Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. Juni 2011
Aktenzeichen: I ZB 64/10
(BGH: Beschluss v. 22.06.2011, Az.: I ZB 64/10)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Juli 2010 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 6.600 €.
Gründe
I. Der Antragsteller ist der Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure in Deutschland. Die Antragsgegnerin ist das Zweite Deutsche Fernsehen.
Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach §§ 36, 36a UrhG zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln für Auftragsproduktionen. Er beantragt gemäß § 36a Abs. 3 UrhG, den Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer festzusetzen.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, ein Schlichtungsverfahren sei unzulässig. Sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie bei Auftragsproduktionen nur zu den Auftragsproduzenten in Vertragsbeziehungen stehe und hinsichtlich der von Mitgliedern des Antragstellers im Rahmen von Auftragsproduktionen erbrachten Leistungen daher nicht Werknutzer im Sinne des § 36 Abs. 1 UrhG sei. Der Antragsteller sei nicht aktivlegitimiert, weil er 1 nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 UrhG repräsentativ und zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln ermächtigt sei.
Die Antragsgegnerin hat beim Landgericht Frankenthal die Feststellung beantragt, dass sie gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln einzulassen.
Das Oberlandesgericht (OLG München, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 34 SchH 14/09, juris) hat das vorliegende Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits beim Landgericht Frankenthal ausgesetzt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.
1. Das Gericht kann nach § 148 ZPO die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.
2. Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass die im vorliegenden Verfahren beantragte Entscheidung über die Bestellung des Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer (§ 36a Abs. 3 UrhG) von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des beim Landgericht Frankenthal anhängigen Rechtsstreits bildet. 4 Gegenstand des beim Landgericht Frankenthal anhängigen Rechtsstreits ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO. Die Antragsgegnerin hat in jenem Rechtsstreit die Feststellung beantragt, dass sie gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36a UrhG einzulassen. Dabei geht es um das Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln für Auftragsproduktionen, das auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Die im vorliegenden Verfahren beantragte Entscheidung hängt von dem Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses ab. Wird in jenem Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf das Schlichtungsverfahren einzulassen, ist der Antrag auf Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und Festlegung der Zahl der Beisitzer mangels Rechtschutzbedürfnisses zurückzuweisen. Wird die negative Feststellungsklage in jenem Verfahren rechtskräftig abgewiesen, steht damit fest, dass das Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Dann hat das Oberlandesgericht einen Vorsitzenden der Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer zu bestimmen.
3. Die Aussetzung der Verhandlung steht nach § 148 ZPO im Ermessen des Gerichts. Sie ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern allein daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - IX ZB 33/04, NJW-RR 2005, 925, 926 mwN). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält einer solchen Nachprüfung stand.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Gesetzgeber habe das Verfahren zur Bestellung einer Schlichtungsstelle für den Fall einer fehlenden Einigung der Parteien im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens nach § 36 9 Abs. 3 UrhG bewusst beim Oberlandesgericht als einziger zuständiger Instanz konzentriert. Dem widerspräche es, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens in einem weiteren Verfahren im üblichen Rechtsweg zu klären wäre. Das Oberlandesgericht habe daher im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung einer Schlichtungsstelle selbst zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens vorliegen. Dabei habe es sich allerdings auf eine Offensichtlichkeitsprüfung zu beschränken. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.
Das Oberlandesgericht hat angenommen, der mit der Regelung des § 36a Abs. 3 UrhG verfolgte Zweck einer schnellen Bildung der Schlichtungsstelle müsse zurücktreten, wenn die Parteien - wie hier - nicht nur über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer, sondern auch über die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens streiten und zur Klärung der Frage der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens ein anderer Rechtsstreit anhängig ist. Mit dieser Beurteilung hat das Oberlandesgericht die Grenzen des Ermessens nicht überschritten.
Es besteht aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit ein berechtigtes Interesse daran, Zweifel an der Zulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens nicht nur möglichst frühzeitig, sondern auch rechtlich verbindlich zu klären. Es liegt auf der Hand, dass eine möglichst frühzeitige Feststellung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens die Parteien vor unnötigen Kosten (vgl. § 36a Abs. 6 UrhG) und Mühen bewahrt. Eine rechtlich verbindliche Feststellung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens kann darüber hinaus verhindern, dass die in einem solchen Verfahren aufgestellte gemeinsame Vergütungsregel in Rechtsstreitigkeiten über eine angemessene Vergütung (§ 32 UrhG) Wirkungen entfaltet.
Kommt es zu einem solchen Rechtsstreit, ist eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel ermittelte Vergütung nach § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG als angemessen anzusehen. Das Gericht soll in einem derartigen Rechtsstreit nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058, S. 20) sogar einen Einigungsvorschlag der Schlichtungsstelle, dem widersprochen worden ist (vgl. § 36 Abs. 4 UrhG), als Indiz zur Bestimmung der Angemessenheit einer Vergütung heranziehen können. Diese Wirkungen treten allerdings nicht ein, wenn das Schlichtungsverfahren unzulässig war (vgl. Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 2. Aufl., § 36 UrhG Rn. 15). Eine gemeinsame Vergütungsregel, die von Parteien aufgestellt worden ist, die hierzu nicht berechtigt waren, kann in einem Rechtsstreit über eine angemessene Vergütung weder eine Bindungswirkung noch eine Indizwirkung entfalten.
Es kann offenbleiben, ob das Oberlandesgericht im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle oder der Bestimmung der Anzahl der Beisitzenden nach § 36a Abs. 3 UrhG zu prüfen hat, ob das Schlichtungsverfahren zulässig ist (vgl. Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 36 UrhG Rn. 26; Ory, ZUM 2006, 914, 916 ff.; v. Becker, ZUM 2007, 249, 255 f.). Desgleichen kann dahinstehen, ob das Oberlandesgericht sich dabei gegebenenfalls auf eine kursorische Prüfung auf offensichtliche Unzulässigkeit beschränken darf (vgl. KG, ZUM 2005, 229 f.) oder ob es die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens umfassend und eingehend prüfen muss (Dietz/Haedicke in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 36a UrhG Rn. 9; Ory, ZUM 2006, 914). Eine inzidente Prüfung der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens durch das Oberlandesgericht vermag jedenfalls das rechtliche Interesse an einer rechtskräftigen Feststellung der Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens nicht zu beseitigen. Das Oberlandesgericht ist nicht befugt, mit bindender Wirkung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu befinden (vgl. KG, ZUM 2005, 229, 230; Czychowski 15 in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 36 UrhG Rn. 45; Grunert in Wandtke/Bullinger aaO § 36 UrhG Rn. 26; Haberstumpf in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 36a UrhG Rn. 2). Es ist allein berufen, über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer zu entscheiden (§ 36a Abs. 3 UrhG). Selbst wenn es im Rahmen dieser Entscheidung die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu prüfen hätte, könnte das Ergebnis dieser Prüfung daher keine Rechtskraft erlangen.
Es kann daher nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass das Oberlandesgericht von einer eigenen Prüfung der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens abgesehen und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits beim Landgericht Frankenthal ausgesetzt hat. Durch die Aussetzung des Verfahrens wird zwar die Entscheidung über die Besetzung der Schlichtungsstelle verzögert. Das ist aber hinzunehmen, weil dadurch bereits zu Beginn des Verfahrens rechtskräftig über die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens entschieden werden kann. Eine solche Entscheidung dient auch im Blick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten über die angemessene Vergütung der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit (vgl. Ory, ZUM 2006, 914, 918). 17 III. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts auf Kosten des Antragstellers (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen. Das Rechtsbeschwerdegericht trifft nur dann keine Kostenentscheidung, wenn das gegen die Anordnung der Verfahrensaussetzung gerichtete Rechtsmittel begründet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2006 - IX ZB 33/04, FamRZ 2006, 1268).
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OLG München, Entscheidung vom 15.07.2010 - 34 SchH 14/09 - 18
BGH:
Beschluss v. 22.06.2011
Az: I ZB 64/10
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