Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 15. September 1997
Aktenzeichen: 14 WF 119/97

(OLG Köln: Beschluss v. 15.09.1997, Az.: 14 WF 119/97)

1) Wenn die anderen im Gesetz genannten Faktoren keine Abweichung gebieten, ist das Dreimonatseinkommen für den Gegenstandswert in Ehesachen maßgebend. Falls nicht ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, rechtfertigt die Unterschreitung des notwendigen Selbstbehalts nicht eine Herabsetzung unter den Wert des Dreimonatseinkommens.

2) Für den wechselseitigen Unterhaltsverzicht ist in Anpassung an die wirtschaftlichen Veränderungen regelmäßig ein Wert von 3.600,00 DM anzusetzen. Dem steht nicht entgegen, daß (derzeit) wechselseitige Unterhaltsansprüche nicht ersichtlich sind.

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Streitwertfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 20.5.1997 (31 F 318/96) abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die Gegenstandswerte betragen: a) für die Scheidung 7239,- DM b) für den Vergleich vom 15.4.1997 (wechselseitiger Unterhaltsverzicht) 3600,- DM.

Gründe

G R Ó N D E

I.

Das Amtsgericht hat die Ehe der

Parteien, aus der keine Kinder hervorgegangen sind, nach

vorangegangenem Streit der Parteien, ob sie dazu bereit wären,

einverständlich geschieden.

Das Amtsgericht hat durch den

angefochtenen Beschluß den Gegenstandswert für die Scheidung auf

6000,- DM und für den Vergleich (wechselseitiger

Unterhaltsverzicht) auf 2400,- DM festgesetzt.

Der Antragsteller verfügt über

monatliche Einkünfte von 1248,- DM (Arbeitslosengeld) und die

Antragstellerin über Nettoeinkünfte von 1165,- DM. Der

Antragsteller hat keine Prozeßkostenhilfe beantragt und der

Antragsgegnerin ist Prozeßkostenhilfe mit monatlichen Raten von

60,- DM bewilligt worden.

Die Verfahrensbevollmächtigten der

Antragsgegnerin haben beantragt, den Wert für die Ehesache auf den

Wert des zusammengerechneten in drei Monaten erzielten

Nettoeinkommens, also auf 7239,- DM (3 x 2413) festzusetzen. Das

Amtsgericht hält 6000,- DM für ausreichend, da beiderseits durch

das Einkommen nicht einmal der notwendige Mindestbedarf gedeckt

werde.

Für den wechselseitigen

Unterhaltsverzicht halten die Beschwerdeführer einen Wert von

3600,- DM für angemessen, während das Amtsgericht meint, 2400,- DM

seien ausreichend, da ein Unterhaltsanspruch einer Seite nicht

erkennbar sei.

II.

Die gem. §§ 25 III GKG, 9 II BRAGO

zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

1) Ehesache

Nach § 12 II S.2 GKG kommt es für die

Einkommensverhältnisse, die gem. § 12 II S.1 GKG ein wesentlicher

Faktor ("insbesondere") für die Wertfestsetzung sind, auf das in

drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Parteien an. Das

Arbeitslosengeld (anders als die Sozialhilfe - dazu OLG Nürnberg

FamRZ 1997, 35) ist als Einkommen zu berücksichtigen, da es

Lohnersatzfunktion hat.

Da die einverständliche Scheidung ein

häufig vorkommender Fall ist, ist allein deshalb ein Abschlag vom

dreimonatigen Nettoeinkommen nicht gerechtfertigt (so auch OLG

Frankfurt FamRZ 1997, 35; Anders/Gehle, Handbuch des Streitwerts,

2. Aufl. (1995), Ehesachen Rn. 15: "Normalfall"). Ebenso hatte die

Sache nicht einen ganz unterdurchschnittlichen Umfang, da

zwischenzeitlich streitig war, ob eine einverständliche Scheidung

zustandekommen würde. Die ergänzenden Faktoren für die

Streitwertbemessung nach § 12 II S.1 GKG rechtfertigen daher keine

Abweichung von der Orientierung an den Einkommensverhältnissen.

Der Umstand, daß der dreimonatige Wert

nicht den Mindestbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle erreicht, ist

ebenfalls kein Grund, von einer Bemessung nach dem

Dreimonatseinkommen abzuweichen, denn das Gesetz stellt nicht

darauf, sondern auf eine bestimmte rechnerische Größe ab. Anders

als in dem Fall, in dem beiden Parteien ratenfreie

Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist (vgl. Zöller/Herget, 20.

Aufl. (1997), § 3 ZPO "Ehesachen"; aber auch dann nicht zwingend:

OLG Hamm FamRZ 1997, 690) kann nicht davon ausgegangen werden, daß

die Einkommensverhältnisse sich schon deshalb im untersten

wirtschaftlichen Bereich bewegen, sondern es verbleibt bei dem

rechnerischen Maßstab des Gesetzes, wenn nicht aus sonstigen

Gründen eine Abweichung gerechtfertigt ist.

2)

Der Gegenstandswert des Vergleichs ist

mit 3600,- DM festzusetzen. Beim wechselseitigen Unterhaltsverzicht

ist schon vor über 20 Jahren von einem Wert von 2400,- DM

ausgegangen worden (z.B. KG Rpfleger 1976, 110 = AnwBl. 1976, 91

und Schneider/Herget, Streitwert, 11. Aufl., RN. 4474). Es kann

nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich die wirtschaftlichen

Verhältnisse seit damals erheblich verändert haben, so daß die

Grundlage eines Monatswerts von 200,- DM nicht mehr angemessen ist

(vgl. Schneider/Herget Rn. 4475; für 2400,- DM aber weiterhin OLG

Düsseldorf JurBüro 1992, 52 m.abl. Anm. Mümmler). Gegen eine

Anpassung des Werts auf 3600 DM spricht entgegen der Auffassung des

Amtsgerichts nicht, daß ein Unterhaltsanspruch derzeit nicht

erkennbar ist. Die Bemessung mit nur 3600,- DM (also einem

Monatswert von 300,- DM) berücksichtigt bereits, daß es nur um den

Wert der rechtlichen Klarstellung geht. Ein Verzicht auf den

nachehelichen Unterhalt (§ 1585c BGB) ist auch bei dieser Sachlage

nicht wertlos. Der Wert liegt zum einem darin, daß gegenwärtig ein

eindeutige Rechtslage geschaffen wird, die z.B. den Streit um die

wahren wechselseitigen Einkommensverhältnisse beendet. Aber es

werden auch für die Zukunft z.B. Ansprüche aus § 1576 BGB (die nach

verbreiteter Ansicht nicht von einem Einsatzzeitpunkt abhängen)

ausgeschlossen. Ebenso scheiden damit etwaige Ansprüche aus § 1572

BGB aus, wenn sich z.B. eine im Scheidungszeitpunkt schon

vorhandene Krankheit aber noch nicht erkannte Krankheit kurze Zeit

später zeigt (dazu BGH FamRZ 1987, 684; OLG Hamburg NJW-RR 1996,

323).

Das alles zeigt, daß die

wirtschaftliche Bedeutung des wechselseitigen Unterhaltsverzichts

mit einem Monatswert von 300,- DM nicht zu hoch bewertet ist.

Eine Kostenentscheidung entfällt gem. §

25 IV GKG.






OLG Köln:
Beschluss v. 15.09.1997
Az: 14 WF 119/97


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