Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 30. November 2010
Aktenzeichen: 14 U 217/09
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 30.11.2010, Az.: 14 U 217/09)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen eines Anwaltsverschuldens im Wege des Regresses auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin errichtete als Bauträgerin ein Mehrfamilienhaus in der €Straße € in Ort1, das im Frühjahr 1992 fertig gestellt wurde. Mit Architektenvertrag vom €.11.1990 (Bl. 38 d.BA) hatte die Klägerin für dieses Bauvorhaben alle Architektenleistungen, die die HOAI kennt, auf den Architekten A1 übertragen. Nach Fertigstellung des Bauwerkes nahm die Wohnungseigentümergemeinschaft die Klägerin mit einer Klage auf Mängelbeseitigung in Anspruch. In dem Vorprozess wurde die Klägerin mit Schlussurteil des Landgerichts Fulda vom 4.10.2000 - 2 O 11/98 - (Bl. 17 d.A.) verurteilt, in der genannten Wohnungseigentumsanlage eine den dortigen Verhältnissen entsprechende Fäkalienhebeanlage zu installieren. In dem Vorprozess hatte die Klägerin und dortige Beklagte dem Architekten A1 den Streit verkündet.
Nach Verurteilung durch das Landgericht beauftragte die Klägerin den Beklagten, der bereits seit 1998 mit dem Sachverhalt vertraut war, mit der klageweisen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Architekten A1. Mit Schriftsatz vom 13.2.2004, der beim Landgericht Fulda am 18.2.2004 einging, reichte der Beklagte daraufhin Klage gegen den Architekten A1 ein. Das Landgericht Fulda wies die Klage durch Urteil vom 9.9.2004 - 2 O 96/04 - ab. Die dagegen gerichtete Berufung wurde durch Urteil des Senats vom 25.10.2005 - 14 U 229/04 - (Bl. 38 ff d.A.) zurückgewiesen, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten A1 verjährt sei.
Nach Zugang des Urteils des Senats vom 25.10.2005 sprach der Geschäftsführer der Klägerin den Beklagten mehrfach Anfang 2006 (Bl. 102 d.A.) auf seine Haftung wegen Anwaltsverschuldens an. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 17.7.2006 (Bl. 105 d.A.) zum Schadensersatz auf. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten erklärte diesem gegenüber mit Schreiben vom 31.10.2006 (Bl. 106 d.A.), dass allenfalls ein Lästigkeitsvergleich über 5.000 € in Betracht komme, wovon dieser noch seine Eigenbeteiligung zu tragen habe. Streitig ist, ob der Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat (Bl. 102 d.A.). Die Klägerin beziffert ihren Gesamtschaden aus Mängelbeseitigungskosten und den Verfahrenskosten aus den vorangegangenen Prozessen auf 22.264,44 €.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 29.10.2009 (Bl. 108 ff d.A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Mögliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen eines Anwaltsverschuldens seien gemäß § 51 b BRAO verjährt, der hier gemäß Art. 229 €§ 12 Nr. 3 EGBGB in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB weiterhin anwendbar sei, weil der Regressanspruch vor dem 15.12.2004 entstanden sei. Die Verjährung des Regressanspruches der Klägerin gegen den Beklagten habe nicht erst mit den klageabweisenden Urteilen und deren Rechtskraft gegenüber dem Architekten A1, sondern mit Ablauf der Architektengewährleistung gegenüber dem Architekten A1 zu laufen begonnen. Die Gewährleistung für den Architekten A1 von 5 Jahren gemäß § 638 BGB a.F. habe mit Ablauf der Handwerkergewährleistung zu laufen begonnen, da der Architekt A1 auch die Leistungsphase 9 geschuldet habe. Dazu habe auch die Überwachung der Handwerkergewährleistung gehört. Da die Handwerkergewährleistung im Frühjahr 1992 mit Fertigstellung des Bauwerkes in Lauf gesetzt worden sei, sei diese im Frühjahr 1997 vollendet gewesen. Die damit in Lauf gesetzte Architektengewährleistung von 5 Jahren sei deshalb im Frühjahr 2002 vollendet gewesen. Die im Februar 2004 gegen den Architekten erhobene Klage habe die Architektengewährleistung nicht mehr hemmen können, da zu diesem Zeitpunkt die Architektengewährleistung bereits abgelaufen gewesen sei. Mithin sei die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 51 b BRAO für den Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten im Frühjahr 2002 in Gang gesetzt worden und sei im Frühjahr 2005 abgelaufen gewesen. Der im November 2008 von der Klägerin erwirkte Mahnbescheid habe deshalb die Verjährung des Regressanspruches nicht mehr verhindern können. Auch eine Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB des Regressanspruches der Klägerin gegen den Beklagten sei nicht eingetreten, da Verhandlungen über den Regressanspruch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist Anfang 2006 stattgefunden hätten. Soweit sich die Klägerin auf einen Verjährungsverzicht des Beklagten berufe (Bl. 102 d.A.) sei das Vorbringen verspätet und nach § 296 a ZPO nicht mehr zuzulassen. Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin meint, das Landgericht habe zu spät darauf hingewiesen, dass es für den Beginn der Verjährung des Regressanspruches gegen den Beklagten auf den Ablauf der Architektengewährleistung abstelle. Dadurch habe sie nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, zum Ablauf der Architektengewährleistung ergänzend vorzutragen. Von Dezember 1996 bis Frühjahr 1997 seien noch Mängel am Plattenbelag des Balkons und Feuchtigkeitsschäden in der Waschküche beseitigt worden (Bl. 154 d.A.). Die Mängelbeseitigung an der Abwasserhebeanlage hätten sich zudem bis zum Jahre 2002 hingezogen (Bl. 154 d.A.). Die Architektengewährleistung sei daher wegen der Nachgewährleistung erst im Jahre 2007 abgelaufen, so dass auch der Regressanspruch noch nicht verjährt gewesen sei. Außerdem habe das Landgericht die Sekundärhaftung des Beklagten nicht berücksichtigt, die einer Verjährung ebenfalls entgegenstehe. Im Übrigen hätte das Landgericht über den Verjährungsverzicht durch den Beklagten Beweis erheben müssen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 22.264,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.2.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Parteivernehmung des Beklagten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.11.2010 (Bl. 201 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Klageforderung von 22.264,44 € ist weder aus § 280 Abs. 1 BGB noch aus einem sonstigen rechtlichen Gesichtspunkt begründet, weil ein möglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen Anwaltsverschulden gemäß §§ 51 b BRAO a.F., 214 Abs. 1 BGB verjährt ist.
181. Der Beklagte hat seine anwaltlichen Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin verletzt, weil er die Schadensersatzklage gegen den Architekten A1 zu spät, nach Verjährung eines möglichen Schadensersatzanspruches der Klägerin gegen den Architekten A1 erhoben hat. Nachdem die Klägerin durch Urteil des Landgerichts Fulda vom 4.10.2000 - 2 O 11/98 - (Bl. 17 ff d.A.) verurteilt worden war, in der von ihr errichteten Eigentumswohnungsanlage eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende Abwasseranlage zu installieren, kam für die Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Planungs- oder Bauaufsichtsfehler gegen den Architekten A1 aus § 635 BGB a.F. in Betracht. Da der Beklagte diesen Vorprozess für den Kläger geführt und in diesem Vorprozess gegen den Architekten A1 auch den Streit verkündet hatte, hätte der Beklagte im Rahmen der ihm obliegenden Rechtsberatung die Klägerin auch darüber belehren müssen, dass die Schadensersatzansprüche gegen den Architekten A1 vor einer Verjährung rechtzeitig geltend gemacht werden müssten. Dies ist nicht geschehen, denn der Beklagte hat gegen den Architekten A1 erst mit Schriftsatz vom 13.2.2004 vor dem Landgericht Fulda im Verfahren 2 O 96/04 die Schadensersatzklage gegen den Architekten A1 erhoben, die bei Gericht am 18.2.2004 eingegangen war. Zu diesem Zeitpunkt waren mögliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Architekten A1 bereits verjährt, so dass die Klage aussichtslos war.
19a) Die Gewährleistung für die Architektenleistungen betrug gemäß § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB 5 Jahre, die mit der Abnahme der Architektenleistungen durch den Auftraggeber zu laufen begonnen hatte. Die Abnahme der Architektenleistungen setzte aber nach § 640 BGB a.F. die vollständige Erbringung der Architektenleistungen voraus. Schuldet der Architekt auch die Leistungsphase 9 des § 15 Abs. 2 HOAI, so gehört es im Rahmen der Baubetreuung auch zu den Aufgaben des Architekten, das Bauwerk während der Laufzeit der Gewährleistungsfristen gegenüber den Bau ausführenden Handwerkern zu überwachen und gegebenenfalls die Mängelbeseitigung einzuleiten und ebenfalls zu überwachen. Dies bedeutet, dass der Architekt, der die Leistungsphase 9 schuldet, seine Leistungen nicht vor Ablauf der Gewährleistungsfristen gegenüber den Bau ausführenden Handwerkern erbracht haben kann. Erst im Anschluss an den Ablauf der Gewährleistungsfristen gegenüber den Bau ausführenden Handwerkern beginnt daher die Gewährleistungsfrist von 5 Jahren für die Architektenleistungen nach § 638 BGB a.F. zu laufen (vgl. BGH NJW 1994, 1276; Thüringer OLG BauR 2008, 1927). Im Streitfall ist das von der Klägerin errichtete Bauwerk im Frühjahr 1992 fertig gestellt worden. Die Gewährleistung gegenüber den Handwerkern ist daher im Frühjahr 1997 abgelaufen. Die sich daran anschließende Architektengewährleistung hat bis zum Frühjahr 2002 gedauert, denn der Architekt A1 hatte mit dem Architektenvertrag vom €.11.1990 sämtliche Architektenleistungen übernommen, die die HOAI kennt und damit auch die Leistungsphase 9. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Architekt A1 kurz vor dem Ablauf der Gewährleistungsfristen gegenüber den Handwerkern die in § 15 Abs. 2 Leistungsphase 9 vorgesehene Baubegehung durchgeführt hatte, denn spätestens mit Ablauf der Gewährleistungsfristen gegenüber den Handwerkern ist die fünfjährige Gewährleistungsfrist für den Architekten in Gang gesetzt worden (vgl. auch die Entscheidung des Senats OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 25.10.2005 14 U 229/04 (Bl. 38 ff d.A.). Unerheblich ist, ob in dem Zeitraum von Dezember 1996 bis Frühjahr 1997 wegen Mängeln an dem Plattenbelag auf dem Balkon und wegen Feuchtigkeit in der Waschküche Mängelbeseitigungsarbeiten stattgefunden haben (Bl. 154 d.A.), denn hier handelt es sich um Bauüberwachungsleistungen, die der Architekt noch während des Laufs der Handwerkergewährleistung erbracht hat und die den Beginn der Architektengewährleistung nicht hinausschieben. Ebenso ist unerheblich, ob sich die Mängelbeseitigung an der Abwasserhebeanlage bis zum Jahre 2002 hingezogen haben (Bl. 154 d.A.), denn auch insoweit hat der Architekt A1 innerhalb seiner Architektengewährleistung die Mängelbeseitigung überwacht und seine Architektenleistung vollendet. Dadurch ist keine neue Gewährleistung in Gang gesetzt worden, denn dies ist anders als in § 11 Nr. 5 VOB/B in § 638 BGB a.F. nicht vorgesehen. Dass hier für die Gewährleistungsfrist nicht die VOB maßgebend ist, hat das Landgericht bereits in dem Urteil vom 4.10.2000 - 2 O 11/98 € (Bl. 17 d.A.) überzeugend ausgeführt. Es gab insoweit auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin keinen weiteren Mangel, so dass die Mängelbeseitigung noch innerhalb der fünfjährigen Architektengewährleistung abgeschlossen worden ist. Selbst wenn der Architekt A1 bis heute die nach § 15 Abs. 2 ebenfalls geschuldete Objektdokumentation noch nicht erbracht hat (Bl. 153 d.A.), steht dies der Abnahmefähigkeit des Architektenwerkes im Frühjahr 2002 nicht entgegen, denn die Abnahme im Sinne des § 640 BGB a.F. setzt nur voraus, dass das Architektenwerk im Wesentlichen vertragsgemäß war. Dies war auch ohne die Objektdokumentation der Fall, zumal die Klägerin das Fehlen dieser Dokumentation zu keinem Zeitpunkt angemahnt und die Architektenleistung trotzdem voll bezahlt hat. Die Gewährleistung für die Architektenleistung hat daher im Frühjahr 1997 begonnen und war im Frühjahr 2002 vollendet. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht hinsichtlich des Beginns und des Endes der Architektengewährleistung und deren Relevanz für die Verjährung des Regressanspruches seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt hat, denn auch das ergänzende Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere Beurteilung.
b) Die Verjährung für Ersatzansprüche aus der Architektengewährleistung ist auch nicht durch die Streitverkündung gegenüber dem Architekten mit Schriftsatz vom 17.4.1998 gemäß § 270 Abs. 3 ZPO a.F. durch Unterbrechung verhindert worden. Die Unterbrechung hat nach § 215 BGB a.F. nur bis zur Rechtskraft des am 18.10.2000 zugestellten Urteils des Landgerichts Fulda vom 4.10.2000 in dem Verfahren 2 O 11/98 gedauert. Insoweit galt nach Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB das alte Verjährungsrecht. Da keine Berufung gegen das Urteil im Vorprozess eingelegt worden war, war das Urteil im Vorprozess am 18.11.2000 rechtskräftig. Nach § 215 Abs. 2 BGB a.F. hätte der Beklagte für die Klägerin nunmehr innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft des Urteils, also bis spätestens 18.5.2001, Klage gegen den Architekten A1 erheben müssen. Dies ist unstreitig nicht geschehen, denn die Klage gegen den Architekten A1 im Vorprozess wurde erst im Februar 2004 erhoben. Der Beklagte hätte vor Klageerhebung prüfen müssen, ob etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Architekten A1 verjährt sind. Diese Prüfung hätte ergeben, dass eine Klage im Februar 2004 aussichtslos war, weil Ansprüche der Klägerin gegen den Architekten A1 bereits im Frühjahr 2002 verjährt waren. Wegen des fortbestehenden Mandatsverhältnisses seit 1998 hätte der Beklagte die Klägerin zumindest auf die Verjährungsproblematik hinweisen und geeignete Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung treffen müssen. Diese Unterlassung stellt eine Pflichtverletzung des Beklagten gegenüber der Klägerin dar.
2. Ein möglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen dieser Pflichtverletzung ist jedoch gemäß § 51 b BRAO verjährt.
22a) Die Verjährung eines möglichen Schadensersatzanspruches der Klägerin gegen den Beklagten beurteilt sich nach § 51 b BRAO, der durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung zum 15.12.2004 aufgehoben worden ist. Die Regelung des § 51 b BRAO ist gemäß Art. 229 § 12 Nr. 3 EGBGB in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB weiter anwendbar, weil der Primäranspruch gegen den Beklagten vor dem 15.12.2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruches gemäß § 51 b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruches bildet (vgl. BGH NJW 2009, 1350; BGH NJW 2008, 2041). Im Streitfall ist der primäre Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bereits vor dem 15.12.2004 im Sinne des § 51 b BRAO entstanden.
b) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht erst mit dem klageabweisenden Urteil des Landgerichts Fulda vom 9.9.2004 - 2 O 96/04 - oder der Rechtskraft des Urteils des Senats vom 25.10.2005 - 14 U 229/04 - (Bl. 38 ff d.A.) entstanden ist, sondern die dreijährige Verjährung des § 51 b BRAO ist mit Ablauf der Verjährung für die Architektengewährleistung in Gang gesetzt worden. Zwar kann die Verjährungsfrist des § 51 b BRAO auch durch die Bekanntgabe einer negativen Gerichts- oder Behördenentscheidung in Lauf gesetzt werden (vgl. BGH NJW-RR 1998, 742). Dies gilt indes nicht, wenn der Rechtsanwalt einen streitigen Anspruch seines Mandanten gegenüber einem Dritten verjähren lässt. In diesem Fall entsteht der Schaden schon mit dem Ablauf der Verjährungsfrist und nicht erst mit der Erhebung der Verjährungseinrede, denn es kommt auf die erste nachteilige Vermögensänderung an (vgl. BGH NJW 2000, 2661, 2662; BGH NJW 1994, 2822). Für die Verjährung gemäß § 51 b BRAO ist es dabei unerheblich, ob der Mandant seinen Schaden kennt oder auf die Angaben seines Anwaltes vertrauen durfte. Entscheidend ist, dass mit dem Ablauf der Verjährungsfrist eine Vermögensverschlechterung eingetreten ist. Diese Vermögensverschlechterung setzt nicht voraus, dass sie auf Dauer bestehen bleibt oder endgültig ist. Es genügt, dass mit dem Ablauf der Verjährungsfrist die Durchsetzung des Anspruches erschwert worden ist (vgl. BGH Beschluss vom 14.3.1996 - IX ZR 196/95 zit. n. Juris). Dies bedeutet, dass im Streitfall die dreijährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO für den primären Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bereits im Frühjahr 2002 mit dem Ablauf der Architektengewährleistung begonnen hat und im Frühjahr 2005 vollendet war. Der von der Klägerin erwirkte und am 20.11.2008 zugestellte Mahnbescheid (Bl. 2 d.A.) konnte die Verjährung des Regressanspruches nach § 204 Nr. 3 BGB nicht mehr hemmen, da zu diesem Zeitpunkt die Verjährung des primären Regressanspruches der Klägerin gegen den Beklagten bereits abgelaufen war.
24c) Allerdings hat sich durch die Sekundärhaftung des Beklagten die Verjährung des Regressanspruches der Klägerin bis zum 13.2.2007 verlängert. Die sogenannte Sekundärhaftung beruht auf der Erwägung, dass für einen Anwalt bei der Wahrnehmung des Mandats ein begründeter Anlass gegeben sein kann, zu prüfen, ob er seinem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Unterlässt er diese erforderliche Prüfung seines eigenen Verhaltens oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt er infolge dessen den erforderlichen Hinweis auf § 51 b BRAO nicht, kann dies einen Sekundäranspruch auslösen. Der Sekundäranspruch setzt also eine neue schuldhafte Pflichtverletzung des Anwaltes voraus. Die den Regressanspruch auslösende Pflichtwidrigkeit kann jedoch nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruches darstellen. Der Sekundäranspruch entsteht vielmehr nur, wenn eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu der der Regressanspruch noch durchgesetzt werden konnte, also noch nicht verjährt war (vgl. BGH NJW 2009, 1350; BGH NJW 1985, 2250; BGH NJW 2008, 2041). Im Streitfall liegt die primäre Pflichtverletzung des Beklagten darin, dass er nach Verurteilung zur Mängelbeseitigung durch das Urteil des Landgerichts Fulda vom 4.10.2000 - 2 O 11/98 - (Bl. 17 d.A.) trotz der dortigen Streitverkündung gegenüber dem Architekten A1 Schadensersatzansprüche gegen diesen hat verjähren lassen und nicht rechtzeitig Klage erhoben hat. Eine zweite Pflichtverletzung des Beklagten ist jedoch darin zu sehen, dass er bei der Klageerhebung am 13.2.2004 die Verjährung der gegen den Architekten A1 geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht geprüft hat. Eine sorgfältige Prüfung der Schadensersatzansprüche gegen den Architekten A1 hätte ergeben, dass diese verjährt waren und die Klage keine Aussicht auf Erfolg hatte. Dies stellt eine neue Pflichtverletzung des Beklagten dar, die nicht nur die Nichtaufdeckung seiner primären Pflichtverletzung betrifft, weil er wegen des von ihm eingeleiteten Rechtsstreites gegen den Architekten A1 konkreten Anlass zur Prüfung der Erfolgsaussicht hatte und insbesondere auch neue Verfahrenskosten anfallen konnten. Die unterlassene Prüfung lag auch noch innerhalb des Verjährungszeitraumes des primären Regressanspruches, da dieser erst im Frühjahr 2005 verjährte. Die Nichtprüfung der Verjährung der Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Architekten A1 am 13.2.2004 löste daher unter dem Gesichtspunkt der sekundären Haftung die dreijährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO erneut aus, so dass die Verjährungsfrist erst am 13.2.2007 geendet hat.
3. Der Eintritt der Verjährung des Regressanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten ist nicht durch die zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen über die Schadensregulierung nach § 203 BGB verhindert worden. Zwar ist durch Verhandlungen der Parteien eine teilweise Hemmung der Verjährung des Regressanspruches eingetreten, diese reicht jedoch nicht aus, um eine Hemmung der Verjährung bis zur Einreichung des Mahnbescheidsantrages am 14.11.2008 zu bewirken.
a) Unstreitig haben die Parteien nach Zugang des Urteils des Senats vom 25.10.2005 die Anwaltshaftung des Beklagten erörtert, insbesondere hat der Geschäftsführer der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2005 und 21.11.2005 (Bl. 102 d.A.) auf seine Anwaltshaftung wegen der gegen den Architekten A1 verjährten Schadensersatzansprüche angesprochen. Der Beklagte hat seine Ersatzpflicht auch nicht von vornherein verneint, sondern seine Inanspruchnahme wegen Anwaltsverschuldens seinen Haftpflichtversicherer angezeigt. Die Klägerin hat den Beklagten sodann mit Schreiben vom 17.7.2006 (Bl. 105 d.A.) zum Schadensersatz aufgefordert. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten hat mit Schreiben vom 31.10.2006 (Bl. 106 d.A.) die Haftung grundsätzlich abgelehnt und zur außergerichtlichen Regulierung einen sogenannten €Lästigkeitsvergleich€ mit 5.000 € angeboten. Der Inhalt dieses Schreibens ist der Klägerin mitgeteilt worden, die unstreitig diesen Vergleichsvorschlag abgelehnt hat. Da der Inhalt dieses Schreibens des Haftpflichtversicherers des Beklagten vom 31.10.2006 der Klägerin Anfang November 2006 übermittelt worden ist und diese den Vergleichsvorschlag zurückgewiesen hat, haben Verhandlungen über die Schadensregulierung zwischen den Parteien im Zeitraum von November 2005 bis November 2006, also für 12 Monate, stattgefunden. Die Verjährungsfrist für den Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten hat sich deshalb gemäß § 203 BGB vom 13.2.2007 um 12 Monate bis zum 13.2.2008 verlängert.
b) Dass unmittelbar nach der Ablehnung dieses Vergleichsangebotes vom 31.10.2006 weitere Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden haben, lässt sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht feststellen. Die Klägerin behauptet in ihrem Schriftsatz vom 23.11.2010 nur, Rechtsanwalt RA1 habe als Vertreter des Beklagten erklärt, ob der Beklagte bereit wäre, darüber hinaus Schadensersatz zu leisten, könne in Abwesenheit des Beklagten nicht entschieden und müsse abgewartet werden (Bl. 191 d.A.). Damit hat der Rechtsanwalt RA1 nur zum Ausdruck gebracht, dass weitere Verhandlungen vorläufig nicht geführt werden können und die Regulierung mit der Ablehnung des Vergleichs durch die Klägerin ein vorläufiges Ende gefunden habe. Die Verhandlungen der Parteien waren dadurch unterbrochen. Der Beklagte war wegen eines Schlaganfalles in der Zeit von März 2007 bis November 2007 erkrankt und nicht als Anwalt in seiner Kanzlei tätig. Unstreitig hat er erst im November 2007 seine Anwaltstätigkeit wieder aufgenommen und der Klägerin ein neues Angebot ohne Beteiligung des Haftpflichtversicherers über 8.000 € unterbreitet. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 23.11.2010 die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Beklagten auf November 2009 datiert (Bl. 192 d.A.), handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, da der Beklagte seine Tätigkeit im November 2007 wieder aufgenommen hat. Ein Vergleichsangebot des Beklagten im November 2009 würde im Hinblick auf die Hemmung der Verjährung auch keinen Sinn machen, da mit der Einreichung des Mahnbescheidsantrages im November 2008 bereits ein neuer Hemmungstatbestand nach § 204 Abs 1 Nr. 3 BGB gegeben war. Es kann daher allenfalls angenommen werden, dass im November 2007 zwischen den Parteien nochmals über den Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verhandelt worden ist mit einem Betrag von 8.000 €. Ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 3.11.2008 (Bl. 198 d.A.) hat die Klägerin dieses Vergleichsangebot aber bereits im Jahre 2007 abgelehnt. Es können daher allenfalls im November und Dezember 2007, also für weitere zwei Monate, Verhandlungen über die Schadensregulierung zwischen den Parteien geschwebt haben. Dies hat zur Folge, dass die unter Berücksichtigung der Sekundärhaftung und der Hemmungswirkung nach § 203 BGB wegen Verhandlungen der Parteien am 13.2.2008 ablaufende Frist nochmals gemäß § 203 BGB um weitere zwei Monate bis zum 13.4.2008 verlängert wurde. Die Behauptung der Klägerin, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Angelegenheit bis zur Rückkehr des Beklagten zurückgestellt werden sollte (Bl. 192 d.A.), bedeutet nicht, dass Verhandlungen zwischen den Parteien andauernd geschwebt haben, sondern die Verhandlungen wurden im November 2006 unterbrochen und sind im November 2007 wieder aufgenommen worden. Der Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist mithin spätestens am 13.4.2008 verjährt.
c) Ob nach dem Inhalt des Schreibens vom 3.11.2008 (Bl. 198 d.A.) mit Schreiben der Klägerin vom 20.10.2008 erneut Verhandlungen zwischen den Parteien über die Schadensregulierung aufgenommen worden sind, insbesondere über einen Verjährungsverzicht, bedarf keiner Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt war der Regressanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bereits am 13.4.2008 verjährt, so dass weitere Verhandlungen Ende Oktober oder November 2008 keine erneute Hemmung der Verjährung bewirken konnten.
4. Es ist auch nicht bewiesen, dass der Beklagte auf die Einrede der Verjährung gegenüber der Klägerin verzichtet hat. Der Beklagte hat bei seiner Parteivernehmung bekundet, er habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Nach seiner Erinnerung sei er von dem Geschäftsführer der Klägerin überhaupt erst im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 3.11.2008 auf einen Verjährungsverzicht angesprochen worden, weshalb er auch in diesem Schreiben vom 3.11.2008 bei seinem Haftpflichtversicherer wegen eines Verjährungsverzichtes angefragt habe. Ein Sachbearbeiter des Haftpflichtversicherers habe ihm aber mitgeteilt, dass ein Verjährungsverzicht nicht in Frage komme. Er selbst habe der Klägerin stets verdeutlicht, dass er ohne Zustimmung des Haftpflichtversicherers auf die Einrede der Verjährung nicht verzichten könne. Danach kann hier ein Verjährungsverzicht durch den Beklagten nicht festgestellt werden, der trotz der bereits eingetretenen Verjährung auch noch im November 2008 möglich gewesen wäre. Die Klageforderung ist mithin am 13.4.2008 verjährt, so dass die Klage unbegründet ist.
III.
Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung des Senats nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte abweicht und die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 26 Nr. 8 EGZPO, 544 ZPO).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 30.11.2010
Az: 14 U 217/09
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