Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Oktober 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 220/04
(BPatG: Beschluss v. 31.10.2006, Az.: 33 W (pat) 220/04)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 24. Juni 2004 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 397 61 083 für folgende Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
"Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Personalberatung, Unternehmensberatung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Finanzberatung, Absatzfinanzierung, Kreditberatung, Hypothekenvermittlung, Schätzen von Immobilien, Vermögensverwaltung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuergutachten und Steuerschätzungen; Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen, Training auf den Gebieten Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Veranstaltung von Seminaren; Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, Steuerrechtsberatung, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung".
2. Hinsichtlich der unter Ziffer 1. genannten Dienstleistungen wird die Löschung der angegriffenen Marke 303 02 735 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 397 61 083 angeordnet.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Dienstleistungen Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Personalberatung, Unternehmensberatung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen; Finanzberatung, Absatzfinanzierung, Kreditberatung, Grundstücks- und Hausverwaltung, Hypothekenvermittlung, Schätzen von Immobilien, Vermögensverwaltung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuergutachten und Steuerschätzungen; Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von Druckerzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke; Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen, Training auf den Gebieten Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Veranstaltung von Seminaren; Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, Steuerrechtsberatung, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitungbestimmten Marke 303 02 735.5 ADVITAM auf Grund der für die Waren und Dienstleistungen Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Verkaufsautomaten; Unternehmensberatung, Unternehmensverwaltung; Schulungen; Einstellung von Webseiten ins Internet für Dritte, nämlich Gestaltung und Ablage im Internet (Webpublishing), Dienstleistungen eines Internetproviders, Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte (Webhosting), Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen und Computerbanken im Internet, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, EDV-Programme (soweit in Klasse 9 enthalten)
am 31. Juli 1998 eingetragenen Marke 397 61 083 Grafikam 6. August 2002 Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 36 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 24. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen teilweise Identität bestünde und beide Marken als Phantasiebezeichnungen jeweils eine normale Kennzeichnungskraft aufwiesen. Vor diesem Hintergrund sei ein deutlicher Abstand erforderlich, der hier allerdings vorliege. Es stünden sich dabei eine Wortmarke sowie eine Wort-Bild-Marke gegenüber, wobei die Wort-Bild-Marke von ihrem Wortelement geprägt werde. Schriftbildliche Verwechslungen schieden auf Grund der unterschiedlichen Wortlänge aus. Auch eine klangliche Ähnlichkeit bestehe nicht. Der prägende Bestandteil der Widerspruchsmarke "Avita" besitze ein weiches Klangbild, das von den Vokalen beherrscht werde. Demgegenüber seien in der angegriffenen Marke nicht nur die Konsonanten "D" und "M" zusätzlich enthalten, sie veränderten das Klangbild auch erheblich, denn durch ihre Stellung als erster und letzter Konsonant beeinflussten sie die Aussprache der Marke wesentlich. Dies habe auch eine Veränderung der Betonung der Silben zur Folge. Bei beiden Marken sei zwar die mittlere Silbe mit dem Vokal "i" am stärksten betont, dennoch würden bei der älteren Marke auch die beiden Vokale "a" am Anfang und Ende der Marke eher lang ausgesprochen, während diese in der jüngeren Marke durch die nachgestellten Konsonanten kurz gesprochen würde. Insgesamt bestünden somit deutliche klangliche Unterschiede.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen identisch bzw. hochgradig ähnlich seien, insbesondere auch die "Grundstücks- und Hausverwaltung" sowie die "Vermögensverwaltung" gehörten zu den Kernpunkten der Unternehmensverwaltung. Auch seien die Dienstleistungen der älteren Marke "Unternehmensberatung" und "Unternehmensverwaltung" hochgradig ähnlich zu "Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von Druckerzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke". Die sich gegenüberstehenden Marken seien sowohl optisch als auch phonetisch ähnlich, wobei hinsichtlich der optischen Ähnlichkeit die Widerspruchsmarke vom Wortbestandteil geprägt werde. Verständige Verbraucher nähmen die beiden Konsonanten der jüngeren Marke "D" sowie "M" nicht als unterscheidungserheblich wahr. Der Verkehr neige vielmehr zum Verschlucken der beiden Buchstaben da diese weich ausgesprochen würden.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angefochtenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dass eine Dienstleistungsähnlichkeit hinsichtlich aller Dienstleistungen nicht ohne weiteres anzunehmen sei. Auch wenn die gesamten Dienstleistungen sich in irgendeiner Form gegenseitig ergänzten oder in irgendeinem Verhältnis zueinander stehen könnten, könne man sie nicht einfach gleichsetzen. Die Marken seien sowohl optisch als auch phonetisch nicht verwechselbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet. Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken hinsichtlich aller Dienstleistungen mit Ausnahme von "Grundstücks- und Hausverwaltung" sowie "Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von Druckerzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke" für gegeben.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Fall eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TIS-SERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH a. a. O. - Lloyd; BGH a. a. O. - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995 - Honka). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z. B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw. durch einen höheren Grad an Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2000, 603 - Cetof/Etop). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall teilweise eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
1. Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen.
Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Leistungen oder andere für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; BGH GRUR 2004, 601 - dcfix/CD-FIX).
Nach dieser Definition ist eine Ähnlichkeit aller sich gegenüberstehenden Dienstleistungen mit Ausnahme von "Grundstücks- und Hausverwaltung" und "Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von Druckerzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke" gegeben.
Die Dienstleistungen eines Wirtschaftsprüfers; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Unternehmensberatung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen Finanzberatung, Absatzfinanzierung, Kreditberatung, Hypothekenvermittlung, Schätzen von Immobilien; Vermögensverwaltung sowie Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuergutachten und Steuerschätzungen Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, Steuerrechtsberatung, sind mit der Dienstleistung Unternehmensberatung, Unternehmensverwaltungjedenfalls teilweise identisch und in den übrigen Fällen jedenfalls im Bereich der mittleren Ähnlichkeit. In der heutigen Unternehmensberatung und Unternehmensverwaltung erfolgt eine gesamtheitliche und umfängliche Betreuung in Bezug auf das Gesamtunternehmen, somit eine Beratung in finanzieller und steuerlicher Hinsicht, die sich auch auf Organisationsberatung erstreckt (vgl. zur Ähnlichkeit, Unternehmensverwaltung und Wirtschaftsprüfung auch BPatG, 33 W (pat) 115/96).
Die Dienstleistungen "Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen, Schulungen, Training auf den Gebieten Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Veranstaltung von Seminaren" sind ebenfalls hochgradig ähnlich mit der Dienstleistung "Schulungen" im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke. Die Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" ist in beiden Dienstleistungsverzeichnissen identisch enthalten.
Eine ausreichende Ähnlichkeit ist zwischen der Dienstleistung "Grundstücks- und Hausverwaltung" in der angegriffenen Marke zu den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ist nicht festzustellen. Es handelt sich insoweit um bloße Verwaltungsdienstleistungen, die keinen Zusammenhang mit den eingetragenen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke aufweisen. Gleiches gilt für "Herausgabe von Informationsschriften und Verbraucherinformationen in Form von Druckerzeugnissen, ausgenommen für Werbezwecke". Insbesondere ist insoweit keine Ähnlichkeit zu "Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte, nämlich Gestaltung und Ablage im Internet" festzustellen. Die Dienstleistungen in der angegriffenen Marke betreffen insoweit lediglich die technische Zurverfügungstellung im Internet und haben insoweit keinen ausreichenden Bezug zu dem Inhalt der betreffenden Herausgabe der Publikationen im Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke.
2. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.
3. Die angegriffene Marke hält bei dieser Ausgangslage den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein, soweit die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen ähnlich sind. Die sich gegenüberstehenden Marken werden in erheblichem Umfang ähnlich wahrgenommen. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke hier von dem Wortbestandteil "Avita" geprägt wird. Die grafische Ausgestaltung der Marke durch zwei von links unten nach rechts oben zulaufende Striche ist lediglich eine werbeübliche Grafik, die bei der klanglichen Benennung der Marke außer Betracht bleibt.
Die sich gegenüberstehenden Marken stimmen hinsichtlich der Vokalfolge "A-ia", der Silbenzahl und des Sprechrhythmusses überein. Die Marken unterscheiden sich am Anfang lediglich in dem "D", das in der angegriffenen Marke als zweiter Buchstabe eingeschoben ist; dieses wird jedoch weich ausgesprochen und kann insbesondere bei telefonischer Übermittlung ohne weiteres überhört werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Verkehr grundsätzlich den Markenanfängen größere Bedeutung beimisst, werden die weiteren Unterschiede am jeweiligen Wortende regelmäßig in den Hintergrund treten. Insbesondere bei flüchtigen Kontakten oder telefonischen Übermittlungen, kann daher insgesamt eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.
4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Marken aufzuerlegen.
BPatG:
Beschluss v. 31.10.2006
Az: 33 W (pat) 220/04
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