Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 22. Juni 2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 44/04
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 22.06.2004, Az.: I-3 Wx 44/04)
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewie-sen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000 Euro.
Gründe
I.
Die ordentliche Hauptversammlung der G. AG, Düsseldorf ("G.") vom 13. Mai 2003 beschloss u. A., dass die Aktien der Minderheitsaktionäre der G. gegen Gewährung einer Barabfindung auf den Hauptaktionär, die G. H. GmbH & Co KG, Düsseldorf ("G.H."), die mit 98,56 % unmittelbar an der G. beteiligt ist, übertragen werden (Übertragungsbeschluss - "squeezeout").
Die Anmeldung wurde vom Notar am 27. Mai 2003 beim Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf eingereicht. Die Anmeldung enthielt die Versicherung des Vorstandes, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nicht erhoben worden sei.
Am 4. Juni 2003 wurde der Übertragungsbeschluss in das Handelsregister eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG noch nicht abgelaufen.
Die Kursnotierung der AG wurde am 6. Juni 2003 eingestellt.
Unter dem 16. Juni 2003 teilte das Registergericht der Gesellschaft mit, dass am 13. Juni 2003 - also am letzten Tage der Frist des § 246 Abs. 1 AktG - eine Anfechtungsklage der Beschwerdeführerin mit Sitz in Berlin bei dem Landgericht Düsseldorf - Kammer für Handelssachen - eingegangen sei. Ferner kündigte das Amtsgericht seine Absicht an, die am 4. Juni 2003 erfolgte Eintragung gemäß § 142 FGG von Amts wegen zu löschen.
Dem widersprach die Gesellschaft unter dem 10. Juli 2003, weil die Amtslöschung gemäß § 142 FGG nicht zulässig sei. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses sei zwar durch das Amtsgericht in verfahrensfehlerhafter Weise vorgenommen wurden, da die Eintragung vor Ablauf der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erfolgt sei. Gleichwohl komme eine Löschung nicht in Betracht, weil § 144 Abs. 2 FGG dem § 142 FGG vorgehe. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor.
Das Amtsgericht gab mit Beschluss vom 19. August 2003 dem Widerspruch der Gesellschaft statt und führte zur Begründung aus: Der Übertragungsbeschluss sei verfahrensfehlerhaft eingetragen worden. Die gemäß §§ 327 Abs. 2 i.V.m. 319 Abs. 3 Nr. 5 AktG notwendige Negativerklärung des Vorstandes habe zum Zeitpunkt der Anmeldung vorgelegen. Sie habe eine Einschränkung bzw. einen Hinweis auf die noch nicht abgelaufene Frist des § 246 Abs. 1 AktG zur Erhebung einer Anfechtungsklage nicht enthalten. Das Registergericht sei hiernach gehalten gewesen, vor Eintragung den Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist abzuwarten [Krieger in MK Hdb. AktG, 2. Aufl. 1999, 73 Rdz. 17; Hüffner AktG 5. Aufl. 2002, § 319 Rdz. 14]. Dies sei nicht geschehen. Trotz des gegebenen Verfahrensfehlers komme eine Löschung der Eintragung gemäß § 142 FGG nicht in Betracht, weil auch für diese Fälle die Sondervorschrift des § 144 Abs. 2 FGG die Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 142 FGG ausschließe. Das Gericht folge insoweit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung [OLG Köln, NZG 2003, 75; OLG Hamm, AG 1994, 376 f.; OLG Karlsruhe, OLGZ 1986, 155 ff.; Bumiller/Winkler, FGG 7. Auflage 1999 § 142 Rdz. 6 m.w.N.]. Die Angelegenheit betreffe auch den Anwendungsbereich des § 144 Abs. 2 FGG. Der Sache nach gehe es um die Löschung eines Hauptversammlungsbeschlusses. Hierfür stelle § 144 Abs. 2 FGG eine Sondervorschrift dar. Eine Amtslöschung auf der Grundlage des § 144 Abs. 2 FGG scheide ebenfalls aus. Der Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung verletze durch seinen Inhalt keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 241 AktG seien nicht erkennbar. In Anbetracht des Fehlens der vorbezeichneten maßgeblichen Voraussetzung könne die Frage eines öffentlichen Interesses an der Beseitigung des Beschlusses offen bleiben.
Hiergegen hat sich die Rechtsmittelführerin beschwert, mit dem Antrag, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben, das Amtslöschungsverfahren fortzusetzen und die am 4. Juni 2003 erfolgte Eintragung des Übertragungsbeschlusses gemäß §§ 327 a ff. AktG zu löschen.
Sie hat vorgetragen, der Vorstand der Gesellschaft habe "bewusst missbräuchlich versucht", die Eintragung des Übertragungsbeschlusses zu erreichen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei § 142 FGG anwendbar, weil sonst auch die Schutzwirkung des § 327 e Abs. 2 AktG i.V. mit § 319 Abs. 5 AktG entfiele. Dies gelte umso mehr als die Beschwerdeführerin gemäß § 327 Abs. 3 AktG ihr Eigentum durch die Eintragung des Übertragungsbeschlusses verloren habe.
Das Landgericht hat am 23. Dezember 2003 die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der weiteren Beschwerde, der die Gesellschaft entgegen tritt, wendet sich die O. mbH gegen die landgerichtliche Entscheidung.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.
Die allein mit dem Ziel der Fortsetzung eines Amtslöschungsverfahrens bezüglich der am 4. Juni 2003 erfolgten Eintragung des Übertragungsbeschlusses (Squeeze out") eingelegte weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig. Insbesondere ergibt sich die gemäß § 20 Abs. 1 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis der Rechtsmittelführerin bereits aus der Erfolglosigkeit ihrer mit dem gleichen Ziel eingelegten Erstbeschwerde (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Auflage, § 27 Rdz. 10 m.w.N.).
2.
Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da das Landgericht frei von entscheidungserheblichen Rechtsfehlern (§ 27 FGG) eine Löschung der Eintragung von Amts wegen abgelehnt hat.
a)
Rechtlich zutreffend hat das Landgericht die Erstbeschwerde der Rechtsmittelführerin gegen die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 19. August 2003 erfolgte Ablehnung der Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens hinsichtlich der Registereintragung vom 4. Juni 2003 als zulässig erachtet. Insbesondere hat es mit Recht ihre Beschwerdebefugnis gemäß § 20 Abs. 1 FGG auf Grund der Wirkung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses (Übergang der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär, § 327 e Abs. 3 AktG) bejaht.
b)
aa)
Das Landgericht hat im Übrigen zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Beschwerde habe in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer schließe sich der zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung an, auf die verwiesen werde. Die mit der Beschwerde umfassend vorgetragenen rechtlichen Erwägungen, insbesondere über die missbräuchliche Auswirkung der Eintragung, seien grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft. Gleichwohl vertrete auch die Kammer die Auffassung, dass § 144 Abs. 2 FGG die speziellere Vorschrift zu § 142 Abs. 2 FGG ist. Für die Spezialität spreche schon der Gesetzesaufbau und der Inhalt beider Vorschriften. Es sei gerade Sinn des § 144 FGG, normale Amtslöschungsverfahren für die speziellen Verhältnisse bei Gesellschaften anders zu regeln. Dabei trage die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass die Eintragung von Beschlüssen so weit reichende Vorschriften (richtig: Wirkungen) habe, dass sie in der Regel nur schwer rückgängig zu machen seien. Dem sei nichts hinzufügen. Es entspreche deshalb diesem Zweck, dass § 144 Abs. 2 FGG die Löschung nur bei inhaltlicher Nichtigkeit oder im öffentlichen Interesse zulasse. Beide Voraussetzungen lägen nicht vor, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang Rechtsmissbrauch etwa im Sinne von § 826 BGB behaupte, könne jedenfalls im Registerverfahren solches nicht festgestellt werden. Insoweit müsste der subjektive Bereich beim handelnden Vorstand und Notar "liquide" darlegungs- und beweisbar sein. Gerade dies sei nicht der Fall. Tatsächlich sei auch zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung über mangelnde Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses eine Anfechtungsklage noch nicht eingegangen, bzw. dem Vorstand nicht bekannt gewesen. Unzutreffend sei die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass § 142 FGG zur Vermeidung von untragbaren Ergebnissen jedenfalls analog angewandt werden müsse. Die oben aufgezeigte Intention des Gesetzgebers für das Verhältnis der Vorschriften der §§ 144, 142 FGG lasse einen Analogieschluss zur Füllung von Gesetzeslücken gerade nicht zu. Ausgleich biete vielmehr die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage letztlich die Korrektur des Handelsregisters herbeiführen könne. Das gleiche gelte für die von ihr erlittenen Schäden.
bb)
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand. Gesichtspunkte, die darauf hindeuten, dass der angefochtene Beschluss der Kammer von einem entscheidungserheblichen Rechtsfehler beeinflusst sein könnte, hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt und sind auch nicht sonst ersichtlich.
Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für eine Amtslöschung der Registereintragung allein § 144 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FGG in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift kann ein in das Handelsregister eingetragener Beschluss der Hauptversammlung einer AG gemäß den Vorschriften der §§ 142, 143 FGG als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint.
Soweit die Voraussetzungen des § 144 FGG vorliegen, enthalten sie eine abschließende Regelung, so dass eine Löschung nicht über § 142 FGG herbeigeführt werden kann. § 142 FGG ist durch § 144 FGG, der die speziellere Vorschrift ist, ausgeschlossen (BayObLG GmbHR 1992, 304, 305; OLG Köln RPfleger 2002, 209; OLG Frankfurt RPfleger 2002, 211; KG OLGR 2000, 60). Diese einschränkende Gesetzesauslegung ist mit Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar (OLG Karlsruhe RPfleger 2001, 498 für Hauptversammlungsbeschlüsse). Das Gesetz erschwert durch § 144 FGG die Löschung der darin genannten Gesellschaften und Beschlüsse gegenüber sonstigen Eintragungen. Sie sollen nur unter den engen Voraussetzungen des § 144 FGG gelöscht werden können, während die übrigen Eintragungen schon wegen Fehlens jeder "wesentlichen Voraussetzung" (§ 142 FGG) der Löschung unterliegen. § 144 Abs. 2 FGG schützt das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bestand u. A. der Hauptversammlungsbeschlüsse und räumt ihm Vorrang vor den privaten Interessen Einzelner ein, die durch die Eintragung eines fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlusses in ihren Rechten betroffen sein können (vgl. BGHZ 21, 378, 381f.; KG KG-Report 1997, 174, 177; Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 3 ff.; Keidel/Winkler, FGG 15. Auflage 2003 § 144 Rdz. 2). Die allgemeine Vorschrift des § 142 FGG, nach der das Registergericht eine Eintragung im Handelsregister löschen kann, wenn sie "wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war", gilt also nur für Gesellschaften und Beschlüsse, die in der Abteilung A des Handelsregisters einzutragen sind, wie OHG, KG und die in § 33, 36 HGB genannten juristischen Personen. Für die in § 144 FGG genannten Gesellschaften (AG, KGaA, GmbH) greift § 142 FGG nur dann ein, wenn es sich nicht um die Löschung der Gesellschaft oder ihrer Beschlüsse handelt. Es wäre widersinnig, wenn ein Beschluss zwar inhaltlich nichtig ist, gemäß § 144 FGG aber nicht gelöscht werden kann, ein anderer unter Umständen gültiger Beschluss jedoch wegen Fehlens einer wesentlichen Voraussetzung, etwa einer ordnungsgemäßen Anmeldung, gelöscht werden könnte (so Keidel/Winkler a.a.O., Rdz. 5).
Dies vorausgeschickt handelt es sich bei § 144 Abs. 2/1 FGG um eine die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen der §§ 142, 143 FGG ausschließende Sonderregelung, deren Zweck es ist, die Löschung von Gesellschaften und Beschlüssen nur in den dort genannten Ausnahmefällen zuzulassen.
Rechtlich zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass die am 4. Juni 2003 erfolgte Eintragung des Übertragungsbeschlusses ("Squeeze out") nicht geeignet ist, eine Amtslöschung der Gesellschaft nach §144 Abs. 2 FGG zu begründen.
Dass dieses Hauptversammlungsbeschlusses durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletze, behauptet nicht einmal die Beschwerdeführerin und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Dafür, dass seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint, spricht ebenfalls nichts; ob dies der Fall ist, kann aber letztlich offen bleiben, weil es sich hierbei lediglich um eine zusätzliche Voraussetzung handelt, deren Vorhandensein allein die Amtslöschung nicht begründen könnte.
Auch der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsmissbrauch von Seiten des Vorstands im Zusammenhang mit seiner Erklärung, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses nicht erhoben worden sei, führt nicht zu einer Amtslöschung.
Abgesehen davon, dass das gerügte Verhalten nicht den Inhalt, sondern das Zustandekommen der Eintragung des in Rede stehenden Hauptversammlungsbeschlusses betraf, kann dem Vorstand der AG nicht vorgeworfen werden, gegenüber dem Registergericht unrichtige oder bewusst missverständliche Angaben zur Nichtanfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses im Klagewege gemacht zu haben. Denn zur Zeit der Anmeldung am 27. Mai 2003 war die Anfechtungsklage nicht erhoben, die Erklärung des Vorstands also zutreffend. Dass diese Angabe nicht gleichzeitig die Erklärung enthalten konnte, dass auch bis zum Fristablauf eine Anfechtungsklage nicht eingereicht sein werde, bedarf keiner näheren Erläuterung. Dafür, dass der Vorstand die vor Ablauf der Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG vorgenommene Registereintragung vom 4. Juni 2003 durch Korrektur bzw. Ergänzung seiner Angaben hätte verhindern können oder gar müssen, spricht ebenfalls nichts. Denn die Anfechtungsklage ist erst am 13. Juni 2003, dem letzten Tag der Frist, bei der Kammer für Handelssachen des Amtsgerichts Düsseldorf eingegangen.
Nach alledem sind die Voraussetzungen für eine Amtslöschung der den Hauptversammlungsbeschluss vom 13. Mai 2003 betreffenden Eintragung nach §144 Abs. 2 FGG nicht gegeben und ist aus den oben dargelegten Gründen auch für eine Löschung der Eintragung nach §142 FGG kein Raum.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 30 Abs. 2 KostO.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 22.06.2004
Az: I-3 Wx 44/04
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