Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 20. März 1997
Aktenzeichen: 14 A 990/97.A
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.03.1997, Az.: 14 A 990/97.A)
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.
Gründe
Die von der Klägerin eingelegte Berufung war unter
Berücksichtigung des Inhalts der Antragsschrift in das allein
zulässige Rechtsmittel des Antrages auf Zulassung der Berufung
umzudeuten. Dieser Antrag hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat
keine Zulassungsgründe gemäß § 78 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 4
AsylVfG dargelegt.
Die von ihr behauptete grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache liegt nicht vor. Insoweit macht sie zunächst
geltend, daß im Hinblick auf ihr Recht aus § 100 Abs. 2 Satz 1
VwGO, sich von der Gerichtsakte und den dem Gericht
vorgelegten Akten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen,
Auszüge und Abschriften erteilen zu lassen, eine
grundsätzliche Entscheidung erforderlich sei. Voraussetzungen
und Umfang des Rechts auf Akteneinsicht als einem wesentlichen
Teil der Parteiöffentlichkeit des Verfahrens, das der
Verwirklichung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen
Gehörs dient, sind jedoch in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts
geklärt.
Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom
3. November 1987 - 9 C 235/86 -,
Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5 = NJW
1988, 1280, und vom 10. Oktober 1989
- 9 B 268/89 -, NJW 1990, 1313, jeweils
mit weiteren Nachweisen auch aus der
Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts.
Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsverfahren
insoweit zur weiteren Klärung der Rechte aus § 100 Abs. 2 Satz
1 VwGO beitragen könnte. Daraus folgt zugleich, daß die von
der Klägerin gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138
Nr. 1 VwGO erhobene Rüge der nicht vorschriftsmäßigen
Besetzung des Verwaltungsgerichts nicht greift. Insoweit hat
die Klägerin nämlich lediglich vorgetragen, daß der
Rechtsstreit wegen der nach ihrer Auffassung grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtsfragen, die sich aus der Anwendung von
§ 100 Abs. 2 VwGO ergeben, nicht dem Einzelrichter übertragen
werden durfte, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO . Der Senat
merkt an, daß die Grundsätzlichkeit der Frage auch nicht damit
begründet werden kann, daß sich das Präsidium des
Verwaltungsgerichts mit der Form der Parteieninformation über
die in Asylverfahren auszuwertenden Quellen befaßt hat. Die
Sicherstellung der Gewährung rechtlichen Gehörs ist vielmehr
Sache der jeweils entscheidenden Richter.
In Wahrheit rügt die Klägerin denn auch, daß mit der
Ablehnung ihres Antrages, die vom Verwaltungsgericht in einer
Liste zur Kenntnis gebrachten Erkenntnisse zur Frage der
asylrechtlich relevanten Verfolgung in dem Gebiet des
ehemaligen Jugoslawien ihrem Prozeßbevollmächtigten in
gedruckter Fassung in seine Geschäftsräume zu überlassen, ihr
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden sei,
§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO. Das ist
jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat aus § 100 Abs. 2
Satz 1 VwGO keinen entsprechenden Anspruch. Diese Vorschrift
bezieht sich ausschließlich auf die in § 100 Abs. 1 VwGO
genannten Akten, nämlich die Gerichtsakten und die dem Gericht
vorgelegten Akten. Dazu gehören die vom Verwaltungsgericht in
der vorgenannten Liste aufgeführten Erkenntnisse nicht. Diese
sind keine Akten, sondern Bestandteil einer Sammlung von
Erkenntnisquellen verschiedenster Herkunft, die als
Informationsmaterial inzwischen bei jedem mit der Bearbeitung
von Asylverfahren befaßten Verwaltungsgericht und
Oberverwaltungsgericht angelegt worden sein dürfte und auch -
jedenfalls z. T. - in elektronischen Datenbanken zugänglich
und verfügbar ist. Dadurch, daß das Verwaltungsgericht
einzelne Erkenntnisse aus einer solchen Sammlung vor der
mündlichen Verhandlung in einer den Parteien zugeleiteten
Liste bezeichnet hat, werden sie nicht in das
Akteneinsichtsrecht gemäß § 100 VwGO einbezogen.
Vgl. bereits VG Stuttgart, Urteil
vom 21. Februar 1992 - 4 K 9984/91 -,
JURIS.
Die Bezeichnung der einzelnen Erkenntnisquelle ist vielmehr
Bestandteil der Gewährung rechtlichen Gehörs, weil Tatsachen-
und Beweisergebnisse vom Gericht nur dann verwertbar sind,
wenn sie im einzelnen bezeichnet und zum Gegenstand des
Verfahrens gemacht worden sind und die Parteien sich dazu
äußern konnten. Nach Bezeichnung der in einem Verfahren
möglicherweise zu verwertenden Erkenntnisse reicht es für die
Gewährung rechtlichen Gehörs aus, wenn den Parteien eine
Einsichtnahme möglich und zumutbar war. Anhaltspunkte dafür,
daß dies hier nicht der Fall war, hat die Klägerin nicht
vorgetragen. Auf die Einsichtsmöglichkeit hatte das
Verwaltungsgericht die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin
ausdrücklich hingewiesen. Es ist nicht dargetan, daß für die -
im übrigen am Standort des erkennenden Verwaltungsgerichts
residierenden - Prozeßbevollmächtigten keine zumutbare
Möglichkeit bestand, beim Verwaltungsgericht Einsicht in die
dort vorliegenden Informationsquellen zu nehmen. Bei dieser
Sachlage war auch nicht erforderlich, daß das
Verwaltungsgericht die Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerde der Klägerin wegen der Verweigerung der
Óbersendung der Akten abwartete. Es stellt schließlich auch
keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, daß
der wegen der Kosten für die Fertigung von Ablichtungen
gestellte Prozeßkostenhilfeantrag vom Verwaltungsgericht nicht
beschieden worden ist; denn da die Einsichtnahme in die beim
Verwaltungsgericht vorliegenden Unterlagen zumutbar war,
gehören die Auslagen für die Fertigung von Kopien nicht zu den
der Prozeßkostenhilfe zugänglichen Kosten der Prozeßführung,
sondern zu den allgemeinen Geschäftsunkosten im Sinne des § 25
Abs. 1 BRAGO, die mit den Gebühren entgolten werden.
Soweit die Klägerin bemängelt, daß das Verwaltungsgericht
in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nicht
diejenigen Erkenntnisse im einzelnen benennt, auf die es seine
Würdigung bezüglich der Verfolgungsgefahr wegen
exilpolitischer Aktivitäten stützt, ist ein
Berufungszulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG
i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO nicht erkennbar. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts ist mit Gründen versehen. Diese sind auch
nicht mangelhaft. Eine knappe Begründung ist unschädlich.
Angesichts des Umstandes, daß in der den
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugeleiteten
Erkenntnisliste der Inhalt der jeweiligen Auskünfte, Gutachten
und Stellungnahmen stichwortartig wiedergegeben ist, kann ohne
weiteres nachvollzogen werden, auf welche "vorliegenden
Auskünfte" sich das Gericht bei der Würdigung der Asylrelevanz
exilpolitischer Aktivitäten gestützt hat.
Im übrigen wendet sich die Klägerin lediglich gegen die
Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht.
Das rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.
Dem Gesuch der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf
Óbersendung der dem erkennenden Gericht vorliegenden
Informationen über die Lage im Kosovo in gedruckter Form und
dem darauf bezogenen Prozeßkostenhilfegesuch war vor der
Entscheidung des Senats schon deshalb nicht zu entsprechen,
weil eine auf die Auswertung dieser Informationsquellen
gestützte Ergänzung der Begründung des Zulassungsantrages
wegen Ablaufs der Zwei-Wochen-Frist nach § 78 Abs. 4 Satz 1
und Satz 4 AsylVfG nicht mehr abzuwarten war.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 20.03.1997
Az: 14 A 990/97.A
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