Finanzgericht Kassel:
Beschluss vom 20. Dezember 2004
Aktenzeichen: 12 Ko 92/02

(FG Kassel: Beschluss v. 20.12.2004, Az.: 12 Ko 92/02)

Tatbestand

(Überlassen von Datev)

Im vorliegenden Erinnerungsverfahren ist streitig, ob die Erinnerungsführerin im Zusammenhang mit den unter den gerichtlichen Geschäftsnummern 4 K 3955/96 und 4 K 5148/96 registrierten Klageverfahren, in denen über die bilanzielle Behandlung sog. "Werkzeugkostenbeiträge" gestritten wurde (Versteuerung im Jahr der Vereinnahmung in voller Höhe oder Verteilung des Ertrags auf mehrere Jahre), die Festsetzung einer Beweisgebühr beanspruchen kann.

Im gerichtlichen Verfahren 4 K 3955/96 wandte sich der Berichterstatter mit Verfügung vom 20.1.1999 an mehrere Automobilhersteller und erbat bei diesen zum rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund der "Werkzeugkostenbeiträge" verschiedene Auskünfte, die im weiteren Verlauf des Rechtsstreits auch erteilt wurden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Verfügung Bezug genommen. Der gesamte mit den Automobilherstellern geführte Schriftverkehr wurde der Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin mit der unter beiden Geschäftsnummern 4 K 3955/96 und 4 K 5148/96 ergangenen Verfügung des Berichterstatters vom 11.5.1999 zur Kenntnisnahme unter Einräumung der Möglichkeit, eine Äußerung abzugeben, übersandt. Außerdem gab der Berichterstatter in der ebenfalls an die Prozessbevollmächtigte gerichteten und beide Verfahren betreffenden Verfügung vom 20.5.1999 mit dem Hinweis auf die "vorliegenden Unterlagen" einen vorläufigen Kommentar zu der Rechtslage ab, was diese veranlasste, mit Schriftsatz vom 2.6.1999 unter Einbeziehung der Auskünfte der Automobilhersteller nochmals zu beiden Verfahren Stellung zu nehmen.

Nachdem bereits in beiden Hauptsacheverfahren die Ladung zu dem auf den 22.6.1999 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung ergangen war, wurde die Prozessbevollmächtigte mit gerichtlichem Schreiben vom 4.6.1999 gebeten, die in ihrem Schriftsatz vom 2.6.1999 als Zeugen benannten R und S zum Termin mitzubringen. Nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 2.6.1999 sollten diese beiden im Streitzeitraum im Vertrieb der Erinnerungsführerin beschäftigten Personen die Behauptung bestätigen, dass sich die Erinnerungsführerin bereits anlässlich der Vereinbarung der Werkzeugkostenzuschüsse verpflichtet hatte, die hergestellten Werkzeuge für einen bestimmten Mindestzeitraum vorzuhalten und zur Durchführung von Aufträgen des Bestellers zu verwenden. Mit Schreiben vom 16.6.1999 teilten die damalige Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin mit, dass die beiden benannten Zeugen am Sitzungstag verhindert seien und stattdessen V, der zum Termin zur mündlichen Verhandlung mitgebracht werden solle, als Zeuge in Betracht komme. Der ergänzend vorgetragenen Bitte der Bevollmächtigten, diesen noch als Zeugen zu laden, ist das Gericht nicht nachgekommen.

Die mündliche Verhandlung, in der die beiden Verfahren 4 K 3955/96 und 4 K 5148/96 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, fand am 22.6.1999 statt. Laut dem hierzu angefertigten Sitzungsprotokoll wurde V, ehemaliges Vorstandsmitglied der Erinnerungsführerin, "informatorisch...angehört". Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 22.6.1999 wurden die beiden Klagen abgewiesen. In der Entscheidung wird auf die zu Protokoll genommenen Ausführungen des ehemaligen Vorstandsmitglieds V nicht eingegangen. Auf die vom Hessischen Finanzgericht zugelassene und von der Erinnerungsführerin auch eingelegte Revision hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 29.11.2000 I R 87/99 die Vorentscheidung des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben, dem Erinnerungsgegner aufgegeben, die Steuern, Messbeträge und Einheitswerte nach Maßgabe der Revisionsanträge festzusetzen bzw. festzustellen und die Kosten des gesamten Rechtsstreits dem Erinnerungsgegner auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Prozessbevollmächtigte namens der Erinnerungsführerin u.a., bei der Berechnung der zu erstattenden Aufwendungen für die Kosten der beiden finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 45 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) i. V. mit §§ 114, 31 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) zwei Beweisgebühren in Höhe von 50.018,85 DM (betreffend das Verfahren 4 K 3955/96) bzw. 3.306,15 DM (4 K 5148/96) anzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wandte sich daraufhin an den Berichterstatter mit der Bitte um Stellungnahme, ob in den beiden Verfahren eine Beweisaufnahme stattgefunden habe. Dieser teilte mit, dass es sich zum einen um die Einholung von Auskünften i. S. des § 79 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) - ohne förmliches Beweisverfahren - gehandelt habe und zum anderen das zum Verhandlungstermin mitgebrachte ehemalige Vorstandsmitglied V lediglich informatorisch befragt worden sei.

In Kenntnis dieser Äußerung beharrte die Erinnerungsführerin auf ihrem Standpunkt, dass eine Beweisgebühr angefallen sei. Hierzu führte sie folgendes aus:

Das Entstehen einer Beweisgebühr richte sich nach dem Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Eines Beweisbeschlusses bedürfe es hierfür nicht. Auch eine faktisch durchgeführte Befragung einer Person, ohne dass sie Partei bzw. Beteiligter sei, erfülle die objektiven Voraussetzungen einer Beweisgebühr. Ein entsprechender Wille oder Bewusstsein des Gerichts, Beweis zu erheben, sei dabei nicht erforderlich. Die Abgrenzung zu § 79 Abs. 1 Nr. 3 FGO sei dort zu finden, wo im Rahmen der Mitwirkungspflicht die jeweilige Prozesspartei bzw. der jeweilige Verfahrensbeteiligte dem Gericht eigene Tatsachen zur Verfügung stelle und damit auch zur Entscheidungsfindung beitrage. Das ehemalige Vorstandsmitglied, Herr V, sei weder Prozesspartei noch Verfahrensbeteiligter gewesen. Daher habe das Gericht Herrn V lediglich als Zeugen hören können. Neben der einfachen Frage auf seine früheren Funktionen in der Firma der Klägerin sei er auch auf eine bestimmte Sachlage hin befragt worden, die er umfangreich beantwortet habe. Durch diese Befragung habe das Gericht eine Sachinformation erlangt, die es selbst nicht ohne weiteres von dem aktiven Vorstandsmitglied, Herrn St, in Erfahrung hätte bringen können. Das ehemalige Vorstandsmitglied sei bei Gericht erschienen und sei durch gerichtliche, sachdienliche Fragen wie ein Zeuge behandelt worden, so dass das Gericht tatsächlich über die im Einzelnen strittigen Hintergründe der Gewährung von Werkzeugkostenzuschüssen Beweis erhoben habe. Ob die Antworten der faktisch zeugenschaftlich vernommenen Person auch gerichtlich verwertet worden seien, könne für die Entstehung einer Beweisgebühr unbeachtlich bleiben. Insoweit habe ein Prozessbevollmächtigter keinen Einfluss bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung durch die Verwertung der Antworten, weshalb für seine besondere weitere Mühewaltung, eine Person als Zeugen für das Gericht präsent zu halten, die tatsächliche sachliche Befragung durch das Gericht genügen müsse. Überdies sei die Klägerin ausweislich des Schreibens des Gerichts vom 4.6.1999 aufgefordert worden, Zeugen zum Termin mitzubringen.

Ferner sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Einholen von schriftlichen Auskünften bei den Automobilherstellern um mehr als nur das Anfordern von Akten oder bereits vorliegender Urkunden gehandelt habe. Auch sei es nicht um nicht-streitige Tatsachen gegangen. Nur in diesem Fall wäre keine Beweisgebühr durch das Einholen dieser schriftlichen Auskünfte entstanden. Im vorliegenden Fall hätten die Anfragen des Gerichts den strittigen Hintergrund der Vergabe von Werkzeugkostenzuschüssen zum Gegenstand gehabt. Der Antragsgegner habe behauptet, bei der Zuschussgewährung fehle es an vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich irgendwelcher Rückzahlungsverpflichtungen oder Vereinbarungen über die ggf. nachfolgende Teilelieferungen (Schriftsatz vom 30.6.1997, Az. 4 K 3955/96 - auf Seite 3, 2. Absatz von oben). Insoweit sei ihr Vortrag bestritten worden, wonach sich aus dem Abschluss des Werkzeugkostenzuschussvertrags bestimmte vertragliche Verpflichtungen im Hinblick auf die spätere Teilelieferung ergäben (Schriftsatz vom 24.1.1997, Seite 7, unter 2 b zu Az. 4 K 3955/96). In seiner Anfrage vom 20.1.1999 an die D AG habe das Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, falls die gestellten Fragen zum wirtschaftlichen Hintergrund der Werkzeugkostenzuschüsse nicht beantwortet würden, eine Vernehmung des Vorstands oder anderer sachverständiger Personen als Zeugen in der mündlichen Verhandlung erforderlich würde, wobei auf § 81 Abs. 1 FGO verwiesen worden sei. Aus diesem Hinweis gehe das Bewusstsein des Gerichts hervor, dass das Auskunftsersuchen strittige Tatsachen zum Gegenstand hatte. Andernfalls wäre nämlich auch eine Beweiserhebung durch Zeugen für den Fall der Auskunftsverweigerung nicht in Betracht gekommen. Mithin seien die schriftlichen Antworten der Automobilhersteller hier erkennbar zum Beweis strittiger Tatsachen herangezogen worden.

Abweichend vom Kostenfestsetzungsantrag lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2001 unter Hinweis auf die Äußerung des Berichterstatters den Ansatz der geltend gemachten Beweisgebühren ab.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Erinnerung, zu deren Begründung die Erinnerungsführerin auf ihr bisheriges Vorbringen verweist. Die Erinnerungsführerin beantragt die zusätzliche Festsetzung einer Beweisgebühr in Höhe von 53.625,-- DM.

Der Erinnerungsgegner hat sich zu dem Rechtsbehelf nicht geäußert.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Senat hat im Verlauf des Erinnerungsverfahrens ergänzende Stellungnahmen des Senatsvorsitzenden und des Berichterstatters aus den Hauptsacheverfahren 4 K 3955/96 und 4 K 5148/96 eingeholt. Diesbezüglich wird auf die beiden schriftlichen Äußerungen vom 15.10.2004, zu denen sich die Erinnerungsführerin nicht mehr geäußert hat, Bezug genommen.

Gründe

Die Erinnerung ist begründet.

Da in beiden Hauptsacheverfahren eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, ist bei der Festsetzung der nach § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähigen Kosten jeweils eine Beweisgebühr nach § 114 Abs. 1 i.V. mit § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO zu berücksichtigen.

Nach dieser Bestimmung, die gemäß § 45 StBGebV auf die Vergütung des Steuerberaters im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist, erhält der Prozessbevollmächtigte eine volle Gebühr für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese sog. Beweisgebühr gilt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren, d.h. den Mehraufwand des Prozessbevollmächtigten (Zeit, Verantwortung, Tätigkeit), der durch die Beweisaufnahme entsteht, ab. Eine Beweisaufnahme hat den Sinn, eine bestehende Ungewissheit des Gerichts über den Wahrheitsgehalt des Parteivorbringens zu beseitigen oder sonstige ihm zweifelhaft erscheinende Umstände erweislich zu machen. Da das finanzgerichtliche Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, weil das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), liegt hier eine Beweisaufnahme grundsätzlich dann vor, wenn sich das Gericht zur Ermittlung rechtserheblicher (als des Beweises bedürftig angesehener) Tatsachen auf Antrag oder von Amts wegen eines Beweismittels bedient (z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 13.1.1988 1 BvR 1574/83, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 77, 360, und vom 8.7.1997 1 BvR 403/94, 1 BvR 569/94, BVerfGE 96, 217; Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 17.8.1976 VII B 7/75, Bundessteuerblatt II 1976, 687; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 114 Rdnr. 12 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Vorbringen streitig ist oder ob die nach Ansicht des Gerichts klärungsbedürftigen Tatsachen von den Beteiligten selbst in den Rechtsstreit eingeführt worden sind (BVerfG in BVerfGE 77, 360; 96, 217). Unabdingbar ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass durch das Gericht eine beweisbedürftige Tatsache geklärt werden sollte und es sich nicht lediglich um eine die mündliche Verhandlung vorbereitende Maßnahme handelte, die im Rahmen der Offizialmaxime der Sammlung von Tatsachen dient, die für die gerichtliche Entscheidung möglicherweise von Bedeutung sein können (Schall, Neue Rechtsprechung zu Funktionsgebühren, Der Steuerberater - StB - 1993, 18). Nicht ausreichend sind demgemäß Anordnungen nach § 79 FGO i.V. mit § 273 ZPO, die eine weitere Sachaufklärung bezwecken oder eine Beweisaufnahme vorbereiten (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - AO -/FGO, vor § 135 FGO Tz. 92 m.w.N.). Wird der objektive Wille des Gerichts, Beweis erheben zu wollen, nach außen erkennbar, so liegt ein Beweisaufnahmeverfahren i. S. d. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO auch dann vor, wenn das Gericht zwar keinen förmlichen Beweisbeschluss erlässt, tatsächlich jedoch eine Beweisaufnahme durchführt und der Rechtsanwalt am Beweisaufnahmeverfahren beteiligt ist (BVerfG in BVerfGE 77, 360, und in BVerfGE 96, 217; vgl. ferner die Beschlüsse des FG Baden-Württemberg vom 17.3.1992 9 Ko 6/91, EFG 1992, 485, und des FG Bremen vom 13.1.2000 2 99 302 Ko 2, EFG 2000, 289; beide m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn statt des Spruchkörpers der Vorsitzende oder der Berichterstatter tätig wurde, wenn der mit keiner Beweisaufnahme beauftragte Berichterstatter eigenmächtig gehandelt hat oder wenn die für eine Beweisaufnahme geltenden Verfahrensregeln nicht eingehalten worden sind (Schall, StB 1993, 18; Madert, a.a.O. § 114 Rdnr. 12; Wahlen in Gebauer/Schneider, BRAGO, 2002, § 114 Rdnr. 21 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze steht der Erinnerungsführerin in beiden Hauptsacheverfahren für die vom Berichterstatter veranlasste Einholung schriftlicher Auskünfte bei den Automobilherstellern eine Beweisgebühr zu, weil diese Maßnahme aus der Sicht eines objektiven Betrachters im Rahmen eines Beweisaufnahmeverfahrens i. S. des § 114 Abs. 1 i.V. mit § 31 Abs. 1

Nr. 3 BRAGO erfolgte und die Erinnerungsführerin hierbei durch ihren Rechtsanwalt vertreten wurde.

Wie sich aus den zu Beginn des Verfahrens gewechselten Schriftsätzen der Beteiligten (Klagebegründung vom 24.1.1997, Klageerwiderung vom 30.6.1997) ergibt, wurde vom Erinnerungsgegner insbesondere beanstandet, dass für den von der Erinnerungsführerin behaupteten wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang zwischen der Herstellung der Werkzeuge und den späteren Teilelieferungen keine eindeutigen schriftlichen Vereinbarungen existierten. Der Berichterstatter ließ sich dann zunächst von der Erinnerungsführerin sämtliche der Zahlung der streitigen Werbungskostenzuschüsse zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen vorlegen. Da diese Unterlagen offenkundig keine aussagekräftigen Erkenntnisse über die mit den Abnehmern getroffenen maßgeblichen Absprachen enthielten (vgl. auch Seite 15 des in den beiden zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Hauptsacheverfahren ergangenen Urteils vom 22.6.1999), wandte sich der Berichterstatter mit seinen (inhaltsgleichen) Verfügungen vom 20.1.1999 direkt an die betreffenden Automobilunternehmen und bat diese unter Hinweis auf das Fehlen aufschlussreicher schriftlicher Verträge um nähere Erläuterungen zum wirtschaftlichen und rechtlichen Hintergrund der geleisteten Werkzeugkostenbeiträge. Diese Maßnahme diente jedoch entgegen der übereinstimmenden Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des Erinnerungsgegners nicht lediglich der Sammlung zusätzlicher Erkenntnisse zur Erweiterung des Informationsstands für die Entscheidungsfindung (als Vorstufe einer möglichen Beweiserhebung), sondern vielmehr der Feststellung konkreter Tatsachen, die aus der Sicht des Berichterstatters der Aufklärung bedurften, weil sie für die zu treffende Entscheidung von essenzieller Bedeutung waren. So wird in den einleitenden Ausführungen des Anschreibens explizit auf die Entscheidungserheblichkeit der Frage hingewiesen, "bei welchem wirtschaftlichen Hintergrund und aus welchem Anlass solche Werkzeugkostenbeiträge oder Werkzeugkostenzuschüsse ..... vom Kfz-Hersteller vorab geleistet werden (oder wurden)". Sodann werden vom Berichterstatter zur Präzisierung dieser Problematik konkrete Fragen formuliert, die in ihrer Mehrzahl erkennbar einen unmittelbaren oder zumindest indirekten Bezug zu dem (insbesondere wegen des fehlenden Nachweises der betreffenden Behauptungen) streitigen Vorbringen der Erinnerungsführerin im Schriftsatz zur Klagebegründung vom 24.1.1997 ausweisen (Art der Gegenleistungen der Erinnerungsführerin für die erhaltenen Zuschüsse, rechtliche und wirtschaftliche Verknüpfung der Vereinbarungen über den Werkzeugkostenzuschuss und die nachfolgende Teilelieferung, Verpflichtung der Erinnerungsführerin zur Rückzahlung der Zuschüsse). Dass der Berichterstatter von den angeschriebenen Firmen nicht i. S. des § 79 Abs. 1 Nr. 3 FGO lediglich informatorisch (zum Zwecke der Vorbereitung einer möglichen Beweiserhebung) eine Auskunft einholen, sondern vielmehr die Klärung von (bereits fest umrissenen) beweisbedürftigen Tatsachen herbeiführen wollte, ergibt sich auch aus seinem ausdrücklich auf die Bestimmung des § 81 FGO gestützten abschließenden Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung im Falle einer mangelnden Mitwirkungsbereitschaft bei der Beantwortung der schriftlich formulierten Fragen. Der erkennende Senat hat sich überdies in seinem in den Hauptsacheverfahren ergangenen Urteil vom 22.6.1999 an mehreren Stellen ausdrücklich auf die aus den eingeholten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse gestützt und diese damit unter Verzicht auf weitere Zeugenvernehmungen erkennbar beweismäßig verwertet, wobei nach seiner Darstellung die Beteiligten gegen diese Vorgehensweise keine Einwände hatten (vgl. Seite 16 des Urteils). Unter Berücksichtigung des vorstehend dargelegten Verfahrensablaufs handelte es sich bei der Einholung der schriftlichen Auskünfte somit um die Klärung beweisbedürftiger Tatsachen und damit materiell um eine Beweisaufnahme. Da für die Entstehung der Beweisgebühr jede auf eine Beweiserhebung gerichtete Tätigkeit ausreicht, ist die fehlende Einhaltung der nach dem Gesetz vorgesehenen Förmlichkeiten (vgl. zur schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage § 82 FGO i. V. mit § 377 Abs. 3 ZPO) insoweit ohne Belang. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die Maßnahme des Berichterstatters nicht ohnehin eine Beweiserhebung i. S. des § 79 Abs. 3 FGO darstellt (für die nach - allerdings umstrittener - Auffassung von Gräber/Koch, FGO, 5. Aufl. 2002, § 79 Anm. 11 m.w.N. kein besonderer Beweisbeschluss ergehen muss) oder zumindest eine Beweisaufnahme in Gestalt eines Urkundenbeweises darin zu sehen ist, dass - wie ausgeführt - in den Hauptsacheverfahren mit ausdrücklicher Zustimmung der Beteiligten eine Verwertung der vom Berichterstatter eingeholten schriftlichen Äußerungen erfolgte (vgl. hierzu Seer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 82 FGO Rdnr. 36 m.w.N.).

Die Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin ist am Beweisaufnahmeverfahren auch beteiligt gewesen. Ihr sind die schriftlichen Äußerungen der Automobilhersteller zugeleitet worden und sie hat mehrfach - schriftsätzlich (Schreiben vom 2.6.1999) und in der mündlichen Verhandlung (vgl. Seite 18 des Urteils vom 22.6.1999) - die ihr vom Gericht eingeräumte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen, wahrgenommen (vgl. hierzu BVerfG in BVerfGE 77, 360 und 96, 217).

Gegen die Höhe der geltend gemachten Beweisgebühren bestehen ebenfalls keine Bedenken. Hierbei war zu beachten, dass die Recherchen des Berichterstatters - wie aus dessen Verfügungen vom 11.5. und 20.5.1999 hervorgeht - beide Hauptsacheverfahren erfassten, die Replik der Bevollmächtigten vom 2.6.1999 ebenfalls beide Rechtsstreite betraf und die Verbindung der Verfahren nach § 73 FGO erst im Rahmen der am 22.6.1999 durchgeführten mündlichen Verhandlung erfolgte. Gebührenrechtlich hat dieser Verfahrensablauf zum einen zur Folge, dass die Beweisgebühr in beiden Verfahren angefallen ist, weil sich die Beweisaufnahme auf beide Sachen erstreckte, und zum anderen, dass für ihre Bemessung der Gegenstandswert des jeweiligen Hauptsacheverfahrens maßgeblich ist und die Berechnung nicht - wie nach einer vollzogenen Verfahrensverbindung - aus einem Gesamtstreitwert zu berechnen ist (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 139 Anm. 22 m.w.N.; FG Nürnberg, Beschluss vom 26.8.1992 VI 87/92, EFG 1993, 101).

Ausgehend von den von der Urkundsbeamtin ermittelten Streitwerten beträgt die hiernach noch anzusetzende Beweisgebühr für das Verfahren 4 K 3955/96 50.325,-- DM und für das Verfahren 4 K 5148/96 6.525,-- DM, insgesamt also 56.850,-- DM. Dieser Betrag übersteigt den auf die Berücksichtigung zusätzlicher Aufwendungen in Höhe von 53.625,-- DM gerichteten Antrag der Erinnerungsführerin. Diesbezüglich war zu beachten, dass gemäß der zur Grundordnung des Verfahrens zählenden und daher auch im Erinnerungsverfahren anwendbaren Bestimmung des § 113 i.V. mit § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO (vgl. hierzu Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Anm. 2 und 3) eine betragsbezogene Bindung an das Begehren des Erinnerungsführers besteht, weil Gegenstand der Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung lediglich der Betrag ist, um den der Erinnerungsführer die Kosten höher oder niedriger festgesetzt haben will, als im angefochtenen Beschluss geschehen (Hellstab in von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert, a.a.O., D 115; Tipke/Kruse, a.a.O., § 149 Rz. 16).

Ausgehend von dem Antrag der Erinnerungsführerin war der Erstattungsbetrag nach alledem von 295.588,77 DM (151.132,12 EUR) auf 349.213,77 DM (178.550,16 EUR) heraufzusetzen.

Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, da solche im KV zu § 11 Abs. 1 GKG für das Erinnerungsverfahren nicht vorgesehen sind (§ 1 Abs. 1 GKG). Da die Erinnerung in vollem Umfang Erfolg hatte, fallen die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem Erinnerungsgegner zur Last.






FG Kassel:
Beschluss v. 20.12.2004
Az: 12 Ko 92/02


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