Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 28. Januar 2015
Aktenzeichen: OVG 12 B 21.13
(OVG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 28.01.2015, Az.: OVG 12 B 21.13)
1. Liegen einer Behörde Unterlagen eines öffentlichen Unternehmens im Rahmen der Beteiligungsverwaltung vor, handelt es sich um amtliche Informationen in der Verfügungsberechtigung der Behörde, die grundsätzlich dem Informationsfreiheitsgesetz unterstehen.
2. Die Mitglieder des Aufsichtsrats einer mitbestimmten GmbH unterliegen der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit; als "Kehrseite" ihres umfassenden Informationsrechts unterliegt auch die Behörde, die die Gesellschaftsbeteiligung des Bundes verwaltet, der Verschwiegenheit. Die für diese Gesellschaftsform durch §§ 93, 109, 116 AktG angeordnete Vertraulichkeitspflicht schließt den Anspruch auf Informationszugang zu Aufsichtsratsprotokollen und sitzungsvorbereitenden Unterlagen regelmäßig nach § 3 Nr. 4 IFG aus. Dies gilt grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen in der Hand von Gebietskörperschaften.
3. Der presserechtliche Auskunftsanspruch gewährt grundsätzlich kein Recht auf Einsicht in behördliche Akten oder einen Anspruch auf Herausgabe von Kopien von Behördenakten.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist Journalist in der Redaktion einer überregionalen Tageszeitung. Er begehrt den Zugang zu Informationen in Unterlagen des Aufsichtsrats des beigeladenen Unternehmens, die sich in dem für die Beteiligung der Beklagten zuständigen Ministerium befinden, soweit diese Informationen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen hinsichtlich Inbetriebnahme und Kosten des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) betreffen.
Mit E-Mail vom 20. Juni 2012 beantragte er bei dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - BMVBS - den Zugang zu allen €mit dem Ausbau und der geplanten Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg in Zusammenhang stehenden schriftlichen Informationen€, die €das BMVBS erreicht haben - insbesondere die Vertreter des BMVBS im Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH€ in Kopie. Mit E-Mail vom 22. Juni 2012 grenzte er auf Bitte der Beklagten seinen Antrag auf solche Informationen ein,
€a) mit denen der Minister, sein Büro bzw. sein Stab, die Staatssekretäre und ihre Büros, die Vertreter des Ministeriums im Aufsichtsrat sowie die Leitungsstab des Hauses befasst waren (Aufsichtsratsprotokolle, Korrespondenzen u.a. mit den anderen Gesellschaftern, Telefonvermerke, etc.)
b) aus denen sich Abweichungen von den ursprünglichen Planungen hinsichtlich der Inbetriebnahme und den Kosten ergeben.€
Gesellschafter der Beigeladenen ist neben den Ländern Berlin und Brandenburg die beklagte Bundesrepublik Deutschland. Der Aufsichtsrat der Beigeladenen hat 15 Mitglieder, von denen 10 Mitglieder von den Anteilseignern entsandt werden, u.a. ein Staatssekretär des für die Beteiligung des Bundes zuständigen Bundesministeriums. Die Beigeladene teilte ihren Gesellschaftern mit Schreiben vom 6. Juni 2012 mit, dass sie in Bezug auf Aufsichtsratsprotokolle, vorbereitende Unterlagen zu Aufsichtsratssitzungen sowie Controlling-Berichte im Zusammenhang mit der Errichtung und der Inbetriebnahme des neuen Flughafens Berlin Brandenburg der Auffassung sei, dass es sich dabei um vertrauliche Dokumente handele, die Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse enthielten und daher weder veröffentlicht noch an informationssuchende Dritte weitergegeben werden dürften.
Die Beklagte gab der Beigeladenen und den anderen Gesellschaftern Gelegenheit, zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Mit Bescheid des BMVBS vom 31. Juli 2012 lehnte sie die Gewährung des Informationszugangs ab. Zur Begründung führte sie aus, Aufsichtsratsprotokolle und andere Unterlagen aus der Beteiligungsverwaltung unterlägen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Namentlich Unterlagen hinsichtlich der Inbetriebnahme und der Kosten des Flughafens Berlin Brandenburg stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Ein teilweiser Informationszugang komme nicht in Betracht, weil eine Schwärzung zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ohne Verlust jeglichen inhaltlichen Zusammenhangs nicht durchführbar sei. Den Widerspruch des Klägers vom 13. August 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2012 zurück.
In dem am 21. November 2012 eingeleiteten Klageverfahren hat die Beklagte den Gegenstand der Niederschriften über die Aufsichtsratssitzungen vom 20. April 2012 und vom 16. Mai 2012 durch sog. spezifizierte Inhaltsverzeichnisse erläutert. Daraufhin hat der Kläger seinen Antrag auf den Zugang zu den Unterlagen dieser Sitzungen einschließlich der vorbereitend den Aufsichtsratsmitgliedern zugeleiteten €Sitzungsmappen€ konkretisiert. In der Sache hat er sich auf den Standpunkt gestellt, der Aufsichtsrat der Beigeladenen sei ein fakultativer Beirat, der nicht der Geheimhaltungspflicht des Aktiengesetzes unterliege. Selbst wenn er dieser Verschwiegenheitspflicht unterliege, müsse diese gesetzes- und verfassungskonform einschränkend ausgelegt werden. Die Beigeladene sei ein Unternehmen der öffentlichen Hand und alle ihre Gesellschafter hätten ihren Sitz im Anwendungsbereich von Informationsfreiheitsgesetzen. Darüber hinaus habe er als Vertreter der Presse unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Informationszugang. Die Informationen seien mangels Darlegung eines berechtigten Interesses an der Nichtverbreitung nicht geheimhaltungsbedürftig, so dass keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegeben seien. Jedenfalls sei der Beklagten eine teilweise Schwärzung durchaus zuzumuten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. November 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem grundsätzlich gegebenen Anspruch auf Informationszugang die gesetzlich geregelte Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder entgegenstehe. Bei der Beigeladenen müsse nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein Aufsichtsrat errichtet werden. Danach seien die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Verschwiegenheitspflicht auf die Mitglieder des bei der Beigeladenen gebildeten Aufsichtsrates hinsichtlich der Vertraulichkeit der Sitzungen und der zur Vorbereitung überlassenen Unterlagen anzuwenden. Der Auskunftsanspruch der Gesellschafter einer GmbH und die Lockerungen der Verschwiegenheitspflicht, die das Aktiengesetz für von einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandte Mitglieder hinsichtlich der dieser zu erstattenden Berichte vorsehe, änderten an der Verschwiegenheitspflicht nichts. Ob diese Lockerungen auch für die hier vorliegende mitbestimmte GmbH anzuwenden seien, könne daher dahinstehen. Auf weitere von der Beklagten und der Beigeladenen vorgetragene Ausschlussgründe komme es nicht an. Auch ein presserechtlicher Auskunftsanspruch, der im Regelfall € so auch hier mangels entsprechender Konkretisierung einer bestimmten Fragestellung - keine Akteneinsicht oder die Zurverfügungstellung von Kopien umfasse, finde an dem berechtigten Interesse der Beklagten und der Beigeladenen an der Vertraulichkeit der begehrten Informationen seine Grenze.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er beruft sich in erster Linie auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nach dem Berliner Pressegesetz, hilfsweise auf einen unmittelbar aus dem Grundrecht der Presse- und Informationsfreiheit abgeleiteten Auskunftsanspruch. Der Kläger meint weiter, sein Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Umweltinformationsgesetz sei gegeben, weil die Ausschlussgründe im Hinblick auf sein journalistisches Rechercheanliegen verfassungskonform auszulegen und einzuschränken seien. Er könne sich für sein Informationsinteresse auch auf Art. 10 EMRK berufen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. November 2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 31. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2012 zu verpflichten, ihm Informationszugang durch Überlassung von Ablichtungen der Niederschriften des Aufsichtsrats der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH über die 104. Sitzung vom 20. April 2012 und die 105. Sitzung vom 16. Mai 2012 einschließlich der vorbereitenden Unterlagen in €Sitzungsmappen€ zu gewähren, soweit diese den Ausbau und die geplante Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg betreffen und Angaben zur Abweichung von den ursprünglichen Planungen hinsichtlich der Inbetriebnahme am 3. Juni 2012 und der Kosten enthalten.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Entgegen der Ansicht des Klägers führe sein journalistisches Informationsinteresse nicht dazu, dass Ausschlussgründe im Lichte der Aufgabe der Presse eng auszulegen seien, zumal die hier einschlägige Verschwiegenheitspflicht keinen Spielraum für eine Entscheidung eröffne, bei der die grundrechtliche Wertentscheidung zu berücksichtigen sein könnte. Ein presserechtlicher Auskunftsanspruch, gleichviel ob auf der Grundlage des Berliner Pressegesetzes oder in unmittelbarer verfassungsrechtlicher Ableitung sei schon nicht in einem solchen Maße konkretisiert, dass die Herausgabe von Kopien der streitigen Unterlagen verlangt werden könne, im Übrigen stehe die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Unterlagen entgegen. Die Europäische Menschenrechtskonvention untersage die Behinderung des Empfangs von Informationen Dritter; sie erlege den Konventionsstaaten jedoch nicht die Pflicht auf, Informationen zu erteilen, gewähre in diesem Sinne keinen Anspruch auf die Eröffnung von Informationsquellen durch den Staat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen; diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Gründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat keinen Anspruch auf den Zugang zu den begehrten Informationen in der begehrten Form (§§ 125 Abs. 1 i.V.m. 113 Abs. 5 VwGO). Nach dem Umweltinformationsgesetz € UIG € kann ihm ein Informationszugang unabhängig vom materiellen Bestehen eines Anspruchs im vorliegenden Verfahren nicht zugesprochen werden (dazu 1.). Ein Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz € IFG € ist nach § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen (dazu 2.). Eine presserechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung des konkreten Informationsbegehrens ist nicht gegeben (dazu 3.).
1. Soweit der Kläger den Anspruch auf Informationsgewährung erstmalig im Berufungsverfahren auf die Vorschriften des Umweltinformationsgesetzes stützen möchte, steht dem entgegen, dass er keinen auf Umweltinformationen bezogenen Antrag bei der Behörde gestellt, sondern den Informationszugang ausdrücklich nach dem Informationsfreiheitsgesetz begehrt hat und die Qualifikation der begehrten Unterlagen als Umweltinformationen einen solchen Anspruch wegen des Vorrangs des UIG ausgeschlossen hätte (vgl. § 1 Abs. 3 IFG). Der Kläger hat jedoch nicht substantiiert erläutert, ob und inwieweit es sich bei den begehrten Informationen um Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG handelt; auch die Beklagte hat dem Antragsbegehren in Kenntnis der Informationen einen Umweltbezug im Sinne der Vorschrift nicht entnehmen können. Für die Entscheidung über die Berufung kommt es darauf nicht an. Handelte es sich um Umweltinformationen, fehlte es an einem darauf bezogenen Antrag auf Zugang bei der Behörde und damit an einer Prozessvoraussetzung für die Klage; im Übrigen wäre die Berufung hinsichtlich eines Anspruchs nach dem IFG schon deshalb unbegründet.
2. Der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gegen die Beklagte grundsätzlich gegebene Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, unter die auch die mit dem Antrag begehrten Aufsichtsratsunterlagen des beigeladenen Unternehmens nach § 2 Nr. 1 IFG fallen, die bei dem für die Beteiligungsverwaltung zuständigen und insoweit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG verfügungsberechtigten Bundesministerium vorliegen, besteht hier nach § 3 Nr. 4 IFG nicht. Die Informationen unterliegen einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht im Sinne dieses Ausschlussgrundes.
Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 IFG seien erfüllt, ist nichts zu erinnern. Die Beigeladene unterliegt als GmbH nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat € Drittelbeteiligungsgesetz € vom 18. Mai 2004 (BGBl. I, S. 974), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3044), der Verpflichtung, einen Aufsichtsrat zu bilden, für den u.a. die §§ 109 und 116 des Aktiengesetzes € AktG € gelten. Nach § 109 Abs. 1 AktG sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse nicht teilnehmen. § 116 Satz 1 AktG verweist für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder auf die sinngemäße Geltung des § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder; nach § 116 Satz 2 AktG sind die Aufsichtsratsmitglieder insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG verpflichtet die Vorstandsmitglieder, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder und der Ausschluss Dritter von den Aufsichtsratssitzungen indiziert die Vertraulichkeit der in den Sitzungen thematisierten und ausgetauschten Informationen; dies schließt die zur Vorbereitung verfassten Unterlagen und die Niederschriften über die Sitzungen regelmäßig ein. Nimmt in einer GmbH der Gesellschafter im Rahmen seines Informationsrechts gemäß § 51a GmbHG Einsicht in Unterlagen des Unternehmens, was in einer mitbestimmten GmbH auch Aufsichtsratsunterlagen umfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 1997 € II ZB 4/96 € BGHZ 135, 48, juris Rn. 6, 8 ff.), ist Kehrseite dieses Informationsrechts als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht eine verstärkte eigene Pflicht zur Verschwiegenheit des Gesellschafters (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 11. November 2002 € II ZR 125/02 € BGHZ 152, 339, juris Rn. 17 m.w.N.; Beschluss vom 29. April 2013 € VII ZB 14/12 € BGHZ 197, 181, juris Rn. 12 a.E.). Diese gesellschaftsrechtlich angeordnete Verschwiegenheitspflicht trifft auch die Behörden, die eine öffentliche Beteiligung an einem in der entsprechenden Rechtsform organisierten Unternehmen verwalten, was die Offenbarung in ihrer Verfügungsmacht stehender Unterlagen des Unternehmens, auch seines Aufsichtsrats, angeht.
Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des Gesellschaftsrechts sehen auch keine Einschränkungen für Unternehmen vor, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Vielmehr hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass für die Aktiengesellschaft die §§ 394 und 395 AktG mit der Beteiligung von Gebietskörperschaften einerseits eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder im Verhältnis zu der Gebietskörperschaft, der sie bericht-erstattungspflichtig sind, vorsehen, andererseits aber eine besondere Verschwiegenheitspflicht für die mit der Verwaltung der Beteiligung betrauten Personen anordnen. Auf diese Vorschriften wird für die mitbestimmte GmbH wegen ihrer von der der Aktiengesellschaft abweichenden Gesellschaftsstruktur im Drittelbeteiligungsgesetz nicht verwiesen; dort gilt das, was für die Aktiengesellschaft besonderer Regelung bedarf, nach den vorstehenden Ausführungen ohnehin, weil die Gebietskörperschaft als Gesellschafter ein umfassendes Informationsrecht hat, hinsichtlich erlangter vertraulicher Informationen aber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Eine Einschränkung der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht infolge der öffentlichen Beteiligung an der Beigeladenen ist per se nicht geboten. Als Luftverkehrsinfrastrukturunternehmen nimmt die Beigeladene zwar eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge war. Sie befindet sich dabei aber im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die selbst Flughäfen oder Luftlandeplätze betreiben, und steht in vielfältigen Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen, die ihrerseits im Wettbewerb untereinander stehen und denen gegenüber sie eigene Interessen zu wahren hat. Diese Interessen werden sich grundsätzlich mit denjenigen der an dem Unternehmen beteiligten Gebietskörperschaften decken.
Dem Petitum des Klägers, die bereichsspezifisch geltende Verschwiegenheitspflicht deshalb einzuschränken, weil alle Gesellschafter der Beigeladenen dem Anwendungsbereich von Informationsfreiheitsgesetzen unterliegen und dem Transparenzgedanken, der diesen Vorschriften zugrundeliegt, verpflichtet sind, liegt eine zirkelschlüssige Argumentation zugrunde. Denn die gesetzlichen Zwecke des hier einschlägigen IFG finden dort ihre Grenze, wo der Gesetzgeber angeordnet hat, dass der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht. Der Kläger verlangt demnach eine Erweiterung des Gesetzes in den Bereich hinein, den der Gesetzgeber in Ausgestaltung der Reichweite des Gesetzeszwecks gerade ausgeschlossen hat.
Grenzen findet die hier in Rede stehende Geheimhaltungspflicht jedoch, wo andere Rechtsvorschriften das Unternehmen zur Offenbarung der Informationen verpflichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 € 7 C 6.10 € NVwZ 2011, 1012, juris Rn. 16). Zudem mögen im Aufsichtsrat der Beigeladenen auch Sachverhalte zur Sprache kommen, die ungeachtet der Nichtöffentlichkeit und Vertraulichkeit der Sitzungen ihrer Natur nach nicht vertraulich oder ausdrücklich als nicht vertraulich zu behandelnde Informationen zu begreifen sind. Die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht ist nicht in dem Sinne umfassend, dass jede erörterte Information eo ipso vertraulich wäre. Sie dient auch € anders als die Beklagte und die Beigeladene meinen € nicht dem Schutz der Beratung des Aufsichtsrats vor Beeinträchtigung in einem der Bestimmung des § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG vergleichbaren Sinn, sondern ist auf die materielle Geheimhaltungsbedürftigkeit der ausgetauschten Informationen bezogen. Anhand der von der Beklagten erstellten €spezifizierten Inhaltsverzeichnisse€ der Unterlagen ergibt sich jedoch kein Anhalt dafür, dass die vom Klageantrag umfassten Informationen nach handelsrechtlichen Vorschriften veröffentlichungspflichtig, ihrer Natur nach oder ausdrücklich von der Vertraulichkeit ausgenommen oder sonst nicht geheimhaltungspflichtig wären. Der Kläger hat dazu auch in der mündlichen Verhandlung nichts von Substanz vorgetragen; die Beklagte und die Beigeladene haben auf Nachfrage des Senats deutlich gemacht, dass der Informationsgehalt der Beratungsgegenstände über das hinausgeht, was Gegenstand von Veröffentlichungspflichten ist und inzwischen in veröffentlichte und damit auch für den Kläger zugängliche Geschäfts- und Lageberichte für die Jahre 2011 und 2012 Eingang gefunden hat.
3. Auch das mit der Berufungsbegründung in den Vordergrund gestellte Verständnis des Antrages als presserechtliches Auskunftsbegehren verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Dafür kann auf sich beruhen, ob der Kläger sein Informationsbegehren nicht erst nachträglich presserechtlich eingekleidet hat und was daraus für sein Rechtsschutzbedürfnis folgt. In den allein und ausdrücklich auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Antrag vom 20. Juni 2012 auf Herausgabe von Kopien bestimmter Unterlagen musste ein verständiger Empfänger ein presserechtliches Auskunftsersuchen jedenfalls nicht hineinlesen. Soweit dennoch ein presserechtlicher Auskunftsanspruch als weitere Anspruchsgrundlage des vorliegenden Informationsbegehrens zu prüfen ist, sind dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt und ist die Klage unbegründet. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung von Auskünften gegenüber Pressevertretern nach § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes oder in unmittelbarer Ableitung aus der grundgesetzlichen Wertentscheidung für eine freie Presse in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt (so BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 € 6 A 2.12 € BVerwGE 146, 56, juris Rn. 18 ff.; dagegen OVG NW, Urteil vom 18. Dezember 2013 € 5 A 413/11 € DVBl. 2014, 464, juris Rn. 48 ff.). Denn das mit dem Berufungsantrag verfolgte konkrete Begehren des Klägers, die Aufsichtsratsprotokolle und vorbereitenden Sitzungsunterlagen für bestimmte Sitzungen in Kopie zu erhalten, zielt ersichtlich auf etwas anderes als die Erteilung einer Auskunft. Der presserechtliche Auskunftsanspruch umfasst grundsätzlich nicht eine Aktennutzung durch Einsichtnahme in Behördenakten oder einer Kopie von Behördenakten (BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 € 6 A 5.13 € NJW 2014, 1126, juris Rn. 24). Für das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Kläger Hinreichendes nicht erläutert. Dass seinem Informationsinteresse, Angaben zur Abweichung von den ursprünglichen Planungen hinsichtlich der Inbetriebnahme am 3. Juni 2012 und der Kosten des Flughafens Berlin Brandenburg zu erhalten € unterstellt, es würde mit einer konkreten Fragestellung verfolgt € nicht durch Auskünfte der Behörde der Beklagten, sondern nur durch die Herausgabe von Kopien der Aufsichtsratsunterlagen entsprochen werden kann, drängt sich nicht auf. Die Herausgabe von Kopien geht über die mit der Auskunft zu einem bestimmten Themenkomplex verbundene Mitteilung der Information hinaus, und es ist naheliegend, dass der Kläger sich gerade deshalb für sein journalistisches Rechercheinteresse des Instrumentariums nach dem IFG bedient hat. Aus Art. 10 EMRK folgt kein weitergehender Anspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene mit der Antragstellung ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten nach § 162 Abs. 3 VwGO dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
OVG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 28.01.2015
Az: OVG 12 B 21.13
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