Landgericht Bonn:
Urteil vom 25. September 2009
Aktenzeichen: 15 O 117/09

(LG Bonn: Urteil v. 25.09.2009, Az.: 15 O 117/09)

1. Der sekundäre Schadenersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt wegen pflichtwidriger Herbeiführung der Primärverjährung setzt eine neue selbstständige Pflichtverletzung voraus; eine die Haftung des Rechtsanwalts auslösende Pflichtwidrigkeit kann nicht zugleich die Nichterfüllung der Pflicht zur Aufdeckung des Regressanspruchs gegenüber dem Mandanten darstellen.

2. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung des Mandanten gegenüber der Verjährungseinrede eines Rechtsanwalts kann begründet sein, wenn der Rechtsanwalt des Mandanten von der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung abgehalten hat. Erforderlich zur Annahme der Treuwidrigkeit ist aber ein bewusstes, willengerichtetes Verhalten des Rechtsnawalts.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte in deren Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin des verstorbenen Rechtsanwalts T aus X in Anspruch. Gegenstand der Klage sind Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt T wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin aus einem Auffahrunfall in L.

Am ........1995 war die Klägerin in einen Verkehrsunfall auf dem F-Platz in L verwickelt, als ein LKW von der Linksabbiegespur nach rechts auf die von der Klägerin befahrene Spur wechselte und in das Fahrzeug der Klägerin hineinfuhr. Die Klägerin beklagte unfallbedingte Verletzungen, nämlich ein HWS-Syndrom sowie ein schweres seelisches Trauma, da sie 1988 in einem Verkehrsunfall bereits einmal lebensgefährliche Verletzungen davongetragen hatte. Aufgrund vollständiger Erwerbsunfähigkeit ging sie am ........1997 in Frührente.

Die gegnerische Haftpflichtversicherung, die H Versicherungsbank VVaG, lehnte mit Schreiben vom ........1997 und ........1997 eine Haftung bereits dem Grunde nach wegen fehlender Kausalität ab. Die Klägerin mandatierte wegen der gerichtlichen Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit von ihr behaupteten unfallbedingten Verletzungen am 12.05.1998 die Rechtsanwaltskanzlei T. Dort zuständiger Sachbearbeiter dieses Mandats war der angestellt tätige Rechtsanwalt U. Am ........1999 wurde vor dem Landgericht L Klage auf Zahlung von Auslagenersatz, eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 50.000,- DM sowie einer Schmerzensgeldrente und schließlich der Feststellung eines materiellen und immateriellen Vorbehalts in Bezug auf zukünftig noch entstehende Schäden erhoben (Aktenzeichen 20 O 198/99). Am ........1999 forderte das Landgericht Kostenvorschuss in Höhe von 3.465,- DM bei Rechtsanwalt T an. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin, die S AG, teilte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom ........1999 und ........1999 mit, dass Kostenschutz für eine gerichtliche Geltendmachung der Schmerzensgeldansprüche nur in Höhe eines Streitwertes von 10.000,- DM sowie eines Feststellungsanspruchs gewährt werde. Der Kostenvorschuss wurde nicht eingezahlt und das Verfahren nach 6 Monaten weggelegt. Die mit Verfügung des Landgerichts vom ........1999 nochmals angeforderten Gerichtskosten von 1.155,- DM glich die S AG aus.

Mit Schreiben vom ........2004 erkundigte sich der Ehemann der Klägerin bei Rechtsanwalt U nach dem Sachstand des Klageverfahrens und erbat eine Einschätzung der Erfolgsaussichten. Mit Schreiben vom ........2005 wandte er sich mit einer schriftlichen Sachstandsanfrage an das Landgericht L. Von dort erhielt er mit Schreiben vom ........2005 die Auskunft, dass das Verfahren sich erledigt habe, nachdem der Kostenvorschuss nicht eingezahlt worden und die Sache nach 6 Monaten weggelegt worden sei.

Am ........2007 mandatierte die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten wegen der Inanspruchnahme von Rechtsanwalt T auf Schadensersatz aufgrund fehlerhafter Mandatsführung. Mit Schreiben vom selben Tag wurden gegenüber Rechtsanwalt T Schadensersatzansprüche dem Grunde nach angemeldet, welche dieser mit Schreiben vom ........2007 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, die Rechtsverfolgung vor dem Landgericht L sei nicht erfolgversprechend gewesen. Verjährung sei zudem nicht eingetreten, da die geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Regelverjährung von 30 Jahren unterlägen.

Rechtsanwalt T verstarb am ........2007. Die Beklagte meldete den Fall als Testamentsvollstreckerin des Verstorbenen dessen Haftpflichtversicherung. Diese lehnte eine Haftung zuletzt mit Schreiben vom ........2008 mit der Begründung ab, etwaige Regressansprüche seien verjährt.

Mit der am 15.09.2008 erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 30.000,- € sowie von 1.095,- € außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Sie ist der Ansicht, Rechtsanwalt T habe es pflichtwidrig unterlassen, auf das Risiko einer verspäteten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses und der damit verbundenen Gefahr der Verjährung der vor dem Landgericht L geltend gemachten Schadensersatzansprüche hinzuweisen, was im Ergebnis zu deren Verjährung und damit Undurchsetzbarkeit geführt habe. Hierzu behauptet sie, es habe im Zusammenhang mit der eingeschränkten Deckungszusage der S AG keine Aufklärung über die weitere Vorgehensweise und insbesondere keine Rücksprache des sachbearbeitenden Rechtsanwalts mit ihr über die Möglichkeit einer (teilweisen) eigenen Übernahme der Gerichtskosten gegeben. Zwischen dem ........2000 und der Sachstandsanfrage beim Landgericht L am ........2005 habe sie sich wiederholt telefonisch und schriftlich in der Kanzlei T nach dem Stand des Klageverfahrens erkundigt. Von dort sei sie damit vertröstet worden, dass für ihren Rechtsstreit maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Zurechnung psychischer Folgeschäden abgewartet werden solle.

Sie ist weiter der Auffassung, der Pflichtverstoß von Rechtsanwalt T habe zu einem Schaden von 30.000,- € geführt. Die im Verfahren 20 O 198/99 vor dem Landgericht L erhobenen Schmerzensgeldansprüche seien in dieser Höhe mindestens durchsetzbar gewesen. Hierzu behauptet sie, bei dem Verkehrsunfall vom ........1995 habe sie ein HWS-Trauma erlitten, welches trotz relativ geringer Anstoßgeschwindigkeit aufgrund der Besonderheiten des Aufpralls zu extremen Verspannungen der gesamten Halswirbelsäule mit Kopfschmerzen, Schwindel und krampfartigen Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich der rechten Schulter geführt habe. Des Weiteren habe sie einen Schock erlitten, da sie in einem Verkehrsunfall mit einem LKW in 1988 bereits einmal lebensgefährlich verletzt worden sei und durch den Folgeunfall dieses Unfallereignis nochmal durchlebte, so dass ein schweres seelisches Trauma mit erheblichen Angstzuständen und Schlafstörungen hervorgerufen worden sei. Weiter behauptet sie, der zuständige Rechtsanwalt U habe in der Besprechung bei Übernahme des Mandats die Erfolgsaussichten einer klageweisen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche positiv beurteilt.

Sie ist schließlich weiter der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht namens des verstorbenen Rechtsanwalts T auf Verjährung berufen. Die Erhebung dieses Einwands sei vielmehr treuwidrig, weil die Klägerin von der Geltendmachung ihres Regressanspruchs durch das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten abgehalten worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 20.04.2002 sowie weitere 1.095,82 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet sich gegen eine Haftung von Rechtsanwalt T bereits dem Grunde nach und meint, der Klägerin sei aus dessen Tätigkeit kein Schaden entstanden. Die Schmerzensgeldklage habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da ein etwaiger Verursachungsbeitrag des Unfallgegners für den geltend gemachten Schaden nicht kausal geworden sei. Die von der Klägerin behaupteten Verletzungen aus dem Verkehrsunfall vom ........1995 seien jedenfalls nicht nachweisbar gewesen. Dies gelte insbesondere für den seelischen Schaden. Sie behauptet, Rechtsanwalt T habe bei Mandatsübernahme auf die Risiken eines Vorgehens gegen die Verursacher des Verkehrsunfalls vom ........1995 und deren Haftpflichtversicherer hingewiesen und die Erfolgsaussichten sehr zurückhaltend beurteilt. Es sei mit der Klägerin vereinbart gewesen, dass das Klageverfahren nur bei Erteilung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung durchgeführt werden sollte. Nachdem diese nur begrenzt auf einen Streitwert von 10.000 DM erteilt worden sei, sei Rechtsanwalt U mit dem Ehemann der Klägerin überein gekommen, die Klage nicht durchzuführen und den Gerichtskostenvorschuss nicht einzuzahlen.

Die Beklagte meint weiter, dass etwaige Regressansprüche zudem verjährt seien. Sie erhebt ausdrücklich die Einrede der Verjährung.

Schließlich bestreitet sie hilfsweise den Schaden der Höhe nach.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2009 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Die Beklagte ist richtiger Klagegegner. Sie ist Testamentsvollstreckerin hinsichtlich des Nachlasses des verstorbenen Rechtsanwalts T. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen Rechtsanwalt T wäre jedenfalls zu dessen Lebzeiten entstanden und daher nach seinem Tod gemäß § 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB Nachlassverbindlichkeit. Solche Nachlassverbindlichkeiten können gemäß § 2213 Abs. 1 S. 1 BGB sowohl gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden.

2.

Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung von Rechtsanwalt T bei der Vertretung der Klägerin im Verfahren 20 O 198/99 vor dem Landgericht L gemäß § 280 Abs. 1 BGB ist nicht durchsetzbar, da er verjährt ist. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in der Klageerwiderung vom 18.05.2009 ausdrücklich erhoben. Angesichts dessen bedarf es einer Erörterung der einzelnen Voraussetzungen des Regressanspruchs im Ergebnis nicht.

a.

Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass die Beratung der Klägerin durch Rechtsanwalt T bzw. durch den für ihr Mandat zuständigen Rechtsanwalt U nicht in pflichtgemäßer Weise erfolgt ist. Rechtsanwalt U, für dessen Fehlverhalten Rechtsanwalt T gemäß § 278 BGB einzustehen hat, hat es pflichtwidrig unterlassen, Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Unfallereignis vom ........1995 vor drohender Verjährung zu bewahren.

Den Rechtsanwalt trifft die allgemeine Pflicht, im Rahmen des Auftrags die Belange des Auftraggebers nach jeder Richtung wahrzunehmen und ihm voraussehbare und vermeidbare Nachteile zu ersparen. Hieraus folgt im Besonderen, einen etwaigen Anspruch des Mandanten vor Verjährungseintritt zu bewahren. Das bedeutet konkret, dass der Rechtsanwalt die Verjährungsfristen erfassen und überwachen muss und bei Bedarf rechtzeitige Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung einzuleiten hat (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2.A., Rz. 612). Was die Klageerhebung als den Regelfall der die Verjährung hemmenden Maßnahmen betrifft, muss der Rechtsanwalt den Mandanten darauf hinweisen, dass ihm im Fall einer verspäteten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses die Gefahr der Anspruchsverjährung droht. Dem Mandanten muss klar sein, dass die Klage bei Verjährung des Anspruchs abgewiesen werden muss, so dass auch ein Rechtsmittel aussichtslos wäre (BGH NJW-RR 1995, 252; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 617).

Nach vorstehenden Ausführungen hätte Rechtsanwalt U die Klägerin darüber aufklären müssen, wann der geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt und wann die Klage spätestens eingereicht werden musste, um eine ansonsten etwa drohende Verjährung zu hemmen. Weiter musste er nach Auffassung der Kammer darauf hinweisen, dass die rechtzeitige Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses Voraussetzung für die Klagezustellung und damit die Verjährungshemmung ist. Da die Klägerin über eine Rechtsschutzversicherung verfügte, hätte Rechtsanwalt U ihr deutlich machen müssen, dass für den Fall, dass die Deckungszusage verweigert wird, sie selbst rechtzeitig den Prozesskostenvorschuss einzuzahlen hat. Zumindest wäre der Hinweis erforderlich gewesen, dass mit Ablauf der Verjährung der Anspruch nicht mehr, auch nicht in einem späteren Verfahren, durchgesetzt werden kann. Dass Rechtsanwalt U die Klägerin in der vorstehend dargestellten Weise aufgeklärt hat, hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen.

b.

Ob die genannte Verletzung der Beratungspflichten, die Rechtsanwalt U gegenüber der Klägerin oblagen, zum Bestehen eines Schadensersatzanspruchs geführt hat, kann jedoch dahinstehen, da ein etwaiger Regressanspruch der Klägerin verjährt ist.

aa.

Die Verjährung richtet sich vorliegend nach § 51 b BRAO a.F., da ein Regressanspruch der Klägerin am 04.04.2000 und damit vor dem 15.12.2004 (Stichtag für die Änderung der Verjährung für die Rechtsberaterhaftung, vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1, Art. 229 § 12 Abs. 1 S. 2 EGBGB) entstanden ist. Der Beginn der Verjährung für einen vor dem 15.12.2004 entstandenen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen Rechtsanwälte richtet sich nach dem vor diesem Stichtag geltenden Recht, also nach dem inzwischen aufgehobenen § 51 b BRAO (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 1265). Ein primärer Regressanspruch des Mandanten gegen den Rechtsanwalt entsteht in dem Zeitpunkt, in welchem dem Mandanten ein Schaden erwachsen ist. Besteht der Schaden in dem Verlust eines Anspruchs des Mandanten gegen einen Dritten, den der Rechtsanwalt hat verjähren lassen, so entsteht der Schaden zumindest bei - wie hier - streitigen Ansprüchen, bei denen der Anspruchsinhaber mit der Erhebung der Verjährungseinrede rechnen muss, mit dem Ablauf der Verjährungsfrist und nicht erst mit der Erhebung der Verjährungseinrede (BGH NJW 1994, 2822; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 1345).

(1)

Vorliegend wäre der Regressanspruch am 04.04.2000 entstanden, da an diesem Tag der Schadensersatzanspruch, zu dessen Geltendmachung Rechtsanwalt T mandatiert war, verjährte. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem Unfallereignis wäre am 20.11.1995 entstanden. Die insofern maßgebliche Bestimmung zur Verjährung ist § 852 BGB a.F. Danach verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Eine solche Kenntnis hatte die Klägerin am Unfalltag nach Aufnahme des Verkehrsunfalls, da davon auszugehen ist, dass die Beteiligten Namen und Anschrift ausgetauscht haben und der Klägerin auch der Name des Halters des gegnerischen Fahrzeugs und der Haftpflichtversicherung genannt worden ist.

Die Hemmung der Verjährung richtet sich nach § 852 Abs. 2 BGB a.F., sie wird durch Verhandlungen zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Ersatzverpflichteten über den zu leistenden Schadensersatz bewirkt. Sie endet, wenn ein Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verweigerung muss grundsätzlich durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck kommen (Palandt-Thomas, BGB, 60.A.(2001), § 852 Rz. 19). Jedenfalls in dem Schreiben der gegnerischen Haftpflichtversicherung, der H Versicherungsbank VVaG, vom ........1997 liegt eine solche Verweigerung. Darin wird eindeutig festgestellt, dass und warum aus Sicht der Versicherung die Voraussetzungen für die Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Klägerin fehlen. Im Schreiben vom ........1997 wird auf die Entscheidung vom ........1997 nochmals verwiesen und diese bestätigt. Die Verjährung des Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin trat daher am 04.04.2000 ein.

(2)

Verjährung des am 04.04.2000 entstandenen Regressanspruchs der Klägerin gegen Rechtsanwalt T ist, da Hemmungs- bzw. Unterbrechungstatbestände nicht in Betracht kommen, am 04.04.2003 eingetreten. Gemäß § 51 b BRAO a.F. verjährt ein Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem RA in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach Beendigung des Auftrags.

Die letztgenannte Alternative des Beginns der Verjährungsfrist mit Beendigung des Auftrags ist vorliegend nicht einschlägig. Zwar ist nach dem Parteivortrag unklar, wann das von der Klägerin RA T erteilte Mandat beendet war. Der in § 51 b BRAO verwendete Begriff "spätestens" bedeutet, dass der Verjährungsbeginn sich nur dann nach dieser Regelung richtet (also mit dem Mandatsende zusammenfällt), wenn dies zu einer früheren Verjährung führt als § 51 b Fall 1 BRAO (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1348). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.

bb.

Nach der Rechtsauffassung der Kammer kann der Eintritt der Verjährung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung abgelehnt werden.

Ist gemäß § 51 b BRAO die Primärverjährung des ursprünglichen Regressanspruchs des geschädigten Mandanten gegen den Rechtsanwalt eingetreten, so kann dennoch dieser Anspruch dann noch durchgesetzt werden, wenn der Rechtsanwalt einem zweitrangigen (sekundären) Schadensersatzanspruch des Mandanten wegen pflichtwidriger Herbeiführung der Primärverjährung ausgesetzt ist und ein solcher Sekundäranspruch seinerseits noch nicht verjährt ist (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1366). Ein solcher Sekundäranspruch setzt voraus, dass sich für den Rechtsanwalt ein begründeter Anlass zur Prüfung ergibt, ob der dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Unterlässt er die erforderliche Überprüfung seines eigenen Verhaltens oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt er infolgedessen nicht den erforderlichen Hinweis auf § 51 b BRAO, kann dies den Sekundäranspruch auslösen (BGHZ 94, 380, 386). Der Sekundäranspruch setzt also eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Die den Regressfall auslösende Pflichtwidrigkeit kann nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs darstellen. Der Sekundäranspruch entsteht vielmehr nur, wenn eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu der der Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGH, Urteil vom 13.11.2008 - IX ZR 69/07 -, Rz. 11, m.w.N., zitiert nach juris).

Vorliegend ist für die Kammer kein Sachverhalt vorgetragen bzw. ersichtlich, aus dem sich eine derartige weitere, unabhängig von der den Regressfall auslösenden Pflichtwidrigkeit ergibt. Rechtsanwalt T ging, wie von der Klägerin vorgetragen, offenbar irrtümlich davon aus, dass der klageweise geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch der damals geltenden Regelverjährung von 30 Jahren unterlag. Diese Rechtsauffassung hatte Rechtsanwalt T während des gesamten Mandats inne. Denn noch im Schreiben vom 28.06.2007, mit welchem er die von der Klägerin erhobenen Regressansprüche zurückweist, bezog er sich auf die dreißigjährige Verjährungsfrist. Nur vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung ergibt zudem die von Rechtsanwalt T bzw. Rechtsanwalt U wiederholt, so etwa im Schreiben vom ........2006 an den Ehemann der Klägerin, erteilte Auskunft einen Sinn, dass in Bezug auf die Fortführung des Mandats höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem der Zurechnung psychischer Folgeschäden abgewartet werden solle. Da die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist ausgingen, stand aus ihrer Sicht für die weitere Rechtsverfolgung in Bezug auf den Schmerzensgeldanspruch noch genügend Zeit zur Verfügung, so dass die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewartet werden konnte. Die dem zu Grunde liegende Fehleinschätzung hinsichtlich der maßgeblichen Dauer der Verjährungsfrist führte zum pflichtwidrigen Unterlassen verjährungsunterbrechender Maßnahmen und damit zum Eintritt der Verjährung des Schmerzensgeldanspruchs. Eine weitere, hiervon unabhängige Pflichtverletzung, welche den Sekundäranspruch ausgelöst hätte, ist daneben nicht erkennbar.

Darüber hinaus wäre vorliegend auch ein etwaiger Sekundäranspruch verjährt, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich die abgelaufene Verjährungsfrist des Regressanspruchs bis zur Verjährung des Sekundäranspruchs verlängert. Auch die Sekundärverjährung richtet sich nach § 51 b BRAO a.F. (BGH NJW 2009, 1350). Der Sekundäranspruch verjährt mithin drei Jahre nach seinem Entstehen. Er entsteht mit Eintritt der Primärverjährung des Regressanspruchs, vorliegend also dem 04.04.2003. Der Sekundäranspruch wäre also spätestens im April 2006 verjährt.

c.

Der von der Klägerin gegen den Eintritt der Verjährung (Primär- und Sekundärverjährung) erhobene Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB greift nach Auffassung der Kammer nicht durch. Der zur Begründung des Einwands erhobene Vortrag der Klägerin, Rechtsanwalt T bzw. der zuständige Rechtsanwalt U habe sie an der Unterbrechung der Verjährung gehindert, indem sie die Beklagte zwischen 2002 und 2006 immer wieder in Bezug auf die Geltendmachung des Anspruchs vertröstet und erklärt hätten, das Verfahren ruhe wegen zu erwartender höchstrichterlicher Rechtsprechung, überzeugt die Kammer nicht.

aa.

Die Verjährungseinrede des Rechtsanwalts gegenüber einem primären oder sekundären Schadensersatzanspruch des Mandanten ist unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB verstößt (BGH NJW 2002, 3110, 3111, Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1437 m.w.N.). Allerdings verlangt der Zweck der Verjährungsregelung, an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen, so dass ein grober Verstoß gegen Treu und Glauben vorausgesetzt wird (BGH WM 1996, 540, 542; 1988, 1855, 1858). Dies kann dann der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten von der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung der Regressforderung abgehalten hat, etwa weil er ihn zur Annahme veranlasst hat, der Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt (Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O.).

Es ist nicht ersichtlich und geht auch aus dem vorgelegten Schriftverkehr nicht hervor, dass Rechtsanwalt T bzw. Rechtsanwalt U der Klägerin die Auskunft, es solle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Zurechenbarkeit psychischer Schäden abgewartet werden, in dem Bewusstsein erteilten, sie durch diese Information von einer Inanspruchnahme ihrer Bevollmächtigten wegen fehlerhafter Beratungsleistung abzuhalten. Zwar lag dieser Auskunft die - fehlerhafte - Rechtsauffassung zu Grunde, der Schmerzensgeldanspruch verjähre in dreißig Jahren und Verjährungseintritt drohe mithin nicht. Ein bewusstes, willensgerichtetes Handeln der Rechtsanwälte zur Abwendung eines wegen der fehlerhaften Beratung drohenden Regresses ist dem jedoch nicht zu entnehmen. Ein solches finales Element muss nach der Rechtsauffassung der Kammer zur Falschberatung bezüglich des Verjährungseintritts hinzutreten, um das Verhalten treuwidrig erscheinen zu lassen. Denn anderenfalls würde man dem vorgenannten Grundsatz nicht gerecht, dass an den Erfolg des Einwands der Treuwidrigkeit gegen den Verjährungseintritt aus Gründen der Rechtssicherheit hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Aufrechterhaltung eines falschen Rechtsrates durch den Rechtsanwalt, der dazu führt, dass der Mandant die eigene Rechtsverfolgung weiter für erfolgversprechend hält, führt grundsätzlich dazu, dass eine Inanspruchnahme des Rechtsanwalts im Regresswege unterbleibt. Würde die bloße Falschauskunft des Rechtsanwalts, die zum Eintritt der Verjährung führt, zur Begründung des Treuwidrigkeitseinwands genügen, so würde dies den Zweck der Verjährungsregelung unterlaufen.

bb.

Hinzu kommt, dass eine Berufung der Klägerin auf den Einwand der Treuwidrigkeit bereits wegen Zeitablaufs nicht zum Tragen kommen kann. Der Arglisteinwand bleibt gegenüber der Verjährungseinrede nur dann erhalten, wenn der Gläubiger nach Wegfall des Umstands, aus dem er die unzulässige Rechtsausübung herleitet, unverzüglich seinen Anspruch gerichtlich geltend macht (BGH WM 2000, 1812, 1814; 1998, 779, 780; 1996, 1106, 1108; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O. Rz. 1438). Für die Unverzüglichkeit der Geltendmachung wird eine Frist von einem Monat für ausreichend erachtet (BGH NJW 1998, 902 f.; WM 1998, 779, 780 f.). Die vorgenannte Frist hat die Klägerin nicht eingehalten.

So hat sie selbst vorgetragen, sie habe auf schriftliche Nachfrage beim Landgericht L durch das dortige Schreiben vom ........2005 erfahren, dass die von ihr eingereichte Klage wegen unterlassener Einzahlung des Kostenvorschusses nicht zugestellt worden sei und beim Landgericht als erledigt geführt werde. Zwar verfügte die Klägerin mit der Kenntnis dieser Umstände nicht über das Wissen, dass der von ihr geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch verjährt ist. Zu diesem Zeitpunkt muss ihr aber bewusst gewesen sein, dass das von ihr zur Geltendmachung des Anspruchs betriebene Gerichtsverfahren, hinsichtlich dessen sie seit fünf Jahren bei ihren Prozessbevollmächtigten um Auskunft über den Sachstand bittet, gar nicht mehr anhängig, sondern bereits seit derselben Zeitspanne erledigt ist. Angesichts dessen hätte die Klägerin zumindest Anlass und noch genügend Zeit gehabt, bis zum Eintritt der Sekundärverjährung im April 2006 das Verhalten ihrer Prozessbevollmächtigten von dritter Seite überprüfen und ggf. geeignete Maßnahmen ergreifen zu lassen, um den Eintritt der Sekundärverjährung zu verhindern. Dies hat sie nicht getan.

Selbst wenn für den Eintritt der Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Beratung nicht auf den Kenntnisstand der Klägerin selbst, sondern auf die Mandatierung des jetzigen Prozessbevollmächtigten abgestellt würde, ergibt sich kein abweichendes Ergebnis. Der Prozessbevollmächtigte für das vorliegende Verfahren wurde nach dem Vortrag der Klägerin am 18.06.2007 beauftragt. Das Mahnverfahren, welches den vorliegenden Rechtsstreit einleitete, begann mit dem Mahnbescheidsantrag vom 16.09.2008, also über ein Jahr später. Von einer unverzüglichen gerichtlichen Geltendmachung ist mithin nicht auszugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

Streitwert: 30.000,- €






LG Bonn:
Urteil v. 25.09.2009
Az: 15 O 117/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cf1fff0a9b2a/LG-Bonn_Urteil_vom_25-September-2009_Az_15-O-117-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share