Bundespatentgericht:
Urteil vom 8. Juli 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 5/02

(BPatG: Urteil v. 08.07.2003, Az.: 3 Ni 5/02)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. Dezember 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmuster 9420123 U und 9420124 U jeweils vom 16. Dezember 1994 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes 0 726 359 (Streitpatent), das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 595 08 424 geführt wird. Das Streitpatent betrifft ein Schienengleis, insbesondere für Rasen und umfasst in der erteilten Fassung 14 Patentansprüche, von denen die Klägerinnen die Patentansprüche 1, 2, 4, 5, 8, 12, 13 und 14 angegriffen haben. Patentanspruch 1 lautet:

"1. Schienengleis mit folgenden Merkmalen:

eine Gleisunterkonstruktion (2);

zwei Schienen (10), die einen Schienenkopf (11), einen Schienensteg (12) und einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen und mittels Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20), welche einen Klemmkopf (21) und eine Verankerung (25) aufweisen, in vorgesehenem Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind, und Schienenkammern-Ausfülleinrichtungen, die stangenartige Füllkörper (32) enthalten und eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen, und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unter die Schienenköpfe (11) reicht, wobei die Füllkörper (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere nach unten offene Aussparungen (31, 31a) besitzen, die Hohlräume für die Aufnahme der Köpfe (21) der betreffenden Befestigungseinrichtungen (20) bilden, und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Schienenkammern-Ausfülleinrichtungen von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet werden, die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (10) auszufüllen, und die im wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehen und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, wobei die offene Bauweise oder eine solche mit fester Fahrbahn bzw mit einer Wachstumsschicht (7, 9) zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei dem Schienengleis angewendet werden kann."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen angegriffenen Patentansprüche 2, 4, 5, 8, 12, 13 und 14 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerinnen machen geltend, die Priorität der Gebrauchsmuster 9420123 U und 9420124 U sei zu Unrecht beansprucht, so dass diese Gebrauchsmuster als vorveröffentlicht zu gelten hätten und zum Stand der Technik gehörten und wenn sie nicht schon neuheitsschädlich seien, so doch ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents führten. Unabhängig davon sei der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig, weil er offenkundig vorbenutzt sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung beziehen sich die Klägerinnen auf folgende Dokumente:

NK4 85 20 560 U, NK5 DE 40 04 208 C 2, NK6 94 20 123 U NK7 94 20 124 U NK8 Aktennotiz der Fa. Züblin vom 28. September 1994 NK15, 15a technische Zeichnungen (Ortec Gesellschaft für schienentechnische Systeme mbH)

NK18 EP 0 590 342 A1 Die Klägerinnen haben weiterhin Beweis durch Zeugeneinvernahme angeboten über den in der Aktennotiz der Fa. Z.... vom 28. September 1994 (NK8) doku- mentierten Vorgang.

Die Klägerinnen beantragen, das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 sowie der weiteren Patentansprüche 2, 4, 5, 8, 12, 13 und 14, soweit diese weiteren Patentansprüche nicht auf nicht angegriffene Patentansprüche zurückbezogen sind, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen entgegen und hält das Streitpatent im angegriffenen Umfang für patentfähig. Sie bestreitet die Offenkundigkeit der von den Klägerinnen geltend gemachten Vorbenutzung.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund steht dem Streitpatent nicht entgegen, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ.

I 1. Das Streitpatent betrifft ein Schienengleis, insbesondere für Rasen. Nach den Angaben der Streitpatentschrift ist bei einem aus der DE-U-8 520 560 bekannten Schienengleis dieser Art ein Spurrillendichtprofil aus Gummi oder gummiähnlichem Kunststoff mit in Längsrichtung verlaufenden Kanälen und Klemmrippen vorgesehen, das in den Fugen zwischen der Schiene und Straßenbelägen unter Vorspannung eingeklemmt wird. Mit Rücksicht auf die Dichtfunktion sei das Gummi jedoch weich und könne sich ohne Stützung durch den Straßenbelag nicht an der Schiene halten. Eine Wachstumsschicht, wie sie für Rasengleise vorzusehen sei, könne deshalb nicht angewendet werden (Streitpatentschrift Sp 1 Z 5-15). Bei einer aus der DE-A-4 344 815 bekannten Vorrichtung zur Reduktion von Körper- und Luftschall an Schienen seien stangenartige Dämpfungselemente aus Gummi oder Elstomer-Kunststoff-Mischungen vorgesehen, die mittels bügelförmiger Verspannorgane und Halteeinrichtungen an die Schiene im Bereich der Schienenkammern angepresst gehalten würden. Das Verfüllen des Raumes zwischen den und seitlich der Schienen mit einer Wachstumsschicht sei nicht vorgesehen (Streitpatentschrift Sp 1 Z 16-26). Bei einer Verfüllung des Raumes zwischen den Gleisen mit einem Substrat, auf dem man eine Bewachsung (Gras) halten könne, sei der intensive Kontakt mit der Gleiskonstruktion nachteilig, was die Korrosion der metallischen Teile am Schienengleis wie auch in der Umgebung befindlicher Rohre, Masten und dergleichen verstärken könne (Streitpatentschrift Sp 1 Z 27-40).

2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, ein Schienengleis der eingangs angegebenen Art so auszubilden, dass der Bahnkörper weitgehend von Rasen oder anderen Bewachsungen bedeckt sein kann, und dass dem Korrosionsschutz Rechnung getragen wird.

3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 ein Schienengleis mit folgenden Merkmalen:

a) eine Gleisunterkonstruktion (2); b) zwei Schienen (10), b1) die einen Schienenkopf (11), b2) einen Schienensteg (12) undb3) einen Schienenfuß (13) unter Bildung von Schienenkammern (14) aufweisen c) und mittels Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20)

c1) welche einen Klemmkopf (21)

c2) und eine Verankerung (25) aufweisen, c3) in vorgesehenen Abstand voneinander an der Gleisunterkonstruktion (2) befestigt sind d) und Schienenkammern-Ausfülleinrichtungen, d1) die stangenartige Füllkörper (32) enthaltend2) und eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichend3) und eine Höhe besitzen, die wenigstens bis unterhalb der Schienenköpfe (11) reichtd4) wobei die Füllkörper (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere nach unten offene Aussparungen (31, 31a) besitzen, d5) die Hohlräume zur Aufnahme der Köpfe (21) der betreffenden Befestigungseinrichtungen (20) bildend6) und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, d6.1) die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sindd6.2) und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dasse) die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen von in Schienenlängsrichtung ausgerichteten, balkenartigen Formteilen (30) gebildet werden, e1) die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene (10) angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer (10) auszufüllene2) und die im wesentlichen aus zerkleinertem Altgummi mit Polyurethanbindung bestehene3) und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, f) wobeif1) die offene Bauweise oderf2) eine solche mit fester Fahrbahn bzwf3) mit einer Wachstumsschicht (7, 9)

zwischen sich gegenüberstehenden balkenartigen Formteilen (30) bei dem Schienengleis angewendet werden kann.

II 1. Die Prioritäten der beiden deutschen Gebrauchsmuster DE 94 20 123 U und DE 94 20 124 U sind zu Recht in Anspruch genommen.

Für die Ermittlung des Inhalts einer für die wirksame Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts oder die Prüfung einer unzulässigen Erweiterung maßgeblichen ursprünglichen Anmeldung kommt es darauf an, ob der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik eine Ergänzung der Anmeldung als zur angemeldeten Erfindung gehörig entnehmen kann, wobei alles als offenbart anzusehen ist, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich zu ergänzen ist, was er bei aufmerksamer Lektüre der Schrift ohne weiteres erkennt, oder in Gedanken gleich mitliest. Umgekehrt geht eine Lehre zum technischen Handeln nur dann über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen lässt, dass sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH Mitt 2001, 550, 552 li Sp Abs 2 - Luftverteiler).

Die beanspruchten Prioritäten stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang.

1.1 DE 94 20 123 U Der Vertreter der Klägerinnen hat in Zweifel gezogen, dass die Merkmale d5, e3, f1 und f2 der vorstehenden Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1 des Streitpatents der DE 94 20 123 U zu entnehmen seien.

Merkmal d5 lautet wie folgt:

".... die Hohlräume zur Aufnahme der Köpfe (21) der betreffenden Befestigungseinrichtungen (20) bilden ..."

Die Füllkörper 32 und die Abdeckhauben 33 der DE 94 20 123 U bilden offensichtlich Hohlräume zur Aufnahme der Köpfe 21 der betreffenden Befestigungseinrichtungen 20 - vgl zB Figur 2 der DE 94 20 123 U.

Merkmal e3 lautet wie folgt:

".... und von sich aus neben den Schienen (10) eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden, ....".

Auf Seite 5, Absatz 2, letzter Satz der DE 94 20 123 U wird dem Fachmann gesagt, dass die Abdeckhaube 33 nicht nur an ihrem oberen Rand, sondern auch längs ihres unteren Rands abgestützt wird, so dass Kräfte, die von oben her auf den Füllkörper (32) einwirken, nicht zu dessen Herauslösen aus der Kammer führen. Durch diese Textstelle wird der Fachmann - ein Bauingenieur (FH) - veranlasst, sich Gedanken darüber zu machen, welche Kräfte hier überhaupt gemeint sein können. Der Umstand, dass diese Kräfte sowie die Verhinderung des Herauslösens der Füllkörper (32) aus der Kammer (14) durch eine eigene Abstützung über die Abdeckhauben (33) eigens angesprochen sind, deutet ebenso wie die Wahl des Materials für die balkenartigen Formteile (30), nämlich im wesentlichen zerkleinerten Altgummi mit Polyurethanbindung, darauf hin, dass hier von Kräften die Rede ist, die von Straßenfahrzeugbelastungen herrühren. Das Vorbringen des Vertreters der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung, dass in Figur 2 und insbesondere 3 der DE 94 20 123 U Füllkörper (32) dargestellt seien, die an ihrer Oberseite zu schmal ausgebildet seien für ein Befahren durch ein Straßenfahrzeug, konnten den Senat nicht zu einer anderen Auffassung führen, da eine zeichnerische Darstellung in einer Patentanmeldung keine maßstäbliche Bauzeichnung darstellt, auch wenn in ihr einige Maße eingetragen sind. Über die Breite der Oberseite (39) der Füllkörper (32) ist vielmehr in der DE 94 20 123 U nichts gesagt.

Merkmale f1 und f2:

Die Merkmalsgruppe f betrifft lediglich Anwendungsvarianten, die das in den Merkmalsgruppen a bis e des Patentanspruchs 1 beschriebene Schienengleis nicht verändern oder weiterbilden. Aufgrund der Ausbildung des Schienengleises nach den Merkmalsgruppen a bis e sind die Anwendungen f1, f2 und f3 möglich. Abgesehen davon ist es offensichtlich, dass diese Anwendungen auch bei dem Schienengleis nach der DE 94 20 123 U möglich sind.

1.2 DE 94 20 124 U Der Vertreter der Klägerinnen hat in Zweifel gezogen, dass die Merkmale c2, d2, d4, d6, d6.1, f1 und f2 der vorstehenden Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1 der Streitpatentschrift der DE 94 20 124 U zu entnehmen seien.

Merkmal c2 lautet wie folgt:

"... und eine Verankerung (25) aufweisen, ..."

Die Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (vgl in Fig 2 der DE 94 20 124 U die Bezugszeichen 21, 27 und 28 sowie 25) weisen eine Verankerung auf (vgl auch S 6, Abs 1).

Merkmal d2 lautet wie folgt:

Nach diesem Merkmal sollen die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen eine Breite aufweisen, mit der sie bis zu den Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen (20) reichen. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass es sich bei der Erstreckungsangabe "bis zu" um eine offensichtlich unpräzise oder fehlerhafte Formulierung handelt. Weder die Ausführungsbeispiele nach den Figuren 2 oder 3 wie auch das Ausführungsbeispiel nach Figur 6 des Streitpatents zeigen eine derartige Ausbildung. In jedem Fall geht der Füllkörper (32) über die Schienenfuß-Befestigungseinrichtungen entweder teilweise (Figuren 2 und 3) oder vollständig (Figur 6) hinweg. Insbesondere in Verbindung mit der Abdeckhauben- und Stützfußausbildung (vgl Merkmale d6, d6.1, d6.2) ergibt sich für den Fachmann, dass die Lehre nach Anspruch 1 des Streitpatents auch die über die Schienenfuß-Befestigungseinrichtung hinwegreichende Ausbildung des Füllkörpers, wie sie die Figur 6 des Streitpatents zeigt, umfasst und sich insoweit auf das Prioritätsdokument DE 94 20 124 U mit der dortigen Figur 2 stützt, die der Figur 6 des Streitpatents entspricht.

Merkmal d4 lautet wie folgt:

"... wobei die Füllkörper (32) an ihrer der Kammer (14) abgewandten Seite jeweils eine oder mehrere unten offene Aussparungen (31, 31a) besitzen, ....".

Dieses Merkmal entspricht dem letzten Merkmal im Schutzanspruch 1 der DE 94 20 124 U, wonach "an der Unterseite der balkenartigen Formteile (30) im Bereich der Schienenklemmeinrichtungen (20) je ein Hohlraum (31) zur Aufnahme der jeweiligen Köpfe (21) der betreffenden Klemmeinrichtung (20) vorgesehen ist" - vgl auch Figur 2.

Merkmale d6, d6.1 und d6.2 lauten wie folgt:

"... und die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen mit Abdeckhauben (33) ausgebildet sind, die mit jeweils einem zugehörigen Füllkörper (32) verbunden sind und jeweils einen Stützfuß (37) zur Abstützung an der Gleisunterkonstruktion (2) aufweisen, ...".

Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass mit dieser Formulierung auch eine einstückige Ausbildung, wie sie in Figur 6 des Streitpatents dargestellt ist, also bei der die Füllkörper 32 und die Abdeckhauben samt Stützfuß zu einem einzigen Formteil 30 zusammengefasst sind, unter Schutz gestellt werden soll. Das Prioritätsdokument DE 94 20 124 U zeigt diese einteilige Ausführungsform in identischer Weise.

Merkmale f1 und f2 lauten wie folgt:

Hierzu gilt das vorstehend im Zusammenhang mit der DE 92 20 123 U gesagte in entsprechender Weise.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt zB Schienen-Ausfülleinrichtungen, die von den in Schienenlängsrichtung ausgerichteten balkenartigen Formteilen gebildet werden, die entsprechend dem Merkmal e3 von sich aus neben den Schienen eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden.

3. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung konnte der Senat nicht feststellen, dass die Lehre des Patentanspruchs 1 sich für den Fachmann, einen Bauingenieur (FH), der mit den im Zusammenhang mit Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen auftretenden Fragen vertraut ist, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Der Vertreter der Klägerinnen hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen auf die EP 0 590 342 A1 gestützt. Diese Entgegenhaltung betrifft schon gattungsmäßig kein Schienengleis, wie es im Patentanspruch 1 beansprucht wird, sondern eine Gleisübergangseinrichtung. Die dort dargestellten Gleise weisen im Bereich des Gleisübergangs Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen auf. Diese umfassen zwar Schienenformstücke (18), jedoch reicht deren Höhe nicht wenigstens bis unterhalb der Schienenköpfe, wie dies gemäß Merkmal d3 des Patentanspruchs 1 der Fall ist. Die Außenplatten (28) bilden zusammen mit den Schienenformstücken (18) zwar Abdeckhauben, jedoch sind diese nicht entsprechend dem Merkmal d6.1 miteinander verbunden. Vielmehr werden sie zur Erleichterung des Zusammenbaus mit Schmierseife gleitfreudig gemacht, und, wie aus Figur 4 ersichtlich, durch anschließende Fahrbahnkörper (30) in ihrer Lage gehalten - vgl auch Spalte 8, Zeilen 39 bis 45. Die Außenplatten (28) und die Schienenformstücke (18) bilden zusammen auch keine Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen, die an jeweils einer Seite gemäß der Kontur der Schiene angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer auszufüllen, wie sich insbesondere der Figur 5 der Entgegenhaltungen entnehmen lässt. Für eine derartige Anpassung der Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen gäbe es in der Entgegenhaltung auch keinen Grund, da hier die Erzielung einer ausreichenden Traktionsfähigkeit und gute Rutschsicherungseigenschaften angestrebt werden - vgl Spalte 1, Zeilen 9 bis 15, Zeilen 19 bis 25 oder Zeilen 37 bis 44. Das Problem von Streuströmen, der Schutz gegen Feuchtigkeit und Korrosion - vgl Spalte 1, Zeilen 35 bis 45 oder Spalte 2, Zeilen 21 bis 32 der Streitpatentschrift - ist in der EP 0 590 342 A1 nicht angesprochen. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit das bei der Entgegenhaltung verwendete Material für die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen - vgl Spalte 4, Zeilen 4 bis 9 - dem Material gemäß dem Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 vergleichbar ist, denn in jedem Fall entnimmt der Fachmann der EP 0 590 342 A1 nicht das Merkmal e3 des Patentanspruchs 1, wonach die Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen von sich aus neben den Schienen eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragkraft bilden.

Da die EP 0 590 342 A1 sich von ihrer Problemstellung her mit einer Gleisübergangseinrichtung befasst, bei der es auf die Erzielung einer ausreichenden Traktionshaftung und auf gute Rutschsicherungseigenschaften ankommt, enthält diese Druckschrift auch keinen Anknüpfungspunkt, der dem Fachmann aufgrund seines ihm zu unterstellenden Fachwissens die Schaffung eines Schienengleises entsprechend dem Patentanspruch 1 nahelegen könnte.

Eine derartige Anregung erhält der Fachmann auch nicht bei zusätzlicher Kenntnis der DE 85 20 560 U1. Diese Entgegenhaltung befasst sich mit einem Spurrillen-Dichtprofil, das in die Fuge zwischen Schiene und Straßenbelag unter Vorspannung eingeklemmt wird (vgl S 3, Abs 2 der Entgegenhaltung). Soweit ersichtlich, soll bei Industriegleisen, die Verkehrsstraßen kreuzen, die Sturzgefahr für Zweiradfahrer dadurch vermieden werden (S 2 Abs 2 der Entgegenhaltung). Abgesehen davon, dass hier keine Schienenkammer-Ausfülleinrichtungen offenbart sind, die an die Kontur der Schiene angepasst sind, um die jeweilige Schienenkammer auszufüllen, wird in notwendiger Weise auch ein weiches Material für die Gummiprofile (29) verwendet, damit diese eingeklemmt werden können, so dass diese Gummiprofile für ein Befahren durch Straßenfahrzeuge nicht geeignet wären. Folgerichtig ist der DE 85 20 560 U1 auch nichts dahingehend zu entnehmen, dass die Gummiprofile (29) von sich aus neben den Schienen eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug mit genügender Tragfähigkeit bilden.

Somit wird dem Fachmann auch bei gemeinsamer Betrachtung der EP 0 590 342 A1 und der DE 85 20 560 U1 mangels jeglichen diesbezüglichen Anknüpfungspunkts die Schaffung eines Schienengleises entsprechend dem Patentanspruch 1 nicht nahegelegt.

Die DE 40 04 208 A1 betrifft eine Schalldämmvorrichtung an Straßenbahnschienen, bei der stangenartige Formteile mit dem Straßenbahnschienenprofil angepasster Form in die Kammern der Straßenbahnschiene eingebracht werden. Diese Formteile weisen zwar ein dem Merkmal d2 des Patenanspruchs 1 entsprechendes Material auf (vgl Sp 5, Zeile 29 und 30), jedoch werden diese Formteile mit einer Deckschicht aus Asphaltvergussmasse überdeckt. Eine Anregung, ein Schienengleis entsprechend dem Patentanspruch 1 zu schaffen, bei dem die Schienenkammer-Ausfülleinrichtung einerseits die Aufgabe des Korrosionsschutzes übernimmt, andererseits aber von sich aus neben den Schienen eine fortlaufende Bahn zum Befahren durch ein bereiftes Straßenfahrzeug bilden, ist aus diesem Grund der DE 40 04 208 A1 ebenfalls nicht zu entnehmen.

Gleiches gilt auch für die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen oder behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen, die der Vertreter der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung zu Recht nicht mehr eigens aufgegriffen hat, da sie dem Gegenstand des Streitpatents nicht näher kommen, wie auch die Überprüfung durch den Senat ergeben hat.

Der Patentanspruch 1 ist mithin rechtsbeständig. Die weiter angegriffenen Patentansprüche 2, 4, 5, 8 und 12 bis 14 haben in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 ebenfalls Bestand.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 und § 100 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Hellebrand Riegler Schmidt-Kolb Sperling Brandt Cl/Be






BPatG:
Urteil v. 08.07.2003
Az: 3 Ni 5/02


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