Landgericht Berlin:
Urteil vom 21. März 2006
Aktenzeichen: 16 O 541/05
(LG Berlin: Urteil v. 21.03.2006, Az.: 16 O 541/05)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil Ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500.- € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist eine Einrichtung für angewandte Forschung. Ihm gehören 80 Forschungseinrichtungen, darunter 58 Forschungsinstitute an Standorten in der gesamten Bundesrepublik an. Die Institute sind allesamt unselbständige Einrichtungen des Klägers. Hierzu gehört auch das ... Institut für ... in ... .
Der Kläger war in der Vergangenheit für Auftraggeber bzw. Projektpartner tätig, die zum Konzern der Beklagten gehören.
Die Beklagte ließ ab Anfang der 80er Jahre das Schienenfahrzeug ICE entwickeln und herstellen. An der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung des ICE 3 war der Kläger nicht beteiligt. Für den ICE 1 entwickelte der Kläger eine Radsatzrissprüfanlage.
Für die Beklagte wurden verschiedene Geschmacksmuster beim DPMA eingetragen:
Ferner bestehen folgende WIPO-Geschmacksmuster:
Das ... - Institut ..., welches sich u.a. mit der Forschung und Entwicklung im Bereich Schienenverkehr beschäftigt, ist regelmäßig Aussteller auf der jährlich in Berlin stattfindenden Fachmesse "Innotrans" für Güter- und Personenverkehr mit Schwerpunkt auf Schienenverkehrstechnik. Im Ausstellerkatalog des Jahres 2004 ist das Institut mit einer einseitige Präsentation vertreten. Zur Illustration ist dort u.a. die Frontseite eines Zuges der Baureihe ICE - 3 abgebildet.
Die gesamte Seite ist wie folgt gestaltet:
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 4. Februar 2005 unter Hinweis auf die Geschmacksmuster M9507883.5 sowie DM 035887 und die Markeneintragung für das Logo auf, eine Lizenz zur Abbildung des ICE - 3 nachzuweisen, andernfalls Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht würden.
In einem weiteren Schreiben übersandte die Beklagte ein Lizenzvertragsformular, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 9 Bezug genommen wird.
Am 14. April 2005 behauptete die Beklagte, der Kläger habe neben einem Bild des ICE 3 auch eines des ICE T verwandt.
Einen Lizenzvertrag schloss der Kläger nicht ab.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte könne sich ihm gegenüber nicht auf Ansprüche aus ihren Geschmacksmustern berufen. Ein Eingriff in die durch das neue GeschmMG vom 12. März 2004 geregelten Benutzungsformen liege nicht vor. Selbst wenn eine Benutzungsform des § 38 GeschmMG zu bejahen wäre, handele es sich um eine nach § 40 Nr. 3 GeschmMG erlaubte Nutzung. Im übrigen seien die zum Markenrecht entwickelten Grundsätze, wonach die Abbildung eines markenrechtlich geschützten Produktes in seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zwecks Information über die eigenen Waren bzw. Dienstleistungen zulässig sei, auch auf das Geschmacksmusterrecht zu übertragen. Die geschäftliche Nutzung einer Abbildung eines Geschmacksmusters sei redlich, wenn die Darstellung der Erläuterung des Gebrauchszwecks von Zubehör, Hilfsprodukten bzw. entsprechenden Dienstleistungen erfolge. Vorliegend diene die Abbildung der Veranschaulichung und Illustration der beschriebenen Dienstleistungen des ... - Institutes ... . Es sei ausgeschlossen, dass der Betrachter der beschriebenen Dienstleistungen des Klägers annehme, diese stammten aus dem Hause der Beklagten. Das Produkt ICE würde ohne weiteres der Beklagten zugeordnet werden. Im übrigen seien Fotos des ICE 3 auf der Internetseite der Beklagten frei herunterladbar. Schließlich habe sich die Beklagte In der Vergangenheit an ähnlichen Abbildungen nicht gestört.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger aus der Abbildung eines Zuges der Baureihe ICE 3 der Beklagten in der Präsentation des ... Institut ... im Ausstellerkatalog der Messe "Innotrans 2004", insbesondere wie aus Anlage K 5 der Klageschrift ersichtlich, weder Unterlassungs-, noch Schadensersatzansprüche aus den Geschmacksmustern M9000546.5, M9507883.5, M9507884.3, eingetragen beim Deutscher Patent - und Markenamt, sowie den WIPO - Geschmacksmustern DM 035887 und DM 035886 zustehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, durch die Katalogabbildung habe der Kläger ihr zustehende Rechte an dem Geschmacksmuster für den ICE 3 verletzt. Eine Privilegierung nach § 40 Nr. 3 GeschmMG scheide aus, weil der Kläger mit dem ICE 3 - insoweit unstreitig - nichts zu tun (gehabt) habe. Die Abbildung des ICE 3 sei auch für die Darstellung des eigenen Angebotes des Klägers nicht notwendig, sondern lediglich schmückendes Beiwerk. Die Abbildung werde lediglich für eigene werbliche Zwecke des Klagen genutzt. Da der Kläger den Ruf der Beklagten ausnutze, ergebe sich zudem ein Unterlassungsanspruch aus dem UWG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist teilweise zulässig, im übrigen unzulässig und unbegründet.
Die Zulässigkeit der Feststellungsklage folgt aus § 256 ZPO hinsichtlich der für den ICE 3 bestehenden Geschmacksmuster. Es genügt für die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage, dass sich die Beklagte Rechten und Ansprüchen gegen die Klägerin hinsichtlich des ICE 3 berühmt, wie mit Schreiben vom 4, Februar 2005 geschehen.
Soweit im Klageantrag Geschmacksmuster genannt werden, die nichts mit dem ICE 3 zu tun haben, ist die Klage unzulässig.
Streitgegenständlich ist alleine die Abbildung des ICE 3. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte sich ganz allgemein der Rechte an einer Vielzahl von Geschmacksmustern rühmt, sondern - entsprechend dem durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstand - darauf, dass sie sich konkret eines Unterlassungs- und Lizenzanspruches wegen der Abbildung des ICE 3 in dem Ausstellerkatalog berühmt. Die Beklagte bezieht sich im Schreiben vom 4. Februar 2005 nur auf die Geschmacksmuster für den ICE 3. Dass alle eingetragenen Muster in dem Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages erwähnt sind (Anlage K 9), stellt noch keine Berühmung dergestalt dar, dass die Beklagte auch wegen der Geschmacksmuster an den ICE 1 oder ICE T Unterlassungsansprüche wegen der Abbildung des ICE 3 geltend macht (was auch sinnwidrig wäre). Schließlich berühmt sich die Beklagte auch nicht mit Schreiben vom 14. April 2005 den im Klageantrag genannten Rechten bezüglich des ICE 3.
Im Umfang der Zulässigkeit steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung nicht zu.
Die Beklagte berühmt sich im Schreiben vom 4. Februar 2009 Ansprüchen auf Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen.
Ihr steht ein Unterlassungs- (und Schadensersatz)anspruch aus § 42 i.V.m. § 38 GeschmG i.V.m. Art. 7 Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle zu.
Es ist das GeschmMG vom 12. März 2004 anzuwenden, § 66 GeschmMG. Die Geschmacksmuster wurden sämtlichst nach dem 1. Juli 1998 angemeldet, § 66 Absatz 1 GeschmMG. Die streitgegenständliche behauptete Verletzungshandlung wurde nach dem 28. Oktober 2001 begonnen, so dass Rechte aus den Geschmacksmustern nach dem neuen GeschmMG geltend gemacht werden können, § 66 Absatz 2 Satz 2 GeschmMG.
§ 38 Absatz 1 GeschmMG gewahrt dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Unter Benutzung fällt u.a. und insbesondere das Anbieten des Erzeugnisses, für das das Muster verwendet wird.
Es genügt das Vorzeigen einer Abbildung (vgl. BGH GRUR 2006, 143; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 204), allerdings muss die Bereitschaft zum Inverkehrbringen zum Ausdruck kommen; hierzu gehören auch Werbemaßnahmen (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 3. Aufl., § 38 Rn. 13 m.w.N.). Dass der Kläger hier eine Abbildung des ICE 3 In Verkaufs- oder Verkaufsförderungsabsicht bezüglich des ICE 3 benutzt hat, ist ausgeschlossen, da der Kläger keine ICEs verkauft.
Allerdings enthält § 38 Absatz 1 Satz 2 GeschmMG keine abschließende Aufzählung der Benutzungshandlungen ("insbesondere"). Es ist anerkannt, dass auch die schlichte Wiedergabe, also die zweidimensionale Abbildung eines dreidimensionalen Musters, des Geschmacksmusters geschützt ist. Dies wird aus § 40 Nr. 3 GeschmMG abgeleitet (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 3. Aufl., § 38 Rn. 19).
Um eine solche Wiedergabe handelt es sich vorliegend, so dass das der Beklagten ausschließlich zustehende Benutzungsrecht jedenfalls tangiert ist.
Dass das im DPMA - Register abgebildete Geschmacksmuster mit der Katalogabbildung in der Perspektive nicht übereinstimmt, ist unerheblich, da es für den Schutz nur darauf ankommt, welche konkrete Form die (zur Musteranmeldung eingereichte) Abbildung erkennbar macht (vgl. BGH GRUR 1977, 602 - Juris -, vgl. auch Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 37 in BT Drucks. 15/1075, abgedruckt in Kunze, Das neue Geschmacksmusterrecht, S. 113 ff).
Aus § 40 GeschMG ergeben sich keine Beschränkungen des ausschließlich der Beklagten zustehenden Benutzungsrechts.
Der Kläger beruft sich auf § 40 Nr. 3 GeschmMG. Dieser Privilegierungstatbestand ist indes weder dem Wortlaut nach erfüllt, noch kann die zum Markenrecht ergangene Rechtsprechung herangezogen werden, noch wären die von der Rechtsprechung (insbesondere des EuGH) aufgestellten Voraussetzungen erfüllt:
§ 40 Nr. 3 GeschmMG privilegiert Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung oder der Lehre, vorausgesetzt, solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beeinträchtigen die normale Verwertung des Geschmacksmusters nicht über Gebühr und geben die Quelle an.
Dass hier kein Lehrzweck verfolgt wird, liegt auf der Hand.
Der Begriff der Zitierung ist als "Veranschaulichung" zu verstehen.
Zwar spricht Art. 13 Absatz 1 Buchst. c) der Richtlinie 98/71 EG, deren Umsetzung das neue GeschmMG dient, von Wiedergabe zum Zwecke der Zitierung, und hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, den Begriff so zu übernehmen, indes hat der Gesetzgeber bereits zu bedenken gegeben, dass der Sinn der Regelung angesichts der unterschiedlichen Sprachfassungen (englisch: "citation", französisch: "illustration") besser mit "Veranschaulichung" ausgedrückt werden kann (Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 40 in BT Drucks. 15/1075, abgedruckt in Kunze, Das neue Geschmacksmusterrecht, S. 113 ff). Entsprechend geht auch Eichmann von Veranschaulichung aus (a.a.O. § 38 Rn. 4).
Die Veranschaulichung setzt seine erläuternde Befassung voraus; Darstellungen lediglich zum Schmuck oder zur Verzierung sind nicht privilegiert (vgl. Eichmann a.a.O. § 38 Rn. 4).
Diese Begriffsdefinition ergibt sich auch, wenn mal - zwecks Auslegung - § 51 UrhG heranzieht (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 6 Rn. 5 zu § 6 Nr. 2 GeschmMG a.F.), wo der Zitatzweck ebenfalls durch Erläuterung eigener Ausführungen gekennzeichnet ist. Genauso wie im Urheberrecht eine gewisse Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk stattfinden muss, muss im Geschmacksmusterrecht eine Befassung mit dem Muster erfolgen.
Dies ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer klar zu verneinen. Die Abbildung des ICE 3 in der Selbstdarstellung des Klägers in dem Ausstellerkatalog lässt keinerlei erläuternde Befassung mit dem Schutzmuster erkennen, zumal der Kläger unstreitig mit dem ICE 3 nie etwas zu tun hatte. Die Abbildung des ICE 3 dient alleine dazu, vorzugeben, für die oder mit der Beklagten im Bereich ICE 3 (zusammen) zu arbeiten.
Selbst wenn der Kläger irgendetwas mit dem ICE allgemein (also ICE 1, 2 oder T) zu tun hatte (Radsatzrissprüfung), dient die kommentarlose Abbildung des ICE 3 keiner Veranschaulichung zwecks Erläuterung von Inhalten, zumal das Katalogfoto die Räder nicht einmal erkennen lässt. Im übrigen fehlt die für eine Privilegierung erforderliche Quellenangabe. Die Quellenangabe ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil allgemein bekannt ist, dass der ICE 3 von der Beklagten stammt. Eine Unterausnahme bezüglich der Quellenangabe sieht § 40 GeschmMG nicht vor.
Soweit der Kläger meint, die zur Privilegierung ergangene Rechtsprechung des EuGH und BGH zum Markenrecht sei auf das Geschmacksmusterrecht übertragbar, geht dies fehl.
Im Markenrecht hat Art. 6 Absatz 1 Buchst. c) der Richtlinie 89/104 EG (abgedruckt in Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., Anhang 6) zur Umsetzung in § 23 Nr. 3 MarkenG geführt. Danach ist die Markenbenutzung zulässig, wenn diese notwendig ist, um auf die Bestimmung einer Ware oder Dienstleistung hinzuweisen.
Zur Auslegung des 6 Absatz 1 Buchst. c) der Richtlinie 89/104 EG hat der EuGH entschieden, dass die Benutzung der Marke im Sinne der Richtlinie dann notwendig ist, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel dafür darstellt, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware/Dienstleistung zu erhalten (EuGH GRUR 2005, 509 - Gillette Company/LA-Laboratories). Dem Rechtsstreit lag zugrunde, dass die Firma ... Rasierklingen in einer Verpackung verkaufte, auf der sich der Aufdruck befand: "Diese Klinge passt für alle Parason Flexor und alle Gillette Sensor Apparate". Hiergegen ging die Firma Gillette, die selbst Rasierklingen vertreibt, vor. Der EuGH bekräftigt in seiner Entscheidung die dem Art. 6 der Richtlinie innewohnende Abwägung zwischen den Interessen des Markenschutzes als Hinweis auf die Ursprungsidentität der Waren/Dienstleistungen einerseits und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit andererseits, zu der auch der unverfälschte Wettbewerb gehört. Um das System des unverfälschten Wettbewerbs zu erhalten, kann der Hersteller einer Ware/Anbieter einer Dienstleistung darauf angewiesen sein, eine fremde Marke zu benutzen, um mit dieser Information die Öffentlichkeit über die Bestimmung seiner Waren/Dienstleistungen zu Informieren. Dabei zieht der EuGH indes enge Grenzen, indem er darauf abstellt, dass die der Öffentlichkeit zu übermittelnde Informationnicht anders vermittelt werden kann als durch Benutzung des Markennamens (EuGH a.a.O. Gründe 35 bis 39).
Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob die zu Art. 6 der Richtlinie 89/104 EG ergangene Rechtsprechung des EuGH auch auf Art. 13 Absatz 1 Buchst c) der Richtlinie 98/71 EG, aus der § 40 Nr. 3 GeschmMG hervorgegangen ist, übertragbar ist. Es handelt sich um völlig unterschiedliche Privilegierungstatbestände, nämlich einerseits um den Schutz der Zitatfreiheit (angelehnt an das UrhR), andererseits um den Schutz von Bestimmungsangaben zwecks Ermöglichung des freien Wettbewerbs. Bereits diese unterschiedlichen Zwecksetzungen der Normen schließen eine Übertragung der Rechtsprechung aus. Im übrigen hat sich sowohl die EU-Kommission und das EU-Parlament als auch der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, eine dem Art. 6 Absatz 1 Buchst c) der Richtlinie 89/104 EG bzw. § 23 Nr. 3 MarkenG entsprechende Regelung in die Richtlinie 98/71 EG bzw. in das GeschmMG nicht aufzunehmen. Da der Richtlinien - bzw. Gesetzgeber sich für unterschiedliche Privilegierungstatbestände entschieden hat, kann in § 40 GeschMG nicht einfach ein weiterer Privilegierungstatbestand hineingelesen werden. Dies wäre von den Wortlautgrenzen des § 40 GeschmMG nicht mehr gedeckt, zumal Privilegierungstatbestände eher eng auszulegen sind. Es spricht auch nichts dafür, Privilegierungstatbestände aus anderen Gesetzen in das GeschmMG zu übernehmen, da jedes Gesetzeswerk für sich eine abgeschlossene Systematik von Schutzrechten und Beschränkungen darstellt. Im übrigen ist die Rechtsansicht des Klägers, Markenrecht und Geschmacksmusterrecht seien wesensgleich, in dieser Pauschalität unzutreffend: Das Markenrecht dient dem Schutz der Herkunftsidentität, das Geschmacksmusterrecht dem Produktschutz.
Dass die dargestellte Rechtslage in Einzelfällen dazu führen kann, dass ein und dasselbe Werk nach Markenrecht (wenn als dreidimensionale Marke eingetragen) privilegiert sein kann, nach GeschmMG indes nicht, ist die konsequente - vom Gesetzgeber gewollte - Folge.
Da die markenrechtliche Privilegierung nicht auf das GeschmMG zu übertragen ist, spielt auch die Rechtsprechung des BGH zu § 23 MarkenG (vgl. BGH GRUR 2005, 163, Aluminiumräder) keine Rolle, wobei noch anzumerken ist, dass der EuGH deutlich strenger ist als der BGH (die EuGH-Entscheidung konnte dem BGH in der Entscheidung "Aluminiumräder" noch nicht bekannt sein).
Selbst wenn man die markenrechtliche Privilegierung und die Entscheidung "Aluminiumräder" auf das GeschmMG übertrüge, sind die erforderlichen Voraussetzungen hier gar nicht erfüllt: Es ist fernliegend anzunehmen, dass der Kläger über die Bestimmung der von ihm angebotenen Dienstleistungen nicht anders Informieren kann, als durch Darstellung eines ICE 3 der Beklagten. Die Benutzung des Geschmacksmusters zwecks Hinweises auf die Bestimmung der Ware/Dienstleistung ist hier nicht ausnahmsweise wegen des Schutzes des unverfälschten Wettbewerbs zulässig, denn der Kläger kann über seine Dienstleistungen auch in anderer Weise als durch Darstellung eines ICE 3 informieren. Schließlich behauptet er nicht einmal selbst, dass er bzw. das ihm untergeordnete ... - Institut für ... ausschließlich für die Beklagte tätig ist und seine Dienstleistungen gerade für Produkte der Beklagten bestimmt sind.
Auf die weiteren Voraussetzungen der Privilegierung (Einhaltung der Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs/kein Verstoß gegen die guten Sitten) kommt es daher nicht mehr an.
Eine zulässige Verwendung der Abbildung des ICE 3 folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte auf ihren Internetseiten Fotos des ICE 3 zum Herunterladen bereithält. Der Kläger behauptet noch nicht einmal, eines der Fotos (welches €) heruntergeladen und zur Bebilderung der Katalogseite benutzt zu haben.
Die Beklagte hat Ihren Unterlassungsanspruch nicht verwirkt.
Die Andeutung des Klägers, in der Vergangenheit sei die Beklagte wegen vergleichbarer Abbildungen nie gegen den Kläger vorgegangen, entbehrt bereits jeglicher Substanz. Im übrigen kommt es immer auf die konkrete Nutzung an. Eine Verwirkung könnte allenfalls dann vorliegen, wenn die Beklagte wegen desselben Fotos bereits Katalogabbildungen hätte unbeanstandet gelassen und ein entsprechendes Umstandsmoment hinzukommt. Dazu ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
Ein Schadensersatzsanspruch steht der Beklagten wegen der Rechtsverletzung zu, weil sich der Kläger zumindest fahrlässig nicht über die Schutzrechtslage informiert hat.
Da der Beklagten ein geschmacksmusterrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch zusteht, kommt es auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.
LG Berlin:
Urteil v. 21.03.2006
Az: 16 O 541/05
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