Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 36/99
(BPatG: Beschluss v. 26.01.2000, Az.: 29 W (pat) 36/99)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Kl. 16 des Deutschen Patentamts vom 12. Oktober 1998 insoweit aufgehoben, als die Anmeldung hinsichtlich der Waren bzw. Dienstleistungen "Zeitungen und Zeitschriften, Kataloge, Spiele (soweit in Klasse 16 enthalten); Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate) soweit in Klasse 16 enthalten; Spiele; Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitungen, Zeitschriften" zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Angemeldet ist die Wortfolge
"HAPPY BOOKS"
als Marke für "Text-, Ton- und Bildträger, ausgenommen unbelichtete Filme; Drukkereierzeugnisse, nämlich Druckschriften, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Kataloge, Spiele (soweit in Klasse 16 enthalten); Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate) soweit in Klasse 16 enthalten; Spiele; Produktion von Text-, Ton- und Bildaufnahmen auf Text-, Ton- und Bildträgern; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften und Büchern".
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begründung zurückgewiesen, das Fremdwort "happy" habe sich heute eingebürgert, die Marke bedeute deshalb für den inländischen Verkehr ohne weiteres "glückliche Bücher". Der Verkehr erfasse diese rein wörtliche Bedeutung intuitiv als "glücklich(machend)e Bücher", auch die Dienstleistungen seien darauf gerichtet. Der Verkehr wisse, daß Bücher nicht glücklich sein könnten, ebensowenig wie Filme traurig, Musikstücke ernst etc. Das Adjektiv stehe daher für menschliche Gemütsregungen, z.B. bei Witz-, Comicbüchern und sei insofern eine bloße Eigenschaftsangabe. Das gelte auch für die anderen Ton- und Bildträger. Bei dieser Sachlage könne die Frage eines Freihaltebedürfnisses dahingestellt bleiben.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin u.a. geltend, zwar treffe es zu, daß Bücher nicht glücklich sein könnten. Die richtige Folgerung sei dann aber, daraus keinen unmittelbaren Sinn abzuleiten. So sei "trauriges Buch" z.B. eine Aussage über den Inhalt der Bücher, nicht über die Wirkung auf den Leser; es gebe weder einen "glücklichen" Roman noch eine "glückliche Erzählung". Selbst wenn die Unterstellung zutreffe, die Marke meine einen "glücklich machenden" = beglückenden Inhalt, sei dies keine Eigenschaft des Buches und seines Inhalts, sondern die Reaktion des Lesers, die nicht im Einzelnen abschätzbar sei, weil jeder unter Glück etwas anderes verstehe. Die Marke sei deshalb nicht beschreibend, vielmehr ungewöhnlich, originell und unterscheidungskräftig. Die vorstehenden, auf Bücher bezogenen Erwägungen gälten erst recht für die anderen Waren bzw. Dienstleistungen der Marke. Die gleichlautende Marke eines spanischen Konkurrenten habe das Europäische Markenamt zugelassen; die Zurückweisung ihrer prioritätsälteren Anmeldung würde der Anmelderin erhebliche Wettbewerbsnachteile bereiten. Im übrigen sei, wie sie in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hat, die Unterscheidungskraft der Marke im Hinblick auf die mitbeanspruchten Bücher nach den Maßstäben des Titelschutzes zu beurteilen.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen;
sie regt ferner an, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Der Senat hat zum gegenwärtigen werblichen Gebrauch der Wortfolge der Marke eine Internet-Recherche durchgeführt, deren Ergebnis (Bl. 18 - 29 d.A.) der Anmelderin zur Stellungnahme übersandt und auch in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. In der Sache hat sie auch zum Teil Erfolg; für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen läßt sich kein Freihaltebedürfnis an der Wortfolge der angemeldeten Marke und auch nicht das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft feststellen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1 MarkenG). Für die übrigen Teile der Anmeldung bestehen jedoch die genannten Eintragungshindernisse.
1. Nach den auf einer Recherche im Internet beruhenden und mit der Anmelderin erörterten Feststellungen des Senats wird das Markenwort zwar gegenwärtig im Inland - abgesehen von im Internet abrufbaren ausländischen Angeboten - nicht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sachbeschreibend verwendet. Jedenfalls aber ist die Wortfolge "Happy Books" im Ausland in zahlreichen sachbeschreibenden Zusammenhängen mit Büchern gebräuchlich, wobei sich dieser Ausdruck nicht auf Kinderbücher beschränkt (z.B. die Wendung "the Bible is a happy book" im Beitrag "Worship Needn't Exclude Laughter" der Regional Synod of Canada; "Not a happy book" als Beurteilung des Buchs "All The Kings Men"; "Peter Lameson's Secret Language' is an essentially happy book with an happy ending" als Besprechung dieses Buchs; "14,000 Things to Be Happy About: The Happy Book" von Barbara Ann Kipfer sowie "'The Happy Book' by Welleran Poltarnees, Harold Darling"; "Hey Look! Where to find Happy Books", "Happy Book Stuff For Sale" in Buchversandanzeigen, vgl. dazu im Einzelnen die der Anmelderin übersandten Aktenauszüge).
Aus diesem Sprachgebrauch ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis an der Wortfolge der Marke. Zwar dürfen fremdsprachige Marken nicht ohne Weiteres ihren jeweiligen beschreibenden deutschen Übersetzungen markenrechtlich gleichgestellt werden (BGH GRUR 1988, 379 - RIGIDITE; GRUR 1992, 515 - Vamos). Eine Gleichbehandlung ist vorliegend jedoch angezeigt. Denn selbst dann, wenn wesentliche Teile des inländischen Verkehrs die beschreibende Aussage der sprachlich einfachen Wendung "Happy books" nicht ohne weiteres erkennen sollten - was nach Auffassung des Senats allerdings naheliegt, vgl. etwa eine "Happy Hour" der Bäckerei-Filialkette "Hofpfisterei" wegen reduzierter Preise -, benötigen jedenfalls die Mitbewerber diese Wortfolge beim Ex- und Import einschlägiger Waren (vgl. BGH a.a.O. - RIGIDITE; GRUR 1994, 370, 371 - rigidite III). Dies setzt allerdings voraus, daß die beschreibende Verwendung der Sachangabe im Inland möglich und wahrscheinlich ist (BGH GRUR 1989, 421, 422 - Conductor; GRUR 1992, 515, 516 - Vamos), was unter Berücksichtigung der Warengattung, des Ausmaßes der Außenhandelsbeziehungen, des Sachbezugs der Bezeichnung und der quantitativen Wahrscheinlichkeit des beschreibenden Gebrauchs zu beurteilen ist. Diese Bedingungen sind vorliegend erfüllt. Wie die Internet-Fundstellen in ihrer Gesamtheit zeigen, hat sich im englischen Sprachkreis die Bezeichnung "Happy Book" nahezu zu einer allgemeinverständlichen Gattungsbezeichnung für glücklichmachende Bücher, d.h. Bücher betont angenehmen Inhalts eingebürgert. Solche Bücher werden, wie die Bestellseiten zeigen, im Internet vom Ausland her grenzüberschreitend auch im Inland zum Kauf angeboten (vgl. die Seiten der Büchervertriebe "Amazon.com" und "ConsciousMedia.Com" für Bücher des Titels "Happy Book", Bl. 22, 23 d.A.). Ist damit ein einschlägiger Im- und Exportverkehr auch in quantitativ ausreichendem Umfang belegt (vgl. dazu BGH a.a.O. - rigidite III), muß es auch anderen Wettbewerbern unbenommen bleiben, mit dem durch die Wortfolge der Marke in unmittelbar sachbeschreibender Weise bezeichnete Bücher als Importeure im Inland auf den Markt zu bringen oder sie unter dieser Bezeichnung insbesondere ins englischsprachige Ausland zu exportieren.
Dieses Freihaltebedürfnis an der Wortfolge der Marke gilt nicht nur im Hinblick auf die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis aufgeführten "Bücher" und "Druckschriften", sondern auch für die ihnen gleichzusetzenden "Text-, Ton- und Bildträger" und schließlich für die auf ihre Herstellung und Verbreitung gerichteten Dienstleistungen. Die Inhalte von Druckschriften werden heute alternativ und gleichwertig durch Datenträger vermittelt. So erscheinen z.B. die Standardwerke "Encyclopedia Britannica", "Ullmanns Encyclopedia of Industrial Chemistry" oder Buchreihen (etwa Rechtsprechungsdokumentationen) nicht nur als Buch, sondern auch als CD-ROM. Für eine Differenzierung zwischen den sog. Print-Medien und Datenträgern fehlt daher im vorliegenden Zusammenhang die Grundlage. Aber auch in Bezug auf die genannten Dienstleistungen unterliegt die Marke einem Freihaltebedürfnis. Die Produktion solcher Datenträger bzw. die Veröffentlichung und Herausgabe von Druckwerken kann nicht von dem Inhalt der so bezeichneten Werke losgelöst werden, da es sich um dabei um die Herstellung und Verbreitung des entsprechenden Werks als Werkverwertung iSv § 15 Abs. 2 Nr. 2, 3, § 20 UrhG handelt (s. BGH PlPMZ 1988, 188 - Apropos Film mwN; vgl auch BGH BlPMZ 1988, 186f - Wie hammas denn€).
In Bezug auf diese, bisher betrachteten Waren und Dienstleistungen fehlt der Marke auch die notwendige Unterscheidungskraft. Das Attribut "Happy" findet zunehmende Verbreitung als ein die überaus zufriedenstellende Wirkung von Ware, Dienstleistung und ihren Erwerb betonendes und beschreibendes Merkmal (vgl. die bereits erwähnte Angabe "Happy Hour" sowie die Bezeichnungen "Happy Posters", "Happy Puppets", "Happy Buttons" etc. in den Rechercheergebnissen), was der Verkehr auch so, zumindest aber als Werbeversprechen aufnimmt. Dann fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, der Verkehr werde ungeachtet dieses beschreibenden Gebrauchs die Marke als betrieblichen Herkunftshinweis und nicht als Sachangabe deuten.
Eine Minderung der Anforderungen an die erforderliche Unterscheidungskraft von als Marke angemeldeten Buchreihenbezeichnungen oder Titeln von Druckerzeugnissen kommt nicht in Betracht. Die Eintragungsfähigkeit solcher Reihen- oder Einzeltitel ist nach den für die Eintragung von Marken geltenden gesetzlichen Bestimmungen und den von der neueren Rechtsprechung zur Eintragungsfähigkeit von Zeitungs- und Zeitschriftentiteln (BGH BlPMZ 1974, 348, 349 "St. Pauli-Nachrichten"; BPatGE 28, 44, 48 "BUSINESS WEEK") entwickelten Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. Sie sind wie jede Markenanmeldung insbesondere auf das Vorliegen der Unterscheidungskraft und ein etwaiges Freihaltebedürfnis nach allgemeinen Regeln zu prüfen (vgl. BGH GRUR 1961, 232, 233 "Hobby"; 1970, 141 "Europharma"; BlPMZ 1974, 348, 349 "St. Pauli-Nachrichten"). Daß für Buchreihen und Bücher inhaltsbeschreibende Namen oder Titel verbreitet sind, rechtfertigt nicht, an die Eintragungsvoraussetzungen von als Marken angemeldeten Werktiteln geringere Anforderungen zu stellen. Solche Maßstäbe mögen im Rahmen des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG angebracht sein, für den die Unterscheidbarkeit der Kennzeichnungen von Werken untereinander ausreicht (vgl. näher Ströbele/Klaka, MarkenG, § 5 Rdn. 16), nicht jedoch, wenn Werktitel eine Aussage über die betriebliche Herkunft der damit bezeichneten Druckerzeugnisse im Sinne des § 3 Abs. 1 MarkenG treffen sollen. Für die mitbeanspruchten Dienstleistungen haben Fragen des Werktitelschutzes ohnehin keine Bedeutung.
Für den verbleibenden Teil des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, der Zeitungen, Zeitschriften, Spiele, Lehr- und Unterrichtsmaterial betrifft, sieht der Senat indessen keine der genannten Einragungshindernisse. Der Senat hat für diese Waren und die darauf bezogenen Dienstleistungen, die keinen unmittelbaren Zusammenhang mit Büchern aufweisen, keine konkreten sachbeschreibenden Bezüge zu dem Markenbestandteil "books" feststellen können, so daß insoweit weder genügend konkrete Anhaltspunkte für ein Freihaltebedürfnis bestehen - auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarmachung der Wortfolge der Marke für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr - noch das Vorhandensein des erforderlichen Mindestmaßes an Unterscheidungskraft zu verneinen wäre.
2 Auf die vorstehende Beurteilung der Eintagungshindernisse haben Voreintragungen des Patentamts keinen Einfluß. Grundsätzlich kann aus ihnen kein Recht auf Eintragung einer weiteren (vergleichbaren) Anmeldung hergeleitet werden, wenn nach Auffassung des Senats tatsächlich ein Schutzhindernis besteht (BGH GRUR 1989, 420 "KSÜD"; BPatGE 32, 5, 9f. "CREATION CROSS"). Zu einer Stellungnahme zu jeder Voreintragung im Einzelnen sieht sich der Senat daher nicht veranlaßt, wenngleich offensichtlich einige Voreintragungen älteren Datums sind und ihnen andere tatsächliche Verhältnisse zugrundegelegen haben mögen.
Die Tatsache, daß das Europäische Markenamt eine gleichlautende Marke eingetragen hat, bindet den Senat ebenfalls nicht. Zwar ist eine europarechtskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften, mit denen die Markenrechtsrichtlinie umgesetzt wurde, geboten, um eine Harmonisierung der Rechtsanwendung zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung des nationalen Markenrechts sowie die stets im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigenden nationalen Verkehrsgepflogenheiten und -auffassungen können jedoch zu abweichenden Ergebnissen führen (vgl. Ströbele/Klaka, MarkenG, 5. Aufl. 1997, § 8 Rdn. 58; Beschluß 27 W (pat) 38/97 vom 23. Juni 1998 - SHOE4YOU). Diese Auffassung vertritt auch die Dritte Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (vgl. HABM, R172/98, GRUR Int. 1999, 962 - ToxAlert).
3. Der Senat sieht ferner keinen Anlaß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die von der Anmelderin herausgestellte Frage, welcher Maßstab an die markenrechtliche Unterscheidungskraft von Werktiteln anzulegen sei. Die dazu in der mündlichen Verhandlung angeführten Stellungnahmen in der Literatur stützen jedenfalls das Anliegen der Anmelderin nicht. Der von Oelschlaegel (GRUR 1998, 981, 982ff.) befürwortete markenrechtliche Schutz jedenfalls für Buchreihentitel bedarf mangels einer konkreten Erwähnung von Buchreihen im Warenverzeichnis der Anmeldung vorliegend keiner Stellungnahme, während Deutsch (MarkenR 1999, 113ff.) i.W. die Markenfähigkeit von Druckerzeugnissen behandelt, die der Senat, wie oben ausgeführt, vorliegend nicht in Frage gestellt hat. Weder ist nach alledem eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Vielmehr beruht die Entscheidung des Senats auf anerkannten Grundsätzen für die Beurteilung des Freihaltebedürfnisses und der Unterscheidungskraft; die Problematik des vorliegenden Falls liegt im übrigen auf tatsächlicher Ebene.
4. Ebenso ist schließlich kein Grund ersichtlich, den Fall dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 EGV zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im vorliegenden Fall ist nicht die Frage der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift entscheidungserheblich, sondern es handelt sich ausschließlich um die Subsumtion eines Sachverhalts unter eine nationale Vorschrift im Einzelfall.
Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Schuster Cl
BPatG:
Beschluss v. 26.01.2000
Az: 29 W (pat) 36/99
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