Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Januar 1993
Aktenzeichen: 6 U 64/92
(OLG Köln: Urteil v. 08.01.1993, Az.: 6 U 64/92)
1. Die Angabe : "L... unterstützt das Bodenseeschutzprogramm der Deutschen Umwelthilfe e.V. ... ... Deutsche Umwelthilfe" auf der Verpackung eines Geschirrspülmittels verstößt in der konkret beanstandeten Präsentationsform gegen § 3 UWG, wenn im Zeitpunkt des Angebotes der Ware die Unterstützung bereits abschließend geleistet war. Die Aussage ist geeignet, dem Käufer die unzutreffende Vorstellung zu vermitteln, er selbst fördere mit dem Kauf der Ware (noch) unmittelbar oder mittelbar das Projekt; zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher wird angesichts der Entwicklung des Umweltbewußtseins aufgrund dieser Fehlvorstellung einem Erwerb gerade dieses Geschirrspülmittels näher treten.
2. Die beanstandete Werbung verstößt wegen ihres Irreführungspotentials unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen gefühlsbetonten Werbung zugleich gegen § 1 UWG.
3. Auch wenn man in der angegriffenen Aussage eine Meinungsäußerung sieht, steht Art. 5 Abs. 1 GG einer Verurteilung zur Unterlassung nicht entgegen. In dem ausgesprochenen Verbot liegt allenfalls eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit, die nach Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der allgemeinen Gesetze (hier: §§ 1 und 3 UWG) zulässig ist. Die beanstandete Aussage dient in erster Linie werblichen Belagen, nicht aber der Information über einen Gegenstand von allgemeinem Interesse.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. März 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 617/91 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der zur Unterlassung verurteilende Teil des Urteilsausspruchs wie folgt klargestellt wird: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhanddung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf dem Deckel der Verpackung des von ihr vertriebenen Geschirrspülmittels "S. P." anzukündigen: "L. unterstützt das Bodenseeschutzprogramm der Deutschen Umwelthilfe e. V. ... ... Deutsche Umwelthilfe" wie nachstehend - in verkleinernder Ablichtung - wiedergegeben. ... Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Beklagten beträgt 50.199,50 DM.
Gründe
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter
Verein. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es,
Wettbewerbsverstöße - ggfls. unter Inanspruchnahme gerichtlicher
Hilfe - zu bekämpfen und zu unterbinden.
Bei der Beklagten handelt es sich um
ein Unternehmen des L.-Konzerns, der Wasch- und Reinigungsmittel
herstellt.
Die Beklage vertreibt unter anderem das
Geschirrspülmittel "S. P.". Auf dem Deckel der Verpackung dieses
Produkts ist an der linken unteren Ecke ein aufkleberähnlicher
Aufdruck mit der Darstellung eines schwimmenden Wasservogels und
der Aufschrift angebracht:
"L. unterstützt das
Bodensee-Umweltschutzprojekt der Deutschen Umwelthilfe e.V.
...
... Deutsche Umwelthilfe".
Die Einzelheiten sind der
Packungsablichtung im Tenor dieses Urteils sowie dem Packungsmuster
zu entnehmen, das als Anlage 1 zur Klageerwiderung überreicht
worden ist.
Der Streit der Parteien geht um die
wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des aufgedruckten
Hinweises.
Der Kläger hat geltend gemacht, der
gerügte Aufdruck verstoße gegen §§ 1 und 3 UWG, denn die Beklagte
stelle darin ihr Umweltengagement ohne sachlichen Bezug zu dem so
beworbenen Produkt heraus. Ihre Unterstützung des
Bodenseeumweltschutzprojektes benutze sie auf diese Weise als
Vorspann für ihren Produktabsatz. Außerdem erwecke sie die
unzutreffende Vorstellung, ein Teil der Verkaufserlöse fließe in
dieses Projekt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei
Meidung eines beim Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 500.000,- DM, ersatzweise von
Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wie
nachstehend wiedergegeben, für das Geschirrspülmittel "S. P."
anzukündigen
"L. unterstützt das
Bodensee-Umweltschutzprogramm der Deutschen Umwelthilfe e.V.
...
Deutsche Umwelthilfe":
ferner die Beklagte zu verurteilen, an
den Kläger 199,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Dezember 1991 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der
Durchsetzung der Klageforderung stehe bereits die stillschweigende
Annahme der von ihr in anderem Zusammenhang abgegebenen
Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 25. Juli 1991 entgegen.
Hierin liege der Abschluß eines Vergleichs, mit dem der Kläger
zugleich auf einen weitergehenden eventuellen
Unterlassungsanspruch verzichtet habe.
Der nunmehr beanstandete Aufdruck sei
im übrigen wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern durch
das Recht zur Meinungsäußerung gedeckt. Der Hinweis auf die
Unterstützung des Bodensee-Umweltprojekts sei weder irreführend
noch stelle er ihr Umweltengagement übertrieben heraus, zumal er
ausgesprochen unauffällig gestaltet sei.
Das Landgericht hat die Beklagte durch
Urteil vom 5. März 1992, auf das wegen seiner Begründung verwiesen
wird, antragsgemäß verurteilt. Gegen das ihr am 29. März 1992
zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 22. April 1992
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach
entsprechender Fristverlängerung mit am 4. August 1992
eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte macht geltend, der
Klageantrag und der Tenor der landgerichtlichen Entscheidung gä-ben
die wirkliche Benutzungslage nicht zutreffend wieder. Im übrigen
sei grundsätzlich davon auszugehen, daß das Ansprechen von
Gefühlen für sich genommen in der Werbung keinesfalls unzulässig
sei. Die umfangreiche Rechtsprechung zu §§ 1 und 3 UWG zeige, daß
auch die klassischen Fälle von zulässigen Werbeangaben durchweg
"gefühlsbetont" seien oder sein könnten. An besonderen Umständen,
die die Ansprache von Gefühlen unzulässig machten, fehle es im
Streitfall. Von entscheidender Bedeutung sei, daß die beanstandete
Angabe nach Größe, Plazierung und Anordnung der Gesamtausstattung
sehr zurückhaltend sei. Damit fehle es an der "Spürbarkeit" der
gerügten Angabe. Im übrigen sei es nicht richtig, daß der
Verbraucher bei jedem Gebrauch des Reinigers den Angaben auf dem
Produkt Beachtung schenke.
Daß beim Verbraucher Fehlvorstellungen
ausgelöst würden, bestreitet die Beklagte. Kein rechtlich
beachtlicher Teil der Verbraucher erwarte, so trägt sie vor, daß
der Erlös oder Teile aus dem Erlös des aufgrund des Hinweises
gekauften Produktes in die Förderung der Umwelt oder des
angesprochenen Projektes investiert würden. Vielmehr sei
erkennbar, daß die Umweltförderungsmaßnahme der Beklagten
unabhängig von Kaufentscheidungen der Verbraucher verabschiedet
sei. Óberdies lasse die umstrittene Angabe jeden direkten Bezug
zwischen Gefühlsansprache und Kaufentscheidung vermissen. Für die
Verbraucher stehe außer Zweifel, daß die Entscheidung über
Durchführung, Art und Umfang der Umweltförderungsmaßnahme bereits
getroffen sei. Schließlich fehle es an einem zielbewußten und
planmäßigen Vorgehen der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die
Berufungsbegründung vom 3. August 1992 und den Schriftsatz vom 12.
November 1992 nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung der
landgerichtlichen Entscheidung vom 5. März 1992 - 31 O 617/91 -
abzuweisen,
hilfsweise der Beklagten nachzulassen,
die Zwangsvollstreckung auch durch Sicherheitsleistung abzuwenden
mit der Maßgabe, daß die Sicherheit auch durch Bürgschaft einer
bundesdeutschen Großbank oder öffentlichrechtlichen Sparkasse
erbracht werden kann.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe
zurückzuweisen, daß das ausgesprochene Unterlassungsgebot, wie aus
dem Tenor dieses Urteils ersichtlich, klarstellend neu zu fassen
sei.
Der Kläger macht geltend, die
beanstandete Werbeaussage sei so geschickt positioniert, daß sie
in rechtlich relevantem Maße vom Verbraucher wahrgenommen werde.
Es entspreche ständiger Rechtsprechung, im Rahmen der Werbung mit
Umweltschutzbegriffen zur Vermeidung unlauterer gefühlbetonter
Ansprache grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen.
Unrichtig sei es, wenn die Beklagte
behaupte, der Verbraucher erwarte aufgrund der beanstandeten
Aussage nicht, daß der Erlös oder Teile davon in die Förderung der
Umwelt oder des angesprochenen Projekts gingen. Wegen der
Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsrechtszug
wird auf die Schriftsätze vom 22. Oktober und 20. November 1992
verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu
Recht verurteilt, den vom Kläger beanstandeten Hinweis zu
unterlassen.
Der Kläger kann gemäß §§ 3, 13 Abs. 2
Nr. 2 UWG verlangen, daß die Beklagte es unterläßt, die Verpackung
des Geschirrspülmittels "S. P." mit der gerügten Ankündigung zu
versehen. Der Hinweis verstößt in der konkreten Form, wie sie im
Urteilstenor wiedergegeben ist, gegen § 3 UWG.
Die Aussage ist geeignet, den Verkehr
darüber in die Irre zu führen, daß mit dem Kauf des Produkts, auf
dessen Verpackung sie angebracht ist, eine Förderung des
ausdrücklich genannten "Bodensee-Umweltschutzprojekts" verbunden
ist. Aufgrund des Inhalts und der sprachlichen Fassung des
Hinweises ist davon auszugehen, daß jedenfalls ein nicht
unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise annimmt,
durch den Kauf des Geschirrspülmittels "S. P." werde das angegebene
Projekt der Deutschen Umwelthilfe e.V. unterstützt. Ein Teil der
Verbraucher wird sich eine unmittelbare Förderung der
Umweltschutzmaßnahme vorstellen, weil er annimmt, Teile des
Verkaufserlöses würden zugunsten dieser Maßnahme an die Deutsche
Umwelthilfe e.V. abgeführt. Ein anderer Teil der so Angesprochenen
verbindet nach der Óberzeugung des Senats aufgrund der
beanstandeten Erklärung mit dem Kauf von "S. P." die Vorstellung
einer mittelbaren Unterstützung des Bodensee-Umweltschutzprojekts.
Er geht nämlich davon aus, durch den Kauf unterstütze er die
Beklagte, die ihrerseits das Bodensee-Umweltschutzprojekt fördere,
so daß der Kauf von "S. P." indirekt auch der Umweltschutzmaßnahme
zugute komme. Unstreitig ist jedoch der Beitrag, durch den die
Beklagte das Bodensee-Umweltschutzprojekt unterstützt hat, bereits
abschließend erbracht. Die Beklagte trägt selbst vor, ihr Beitrag
zu dem Projekt sei "bereits geleistet". Durch den Kauf des
Geschirrspülmittels "S. P." kann mithin die herausgestellte
Umweltschutzmaßnahme weder unmittelbar noch mittelbar gefördert
werden.
Soweit die Beklagte geltend macht, ein
"Zuwendungszusammenhang" werde vom Verbraucher nicht angenommen,
er werde vielmehr lediglich über den bereits geleisteten Beitrag
der Beklagten zu dem Umweltschutzprojekt informiert, wird dies
Inhalt und Wortlaut der Ankündigung nicht gerecht. Die
beanstandete Werbezeile lautet:
"LEVER unterstützt das
Bodensee-Umweltschutzprojekt ..."
Der Text ist mithin in der
Gegenwartsform gehalten. Schon aufgrund der sprachlichen Fassung
des Hinweises drängt sich damit der Eindruck auf, die Beklagte
unterstütze gegenwärtig noch das angegebene
Umweltschutzprojekt.
Die zumindest bei einem nicht
unbeachtlichen Teil der Verbraucher hervorgerufene Fehlvorstellung,
durch den Kauf des Erzeugnisses der Beklagten werde direkt oder
indirekt das auf der Produktverpackung genannte
Umweltschutzprojekt gefördert, ist auch geeignet, die
angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen
Entscheidungen positiv zu beeinflussen. Dies ergibt sich schon
daraus, daß sich mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als
eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes in den letzten Jahren
zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt hat.
Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, erweisen sich
demzufolge als besonders geeignet, emotionale Bereiche im Menschen
anzusprechen, die von der Besorgnis um die eigene Gesundheit bis
zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen (vgl.
BGHZ 105, 277 - "Umweltengel" -).
Der Senat sieht keine Bedenken, die
vorstehend beschriebene Verbrauchervorstellung und deren
wettbewerbsrechtliche Relevanz aus eigener Sachkunde und Erfahrung
festzustellen. Seine Mitglieder gehören zu den angesprochenen
Verkehrskreisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist es nicht ausgeschlossen, daß der Tatrichter
die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner
eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend beurteilen kann,
sofern - namentlich bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs - die
Anschauungen des unbefangenen Durchschnittskäufers zu ermitteln
sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Kollegiums
selbst diesem Personenkreis angehören. Dieser Grundsatz gilt
uneingeschränkt vor allem in den Fällen, in denen das Gericht eine
Irreführung bejahen zu können glaubt, da es insoweit entscheidend
nur auf die Anschauungen eines nicht ganz unerheblichen Teils des
Verkehrs ankommt (vgl. BGH GRUR 1987, 45, 47 "Sommerpreiswerbung"
m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da - wie
ausgeführt - die Mitglieder des Senats dem mit der Werbung
angesprochenen Personenkreis zuzuordnen sind und weil der Senat die
Irreführung bejaht.
Die Beklagte macht - allerdings im
Zusammenhang mit ihren Ausführungen zu § 1 UWG - geltend, die
beanstandete Angabe sei so zurückhaltend angebracht, daß sie keine
wettbewerbsrechtlich zu beanstandende Wirkung auslösen könne. Dem
vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Für den Tatbestand der
Irreführung im Sinne des § 3 UWG reicht es aus, daß ein nicht
unbeachtlicher Teil der Verbraucher die Aussage zur Kenntnis nimmt.
Hieran kann nach der überzeugung des Senats kein Zweifel bestehen.
Entgegen der Darstellung der Beklagten ist der Hinweis keineswegs
unscheinbar oder unauffällig angebracht. Insbesondere dann, wenn
die fast würfelförmige Produktpackung im Supermarkt oder Kaufhaus
in einem tiefer liegenden Regal steht oder, was erfahrungsgemäß
häufig vorkommt, vom Boden an aufgestapelt ist, fällt der erste
Blick auf den Packungsdeckel. Dort hebt sich der in dem rotgelben
Kreis der Sonne ("Sun" Progress) angebrachte Hinweis sowohl durch
die andere Farbe als auch durch die briefmarkenähnliche Form
deutlich ab. Davon, daß er praktisch keine Beachtung findet, kann
deswegen nicht ausgegangen werden. Dies kann im übrigen von der
Beklagten, die den Hinweis nicht ohne Grund angebracht haben
dürfte, auch kaum gewollt gewesen sein.
Nicht anders ist es bei der Verwendung
der Packung durch denjenigen, der sie gekauft hat. Auch er wird bei
einem Blick auf den Deckel durch die oben beschriebenen Umstände
auf den Hinweis in dem rechteckigen Feld aufmerksam.
Die Beklagte verweist in diesem
Zusammenhang auf die "Milupa"-Entscheidung des BGH (ZIP 1992, 38,
40), in der eine Verletzung der produkthaftungsrechtlichen
Instruktionspflicht angenommen worden sei, weil der mit dem Produkt
bereits vertraute Benutzer die Packung nicht mehr studiere. Mit
diesem Hinweis verkennt die Beklagte, daß die zitierte Entscheidung
zu einem gänzlich anderen Sachverhalt und zu einer völlig anderen
Rechtsfrage ergangen ist. Dort ging es um die Anforderungen an
einen Warnhinweis auf einem Produkt. Dabei wurde davon ausgegangen,
daß an die Pflicht des Produzenten zur Aufklärung und Warnung
besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, damit der
Warnhinweis von keinem Benutzer übersehen wird. Vorliegend ist
hingegen maßgeblich, ob die werbende Ankündigung der Beklagten von
einem nicht unbeachtlichen Teil der Verbraucher wahrgenommen und
gelesen wird. Dies kann aus den oben angeführten Gründen nicht
ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Die Beklagte beruft sich im
Rechtsmittelverfahren nicht mehr darauf, im Anschluß an eine
frühere Abmahnung des Klägers sei ein Vergleich geschlossen
worden, aufgrund dessen ihr die nunmehr beanstandete Werbung
erlaubt sei. Daß der Kläger seinerzeit die nunmehr beanstandete
Verletzungshandlung freizeichnen oder insoweit einen Verzicht
erklären wollte, ist in keiner Weise ersichtlich. Hierzu hat das
Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils,
auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, bereits das
Erforderliche gesagt.
Die angegriffene Aussage, die nach
alledem gegen § 3 UWG verstößt, verletzt zugleich § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen gefühlsbetonten Werbung.
Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs gehört es zwar zum Bild der modernen Werbung,
auch den emotionalen Bereich des Verbrauchers anzusprechen, um
diesen auch damit zum Erwerb der Ware oder Leistung zu veranlassen.
Deswegen kann nicht jedes bloße Ansprechen von Gefühlen der
Umworbenen als wettbewerbswidrig angesehen werden (vgl. BGH GRUR
1976, 308, 309 - "UNICEF-Grußkarten" -). Bei der Weckung des
Kaufinteresses aus sozialem Verantwortungsgefühl,
Hilfsbereitschaft oder Mitleid ist die Wettbewerbswidrigkeit eines
werblichen Vorgehens aber dann zu bejahen, wenn besondere Umstände
die Werbung unlauter erscheinen lassen. Wettbewerbswidrig ist eine
solche Ansprache der Verbraucher stets dann, wenn sie geeignet ist,
den Kunden irrezuführen (vgl. Baumbach-Hefermehl 16. Aufl. Rdnr.
185 zu § 1 UWG). Dies ist hier - wie oben im einzelnen ausgeführt -
der Fall.
Soweit sich die Beklagte im
Zusammenhang mit der angegriffenen Ankündigung auf das Recht der
Meinungsäußerungsfreiheit beruft, rechtfertigt auch dies keine
abweichende Beurteilung. Ein Verbot der angegriffenen Werbeaussage
wegen Verstoßes gegen § 3 bzw. § 1 UWG stellt keine Verletzung des
Art. 5 Abs. 1 GG dar. Auch wenn in dem angegriffenen Hinweis eine
Meinungsäußerung im Sinne dieser Verfassungsvorschrift zu sehen
sein sollte, liegt in dem im Streitfall ausgesprochenen Verbot
allenfalls eine Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit, die
nach Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen der allgemeinen Gesetze zulässig
ist. Unter "allgemeinen Gesetzen" sind solche Gesetze zu verstehen,
die nicht eine Meinung als solche verbieten, sich also nicht gegen
die Àußerung der Meinung als solche richten, sondern die dem
Schutze eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu
schützenden Rechtsgutes dienen (vgl. BVerfGE 7, 198, 209). Hierzu
gehören auch §§ 1 und 3 UWG, die täuschende und sittenwidrige
Handlungen verbieten, die zu Wettbewerbszwecken vorgenommen werden
(vgl. Baumbach-Hefermehl, 16. Aufl., Allg. Rdnr. 63 a m.w.N.), also
die Wettbewerbsordnung vor unlauteren Eingriffen schützen, nicht
aber gezielt in die Kommunikationsfreiheit eingreifen.
Allerdings bedarf es einer Güter- und
Interessenabwägung, d.h. die allgemeinen Gesetze, die ihrem
Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, müssen ihrerseits
aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts
ausgelegt und so in ihren begrenzenden Wirkungen selbst wieder
eingeschränkt werden (vgl. BVerfG a.a.O.; Baumbach-Hefermehl
a.a.O.; von Mangoldt-Klein-Starck, 3. Aufl., Rdnr. 124 zu Art. 5
GG). Im Streitfall dient die beanstandete Ankündigung auf der Ware
vornehmlich wettbewerblichen Interessen der Beklagten, nicht aber
der Information über einen Gegenstand allgemeinen Interesses, schon
gar nicht handelt es sich um einen Beitrag zu argumentativer
Auseinandersetzung. Stellt man dem werbenden Hinweis der Beklagten
das Interesse der Allgemeinheit an einem Wettbewerb gegenüber, der
frei von unlauterer Beeinflussung durch gefühlsbetonte, nicht
sachbezogene oder irreführende Hinweise ist, so bestehen keine
Bedenken, im Streitfall anzunehmen, daß ein Verbot der
beanstandeten Ankündigung eine zutreffende Anwendung der die
Meinungsäußerungsfreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetze der
§§ 1 und 3 UWG darstellt.
Der auf Ersatz der Aufwendungen des
Klägers gerichtete Zahlungsantrag ist aus dem Gesichtspunkt der
Geschäftsführung ohne Auftrag - §§ 677, 683, 670 BGB -
gerechtfertigt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des
landgerichtlichen Urteils und die dort in Bezug genommene
Rechtsprechung verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Soweit der Kläger im Berufungsrechtszug
den Antrag auf Unterlassungsverurteilung neu gefaßt hat, liegt
hierin keine teilweise Klagerücknahme oder Klageänderung, sondern
lediglich eine bessere Anpassung an die konkrete
Verletzungsform.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die nach § 546
Abs. 2 festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Für die von der Beklagten angeregte
Zulassung der Revision hat der Senat keine Veranlassung gesehen.
Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und die
vorliegende Entscheidung beruht auf der Anwendung von
Rechtsgrundsätzen, die der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs entsprechen.
OLG Köln:
Urteil v. 08.01.1993
Az: 6 U 64/92
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cde277a07bf0/OLG-Koeln_Urteil_vom_8-Januar-1993_Az_6-U-64-92