Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2001
Aktenzeichen: 23 W (pat) 46/00
(BPatG: Beschluss v. 22.02.2001, Az.: 23 W (pat) 46/00)
Tenor
Die Anmelderin wird in die versäumten Fristen zur Erhebung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr wiedereingesetzt.
Gründe
I.
Die einen
"Stecker für Gasgeneratoren von Gassack-Aufprall-Schutzeinrichtungen sowie Verfahren zu seiner Herstellung"
betreffende Anmeldung ist mit Beschluß des Deutschen Patentamts - Prüfungsstelle für Klasse H 01 R - vom 20. Oktober 1998 zurückgewiesen worden. Das zum Zweck der Zustellung an den damaligen patentanwaltlichen Vertreter der Anmelderin übersandte Empfangsbekenntnis ist nicht zu den Amtsakten zurückgesandt worden. Daraufhin wurde der Zurückweisungsbeschluß mit Zustellungsurkunde am 22. April 1999 diesem Vertreter der Anmelderin durch persönliche Übergabe zugestellt.
Am 2. März 2000 ist ein Beschwerdeschriftsatz gegen den Zurückweisungsbeschluß - gefertigt von einem Patentanwalt, der bisher nicht im Verfahren mitgewirkt hat - mit aufgeklebten Gebührenmarken (Beschwerdegebühr) beim Deutschen Patentamt eingegangen.
Mit Schreiben vom 17. März 2000 hat dieser Patentanwalt vorsorglich Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist und die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt und hierzu vorgetragen: Die Anmelderin werde seit ca 1938 von dem Patentanwalt, der die Anmeldung getätigt hatte, zur vollen Zufriedenheit und fehlerfrei vertreten. Dieser Anwalt sei jedoch für die Anmelderin nicht mehr erreichbar gewesen, deshalb habe sie sich an ihn, den nunmehr tätigen Patentanwalt, um Hilfe gewandt.
Am 9. Februar 2000 habe er seinerseits von der Geschäftsführerin der Patentanwaltskammer erfahren, daß sich bereits mehrere Mandanten und auch das Deutsche Patent- und Markenamt bei der Kammer über die Unerreichbarkeit des Patentanwalts beschwert hätten sowie darüber, daß ordnungsgemäße Zustellungen nicht mehr möglich seien. Noch am selben Tag habe er dann telefonisch Kontakt mit dem Patentanwalt aufnehmen können und einen Termin am 16. Februar 2000 zur Übergabe der Akten in dessen Kanzlei vereinbart. Beim Betreten der Kanzlei zu diesem Termin habe sich ihm ein schwer vorstellbares Maß an Unordnung geboten, auf Tischen, Stühlen und vor allem auf dem Fußboden hätten Stapel von Akten und eingegangener, ungeordneter und unbearbeiteter Post gelegen. Der Kollege habe auf ihn einen depressiven Eindruck gemacht, er habe wohl weniger unter einem Realitätsverlust, als an der Unmöglichkeit gelitten, notwendige Handlungen - selbst wenn sie als solche erkannt wurden - vorzunehmen. Jeden Handgriff habe er als Überforderung empfunden. Allein die Art des Zusammenbruchs der Kanzlei des patentanwaltlichen Kollegen nach jahrzehntelanger, ordnungsgemäßer Berufsausübung lege in hohem Maße die Wahrscheinlichkeit nahe, daß eine schwere gesundheitliche Störung des Kollegen die Ursache des Fehlverhaltens innerhalb des vergangenen Jahres gewesen sei. Der Kollege sei in den letzten Monaten von keinem Mitarbeiter in seiner Kanzlei mehr unterstützt worden, es habe keine Mitarbeiter mehr gegeben. Dies alles versicherte der Patentanwalt anwaltlich zur Glaubhaftmachung und wies darauf hin, daß Auskünfte dritter Personen und von Behörden nur vom Patentanwalt selbst beschafft werden könnten und die Grenzen der Schweigepflicht es diesen verbieten würden, alle Informationen, insbesondere über den Gesundheitszustand des Patentanwalts offenzulegen. Sowohl das Referat für Vertreterangelegenheiten des Deutschen Patent- und Markenamtes als auch die Patentanwaltskammer könnten die geschilderten Schwierigkeiten bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis als auch die Unerreichbarkeit des erkrankten Kollegen bestätigen.
Bereits im Februar 2000 hatte der Patentanwalt mitgeteilt, daß er das Empfangsbekenntnis zum Zurückweisungsbeschluß vom 20. Oktober 1998 in der Kanzlei des Kollegen aufgefunden habe. Das mit Datum vom 18. Februar 2000 unterzeichnete Empfangsbekenntnis war diesem Schreiben beigefügt. Der Patentanwalt teilte mit, daß er davon ausgehe, daß die Beschwerdefrist mit demselben Tage beginne.
II.
Die Anmelderin war antragsgemäß in die versäumten Fristen zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr wiedereinzusetzen (§ 123 PatG). Mit Erhebung der Beschwerde am 2. März 2000 und Zahlung der Beschwerdegebühr unter diesem Datum sind sowohl die Beschwerdeerhebungsfrist als auch die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr versäumt worden. Zwar hat der Patentanwalt, der nunmehr im Verfahren tätig ist, das Empfangsbekenntnis, das mit dem angefochtenen Zurückweisungsbeschluß vom 20. Oktober 1998 übersandt worden ist, beim erkrankten Patentanwalt aufgefunden und seinerseits mit dem Datum 18. Februar 2000 unterzeichnet und dem Deutschen Patent- und Markenamt im Februar 2000 zurückgesandt. Die Frist zur Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluß ist jedoch bereits durch die wirksame Zustellung mit Urkunde am 22. April 1999 an den erkrankten Patentanwalt in Lauf gesetzt worden und mithin am 22. Mai 1999 abgelaufen, so daß die Beschwerde am 2. März 2000 verspätet eingelegt worden ist. Die Anmelderin war auch ohne ihr Verschulden an der Fristeinhaltung verhindert, denn seit 1938 ist sie zu ihrer vollen Zufriedenheit vom erkrankten Patentanwalt vertreten worden, so daß zu einer weitergehenden Kontrolle dieses früheren Vertreters kein Anlaß bestand. Zwar ist einem Anmelder auch das Verschulden seines Vertreters zuzurechnen. Da der Patentanwalt aber wegen Erkrankung seinen Geschäften nicht mehr ausreichend nachkommen konnte, besteht zu einer solchen Zurechnung kein Anlaß. Dies hat der nunmehr im Verfahren tätige Patentanwalt durch anwaltliche Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht.
Da er erst am 9. Februar 2000 von der Problematik erfahren hat und Wiedereinsetzung am 17. März 2000 beantragt hat, ist sowohl die Zweimonatsfrist nach § 123 Absatz 2 Satz 1 Patentgesetz als auch die Jahresfrist nach § 123 Absatz 2 Satz 4 Patentgesetz gewahrt. Die versäumte Beschwerdefrist ist nämlich am 22. Mai 1999 abgelaufen, deshalb endet die Jahresfrist am 22. Mai 2000.
Nach erfolgter Wiedereinsetzung war dem nunmehrigen Vertreter der Anmelderin die mit Schriftsatz vom 24. Januar 2001 beantragte Frist zur Ausarbeitung und Einreichung einer Beschwerdebegründung bis zum 23. April 2001 zu gewähren.
Dr. Beyer Dr. Gottschalk Tronser Lokysbr/Kr
BPatG:
Beschluss v. 22.02.2001
Az: 23 W (pat) 46/00
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