Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 25. August 2009
Aktenzeichen: 11 W 2045/09
(OLG München: Beschluss v. 25.08.2009, Az.: 11 W 2045/09)
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwerde beträgt 638,79 EUR.
Gründe
I.
Das Oberlandesgericht München hat mit Endurteil vom 02.05.2007 die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 18.05.2006 zurückgewiesen. Die Beklagte hat gegen dieses Endurteil mit Schriftsatz des Rechtsanwalts beim Bundesgerichtshof ... vom 08.06.2007 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift ist den Klägervertretern am 13.06.2007 und die Beschwerdebegründung vom 30.08.2007 am 03.09.2007 zugestellt worden. Auf Verfügung des Vorsitzenden des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18.09.2007 ist den Parteien mitgeteilt worden, der Senat werde nicht vor dem 04.12.2007 über die Nichtzulassungsbeschwerde beraten. Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 28.10.2008 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und der Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 11.05.2009 auf die sofortige Beschwerde des Klägers seine zunächst eine Erstattung ablehnende Entscheidung vom 17.02.2009 aufgehoben und antragsgemäß die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auf 638,79 EUR festgesetzt und dabei eine Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten gemäß der Nr. 3403 VV RVG als erstattungsfähig anerkannt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägervertreter seien beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen und seien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auch nicht tätig geworden. Es könne zwar im Verhältnis der Klägervertreter zu deren Mandantschaft eine Gebühr entstanden sein, diese sei aber nicht erstattungsfähig. Das behauptete Telefonat mit dem Kläger und die angebliche umfassende rechtliche Überprüfung der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde seien bestritten worden und auch nicht geeignet, die Entstehung der in Ansatz gebrachten Gebühr zu begründen. Schriftsätzlich sei auf das Schreiben des BGH vom 03.09.2007 hin jedenfalls nichts eingereicht worden, der behaupteten Tätigkeit habe somit die erforderliche Außenwirkung gefehlt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).
Das Rechtsmittel erweist jedoch als unbegründet.
Für die Prozessbevollmächtigten des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten die beantragte und festgesetzte 0,8-Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten gemäß der Nr. 3403 VV-RVG nicht nur entstanden, sie ist auch erstattungsfähig.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats waren bereits unter der Geltung der BRAGO die gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstandenen Kosten bei abgelehnter Annahme der Revision erstattungsfähig, wenn sich der Berufungsanwalt des Revisionsbeklagten gegenüber dem Bundesgerichtshofs zur Frage der Ablehnung oder Annahme der Revision geäußert hatte (Senat MDR 1984, 950 und AnwBl. 1994, 249). Begründet wurde dies damit, dass nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten seien. Eine Notwendigkeitsprüfung finde hinsichtlich der die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts auslösenden Tätigkeiten € anders als in der allgemeinen Grundsatzvorschrift des § 91 Abs. 1 ZPO € nicht statt. Auch die Postulationsfähigkeit des von der Partei beauftragten Rechtsanwalts sei nicht Erstattungsvoraussetzung (ähnlich OLG Hamburg MDR 1980, 66 und JurBüro 1988, 1343; Kammergericht AnwBl. 1996, 347).
72. Für die Anwendung der Nr. 3403 VV-RVG kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Die Berufungsanwälte des Klägers haben vorgetragen, sie hätten die ihnen zugestellte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde umfassend rechtlich geprüft und in einem Telefonat mit dem Kläger am 17.10.2007 erörtert, ob eine Gegenerklärung abgegeben werden sollte oder ob abzuwarten sei, ob der BGH die Revision zulassen werde. Das vom Klägervertreter behauptete Telefonat, das die Beklagte nur mit Nichtwissen bestreiten konnte, ist durch die Vorlage des Schriftsatzes vom 15.10.2007, in dem der Kläger unter Hinweis auf die beigefügte Nichtzulassungsbeschwerdebegründung um einen Rückruf wegen der möglichen Einschaltung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts gebeten wurde, hinreichend glaubhaft gemacht. Es wäre zudem lebensfremd anzunehmen, die Klägervertreter hätten die Rechtsmittelbegründung an ihren Mandanten weitergeleitet, ohne diese wenigstens inhaltlich zur Kenntnis genommen und im Hinblick auf die Erforderlichkeit eigener Maßnahmen geprüft zu haben.
8a) Wenn ein nicht beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt auftragsgemäß im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren tätig und nachfolgend kein weiterer Rechtsanwalt eingeschaltet wird, können die hierdurch anfallenden Gebühren für eine Einzeltätigkeit zu erstatten sein, wenn der Rechtsanwalt eine sinnvolle Tätigkeit ausgeübt hat. Eine überflüssige Tätigkeit läge dann vor, wenn der Rechtsanwalt etwa einen völlig bedeutungslosen Zurückweisungsantrag gestellt hätte. Dies gilt jedoch nicht, wenn er tragfähige Gründe vorträgt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3403 Rn. 68; AnwK-RVG/N. Schneider, 4. Aufl., VV 3403-3404 Rn. 66, 68; Senatsbeschluss vom 20.10.2005 € 11 W 666/05; BGH Beschluss vom 04.05.2006 € III ZB 120/05 € NJW 2006, 2266, mit dem die Rechtsbeschwerden der Beteiligten gegen den vorgenannten Senatsbeschluss zurückgewiesen wurden; BGH NJW 2007, 1461).
9b) Die Auffassung des Klägers, zu den erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen der obsiegenden Partei im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechneten nur die Kosten des postulationsfähigen und mit der Vertretung vor dem Prozessgericht beauftragten Rechtsanwalts, ist also zu eng, da gerade aus der genannten Bestimmung folgt, dass die Partei, gegen die ein Rechtsmittel geführt wird, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen darf (BGH NJW 2006, 2266; BGH NJW 2003, 756). Es ist ihr nämlich nicht zuzumuten, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführers abzuwarten, da die Partei nicht selbst beurteilen kann und muss, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist (BGH NJW 2003, 756).
10c) Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss sich lediglich auf ein gerichtliches Verfahren beziehen und muss nicht zwingend gegenüber dem Gericht durch Einreichung eines Schriftsatzes erfolgen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage, VV 3403 Rn. 43). Im Übrigen hatte die Tätigkeit der Klägervertreter auf Grund des durch Vorlage der entsprechenden Schriftsätze nachgewiesenen Kontakts mit den Revisionsanwälten der Beklagten auch die nach deren Auffassung fehlende Außenwirkung. Unabhängig davon setzt die Entstehung einer Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren nur voraus, dass der Rechtsanwalt in Erfüllung eines ihm erteilten Prozessauftrags in der Rechtsmittelinstanz in irgendeiner Weise tätig geworden ist (Senat JurBüro 1994, 93, 94; Senatsbeschlüsse vom 08.08.2006 € 11 W 1234/06 € und vom 01.08.2005 € 11 W 843/05 € jeweils zum Berufungsverfahren). Nicht erforderlich ist dagegen, dass die von dem Rechtsanwalt entfaltete Tätigkeit nach außen in Erscheinung tritt (Senatsbeschluss 04.04.2006, a. a. O.; Kammergericht Rpfleger 2005, 569 = JurBüro 2005, 418). Es reicht vielmehr aus, dass die Klägervertreter die Rechtsmittelbegründung pflichtgemäß auf die Erforderlichkeit einer Gegenäußerung hin geprüft haben (vgl. für das Beschwerdeverfahren BGH NJW 2005, 2233 = MDR 2005, 1016 = AGS 2005, 413).
Diese Maßnahme durfte der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten (BGH NJW 2006, 2266).
d) Aus der Art der geschilderten Tätigkeit ergibt sich zugleich, dass die Klägervertreter gerade nicht nur mit der Abfassung eines Schreibens einfacher Art gemäß der Nr. 3404 VV-RVG beauftragt waren. Die festgesetzte 0,8 Gebühr ist deshalb auch der Höhe nach nicht überzogen. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Beklagten auf Grund der vom Kläger unterlassenen Beauftragung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts die Erstattung einer 2,3 Verfahrensgebühr gemäß den Nrn. 3508, 3506 VV-RVG erspart worden ist.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG München:
Beschluss v. 25.08.2009
Az: 11 W 2045/09
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