8 der Genussscheinbedingung um überraschende Klauseln gemäß § 305c BGB.
Zu der Berechnungsgrundlage der Forderung führt die Berufung aus, dass der Kläger lediglich bezüglich der Genussscheinwerte der C-Genussscheine einen Rückzahlungsanspruch geltend mache. Diesen Rückzahlungsanspruch errechne er in Höhe von 20,587 % der Genussscheine. Diesen Wert entnehme er daraus, dass die B-Genussscheine einen Rückzahlungsanspruch zur selben Auszahlungsfälligkeit von 20,587 % zu verzeichnen hatten. Da die Berechnung der Rückzahlungsansprüche der B-Genussscheine auf der selben Bilanz der Beklagten beruhe wie die der C-Genussscheine, für beide somit gleichartige Voraussetzungen gelten würden, was deren Entwicklung betreffe, hätten die faktisch durch die zu Unrecht berücksichtigten Verluste der Jahre 2007 und 2008 entwerteten C-Genussscheine ohne diesen Eingriff der Beklagten ebenfalls einen Rückzahlungsanspruch von 20,587 % ausweisen müssen.
Ferner legt der Kläger eine Abtretungserklärung seiner Ehefrau vor (Bl. 277 d.A.).
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des am 10.12.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2/12 O 176/10, dazu zu verurteilen, an den Kläger 220.857,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 218.376,-- EUR seit dem 01.05.2009 sowie aus weiteren 2.481,2 EUR seit dem 02.07.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte macht weiterhin geltend, dass die Regelung zur Verlustbeteiligung, anders als es das Landgericht gesehen habe, die Hauptleistungspflicht des Vertrages betreffe und damit von vornherein einer Inhaltskontrolle entzogen sei.
Des Weiteren macht die Beklagte geltend, dass der Kläger die Genussscheine zu einem Zeitpunkt erworben habe, in dem er bereits gewusst habe, dass eine Verlustbeteiligung eingetreten sei. In dieser Situation sei es dem Kläger bereits unter Treuwidrigkeitsgesichtspunkten verwehrt vorzubringen, er habe mit einer solchen Verlustbeteiligung nicht gerechnet.
Insbesondere legt die Beklagte dar, dass der Vortrag von Verlusten zulässig gewesen sei. Ein Bilanzverlust müsse grundsätzlich aufgrund der rechtlichen Vorgaben vorgetragen werden. Aber auch die Entscheidung der Beklagten, Verluste in Folgejahren vorzutragen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Ob eine Gesellschaft nämlich Verluste in Folgejahren vortrage, sei eine Entscheidung, die den Organen obliege, die den Jahresabschluss auf- und feststellen. Es stehe ihnen frei, Verluste vorzutragen, Einschränkungen ergäben sich insoweit auch nicht für Genussscheinemittenten. Zudem wiederholt die Beklagte ihre Behauptung, dass Verlustvorträge im Bankenwesen durchaus üblich seien.
Im Übrigen ist die Beklagte der Ansicht, dass es unerheblich sei, dass sie nur einen Aktionär habe. Es sei aufgrund der gesetzlichen Bilanzierungsregeln nämlich ohne Einfluss, wenn eine Gesellschaft nur einen Aktionär habe. Auch in dieser Konstellation müssten dieselben Regeln zur Bilanzierung und zur Prüfung der Bilanz durch einen Wirtschaftsprüfer eingehalten werden wie bei Gesellschaften mit mehreren Aktionären. Deshalb begründe das bloße Vorhandensein eines Alleinaktionärs auch keine besondere Gefährdungslage für Genussscheininhaber. Dies ergebe sich bereits daraus, dass auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht weisungsgebunden sei.
Die Gewährung eines nachrangigen Darlehens in Höhe von 211 Mio. EUR zur Stärkung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel sei zulässig gewesen. Die Beklagte habe für ihren Geschäftsbetrieb aufsichtsrechtliche Eigenmittel aufnehmen müssen, die sie u. a. als auch nachrangige Darlehen im Sinne des § 10 Abs. 5a KWG aufnehmen könne. Bereits die Existenz des § 10 Abs. 5a KWG zeige, dass dies zulässig sei. Für diese Darlehen habe sie Zinsen und Vergütungen zu zahlen. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Beklagte am Markt diese Mittel nicht erhalten können; aber vor allen Dingen hätte es aus Sicht des Klägers auch wirtschaftlich keinen Unterschied gemacht, wenn die Beklagte die Mittel über die Börse aufgenommen hätte. Auch auf solche Mittel hätten nämlich Zinsen gezahlt werden müssen, die das Ergebnis vermindern würden. Zudem seien die Zinsen auch angemessen und marktüblich gewesen. Entgegen der Ansicht des Klägers hätte die Hauptaktionärin im fraglichen Zeitraum auch keine Ausschüttung erhalten, weil die Beklagte stets einen Bilanzverlust ausgewiesen und Ausschüttungen an Aktionäre nur aus dem Bilanzgewinn erfolgen könnten.
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Eine hiervon abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht geboten. Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen wird.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Aktivlegitimation des Klägers ist aufgrund der Abtretungserklärung der Ehefrau des Klägers (Bl. 278 d. A.) unstreitig geworden.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten unterliegen die Regelungen zur Verlustbeteiligung in den Genussscheinbedingungen (800287 = Anlage K 3 und 800286 = Anlage K 4) der Inhaltskontrolle nach den §§ 307ff. BGB. Auch wenn die Genussscheinbedingungen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts stammen, finden aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die Vorschriften der §§ 305ff. BGB Anwendung.
Zwar unterfallen Regelungen, die den Leistungsinhalt oder das zu zahlende Entgelt festlegen, nicht der Inhaltskontrolle, da die §§ 307ff. BGB eine gerichtliche Überwachung von Leistungsangeboten und Preisen nicht ermöglichen wollen und aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl auch nicht dürfen (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 307 Rn. 44). Klauseln jedoch, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder aushöhlen, unterliegen dagegen der Inhaltskontrolle (BGH NJW 10, 1958).
So liegt der Fall hier. Die Genussscheinbedingungen gestalten in den §§ 7 (800287) bzw. 8 (800286) die Verlustbeteiligung aus, indem sie vorsehen, in welcher Art und Weise die Genussscheine an dem Verlust beteiligt werden. Mithin unterliegen sie einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (so im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 05.10.1992, a.a.O.; LG München I, Urt. v. 16.06.2011, 5 HK O 20632/10; jeweils zitiert nach juris).
3. Die Angriffe der Berufung gegen die landgerichtliche Prüfung des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) greifen nicht durch. Denn bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, und auch nicht auf einen durchschnittlichen Anleger abzustellen, sondern auszugehen ist von dem Verständnishorizont eines an Geschäften dieser Art beteiligten durchschnittlichen Anlegers (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rn. 23), mithin vom verständigen Genussrechtsinhaber.
Dabei ist zu bedenken, dass es keine Verpflichtung gibt, die sich aus dem Gesetz und ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen ergebenden Rechten und Pflichten ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner insoweit zu belehren. Der Verwender darf aus der Gesetzessprache grundsätzlich unbestimmte Rechtsbegriffe übernehmen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rn. 22); diese sind in der Regel nach ihrem juristischem Bedeutungsinhalt zu verstehen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 305c Rn. 16). Mithin ist der Begriff €Bilanzverlust€ in dem Sinne zu verstehen, den er nach den handelsrechtlichen und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften (§ 268 HGB und § 158 AktG) hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass bei Emission von Genussscheinen die Beteiligten trotz Verwendung dieser Begriffe ihnen eine andere als die gesetzliche Bedeutung beimessen wollen (so auch LG Frankfurt, Urt. v. 5.2.2011, 3/5 O 100/10, zit. nach juris).
Nach § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB ist ein vorhandener Verlustvortrag in den Bilanzverlust einzubeziehen und in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben. Ebenso verhält sich die Regelung des § 158 AktG. Mithin ist bei Auslegung des Begriffs 'Bilanzverlust' nicht nur der Jahresfehlbetrag, sondern eben auch der Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu berücksichtigen.
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann auch nicht darin gesehen werden, dass von einer Teilnahme am Bilanzverlust die Rede ist, da in diesem Zusammenhang das Wort 'eine' erkennbar ein unbestimmter Artikel ist.
Selbst wenn in den Genussscheinbedingungen bezüglich des Begriffs €Gewinn€ nicht ausgeführt wird, dass dies den Bilanzgewinn meint, wird ein aufmerksamer und sorgfältiger Teilnehmer am Wirtschaftsleben bei kritischer Durchsicht der Genussscheinbedingungen erkennen können, dass hier wegen der Bezugnahme in § 1 der jeweiligen Genussbedingungen auf § 10 Abs. 5 KWG der Bilanzgewinn gemeint sein muss.
Da die Auslegung zu einem klaren Ergebnis führt, das sich an vom Gesetzgeber vorgegebenen Begriffen orientiert, ist das Transparenzgebot gewahrt (so im Ergebnis auch LG München I, a.a.O.).
4. Die Regelungen über die Verlustteilnahme in den Genussscheinbedingungen sind auch keine überraschenden Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB. Da sich nach dem oben Gesagten die Einbeziehung des Verlustvortrages in den Bilanzverlust aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt, kann schon unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung ein Anwendungsfall von § 305c Abs. 1 BGB nicht bejaht werden (so im Ergebnis auch: LG München I, a.a.O.)
5. Entgegen der Ansicht der Berufung stellt die Regelung der Verlustteilnahme, insbesondere die Regelung zum Verlustvortrag in den Genussscheinbedingungen keine Pflichtverletzung dar. Das Vortragen von Verlusten könnte nämlich nur dann eine Pflichtverletzung darstellen, wenn ein Verlustvortrag unzulässig wäre.
Dies ist aber nicht der Fall, da der Verlustvortrag nach den gesetzlichen Bilanzierungsregeln in den Bilanzverlust einzustellen (§ 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG, § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB) und auch der Verlustvortrag aus dem Vorjahr zulässig ist (§ 158 Abs. 1 Nr. 1 AktG, § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Die gesetzlichen Bilanzierungsregeln gelten auch unabhängig davon, wie viele Aktionäre die Beklagte hat, so dass der Vorwurf der Berufung, die Alleinaktionärin nutze das Instrument des Verlustvortrages, um die Genussscheininhaber zu schädigen, nicht zutrifft.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass diese Art der Bilanzierung zu einer deutlichen Verminderung des Genussrechtskapitals geführt hat € allerdings eben in den rechtlich zulässigen Grenzen.
Unabhängig von der Frage, ob der Verlustvortrag eine Pflichtverletzung gegenüber den Genussscheininhabern darstellt, fehlt es jedoch gerade für den Kläger an einer Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Schaden. Denn der Kläger hat die Genussrechte erst nach der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 25.10.2005 erworben. Zudem waren zum Zeitpunkt des Erwerbs der Genussscheine durch den Kläger bereits die Abrechnungen der Verlustbeteiligung für das Geschäftsjahr 2006 und 2007 und die betreffenden Jahresabschlüsse veröffentlicht. Aus diesen Veröffentlichungen ging hervor, dass Verlustvorträge vorhanden und Teil des Bilanzverlustes sind. Die Verminderung des Genussscheinkapitals war mithin zum Erwerbszeitpunkt bereits eingetreten, weshalb der Kläger die Genussscheine auch zu einem Bruchteil ihres Nominalwertes erwerben konnte.
6. Die Zahlung der Zinsen in Höhe von 38 Mio. EUR stellt auch keine verdeckte Ausschüttung an einen Aktionär dar und mithin keinen Verstoß gegen § 8 (800287) bzw. 9 (800286) der Genussscheinbedingungen.
Die Zahlung von Zinsen für einen Kredit an den Darlehensgeber stellt keine verdeckte Gewinnausschüttung an die Aktionäre dar. Eine solche wäre allenfalls anzunehmen, wenn die letztlich von den Aktionären vereinnahmten Zinsen überhöht und nicht angemessen gewesen wären oder wenn die Aufnahme des Kredits mutwillig erfolgt wäre.
Zu beiden Punkten ist jedoch bereits erstinstanzlich kein Vortrag seitens des Klägers erfolgt.
7. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er hätte zum Zeitpunkt des Erwerbs der Genussscheinrechte darauf hingewiesen werden müssen, dass ein Verlustvortrag erfolgt und bereits erfolgt ist, verkennt die Berufung, dass der Kläger sich wegen eines eventuellen Beratungsfehlers im Rahmen des Erwerbsgeschäfts an seinen Vertragspartner, also an seine Hausbank, und nicht an die Beklagte wenden muss.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich.
Es handelt sich um eine Auslegung von Genussscheinbedingungen im Einzelfall und insbesondere im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des BGH vom 5.10.1992 (II ZR 172/91) liegt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 16.11.2011
Az: 19 U 12/11
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