Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 4. Januar 2006
Aktenzeichen: 4 W 72/05
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 04.01.2006, Az.: 4 W 72/05)
Setzt das Landgericht nach Eingang der Klage durch Beschluss - den Streitwert - abweichend von der Angabe des Klägers (hier: weniger als 500,-- Euro), so ist dieser Beschluss weder im Bezug auf die Zuständigkeitsbeurteilung noch im Hinblick auf eine Festsetzung des Gebührenstreitwertes mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.
Tenor
Die Beschwerde vom 11.11.2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 4.11.2005 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Kläger hat beim Landgericht Klage mit einem auf 917,56 € bezifferten Zahlungsantrag und einem Feststellungsantrag eingereicht. Den Wert des Feststellungsantrages hat er mit 6.000,- € angegeben. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 24.10.2005 darauf hingewiesen, dass gegen den angegebenen Wert des Feststellungsantrages Bedenken bestünden und bei einem niedrigeren Wert das Amtsgericht zuständig wäre. Nach Stellungnahme des Klägers dazu hat es mit Beschluss vom 4.11.2005 den €Streitwert€ auf 1.917,56 € (davon Feststellungsantrag 1.000,- €) festgesetzt. Hiergegen richtet sich die von Klägervertreter eingelegte sofortige Beschwerde, in der nicht ausdrücklich angegeben ist, in wessen Namen oder Recht sie eingelegt wird und die das Ziel verfolgt, den Wert für den Feststellungsantrag auf 6.000,- € festzusetzen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 572 Abs. 2 ZPO). Gegen die vom Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss nach Eingang der Klage erfolgte (vorläufige) Festsetzung des Streitwertes der Klage ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.
1. Dem Kläger steht ein Beschwerderecht gegen diesen Beschluss nicht zu a) Dies gilt zunächst für den Fall, dass der angefochtene Beschluss dahin zu verstehen sein sollte, dass das Landgericht mit ihm den Zuständigkeitsstreitwert nach den §§ 2 ff. ZPO festgesetzt hat, wofür der vorherige Hinweis auf die mögliche Zuständigkeit des Amtsgericht spricht. Da über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts durch Endurteil oder Zwischenurteil nach § 280 Abs. 2 ZPO zu entscheiden ist, hat ein solcher Beschluss lediglich die Funktion eines Hinweises und ist deshalb nicht selbständig anfechtbar. Anfechtbar ist erst die über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts zu treffende Hauptsacheentscheidung, also etwa die durch Urteil erfolgende Abweisung der Klage mangels sachlicher Zuständigkeit (OLG Koblenz MDR 2004, 1309; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 62 GKG Rz. 1). b) Sollte der Streitwertbeschluss so zu verstehen sein, dass das Landgericht mit ihm ausschließlich vorläufig den Gebührenstreitwert nach § 63 Abs. 1 GKG festsetzen wollte, ist die mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwertes eingelegte Beschwerde des Klägers schon mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im übrigen ist ein Rechtsmittel dagegen schon nicht statthaft. Nach § 68 Abs. 1 GKG ist eine Beschwerde nur gegen die endgültige Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG statthaft. Einwendungen gegen die Höhe des vorläufig festgesetzten Wertes können nach § 63 Abs. 1 S. 2 GKG nur im Verfahren gegen die Anforderung des Vorschusses (§ 67 GKG) geltend gemacht werden (h.M., vgl. OLG Hamm MDR 2005, 1309; Hartmann, a.a.O., § 63 GKG Rz. 14).
2. Die Beschwerde ist auch dann nicht statthaft, wenn sie als eine Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 RVG) auszulegen ist. a) Ist der angefochtene Beschluss dahin zu verstehen, dass das Landgericht mit ihm den Zuständigkeitsstreitwert nach den §§ 2 ff. ZPO festgesetzt hat, so steht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Rechtsmittel dagegen aus denselben Gründen wie dem von ihm vertretenen Kläger (oben 1. a) ) nicht zu. Nach überwiegend vertretener und auch zutreffender Ansicht eröffnet § 32 Abs. 2 RVG dem Anwalt grundsätzlich keine weitergehenden Beschwerdemöglichkeiten als sie nach den Vorschriften über Wertfestsetzungsverfahren der von ihm vertretenen Partei zustehen. Davon ist eine Ausnahme auch nicht für die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes gerechtfertigt (Pukall, in Mayer/Kroiß, RVG, 2004, § 32 Rz. 91; anderer Auffassung zu § 9 II BRAGO: OLG Bremen AnwBl 1988, 71, OLG Bremen NJW-RR 1993,191; unklar Hartmann, a.a.O., § 32 RVG Rz. 19). Zwar besteht ein eigenes (Gebühren)Interesse des Prozessbevollmächtigten an einer Abänderung des Zuständigkeitsstreitwertes. Denn nach § 62 S. 1 GKG bestimmt, wenn nicht abweichende Wertvorschriften gelten, die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes auch den Gerichtsgebührenstreitwert und daran anknüpfend über § 32 Abs. 1 RVG auch den Wert für die Gebühren des Rechtsanwaltes. Würde man deshalb aber dem Rechtsanwalt die Befugnis einräumen, aus eigenem Recht die informatorisch durch Beschluss erfolgte Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes anzufechten, würde das von § 62 S. 1 ZPO verfolgte Ziel, eine unterschiedliche Festsetzung von Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert zu vermeiden (BGHZ 59, 17, 18), unterlaufen. Eine Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Beschwerdegericht würde für die in der Hauptsacheentscheidung zu treffende Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit nicht binden. Die Richtigkeit dieser Entscheidung könnte der Kläger im Wege einer Berufung durch das Berufungsgericht überprüfen lassen. Das Berufungsgericht aber wäre mangels besonderer gesetzliche Anordnung, wie etwa in § 17 a Abs. 5 GVG, an die Beschwerdeentscheidung nicht gebunden ist und könnte abweichend entscheiden. Damit bestünde die Gefahr, dass es zu einem Auseinanderfallen von Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertfestsetzung kommt. Die auch für die Gebühren maßgebende Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes kann deshalb nur mit dem gegen die Hauptsacheentscheidung eröffneten Rechtsmittel und unter den für dieses Rechtsmittel geltenden Voraussetzungen angegriffen werden. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers verbleibt zur Geltendmachung seiner Auffassung, der Streitwert übersteige 5.000,- €, damit allein die Möglichkeit, gegen die angekündigte Hauptsacheentscheidung, die Abweisung der Klage mangels sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts, in Absprache mit dem Kläger für diesen Berufung einzulegen. Sollte der Kläger die Beschreitung dieses Weges nicht wünschen kann darin kein erheblicher Nachteil für seinen Prozessbevollmächtigten gesehen werden, weil ein Anwalt bei der Übernahme eines Mandats die Partei auch über den Wert der Sache und das für die Klage zuständige Gericht zu unterrichten hat. b) Ist der Streitwertbeschluss so zu verstehen sein, dass das Landgericht mit ihm nach § 63 Abs. 1 GKG den Gebührenstreitwert festsetzen wollte, ist für den Prozessbevollmächtigten des Klägers auch nach § 32 Abs. 2 RVG ein Rechtsmittel nicht statthaft, weil ein solches nach § 63 Abs. 1 S. 2 GKG auch der von ihm vertretenen Partei nicht zusteht (oben 1. b) ). Nach überwiegender und zutreffender Ansicht, ist auch hier eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass § 32 Abs. 2 RVG dem Anwalt keine weitergehenden Beschwerdemöglichkeiten eröffnet als sie nach den Vorschriften über Wertfestsetzungsverfahren der von ihm vertretenen Partei zustehen, nicht gerechtfertigt (OLG Hamm MDR 2005, 1309, 1310; Meyer JurBüro 2000, 396; anderer Auff.: E. Schneider, in: Gebauer/Schneider, BRAGO, § 9 Rz. 65 ff.; Pukall, a.a.O., § 32 Rz. 77 ff.). Da die vorläufige Streitwertfestsetzung im Verlauf des Verfahrens abgeändert werden, der Anwalt aus eigenen Recht endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG beantragen und dagegen Beschwerde einlegen kann, beschränkt sich sein Interesse auf die zutreffende Berechnung seines Kostenvorschusses nach § 9 RVG. Das damit für ihn bei zu niedriger Festsetzung verbundene Kosten- und Insolvenzrisiko zwingt nicht zur Eröffnung einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Beschwerdemöglichkeit, zumal über den dann auch zu niedrig angesetzten Gerichtskostenvorschuss die Staatskasse dasselbe Risiko trägt (OLG Hamm a.a.O.).
Die Rechtsbeschwerde war trotz der von einem anderen Oberlandesgericht abweichenden Rechtsauffassung nicht zuzulassen, weil nach § 68 Abs. Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 04.01.2006
Az: 4 W 72/05
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