Oberlandesgericht München:
Urteil vom 10. Juni 2009
Aktenzeichen: 20 U 4391/08

(OLG München: Urteil v. 10.06.2009, Az.: 20 U 4391/08)

Tenor

I. Die Berufungen der Kläger zu 1), 10), 11) und 14) - 16) gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17. Juli 2008, AZ 3 O 25269/05, werden zurückgewiesen.

II. Die Kläger zu 1), 3), 4), 9), 10), 11), 13) und 14) - 16) tragen die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention, wobei die durch die streitige Verhandlung und dieses Urteil entstandenen Mehrkosten nur die Kläger zu 1), 10), 11), 14) - 16) zu tragen haben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis 18.12.2008 auf EUR 89.700,88, von 19.12.2008 bis 17.02.2009 auf EUR 88.419,15, von 18.02.2009 bis 06.05.2009 auf EUR 86.576,55 und ab 06.06.2009 auf EUR 79.736,47 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger fordern Schadensersatz, weil sie Aktien der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) auf Grund angeblich falscher Informationen erworben bzw. behalten und hierdurch Schaden erlitten haben.

Die Beklagte zu 1) befasste sich international mit dem Handel von Rechten und der Vermarktung von Lizenzen. Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen.

Die Beklagte zu 1) gab in der Zeit zwischen September 1999 und November 2000, noch unter der Bezeichnung E.TV & M. AG firmierend, in verschiedenen Mitteilungen Unternehmensdaten sowie geplante oder bereits getätigte unternehmerische Entscheidungen und Prognosen bekannt. Die Beklagten zu 2) und 3) äußerten sich in Interviews und Vorträgen zwischen dem 09.10.2000 und dem 15.11.2000 auch persönlich hierzu.

Die Kläger erwarben zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichem Umfang Aktien der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1). Zu den Daten dieser Aktienkäufe wird Bezug genommen auf die klägerischen Schriftsätze vom 27.12.2005, Seite 62 - 68 und vom 02.09.2006, Bl. 232 ff.

Am 01.12.2000 gab die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) eine Gewinnwarnung heraus, die aufdeckte, dass ihre wahre wirtschaftliche Situation nicht mit den offiziellen Darstellungen übereinstimmte. Der Aktienkurs verfiel.

Am 16.10.2001 erhob die Staatsanwaltschaft München I gegen die Beklagten zu 2) und 3) Anklage wegen unrichtiger Darstellungen der Unternehmensdaten der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) und gab hierzu am 06.11.2001 eine Pressemitteilung heraus (K 157). Die Beklagten zu 2) und 3) wurden am 08.04.2003 durch das Landgericht München I wegen unrichtiger Darstellung verurteilt (K 94). Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I wurden mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2004 verworfen. Am 15.11.2004 erhielten die Kläger Einsicht in die Strafakten. Die Klage vom 27.12.2005 wurde den Beklagten am 31.01.2006 zugestellt.

Die Beklagte zu 1) verkündete den Beklagten zu 2) und 3) und RA Dr. B. als dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) den Streit. Letzterer trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1) bei.

Die Kläger behaupteten, die Aktien jeweils im Vertrauen auf falsche positive Unternehmensnachrichten über die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), welche die Beklagten zu 2) und 3) zu verantworten hätten, erworben zu haben. Hinsichtlich der individuellen Kaufmotive wird Bezug genommen auf den klägerischen Schriftsatz vom 02.09.2006, Seite 22 - 35. Durch den Kursverfall haben sie einen Schaden erlitten, für den die Beklagten ersatzpflichtig seien.

Die Beklagten sind dem entgegen getreten. Sie haben den Ursachenzusammenhang zwischen angeblichen Falschdarstellungen und der jeweiligen Anlageentscheidung bestritten und wandten Verjährung ein.

Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Kläger stellten vor dem Landgericht Musterfeststellungsanträge (§ 1 KapMuG). Der Antrag vom 18.12.2006 bezog sich auf die Unrichtigkeit der ad-hoc-Mitteilung vom 05./09.10.2000 sowie der Gewinnwarnung vom 01.12.2000. Der Antrag vom 15.12.2006 bezog sich auf die Unrichtigkeit der ad-hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 und der Antrag vom 08.12.2006 auf die Verjährungsfrage.

Das Landgericht München I hat die Klagen mit Endurteil vom 17.07.2008 abgewiesen. Die Ansprüche seien verjährt. Die für den Lauf der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen hätten die Kläger mit Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I gegen die Beklagten zu 2) und 3) vom 16.10.2001 gehabt. Die Kenntnis von der Anlageerhebung hätten die Kläger nicht bestritten. Spätestens im Oktober 2004 sei daher die Verjährung eingetreten, jedoch erst am 29.12.2005 Klage erhoben worden.

Die Musterfeststellungsanträge wurden in erster Instanz vom Landgericht nicht verbeschieden.

Ergänzend wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger zu 1), 10), 11) und 14) - 16). Der Kläger zu 13) hat mit Schriftsatz vom 17.12.2008 seine Berufung zurückgenommen. Die Kläger zu 3), 4) und 9) haben mit Schriftsätzen vom 05.05.2009 bzw. 13.02.2009 nach Berufungseinlegung die Klage zurückgenommen.

Die Berufungsführer rügen die Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör und faires Verfahren, da das Landgericht über die von ihnen gestellten Musterfeststellungsanträge nicht entschieden habe.

Rechtsirrig habe das Landgericht angenommen, die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I gegen die Beklagten zu 2) und 3) vom 16.10.2001 habe zur hinreichenden Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen bei den Klägern geführt und daher die Verjährungsfrist in Lauf setzen können. Weder die Tatsache der Anklageerhebung noch die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 06.11.2001 (BK 7), deren Kenntnisnahme die Berufungsführer nicht in Abrede stellen, hätten ausreichende Informationen geliefert. Solche hätte erst nach Akteneinsicht der Prozessbevollmächtigten der Kläger vorgelegen, die nach erstmaligem Gesuch vom 26.11.2003 erst am 15.11.2004 gewährt worden sei.

Schließlich sei auf Grund der unübersichtlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die Klageerhebung unzumutbar gewesen.

Frühest möglicher Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn sei allenfalls die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) vom 08.04.2003 durch das Landgericht München I gewesen. Letztlich habe aber erst das Urteil des Bundesgerichtshof vom 09.05.2005 - II ZR 287/02 - Klarheit gebracht.

In jedem Fall sei die Klage vom 29.12.2005 noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden.

Die Kläger zu 1), 10), 11) und 14) - 16) beantragen daher,

I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.07.2008, AZ: 3 O 25269/05, wird aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurück verwiesen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Hilfsweise:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger wie folgt zu leisten:

1. an den Kläger zu 1) EUR 1.690,85 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung, Zug um Zug gegen Übertragung von 6 Aktien der E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN: ...07, von 6 Stück E. TV AG, jetzt E. Sport Media AG, ISIN: ...Q9 sowie von 6 Stück E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN ...R7,

2. an den Kläger zu 10) und die Klägerin zu 11) als Gesamtgläubiger EUR 1.638,40 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung,

3. an die Klägerin zu 14) EUR 7.866,22 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung, Zug um Zug gegen Übertragung von 18 Aktien der E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN: ...07, sowie von 13 Stück E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN ...R7,

4. an die Klägerin zu 15) und den Kläger zu 16) als Gesamtgläubiger EUR 68.541,00 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung, Zug um Zug gegen Übertragung von 136 Aktien der E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN: ...07, sowie von 136 Stück E.TV AG, jetzt E.Sport Media AG, ISIN ...R7.

Die Beklagten und der Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil, in dem zu Recht Verjährung angenommen worden sei.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle samt Anlagen und die Hinweise des Senats Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger zu 1), 10), 11) und 14) - 16) ist unbegründet, da den geltend gemachten Ansprüchen jedenfalls die Einrede der Verjährung entgegensteht.

A.

Verfahrensfehler des Landgerichts, die eine Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

Zwar ist den Berufungsführern insoweit beizutreten, als eine Entscheidung über die Musterfeststellungsanträge nicht hätte unterbleiben dürfen. Jedoch ist dieser Umstand für das angefochtene Urteil nicht entscheidungserheblich geworden, da die Musterfeststellungsanträge wegen Entscheidungsreife in der Hauptsache vom Landgericht ersichtlich und zu Recht als unzulässig gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Satz 2 KapMuG im Entscheidungsfall behandelt worden wären, wie der nachgereichte Beschluss vom 27.10.2008 - ungeachtet seiner Zulässigkeit - inhaltlich belegt. Entscheidungsreife in diesem Sinne besteht dann, wenn - vom Rechtsstandpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus - der Tatsachenstoff des Klageverfahrens hinreichend geklärt ist und die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von einer Rechtsfrage abhängt, die in dem Musterfeststellungsantrag als Feststellungsziel genannt ist (BGH, MDR 2008, 224-225). Dies war hinsichtlich der Musterfeststellungsanträge, bezogen auf die Unrichtigkeit der ad-hoc-Mitteilung vom 05./09.10.2000 sowie der Gewinnwarnung vom 01.12.2000 und der ad-hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 der Fall, da das Landgericht Verjährung der geltend gemachten Ansprüche angenommen hat.

Soweit die Kläger die Verjährungsproblematik zum Gegenstand eines Musterfeststellungsantrag gemacht haben, wäre auch dieser als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Durch die Anknüpfung der Verjährung an die subjektive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, betrifft diese Frage einen individuellen, nicht verallgemeinerungsfähigen Umstand und hätte damit auch nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein können (BGH a.a.O.).

B.

Zutreffend hat das Landgericht die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen.

Die Kläger können ihre Ansprüche nur auf die deliktische Tatbestände gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 400 AktG, § 826 BGB stützen. Andere Rechtsbeziehungen sind zwischen den Parteien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

Die den Beklagten von den Klägern vorgeworfenen, schädigenden Handlungen in Form von Fehlinformationen, die zum Kauf bzw. zum Behalten der verfahrensgegenständlichen Beteiligungen geführt haben sollen, fallen allesamt in das Jahr 2000. Für hieraus resultierende deliktische Ansprüche ist nach Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB maßgeblich. Der Beginn der Verjährung richtet sich wegen Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach den Voraussetzungen des § 852 BGB a.F.

Ansprüche nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 400 AktG, § 826 BGB verjähren danach in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Der Gläubiger muss die Tatsachen kennen (oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennen), die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Normen erfüllen. Bei einem Schadensersatzanspruch muss der Gläubiger die Pflichtverletzung oder die gleichstehende Handlung, den Eintritt eines Schadens und die Kenntnis von der eigenen Schadenbetroffenheit kennen. Setzt der Anspruch - wie hier - das Vorliegen bestimmter innerer Tatsachen voraus, so kommt es auf die Kenntnis der äußeren Umstände an, aus denen auf die inneren Tatsachen geschlossen werden kann (BGH, NJW 1964, 494).

Diesen erforderlichen Erkenntnisstand hatten die Kläger, ungeachtet auf welche der verfahrensgegenständlichen Fehlinformationen sie ihren Anspruch stützen, spätestens im Oktober/November 2001 auf Grund der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I vom 16.10.2001 in Verbindung mit der Presseerklärung vom 06.11.2001 (K 157).

Kenntnis von ihrem Schaden und ihrer Schadensbetroffenheit hatten die Kläger bereits seit der Gewinnwarnung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) vom 01.12.2000 und dem sich weiter anschließenden Kursverfall. Hierzu tragen die Kläger selbst vor, €die Gewinnwarnung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) vom 01.12.2000 deckte auf, dass die wahre wirtschaftliche Situation der Beklagten zu 1) keineswegs mit den Darstellungen gegenüber den Anlegern übereinstimmte. Der Kurs der Aktien der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) stürzte ins Bodenlose€ (Schriftsatz vom 27.12.2005 Seite 62).

Mit der Anklageerhebung am 16.10.2001 und der begleitenden Presseberichterstattung erfuhren die Kläger, was sie nicht in Abrede stellen, €dass die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen die Beklagten zu 2) und 3) wegen des Verdachts unrichtiger Darstellungen und Kursbetrugs gemäß §§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 88 BörsG erhoben hat. Ihnen wurde vorgeworfen, als Vorstände der Beklagten zu 1) bewusst am 24.08.2000 falsche Halbjahreszahlen des Unternehmens bekannt gegeben sowie in Interviews und Vorträgen zwischen dem 08.10.2000 und dem 15.11.2000 die Geschäftsentwicklung zu positiv dargestellt zu haben...€. (vgl. BK 7).

Damit waren auch die Personen bekannt, die für den am 01.12.2000 bereits aufgedeckten Schaden verantwortlich waren. Dies ist ausreichend.

47§ 852 Abs. 1 BGB a.F. verlangt nicht die Kenntnis des Schadenshergangs in allen Einzelheiten, vielmehr reicht für den Verjährungsbeginn im Allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die es dem Geschädigten erlaubt, eine hinreichend aussichtsreiche - wenn auch nicht risikolose - und ihm daher zumutbare Feststellungsklage zu erheben (st. Rspr., vgl. BGH NJW 94, 3092 m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Geschädigte aufgrund seines Kenntnisstandes in der Lage ist, eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage schlüssig zu begründen. Dazu gaben den Klägern die Angaben in der Gewinnwarnung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) vom 01.12.2000 sowie die Angaben über die Anklageerhebung vom 16.10.2001 in der Pressemitteilung vom 06.11.2001 hinreichend Möglichkeit. Es wurden dort Schadenshandlung und Schädiger genannt.

So erfuhren die Kläger zu 1), 10) und 11), die eigenem Vortrag zu Folge ihren Kaufentschluss auf ein Interview vom Oktober 2000 stützten bzw. auf die ad-hoc-Mitteilungen vom 24.08.2000 und 09.10.2000, auf den Kursverlauf und die Versicherung der Beklagten zu 2) und 3) in Interviews und Vorträgen, dass die Jahresprognose aufrecht erhalten wird, dass die dort getroffenen Aussagen bewusst falsch waren.

Gleiches gilt für die Klägerin zu 14), die ihr Halten der Aktien u.a. mit einem Pressebericht vom 25.08.2000 begründet, der über die Umsatzzahlen gemäß der ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 berichtete, die ausweislich der staatsanwaltschaftlichen Pressemitteilung geschönt waren.

Anderes rechtfertigt sich auch nicht für die Kläger zu 15) und 16), die ihren Kaufentschluss letztlich auf Grund einer Unternehmensanalyse der H. bank trafen. Auch diesen Klägern offenbarte die staatsanwaltschaftliche Pressemitteilung, dass die Beklagten zu 2) und 3) jedenfalls die Geschäftsentwicklung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) zu positiv dargestellt hatten. Dies hätte auch diese Kläger veranlassen müssen, sofort tätig zu werden, da ab sofort nicht mehr auszuschließen war, dass auch die Analyse der H. bank auf falschen Angaben beruhte.

Die für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 852 BGB maßgebende Kenntnis konnte somit durch die Gewinnwarnung, die Anklageerhebung und die Pressemitteilung vermittelt werden; offenbleibende Zweifel an der Erweisbarkeit der Anklagetatsachen ändern daran nichts (vgl. BGH VersR 1983, 273). Die Klageerhebung war zumutbar, jedenfalls auf der Grundlage des § 826 BGB (vgl. insoweit BGH vom 22.09.2008, II ZR 235/07, a.E.).

Hierfür kann es keine Rolle spielen, inwiefern sich die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Haftung für ad-hoc-Mitteilungen seit 2001 fortentwickelt hat. Denn den Tatbestand einer Verjährungshemmung bis zur höchstrichterlichen Klärung einer Rechtsfrage kennt das geltende Recht nicht; das Erfolgsrisiko einer Rechtsverfolgung wird dem Prozessführenden nicht durch das Verjährungsrecht abgenommen.

Ob die Verfolgung von Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG zum damaligen Zeitpunkt auf eine besonders unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage stieß, kann dahinstehen. Denn den Klägern stand jedenfalls die Anspruchsgrundlage des § 826 BGB zur Verfügung, deren Anwendung im vorliegenden Fall weder damals noch heute als "besonders unübersichtlich oder zweifelhaft" zu bezeichnen ist.

Spätestens mit der Presseerklärung vom November 2001 begann somit die Verjährungsfrist zu laufen, so dass die Klageerhebung mit Schriftsatz vom 27.12.2005 jedenfalls nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommen worden war.

Die inhaltliche Begründetheit der Ansprüche kann damit dahinstehen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 100, 101, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Der Senat wendet gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Einzelfall an. Durch die Anknüpfung der Verjährung an die subjektive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, betrifft diese Frage einen individuellen, nicht verallgemeinerungsfähigen Umstand und stellt eine typische Einzelfallentscheidung dar, die die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt. Divergierende Entscheidungen der Oberlandesgerichte sind gerade bei solchen Einzelfallwertungen unvermeidbar.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 47 GKG.






OLG München:
Urteil v. 10.06.2009
Az: 20 U 4391/08


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