Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 100/99
(BPatG: Beschluss v. 09.03.2000, Az.: 25 W (pat) 100/99)
Tenor
Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung TILIDOL ist am 31. Oktober 1995 für
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Präparate"
in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. Februar 1996.
Widerspruch erhoben haben die Inhaberin (Widersprechende 1) der älteren, seit dem 9. September 1987 für
"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Schmerzmittel"
eingetragenen Marke 1 111 134 Tilidalorund die Inhaberin (Widersprechende 2) der älteren, am 17. Februar 1987 für ein
"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Inhalationspräparate zur Bekämpfung von allergischen Störungen bzw Krankheiten oder Störungen bzw Krankheiten der Luftwege"
eingetragenen Marke 1 102 540 TILADE.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke 1 111 134 "Tilidalor" bereits im Verfahren vor der Markenstelle des Patentamts bestritten.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 6. Januar 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken jeweils verneint und die Widersprüche zurückgewiesen.
In Bezug auf die Widerspruchsmarke 1 102 540 "TILADE" hat sie ausgeführt, die Marken hätten einen anderen Sprech- und Betonungsrhythmus, da die Betonung bei der angegriffenen Marke auf der Endsilbe "-DOL", bei der Widerspruchsmarke dagegen auf der Wortmitte "-LA-" liege. Durch die anderen Vokalfolgen ergebe sich ein jeweils anderes Klangbild. Die Wörter hätten lediglich die erste Silbe "TI-" gemeinsam. Eine klangliche und auch schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei daher nicht erkennbar.
Die Widerspruchsmarke 1 111 134 "Tilidalor" ist zwar im Beschlußtenor genannt, in den Gründen ist aber nur das Warenverzeichnis angegeben, während Darlegungen zur Verwechslungsgefahr hinsichtlich dieser Widerspruchsmarke fehlen. Ausgeführt ist lediglich, daß es auf die Benutzungsfrage bei diesem Ergebnis nicht ankomme.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden 1 mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 6. Januar 1999 aufzuheben, soweit die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke "Tilidalor" verneint worden ist und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Sie hat im Beschwerdeverfahren Glaubhaftmachungsunterlagen vorgelegt, wonach die arzneimittelrechtliche Zulassung für das Schmerzmittel "Tilidalor" am 14. August 1996 erteilt worden ist und - gemäß eidesstattlicher Versicherung vom 19. Mai 1999 - mit dem entsprechenden Produkt nach der Markteinführung ab dem 15. Dezember 1996 in den Jahren 1997 bis 1999 (Januar - März) Umsätze in der Höhe mehrerer ... DM erzielt wurden. Die Waren könnten identisch oder sehr ähnlich sein. Den danach zu fordernden besonders deutlichen Markenabstand halte die angegriffene Marke nicht ein. Alle Buchstaben der jüngeren Marke seien in der Widerspruchsmarke enthalten. Bei dem gemeinsamen Wortanfang "Tilid-" und der in "-iio-" angenäherten Vokalfolge fielen die Abweichungen im regelmäßig wenig beachteten Wortinneren und Wortende kaum ins Gewicht. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe wegen der Ähnlichkeit im Wechsel von Ober- und Normallängen der Buchstaben sowie von Vokalen und Konsonanten eine erhebliche Verwechslungsgefahr. Dies gelte auch in begrifflicher Hinsicht, da der gemeinsame Wortanfang "Tili-" auf den Wirkstoff (INN) "Tilidin" und weiteren Bestandteile "-dol" bzw "-dalor" jeweils auf "dolor" (lat.: Schmerz) hindeuteten.
Die Widersprechende 2 hat ebenfalls Beschwerde erhoben und beantragt, den Beschluß der Markenstelle vom 6. Januar 1999 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Es sei von einer zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, da eine Schwächung durch benutzte Drittzeichen mit im engsten Ähnlichkeitsbereich liegen Waren nicht liquide sei. Der gemeinsame Wortanfang "Til-" sei nicht verbraucht, da er - wie bei der Widerspruchsmarke "TILADE" - nicht immer einen Hinweis auf den Wirkstoff "Tilidin" enthalte. Aufgrund der identischen Wortanfänge sei eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen. In noch stärkerer Weise werde der schriftbildliche Gesamteindruck bei Kleinschreibung und handschriftlicher Wiedergabe durch den identischen Wortanfang und die im gleichen Rhythmus auftretenden Oberlängen der ersten drei Konsonanten verwechselbar ähnlich gestaltet, wohingegen die Unterschiede an den Wortenden kaum relevant seien. Die "Corvaton/Corvasal"-Entscheidung des BGH könne hier als vergleichbarer Fall herangezogen werden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Die Marken "TILIDOL" und "Tilidalor" stimmten lediglich in den identischen Anfangssilben "Tili-" überein, wobei es sich wegen des Hinweises auf den Wirkstoff "Tilidin" jedoch um einen kennzeichnungsschwachen Bestandteil handele. Da auch die weiteren Markenteile "-DOL" bzw "-dalor" wegen des Anklangs an "dolor" (lat.: Schmerz) nicht kennzeichnungskräftig seien, würden beide Marken durch ihre Gesamtheit geprägt, wodurch ein anderer Gesamteindruck entstehe. Die Silbenzahl und damit die Wortlänge und vor allem der Sprech- und Betonungsrhythmus, aber auch die Endsilben würden sich ausreichend voneinander abheben.
Auch die Markenwörter "TILIDOL" und "TILADE" unterschieden sich in jeder Hinsicht deutlich voneinander. Der gemeinsame Markenanfang "TIL-" sei in der Klasse 5 verbraucht, abgesehen davon, daß sich insoweit "Tili-" und "TIL-" gegenüberständen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die jeweils nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widersprüche sind von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats hinsichtlich beider Widerspruchsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Widerspruch aus der Marke "Tilidalor":
Im Hinblick auf die nach Auffassung des Senats zu verneinende Verwechslungsgefahr zwischen den Marken kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Widersprechende durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für die im Warenverzeichnis genannten Waren glaubhaft gemacht hat. Da die Widerspruchsmarke schon bei der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke länger als fünf Jahre eingetragen war, liegen die Voraussetzungen für eine - die Obliegenheit der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der Benutzung auslösende - wirksame Erhebung der Nichtbenutzungseinrede an sich sowohl nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG, als auch nach Satz 2 dieser Vorschrift vor (vgl zur kumulativen Anwendbarkeit von § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG: BGH GRUR 1998, 938 ff "DRAGON"; MarkenR 1999, 297, 298 "HONKA" mwN). Eine ausreichende Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Schmerzmittel erscheint aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung, Packungsschachteln und Gebrauchsinformationen nach Zeit, Art und Umfang im Zeitraum des § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG von fünf Jahren vor der hier maßgeblichen Beschwerdeentscheidung (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 97, 98 reSp - Contura) glaubhaft gemacht. Auch kommt ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren, welches für das mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Präparat am 14. August 1996 positiv abgeschlossen worden ist, grundsätzlich als berechtigter Grund für eine Nichtbenutzung im Sinne des § 26 Abs 1 MarkenG in Betracht (vgl BPatG MarkenR 1999, 309 - Sapen 2). Ob dieser Hinderungsgrund in zeitlicher Hinsicht die Nichtbenutzung im gesamten nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 20. Februar 1996 rechtfertigt (vgl BPatG - Sapen 2 - aaO, 311 ff), ist hier mangels Vortrags der Widersprechenden insbesondere für den Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrags nicht geklärt, bedarf - wie oben dargelegt - letztlich aber auch keiner abschließenden Entscheidung.
Denn selbst wenn zugunsten der Widersprechenden von dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Schmerzmittel" ausgegangen wird, besteht keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die angegriffene Marke hält den angesichts der im Bereich der Widerspruchswaren möglichen Warenidentität sowie des Umstandes, daß mangels Verankerung einer Rezeptpflicht in den beiderseitigen Warenverzeichnissen Endverbraucher uneingeschränkt als Verkehrskreise zu berücksichtigenden sind, erforderlichen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke in jeder Hinsicht ein.
Dabei geht der Senat von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Auch wenn diese aus dem Anfangsbestandteil der Wirkstoffbezeichnung (INN) "Tilidin" und einer erkennbaren Anlehnung an das lateinische Wort für "Schmerz" (dolor) gebildet ist, ergibt sich hieraus jedenfalls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Denn im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Indikation, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute eindeutig erkennen lassen, erscheinen die in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bedeutungsanklänge hinreichend phantasievoll zusammengefügt.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Bezeichnungen "TILIDOL" und "Tilidalor" zwar in den Silben "Tili-" am Wortanfang überein und weisen darüber hinaus in der Vokal- und Konsonantenfolge gewisse Annäherungen auf. Von Bedeutung ist jedoch, daß die Übereinstimmung in dem Anfangsbestandteil "Tili-" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Dieser Bestandteil weist deutlich auf den Wirkstoff "Tilidin" hin, bei dem es sich um ein starkes Analgetikum handelt und ausweislich der Roten Liste 2000 ausschließlich bei Mitteln der Hauptgruppe 05 (Analgetika/Antirheumatika) und damit gerade auf dem Warengebiet eingesetzt wird, auf dem sich die hier gegenüberstehenden Marken auf identischen Produkten begegnen können. Aufgrund der Silbengliederung bleibt dieser Anfangsbestandteil in seiner warenbeschreibenden Bedeutung auch ohne weiteres in den Marken erkennbar. Er ist als Wortelement in einer gewissen Anzahl von Drittmarken bzw Markenanmeldungen der Klasse 5 enthalten. So sind mit "Tili" als Anfangsbestandteil - neben die vollständige Wirkstoffbezeichnung enthaltenen Kennzeichen - allein in der Roten Liste 2000 fünf und im Marken-Lexikon 1999 über zwanzig weitere eingetragene bzw angemeldete Marken aufgeführt.
Auch wenn von den entsprechend gebildeten Marken tatsächlich nicht alle benutzt werden, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht gänzlich unbeachtet bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur" sowie MarkenR 1999, 57, 59 "Lions"). Entgegen den noch weiterreichenden Schlußfolgerungen des Bundesgerichtshofs in den genannten Entscheidungen führt dies nach Auffassung des Senats nicht unbedingt zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 121 aE), hat aber die Auswirkung, daß der identische warenbeschreibende Bestandteil in seiner kennzeichnenden Bedeutung reduziert ist und dementsprechend die nachfolgenden Markenbestandteile "-dol" bzw "-dalor" ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen, so daß die hier vorhandenen Abweichungen um so eher wahrgenommen werden.
Die in der angegriffenen Marke nicht vorhandenen Buchstaben "a" und "r" sowie die jeweils umgekehrte Reihenfolge der Laute "o" und "l" führen schon für sich zu einer deutlichen Abweichung im Klangbild. Die für den Gesamteindruck besonders bedeutsame Vokalfolge (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 82 mwN) wird dabei nicht nur durch den zusätzlichen Vokal "a" in der Widerspruchsmarke, sondern auch durch die andere Artikulation des Vokals "o" in den jeweiligen Endsilben, nämlich in "-dol" geschlossen und in "-lor" offen, anders gestaltet. Die Unterschiede in den Endsilben treten um so mehr hervor, als beide Wörter regelmäßig auch auf diesen Bestandteilen betont werden. Der klangliche Gesamteindruck der Marken wird weiterhin wesentlich durch die mit drei ("Tilidol") gegenüber vier ("Tilidalor-") Silben abweichende Silbenzahl und die andere Silbengliederung sowie den dadurch bedingten unterschiedlichen Sprech- und Betonungsrhythmus in verschiedener Weise beeinflußt. Diese Abweichungen führen auch unter angemessener Berücksichtigung der durchaus beachtlichen Gemeinsamkeiten in der Kombination zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichenden Abstand der Marken.
Im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der auffallend verschiedenen Wortlängen auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls gewährleistet. Bei einer Schreibweise mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung führt die Oberlänge des Endbuchstabens "l" der angegriffenen Marke gegenüber dem "r" an entsprechender Wortstelle der Widerspruchsmarke insoweit auch zu einer anderen Umrißcharakteristik der Markenwörter. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig ist und daher Markenverwechslungen weniger unterliegt als Endverbraucher, mehr im Vordergrund.
Soweit die Widersprechende zur Begründung der Markenähnlichkeit vorträgt, alle Buchstaben der angegriffenen Marke seien in der Widerspruchsmarke enthalten, ist zu beachten, daß dieser Umstand oder auch ein rein zahlenmäßiges Übergewicht von übereinstimmenden Buchstaben jedenfalls nicht zwangsläufig dazu führt, daß die Verwechslungsgefahr allein deshalb bejaht werden muß. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit als einem der wesentlichen Elemente für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck der Kollisionsmarken das maßgebliche Kriterium (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 68). Dieser Gesamteindruck kann - wie hier - unter Berücksichtigung einer aus Rechtsgründen gebotenen geringeren Gewichtung von Markenbestandteilen durch wenige markante Abweichungen bereits ausreichend verschieden ausfallen.
Soweit die Widersprechende zur Begründung einer begrifflichen Verwechslungsgefahr ausführt, die etwaigen Bedeutungsinhalte oder -anklänge in dem gemeinsamen Anfangsbestandteil "Tili-" (Wirkstoff "Tilidin") und den weiteren Markenteilen "-dol" bzw "-dalor" (von lat.: dolor = Schmerz) stimmten überein bzw deuteten jedenfalls in die gleiche begriffliche Richtung, könnte einer solchen Übereinstimmung allein keine kollisionsbegründende Bedeutung beigemessen werden. Denn ein solcher Sinngehalt hätte für Erzeugnisse auf dem hier relevanten Warengebiet, insbesondere für die im Bereich möglicher Warenidentität liegenden "Schmerzmittel", einen glatt warenbeschreibenden Charakter und wäre anders als die konkreten Markenwörter nicht Gegenstand des markenrechtlichen Schutzes (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 95 mwN).
Widerspruch aus der Marke "TILADE":
Da Benutzungsfragen in Bezug auf diese Widerspruchsmarke nicht aufgeworfen sind, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können sich die jeweiligen Präparate auf identischen Produkten begegnen, da die speziellen pharmazeutischen Erzeugnisse, nämlich "Inhalationspräparate zur Bekämpfung von allergischen Störungen bzw Krankheiten oder Störungen bzw Krankheiten der Luftwege", auf Seiten der Widerspruchsmarke von dem Obergriff im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke umfaßt werden. Hinsichtlich der genannten Waren kann es sich auch um einfache, im typischen Selbstmedikationsbereich liegende Erzeugnisse handeln, die rezeptfrei erworben werden können, so daß Endverbraucher als Verkehrskreise und mündliche Markenbenennungen uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.
Auch bei der angesichts der genannten verwechslungsfördernden Umstände gebotenen Anlegung strenger Maßstäbe hält die angegriffene Marke selbst im Bereich identischer Waren den zur Vermeidung von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Abstand von der Widerspruchsmarke ein.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken "TILIDOL" und "TILADE" zwar in der Anzahl der Sprechsilben sowie in dem Lautbestand "TIL-" am Wortanfang überein. Auch wenn man bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zugunsten der Widersprechenden davon ausgeht, daß es sich insoweit - anders als bei "TILI-" nicht um ein kennzeichnungsschwaches, da nicht notwendigerweise auf die Wirkstoffbezeichnung "Tilidin" hinweisendes, Wortelement handelt und daher in seiner kennzeichnenden Bedeutung nicht hinter die weiteren Markenbestandteile "-IDOL" und "-ADE" zurücktritt, weichen diese jedoch insbesondere im Hinblick auf die den klanglichen Gesamteindruck wesentlich beeinflussende Vokalfolge (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 82) so erheblich voneinander ab, daß sie auch das jeweilige Gesamtklangbild in nicht verwechselbarer Weise unterschiedlich gestalten. Dazu trägt ebenfalls der in dem angefochtenen Beschluß der Markenstelle zutreffend angeführte Umstand bei, daß die Widerspruchsmarke als eine auf einem Vokal endende dreisilbige Bezeichnung regelmäßig auf der Mittelsilbe ("-LA-"), die angegriffene Marke dagegen mehr auf der Endsilbe ("-DOL") betont wird, wodurch sich ein anderer Sprech- und Betonungsrhythmus der Marken ergibt. Schließlich ist zu beachten, daß sich der gemeinsame Anfang "TIL-" auf zwei verschiedene Sprechsilben ("TI-LI-" bzw "TI-LA-") aufteilt und die Marken somit nur eine Sprechsilbe gemeinsam haben.
Im schriftbildlichen Vergleich ist auch unter Berücksichtigung der Übereinstimmung am Wortanfang ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürlichen Abweichungen zwischen den Buchstaben in den jeweils nachfolgenden Wortbereichen "-IDOL" und "-ADE" sowie der etwas verschiedenen Wortlängen ebenfalls gewährleistet. Bei einer Schreibweise mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung führt die Oberlänge des Endbuchstabens "l" der angegriffenen Marke gegenüber dem "e" an entsprechender Wortstelle der Widerspruchsmarke zudem zu einer anderen Umrißcharakteristik und damit auch insoweit hinreichenden Unterscheidbarkeit der Markenwörter.
Soweit die Widersprechende bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen Vergleich der Marken in handschriftbildlicher Hinsicht abstellt, ist zu beachten, daß diese Markenwiedergabe - abgesehen davon, daß der Beurteilung ohnehin nur eine normal leserliche Handschrift zugrundegelegt werden darf (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 91) - bei Kennzeichnungen im medizinischen Bereich nicht mehr eine so große Rolle spielt, wobei sich diese Tendenz in Zukunft vermutlich noch verstärken wird. Denn Bestellungen von pharmazeutischen Präparaten werden von den Apotheken und Drogerien beim Pharmagroßhandel bereits weitgehend auf elektronischem Weg aufgegeben und auch Rezepte wegen der in den meisten Arztpraxen vorhandenen EDV-Ausstattung überwiegend nicht mehr handschriftlich, sondern auf maschinellem Wege erstellt. Folglich sind die Marken in erster Linie in druckschriftlicher Wiedergabe zu vergleichen, in der die genannten Markenunterschiede nicht unerkannt bleiben werden. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig ist und daher Markenverwechslungen weniger unterliegt als Endverbraucher, mehr im Vordergrund.
Schließlich kann sich die Widersprechende auch nicht mit Erfolg auf die zudem in einem Verletzungsprozeß ergangene "Corvaton/Corvasal"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1993, 118) berufen. Entgegen ihrer Ansicht ist eine Vergleichbarkeit der Fälle schon deshalb nicht gegeben, weil die dortigen Marken in dem quantitativ deutlich überwiegenden Teil "Corva-" übereinstimmten und nur in der jeweils häufig verwendeten Endsilbe abwichen, während hier die jeweils dreisilbigen Markenwörter nur die erste Silbe "TI-" gemeinsam haben und sich in zwei Silben, nämlich "-LI-DOL" und "-LA-DE", und damit dem quantitativ überwiegenden Teil der Wörter gerade markant unterscheiden. Abgesehen davon hat der BGH in dieser Entscheidung die Verwechslungsgefahr nicht abschließend bejaht, sondern die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Nach alledem waren die Beschwerden der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Richter Engelshat Urlaub undkann daher nichtunterschreiben.
Kliems Brandt Pü
BPatG:
Beschluss v. 09.03.2000
Az: 25 W (pat) 100/99
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