Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. September 2008
Aktenzeichen: 5 W (pat) 10/07

(BPatG: Beschluss v. 02.09.2008, Az.: 5 W (pat) 10/07)

Tenor

1. Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2007 wird aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet. Kosten werden weder auferlegt noch erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerdegegnerin hat vor dem Deutschen Patent- und Markenamt am 23. Dezember 2005 die Löschung des Gebrauchsmusters 298 18 688 mit der Bezeichnung "Abnehmbarer Überzug für die Grifffläche einer Eingabeeinheit" beantragt. Diesem Löschungsantrag hat der Gebrauchsmusterinhaber zunächst teilweise widersprochen, jedoch mit Schriftsatz vom 6. September 2006 den Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster erklärt und weiterhin beantragt, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sowie den Gegenstandswert auf 50.000 Euro festzusetzen. Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten und hat beantragt, den Gegenstandswert auf 400.000 Euro festzusetzen. Sie trägt vor, dieser Gegenstandswert entspreche angesichts der Höhe des Streitwertes in einem parallelen Patentverletzungsprozess der allgemeinen Rechtsprechung in Löschungs- und Nichtigkeitsverfahren. Für eine Kostenauferlegung gebe es keine Gründe.

Mit Beschluss vom 4. April 2007, hat die Gebrauchsmusterabteilung I die Kosten des Löschungsverfahrens dem Antragsgegner auferlegt und den Gegenstandswert des Löschungsverfahrens gem. § 33 Abs. 1 RVG i. V. m. §§ 2 und 3 ZPO auf 400.000 Euro festgesetzt.

Zur Begründung der Kostenentscheidung hat sie ausgeführt, nachdem der Antragsgegner seinen Teilwiderspruch zurückgezogen habe und daraufhin das Streitgebrauchsmuster gelöscht worden sei, habe er sich in die Stellung des Unterlegenen begeben. Dies führe zur Kostenauferlegung. Die Billigkeit erfordere im vorliegenden Fall keine Abweichung von diesem Grundsatz. Nach Auffassung der Gebrauchsmusterlöschungsabteilung sei ein Gegenstandswert von 400.000 Euro angesichts des Streitwerts des parallelen Patentverletzungsverfahrens angemessen.

Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich allein gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts, soweit diese 125.000 Euro übersteigt. Der Antragsgegner ist der Auffassung, der Gegenstandswert sei von der Gebrauchsmusterlöschungsabteilung zu hoch angesetzt worden. Der Streitwert des parallelen Verletzungsverfahrens, der sich ausschließlich nach dem Abwehrinteresse der Löschungsantragstellerin richte, erlaube keine Rückschlüsse auf den Gegenstandswert im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, für den das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Schutzrechts maßgeblich sei. In vergleichbaren Fällen sei ein Gegenstandswert von 125.000 Euro angesetzt worden.

Der Antragsgegner beantragt deshalb sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit der festgesetzte Gegenstandswert 125.000 Euro übersteigt.

Demgegenüber beantragt die Antragstellerin, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Streitwert im parallelen landgerichtlichen Verfahren könne einen Hinweis auf den Gegenstandswert im vorliegenden Löschungsverfahren geben, da der Schutzumfang des Streitgebrauchsmusters den Schutzumfang des Patents umfasse und außerdem noch darüber hinausgehe. Außerdem seien die verbliebene Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters und der Umstand zu berücksichtigen, dass der Streitwert im Verletzungsverfahren nur das Interesse eines Wettbewerbers repräsentiere, während der Gegenstandswert im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren sich nach dem Interesse aller potentiellen Verletzter richte.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, und führt auch zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses.

1. Die von der Gebrauchsmusterabteilung getroffene eigenständige Festsetzung des Gegenstandswertes im angefochtenen Beschluss ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig (vgl. 5 W (pat) 25/06 - Gegenstandswertfestsetzung durch das DPMA).

1.1 Zwar hat die Gebrauchsmusterabteilung zutreffend in Anwendung der neueren Rechtsprechung des Senats auch im patentamtlichen Löschungsverfahren für die erstattungsfähigen Gebühren eines Patentanwalts die für Rechtsanwälte geltenden Vorschriften der BRAGO bzw. des RVG zugrunde gelegt (vgl. etwa BPatG Mitt. 2005, 375 - Gebühren des Patentanwalts in Gbm-Löschungs-Beschwerdeverfahren), für deren Berechnung ein Gegenstandswert benötigt wird.

Es ist auch richtig, dass das kontradiktorisch angelegte Gebrauchsmusterlöschungsverfahren einem gerichtlichen Verfahren angenähert ist und dass im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ergänzend die Vorschriften der ZPO herangezogen werden (vgl. Busse a. a. O., § 17 GebrMG, Rn. 1 m. w. N.).

Dies führt jedoch nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass § 10 Abs. 1 BRAGO bzw. § 33 Abs. 1 RVG analog auf das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt angewendet werden. Eine solche entsprechende Anwendung wäre nur möglich, wenn eine planwidrige Gesetzeslücke vorläge, d. h. wenn der Gesetzgeber versehentlich diesen Sachverhalt nicht geregelt hätte. Eine solche Regelungslücke besteht aber nicht.

1.2 Dass der Gesetzgeber in den genannten Vorschriften bewusst nur die Wertfestsetzung für gerichtliche Verfahren regeln und keine neue Zuständigkeitsregelung treffen wollte, ergibt sich zunächst daraus, dass bereits in § 66 BRAGO durch Nichterwähnung der jeweils vorangegangenen patentamtlichen Verfahren klar zwischen diesen und dem Verfahren vor dem Bundespatengericht unterschieden wurde. Außerdem enthielten etwa §§ 118, 119 BRAGO explizite Regelungen, für die Vergütung der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren.

Diese Rechtslage ist auch nach dem Inkrafttreten des RVG, das die BRAGO abgelöst hat, gleich geblieben, denn hierdurch hat sich der Regelungsinhalt - soweit hier entscheidungserheblich - ersichtlich nicht wesentlich geändert. § 33 Abs. 1 RVG hat die Regelung des § 10 Abs. 1 BRAGO identisch übernommen. Auch in § 23 Abs. 3 RVG hat es der Gesetzgeber bezüglich der Anwaltsgebühren in außergerichtlichen Verfahren bei der Regelung des früheren § 8 Abs. 2 BRAGO belassen. Weiterhin unterscheidet das RVG zwischen den Kosten hinsichtlich gerichtlichen und Verwaltungsverfahren, da es - ebenso wie bei der früheren BRAGO - z. B. in § 16 Nr. 1 RVG sowie Teil 2 des VVRVG auch spezifische Vorschriften betreffend die Tätigkeit von Rechtsanwälten in Verwaltungsverfahren gibt.

1.3 Hinzu kommt, dass die Erstattung der zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlichen Kosten eines Rechtsanwalts nicht nur betreffend Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gesetzlich geregelt ist, sondern etwa auch in allgemeinen Verwaltungsverfahren (vgl. z. B. § 80 Abs. 2 und 3 VwVfG). Dass aber der Gesetzgeber einerseits spezielle Vorschriften für die Erstattung von Gebühren für Rechtsanwälte in außergerichtlichen Verfahren geschaffen hat und andererseits in Kenntnis der grundsätzlichen Problematik die frühere Vorschrift des § 10 Abs. 2 BRAGO auch bei der Neuregelung durch das RVG nicht auf allgemeine Verwaltungsverfahren sowie Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ausdehnt, lässt auf ein bewusstes Handeln des Gesetzgebers schließen und spricht gegen eine planwidrige Gesetzeslücke.

1.4 Im Übrigen sah weder die alte noch sieht die neue Gesetzeslage für Verwaltungsverfahren eine explizite und eigenständige Festsetzung des Gegenstandswerts vor.

Die BRAGO und das RVG betreffen die Vergütung für sämtliche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts (§ 2, 7 Abs. 1 BRAGO, § 15 Abs. 1 RVG). In § 7 Abs. 1 BRAGO sowie in § 33 Abs. 1 RVG wird für alle Gebühren bestimmt, dass diese nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit berechnet werden, also auch die Vergütung von in Verwaltungsverfahren tätigen Rechtsanwälten. Da es für diese Tätigkeit keine spezielle Berechnungsgrundlage gibt, bestimmt sich der Wert grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 BRAGO bzw. § 23 Abs. 3, 1 RVG. Das Gesetz spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einer Bestimmung, nicht von einer Festsetzung. Diese Bestimmung erfolgt bei Verwaltungsverfahren durch einen Kostenbeamten der Verwaltungsbehörde als Grundlage der Kostenfestsetzung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl. 1995, § 119 BRAGO, Rn. 7), wobei im Verfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung der Rechtspfleger bzw. ein entsprechender Beamter zuständig ist (vgl. Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Aufl., § 17 Rn. 124). Auch in dieser Beziehung haben sich die gesetzlichen Vorschriften nicht verändert.

1.5 Der Umstand, dass es ich beim Gebrauchsmusterlöschungsverfahren um ein einem Gerichtsverfahren angenähertes justizförmiges Verwaltungsverfahren handelt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch wenn gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG das Verwaltungsverfahrensgesetz auf das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht anwendbar ist, weil hierfür im PatG, MarkenG, GebrMG etc. spezifische, den Eigenarten der betreffenden Verfahren angepasste Vorschriften geschaffen worden sind, handelt es sich beim Deutschen Patent- und Markenamt doch um eine Verwaltungsbehörde, die Verwaltungsakte erlässt (vgl. BVerwG BlPMZ 59, 258; BVerfG GRUR 2003, 273). Demgemäß bietet es sich an, auch die für Verwaltungsbehörden geltenden Grundsätze zu berücksichtigen. Insoweit ist hier die wesentliche Rechtslage nicht anders als im Fall des § 80 Abs. 3 VwVfG, wonach im (allgemeinen) Verwaltungsverfahren der jeweils zuständigen Behörde nach einer Kostenentscheidung die Festsetzung der zu erstattenden Kosten obliegt, wobei inzident ein Gegenstandswert ermittelt wird.

1.6 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass für die Entscheidung über in der Regel sehr komplexe Anträge auf Festsetzung des Gegenstandswertes die mit zwei technischen Mitgliedern und einem rechtskundigen Vorsitzenden besetzte Gebrauchsmusterabteilung besser geeignet sei als ein Beamter des gehobenen Dienstes im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens, weil der Spruchkörper aufgrund der mündlichen Verhandlung mit den wirtschaftlichen Hintergründen und den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und der Mitbewerber bestens vertraut sei.

Erstens sind auch im allgemeinen Verwaltungsverfahren bei der Kostenfestsetzung oft sehr umfangreiche, komplexe und komplizierte Bewertungsfragen zu entscheiden, die ebenfalls eine Erfassung und Bewertung äußerst komplizierter Sachverhalte und wirtschaftlicher Interessenlagen im Rahmen des Kostenfestsetzungsbeschlusses beinhalten können.

Zweitens stellt die Zuständigkeitsverteilung für die Kostenfestsetzung zwischen Spruchkörper und Kostenbeamten eine Frage der internen Aufgabenverteilung des Deutschen Patent- und Markenamts dar, für die nicht zwingend gesetzlich eine ausschließliche Zuständigkeit eines Kostenbeamten vorgesehen ist (vgl. Wortlaut des § 10 Abs. 2 GebrMG).

In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass in der für das Deutsche Patent- und Markenamt geltenden Wahrnehmungsverordnung Beamte des gehobenen Dienstes und vergleichbare Angestellte etwa mit der Wahrnehmung folgender Geschäfte der Gebrauchsmusterabteilung betraut sind, die u. a. eine gegebenenfalls komplexere wirtschaftliche Bewertung des Verfahrensgegenstands erforderlich machen:

formelle Bearbeitung des Löschungsverfahrens, insbesondere Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung ... (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 c WahrnV) unddie Zurückweisung von Anträgen auf Verfahrenskostenhilfe sowie die formelle Bearbeitung von Anträgen auf Verfahrenkostenhilfe, insbesondere ... Festsetzung der Kosten des beigeordneten Vertreters (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 3 c) WahrnV).

Insgesamt sprechen daher alle Gesichtspunkte gegen eine Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten des RVG, weshalb der angefochtene Beschluss nicht vom Gesetz gedeckt war und demzufolge - soweit angegriffen - aufzuheben und zurückzuverweisen ist.

2. Obwohl die Festsetzung des Gegenstandswertes nur teilweise angegriffen worden ist, führt die Beschwerde im vorliegenden Fall zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur vollständigen Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.

2.1 Der Senat ist insoweit vorliegend nicht an den Antrag des Beschwerdeführers gebunden.

Zwar geht der Senat nicht von einer Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses aus. Nach den im Verwaltungsverfahren geltenden und weitgehend auch auf sämtliche hoheitlichen Akte anwendbaren Grundsätzen der Rechtsprechung ist Nichtigkeit nur dann anzunehmen, wenn ein Fehler vorliegt, der in besonders schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht, dass es unerträglich wäre, wenn der betreffende hoheitliche Akt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte und die Unwirksamkeit für den üblichen Adressatenkreis auch offensichtlich ist. So wird etwa die Nichtigkeit von Verwaltungsakten angenommen, wenn die erlassende Behörde für die Sache absolut unzuständig ist, d. h., wenn diese unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für den Verwaltungsakt zuständig wäre bzw. wenn die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit offensichtlich keinerlei Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde hat (vgl. Kopp, VwVfG, 10. Aufl., § 44 Rn. 8, 14, 15). Dies ist aber - wie die Ausführungen unter 1. ergeben - vorliegend nicht der Fall.

2.2 Auch verkennt der Senat nicht, dass nach der wohl herrschenden Meinung im Beschwerdeverfahren betreffend die Festsetzung des Gegenstandswerts gem. § 33 Abs. 1 RVG der Antragsgrundsatz und damit der Grundsatz ne ultra petita gilt (so zur reformatio in peius etwa Hartung, Römermann, Praxiskommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Beck 2004, § 33 RVG Rdn. 69, 70; Gerod, Schmidt, von Eicken, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl., § 33 Rdn. 14, 15; LAG Hamm AGS 2006, 301-303; Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt EzA-SD 2006, Nr. 26, 16 (Leitsatz); Hessisches Landesarbeitsgericht 15 Ta 688/04 v. 7.1.2005 Rn. 20; aA. LAG Düsseldorf 6 Ta 583/06; Entscheidungen alle veröffentlicht in juris), wobei die Rechtsprechung inzident davon ausgeht, dass ein hinsichtlich des Betrags des festgesetzten Gegenstands beschränkter Angriff zulässig ist.

Der Senat kann jedoch dieser Rechtsauffassung, die sich vorwiegend auf arbeitsgerichtliche und andere zivilgerichtliche Verfahren bezieht, jedenfalls für den Gegenstandswert des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens nicht folgen. Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren liegt die Sache nämlich anders als bei Verfahren, in denen der Streit- bzw. Gegenstandswert hinsichtlich einzelner betragsmäßig bestimmter oder mit einfachen Überlegungen bestimmbarer Vergütungs-, Schadensersatz-, Erstattungs-, Zins- und anderer Ansprüche durch Summierung bestimmt werden kann.

Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren dagegen erfolgt die Bemessung des Gegenstandswertes gem. §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3,4 ZPO grundsätzlich nach freiem Ermessen. Sie richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Schutzrechts, wobei Ausgangspunkt der Bewertung der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters zu Beginn der jeweiligen Instanz ist. Im Wesentlichen sind für das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung eines Gebrauchsmusters wirtschaftliche Überlegungen maßgebend: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten für eine Benutzung Lizenzgebühren gezahlt werden. Demnach entspricht das Interesse der Allgemeinheit überwiegend den von der Anzahl aller Konkurrenten während der Laufzeit des Gebrauchsmusters im Rahmen ihrer Umsätze fiktiv aufzubringenden Lizenzzahlungen. In diese Bewertung sind teilweise fiktive Faktoren einzubeziehen wie die noch zu erwartenden Erträge des Schutzrechts, insbesondere durch Eigennutzung und Lizenzvergabe, aber auch aus konkreten Verletzungshandlungen. So können Gewinne und Verluste des Gebrauchsmusterinhabers bei der Wertermittlung nur mittelbar berücksichtigt werden und es fließt eine Vielzahl von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Faktoren ein, deren Gewichtung außerdem je nach konkreter Fallgestaltung unterschiedlich sein kann (vgl. dazu Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Aufl., § 17 Rn. 105 ff.; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 33). Die Bemessung des Gegenstandswertes im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist daher das Resultat einer ganzheitlichen, umfassenden, wertenden Betrachtung einer Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussender Gesichtspunkte im Einzelfall. Eine teilweise Aufhebung der Gegenstandswertfestsetzung und eine teilweise Zurückverweisung verbieten sich darum.

3. Da die Beschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ohne sachliche Entscheidung zur streitigen Frage der Höhe des Gegenstandswerts führt, erscheint es dem Senat billig, dass jeder der Verfahrensbeteiligten seine Kosten selbst trägt (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG). Die Beschwerdegebühr ist aus Billigkeitsgründen zurückzuerstatten, weil die Entscheidung auf einem offensichtlichen Verfahrensfehler beruht (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG, § 80 Abs. 3 PatG).

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Az: 5 W (pat) 10/07


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