Bundespatentgericht:
Urteil vom 7. Januar 2003
Aktenzeichen: 4 Ni 6/02

(BPatG: Urteil v. 07.01.2003, Az.: 4 Ni 6/02)

Tenor

1. Das deutsche Patent 198 29 489 wird für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. Juli 1998 angemeldeten deutschen Patents 198 29 489 (Streitpatent), das eine "Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers für die Versorgung von Bremskomponenten" betrifft und 6 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

"1. Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers (2) für die Versorgung von Bremskomponenten (5) des Fahrzeuganhängers (2), bei der der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) durch eine erste Versorgungsleitung (3) in Verbindung steht, wobei wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) vorgesehen ist, durch die der Fahrzeuganhänger (2), mit dem Zugfahrzeug (1) verbindbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung (3) die Strom- und/oder Spannungsversorgung über die wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) ermöglicht ist.

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu bzw beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich u.a. auf folgende Druckschriften:

Auszug aus dem US-amerikanischen Federal Register/Vol. 61, No. 32, Seiten 5949-5955, Rules and Regulations (Anlage NK 3);

Auszug aus "Grau ABS-Systeme MGX-2E", Heidelberg 1990 (Anlage NK 4);

Produktprospekt "GRAUBREMSE" Ausgabe 2, Heidelberg 1986 (Anlage NK 5);

Bosch: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, 22. Aufl., 1995, S. 663 Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 198 29 489 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass an die Stelle der erteilten Ansprüche 1 bis 6 folgende Ansprüche 1 bis 7 treten:

1. Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers (2) für die Versorgung des elektronischen Bremssystems (5) des Fahrzeuganhängers (2), bei der der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) durch eine erste Versorgungsleitung (3) in Verbindung steht, wobei wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) vorgesehen ist, durch die der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) verbindbar ist, wobei bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung (3) die Strom- und/oder Spannungsversorgung über die wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) ermöglicht ist.

2 Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass über die zweite Versorgungsleitung (4) eine elektronische Kontroll- bzw. Steuereinheit (5) und Druckmeßsensoren versorgbar sind und die Ansteuerung eines Backup-Ventils und die seitenweise Ansteuerung je eines von jeweils zwei Antiblockiersystem-Ventilen ermöglicht ist.

3. Einrichtung nach Anspruch 1 und/oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Stopplichtversorgungsleitung ist.

4. Einrichtung nach Anspruch 1 und/oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Versorgungsleitung der rechten oder linken Schlußleuchte ist.

5. Einrichtung nach Anspruch 1 und/oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) eine über freie Steckverbindungen (7) in einer Dosen- und Steckeranordnung an dem Fahrzeug und/oder Fahrzeuganhänger angeordnete Versorgungsleitung ist.

6. Einrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass eine Erkennungsvorrichtung vorgesehen ist, mittels der der Ausfall der ersten Versorgungsleitung (4) detektierbar ist.

7. Einrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Schaltvorrichtung (6) vorgesehen ist, die die Strom- und/oder Spannungsversorgung von der zweiten Versorgungsleitung (4) auf die Versorgungsleitung der Bremskomponenten aufschaltet.

Sie beantragt hilfsweise, dass an die Stelle der verteidigten Anspruchsfassung folgende Ansprüche 1 bis 6, 1. Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers (2) für die Versorgung des elektronischen Bremssystems (5) des Fahrzeuganhängers (2), bei der der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) durch eine erste Versorgungsleitung (3) in Verbindung steht, wobei wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) vorgesehen ist, durch die der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) verbindbar ist, wobei bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung (3) die Strom- und/oder Spannungsversorgung über die wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) ermöglicht ist, und wobei über die zweite Versorgungsleitung (4) eine elektronische Kontroll- bzw. Steuereinheit (5) und Druckmeßsensoren versorgbar sind und die Ansteuerung eines Backup-Ventils und die seitenweise Ansteuerung je eines von jeweils zwei Antiblockiersystem-Ventilen ermöglicht ist.

2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Stopplichtversorgungsleitung ist.

3. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Versorgungsleitung der rechten oder linken Schlußleuchte ist.

4. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) eine über freie Steckverbindungen (7) in einer Dosen- und Steckeranordnung an dem Fahrzeug und/oder Fahrzeuganhänger angeordnete Versorgungsleitung ist.

5. Einrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass eine Erkennungsvorrichtung vorgesehen ist, mittels der der Ausfall der ersten Versorgungsleitung (4) detektierbar ist.

6. Einrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass eine Schaltvorrichtung (6) vorgesehen ist, die die Strom- und/oder Spannungsversorgung von der zweiten Versorgungsleitung (4) auf die Versorgungsleitung der Bremskomponenten aufschaltet.

und weiter hilfsweise folgende Ansprüche 1 bis 5 treten:

1. Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers (2) für die Versorgung des elektronischen Bremssystems (5) des Fahrzeuganhängers (2), bei der der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) durch eine erste Versorgungsleitung (3) in Verbindung steht, wobei wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) vorgesehen ist, durch die der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) verbindbar ist, wobei bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung (3) die Strom- und/oder Spannungsversorgung über die wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) ermöglicht ist, wobei über die zweite Versorgungsleitung (4) eine elektronische Kontroll- bzw. Steuereinheit (5) und Druckmeßsensoren versorgbar sind und die Ansteuerung eines Backup-Ventils und die seitenweise Ansteuerung je eines von jeweils zwei Antiblockiersystem-Ventilen ermöglicht ist, und wobei eine Schaltvorrichtung (6) vorgesehen ist, die die Strom- und/oder Spannungsversorgung von der zweiten Versorgungsleitung (4) auf die Versorgungsleitung des elektronischen Bremssystems (5) aufschaltet.

2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Stopplichtversorgungsleitung ist.

3. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) die Versorgungsleitung der rechten oder linken Schlußleuchte ist.

4. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Versorgungsleitung (4) eine über freie Steckverbindungen (7) in einer Dosen- und Steckeranordnung an dem Fahrzeug und/oder Fahrzeuganhänger angeordnete Versorgungsleitung ist.

5. Einrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass eine Erkennungsvorrichtung vorgesehen ist, mittels der der Ausfall der ersten Versorgungsleitung (4) detektierbar ist.

Die Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für bestandsfähig.

Gründe

Die Klage, mit der der in § 22 Abs 2 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet.

Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung soweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten in zulässiger Weise beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (vgl BGH GRUR 1962, 294 - Hafendrehkran -; GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe -; Busse, PatG, 5. Aufl., § 83 Rdn 45 mwNachw).

Aber auch in der verteidigten Fassung konnte es keinen Bestand haben, weil der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

1. Das Streitpatent betrifft eine Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers für die Versorgung von Bremskomponenten. Nach der Patentbeschreibung kann bei Bremssystemen von Nutzfahrzeugen und insbesondere bei Bremssystemen für Fahrzeuganhänger und Fahrzeugauflieger das Bremsen mittels eines elektronischen Bremssystems durchgeführt werden. Aus Sicherheitsgründen würden üblicherweise Zweileitungs-Bremsanlagen verwandt, wobei die genannten Leitungen in der Regel zum Leiten von Druckluft oder einer Flüssigkeit vorgesehen seien. Mittels des elektronischen Bremssystems würden, abhängig von verschiedenen Parametern, wie beispielsweise Beladung des Anhängers oder Stärke der Betätigung des Bremspedals durch die Bedienperson, die zur Bremsung notwendigen mechanischen bzw. pneumatischen Komponenten, zB bei den immer häufiger verwendeten Antiblockiersystemen, gesteuert und/oder geregelt. Zur Strom- und/oder Spannungsversorgung der elektrischen bzw elektronischen Komponenten, die mit der Bremseinrichtung des Anhängers oder des Aufliegers in Zusammenhang stünden, werde üblicherweise eine Versorgungsleitung verwendet, die von dem Zugfahrzeug über einen Stecker zum Fahrzeuganhänger reiche.

Aus der DE 196 08 970 A1 sei es bekannt, diese Strom- oder Spannungsversorgung über eine Bremslichtleitung, über die andauernd ein geringer Strom fließe, und eine Anzeigeleitung vorzusehen. Die genannte Stromversorgung habe allerdings den Nachteil, dass die die elektrische Versorgung benötigenden Verbraucher, die im Anhänger angeordnet seien, nicht mehr mit elektrischer Energie versorgt würden, wenn die Verbindung zwischen dem Zugfahrzeug und dem Anhänger unterbrochen sei oder aber die Versorgung aus sonstigen Gründen ausfalle; eine kontrollierte Bremsung des Anhängers sei dann nicht mehr möglich.

Aus der DE 41 29 203 A1 sei eine Anhängerbremsanlage mit einer mit dem Zugfahrzeug verbindbaren (pneumatischen) Bremsdrucksteuerleitung bekannt, die bei einem Ausfall in den elektrischen Komponenten oder in der elektrischen Versorgung der Anhängerbremsanlage mit dem in ihr herangeführten Bremssteuerdruck herangezogen werde.

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, eine Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers für die Versorgung von Bremskomponenten des Fahrzeuganhängers derart weiterzubilden, dass das elektrische Bremssystem sowohl im normalen Betriebsbremsfall als auch im Backup-Fall und/oder bei Ausfall der Versorgungsleitung wirksam wird.

3. Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beschreibt demgemäß einea) Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Fahrzeuganhängers (2) für die Versorgung des elektronischen Bremssystems (5) des Fahrzeuganhängers (2), b) bei der der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) durch eine erste Versorgungsleitung (3) in Verbindung steht, c) wobei wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) vorgesehen ist, durch die der Fahrzeuganhänger (2) mit dem Zugfahrzeug (1) verbindbar ist, d) wobei bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung (3) die Strom- und/oder Spannungsversorgung über die wenigstens eine zweite Versorgungsleitung (4) ermöglicht ist.

4. Es kann dahingestellt bleiben, ob die gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 vorgenommene Änderung in dem verteidigten Patentanspruch 1 zulässig ist, da eine Einrichtung gemäß diesem Patentanspruch gegenüber dem von der Klägerin angeführten Stand der Technik jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinen- oder Kraftfahrzeugbau anzusehen, der gegebenenfalls einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik zu Rate zieht und über einschlägige Erfahrung in der Entwicklung von elektronischen Bremssystemen für Nutzfahrzeuge verfügt. Bei der Entwicklung solcher Bremssysteme mögen zwar auch Techniker mitarbeiten, diese sind aber in ein Team eingebunden, in dem vorwiegend Diplom-Ingenieure tätig sind, so dass deren Können bei der Beurteilung der beanspruchten Einrichtung zugrundezulegen ist.

Einem solchen Fachmann ist aus Federal Register/Vol 61, Nr 32 vom 15. Februar 1996, Seiten 5949 bis 5955 eine Einrichtung zur Strom- und/oder Spannungsversorgung eines Blockiersystems für einen Fahrzeuganhänger bekannt, dem nach S 5.5.2 der Seite 5955 aaO die zum Betrieb benötigte elektrische Energie vom Zugfahrzeug über einen oder mehrere Kreise zugeführt wird. Außerdem soll das Antiblockiersystem automatisch elektrische Energie vom Bremslichtkreis erhalten, wenn der eine oder weitere Kreise nicht funktionieren. Dieses Antiblockiersystem des Fahrzeug-Bremssystems steht somit mit dem Zugfahrzeug durch mindestens eine erste Versorgungsleitung in Verbindung und mit dem Bremslichtkreis ist eine zweite Versorgungsleitung vorgesehen, durch die das Antiblockiersystem des Fahrzeuganhängers mit dem Zugfahrzeug verbindbar ist, so dass bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung die Strom und/oder Spannungsversorgung des Fahrzeuganhänger-Bremssystems über wenigstens eine zweite Versorgungsleitung ermöglicht ist.

Obwohl Bremssysteme mit einer Antiblockierfunktion üblicherweise elektronisch angesteuert werden, versteht die Fachwelt unter einem elektronischen Bremssystem ein Bremssystem, das jedenfalls über die Antiblockierfunktion hinausgehend noch weitere Funktionen erfüllen kann. So können elektronische Bremssysteme aus der Busvernetzung verfügbare Informationen auch für einen stabilisierenden und komfortablen Antriebs- und Bremsvorgang nutzen, wie es in dem kraftfahrtechnischen Taschenbuch von Bosch, 22. Aufl, 1995, S 663 erläutert ist. Danach gehören zu einem elektronischen Bremssystem auch mindestens die Funktionsgruppen: elektropneumatische Bremsanlage mit Messung des Druckes im Bremszylinder und der Achsbelastung, Antiblockiersystem und Antriebsschlupfregelung, wobei für nicht angetriebene Fahrzeuganhänger eine Antriebsschlupfregelung offensichtlich nicht erforderlich ist.

Solche elektronischen Bremssysteme sind mit entsprechend abgeänderten und zusätzlichen Komponenten ausgestattet, die mit Strom und/oder Spannung versorgt werden müssen. Somit unterscheidet sich die Einrichtung nach dem in erster Linie verteidigten Patentanspruch 1 von der nach Federal Register aaO noch dadurch, dass das Bremssystem neben dem Antiblockiersystem als elektronisches Bremssystem noch weitere Bremskomponenten aufweist, die über die Versorgungsleitungen mit Strom und/oder Spannung versorgt werden.

Solche elektronische Bremssysteme sind neuere Entwicklungen, die für Fahrzeuganhänger erst kurz vor dem Anmeldetag des Streitpatents aktuell geworden sind. Wenn im Zuge der Modernisierung von Bremssystemen für Fahrzeuganhänger im Rahmen von elektronischen Bremssystemen dem vorhandenen Antiblokkiersystem noch weitere Funktionen und Komponenten zugeordnet werden, versteht es sich von selbst, dass auch für diese weiteren Funktionen und Komponenten ausreichend Strom und/oder Spannung zur Verfügung stehen muss. Da mit den zusätzlichen Funktionen eines solchen elektronischen Bremssystems das Fahrverhalten eines Fahrzeuganhängers verbessert wird, verlangt ein solches elektronisches Bremssystem ganz von selbst, dass es ebenso sicher mit Strom und/oder mit Spannung auch bei Ausfall bei einer ersten Versorgungsleitung versorgt wird, wie dies bis dahin bei Antiblockiersystemen mit dem Bremslichtkreis als zweiter Versorgungsleitung sichergestellt ist.

Hiervon wird der Fachmann, entgegen der Auffassung der Beklagten, auch nicht dadurch weggeführt, dass im Federal Register aaO S 5950 reSp ausgeführt ist, dass die Verwendung der Bremslichtversorgungsleitung nur eine begrenzte Energieversorgung zulässt, da die Bremslichtlampen eine entsprechende Leistung benötigen und die für das Antiblockiersystem des Fahrzeuganhängers verfügbare Spannung verringern, oder dass nach S 5992 liSp die Versorgung anderer elektrischer Einrichtungen als des Fahrzeuganhänger-Antiblockiersystems über den Antiblockiersystem- Versorgungskreis die Versorgung des Fahrzeuganhänger-Antiblockiersystems gefährden könnte. Für den Fachmann versteht es sich nämlich von selbst, dass trotz dieser einschränkenden Ausführungen die vorhandenen Versorgungsleitungen für das Antiblockiersystem durch einfache Anpassung auch für die Versorgung zusätzlicher Funktionen und Komponenten eines elektronischen Bremssystems ausgelegt werden können.

Als Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit kann im vorliegenden Fall auch nicht gewertet werden, dass mit der beanspruchten Einrichtung ein großer wirtschaftlicher Erfolg erzielt und diese Einrichtung auch von namhaften Wettbewerbern benutzt worden sein, da keinerlei Schwierigkeiten erkennbar sind, die ein Fachmann hätte überwinden müssen, um zu der Einrichtung nach Patentanspruch 1 zu gelangen. Es ist aus dem Stand der Technik auch nicht ersichtlich, dass die Fachwelt sich intensiv bemüht hätte, das anstehende Problem zu lösen und dabei an dem beanspruchten Weg achtlos vorbeigehend nur zu anderen aufwendigen Lösungen gekommen wäre.

5. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem verteidigten Patentanspruch 1 dadurch, dass noch das Merkmal hinzugefügt ist, und wobei die zweite Versorgungsleitung (4) eine elektrische Kontroll- bzw Steuereinheit (5) und Druckmesssensoren versorgbar sind und die Ansteuerung eines Backup-Ventils und die seitenweise Ansteuerung je eines von jeweils zwei Antiblockiersystem-Ventilen ermöglicht ist.

Soweit die Merkmale der Einrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag mit den Merkmalen der Einrichtung nach dem in erster Linie verteidigten Patentanspruch 1 übereinstimmen, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Wie die Beklagte auf Befragen ausdrücklich eingeräumt hat, ist es bei elektronischen Bremssystemen bekannt, dass über eine Versorgungsleitung eine elektrische Kontroll- bzw Steuereinheit und Druckmesssensoren versorgbar sind und die Ansteuerung eines Backup-Ventils und die seitenweise Ansteuerung je eines von jeweils zwei Antiblockiersystem-Ventilen ermöglicht ist. Wenn ein Fahrzeuganhänger mit einem solchen elektronischen Bremssystem ausgestattet ist und dieses auch bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung ebenso wie vorher das Antiblockiersystem noch funktionsfähig sein soll, versteht es sich von selbst, dass dieses elektronische Bremssystem und alle seine Komponenten ebenso wie vorher das Antiblockiersystem über die zweite Versorgungsleitung mit Strom und/oder Spannung ausreichend zu versorgen sind. Da auch hierbei funktionsnotwendig die zweite Versorgungsleitung so zu bemessen ist, dass über sie die benötigte Energie übertragen werden kann, bedarf es auch keiner erfinderischen Tätigkeit, um zu der Einrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu gelangen.

6. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die Hinzufügung des Merkmals:

und wobei eine Schaltvorrichtung vorgesehen ist, die die Strom und/oder Spannungsversorgung an der zweiten Versorgungsleitung (4) auf die Versorgungsleitung des elektronischen Bremssystems (5) aufschaltet.

Soweit die Merkmale der Einrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 mit den Merkmalen der Einrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 übereinstimmen, gelten die vorstehenden Ausführungen zu diesem Patentanspruch 1.

Wenn als zweite Versorgungsleitung für ein elektronisches Bremssystem in naheliegender Weise, wie für ein Antiblockiersystem der Bremslichtkreis verwendet wird, muss zwangsläufig dafür Sorge getragen werden, dass über die Versorgungsleitung nicht die Bremslichter zum Leuchten gebracht werden können, und daß bei Ausfall der ersten Versorgungsleitung das Antiblockiersystem bzw das elektronische Bremssystem automatisch vom Bremslichtkreis versorgt wird.

Auch wenn bisher zur Lösung des Problems für Antiblockiersysteme Dioden eingesetzt worden sind, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, oder auch Widerstandskaskaden denkbar sind, stellt eine Schaltvorrichtung hierzu eine äquivalente Lösung dar, die als einfachste elektronische Maßnahme ohne weiteres im Griffbereich des Fachmanns liegt. Es bedarf deshalb keiner erfinderischen Tätigkeit, um zu dem Vorschlag zu gelangen, eine Schaltvorrichtung vorzusehen, die die Strom- und/oder Spannungsversorgung von der zweiten Versorgungsleitung auf die Versorgungsleitung des elektronischen Bremssystems aufschaltet.

Die Beklagte hat weder geltend gemacht, dass den Gegenständen nach den verbleibenden Unteransprüchen eine selbständige erfinderische Bedeutung zukommt, noch ist eine solche für den Senat erkennbar. Diese Unteransprüche fallen deshalb mit den Patentansprüchen 1, auf die sie zurückbezogen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 07.01.2003
Az: 4 Ni 6/02


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