Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Juli 2009
Aktenzeichen: I-16 U 123/08
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 17.07.2009, Az.: I-16 U 123/08)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Juli 2008 verkündete Schlussurteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten zu 2. wird das am 25. Juli 2008 verkündete Schlussurteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten haben der Beklagte zu 1. und der Kläger je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. werden dem Kläger auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Erstbeklagte zu ¼ zu tragen. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus Prospekthaftung, § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 264a StGB geltend.
Der Kläger erwarb am 1.3.2004, 2.3.2004 und 5.7.2005 für jeweils 2.000 € von der …(im Folgenden: … AG) in … Inhaberschuldverschreibungen. Diese befasste sich u. a. mit dem An- und Verkauf und der Verwaltung von Immobilien und Erwerb von Beteiligungen, um das durch Inhaber-Teilschuldverschreibungen eingeworbene Kapital zinsbringend anzulegen und zu vermehren. Zur Finanzierung ihres Beteiligungs- und Immobilienerwerbs gab sie Inhaberschuldverschreibungen in 17 Tranchen mit einem Volumen von ca. 145 Millionen € aus. Es handelte sich, wie zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig ist, um ein Schneeballsystem …, des Hintermannes der … AG.
Der Erstbeklagte war seit dem 21.9.2001 alleiniger Vorstand der ... AG, die Zweitbeklagte - unstreitig jedenfalls bis 2002 - Alleinaktionärin. Über die ... AG wurde am 1.9.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Durch Teilversäumnisurteil vom 24.4.2007 wurde der Erstbeklagte verurteilt, an den Kläger 6.928,11 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaberschuldverschreibungen zu zahlen.
Mit Schlussurteil hat das Landgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Zweitbeklagte als Gesamtschuldnerin neben dem Erstbeklagten verurteilt, an den Kläger 2.000 € nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaberschuldverschreibungen Nr. … zu je 500 € der … AG. Die Zweitbeklagte sei nicht prospektverantwortlich, da sie nicht Hintermann der ... AG gewesen sei. Die alleine formale gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Anlagegesellschaft ohne tatsächliche Einflussnahme genüge nicht. Eine tatsächliche Einflussnahme der Zweitbeklagten auf die Geschicke der Gesellschaft oder aber die Gestaltung des Prospektes habe der Kläger nicht dargelegt. Ob der Ehemann der Zweitbeklagten als sog. Hintermann anzusehen sei, könne unentschieden bleiben, denn die Beklagte müsse sich das tatsächliche Verhalten ihres Ehemannes nicht zurechnen lassen, auch nicht über § 166 Abs. 1 BGB. Die Zweitbeklagte sei schadensersatzpflichtig aber für die von dem Kläger am 5.7.2005 für insgesamt 2.000 € von der ... AG erworbenen Inhaberschuldverschreibungen. Obwohl sich die ... AG seit spätestens Mitte 2004 in einer kritischen Situation befunden habe, seien auch danach noch neue Inhaberschuldverschreibungen ausgegeben worden. Für den hierdurch entstandenen Schaden habe die Beklagte nach § 826 BGB einzustehen. Denn diese habe die kritische Situation gekannt bzw. sich einer solchen Kenntnis bewusst verschlossen und die Dinge "laufen lassen".
Hiergegen richtet sich zum einen die Berufung der Zweitbeklagten, die vollständige Klageabweisung beantragt.
Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Zahlung weiterer 4.746,99 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaberschuldverschreibungen Nr. … zu je 500 € und 04882 - 04885 zu je 500 € der … AG.
II.
A.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet; die Berufung der Beklagten hat hingegen Erfolg und führt zur vollständigen Klageabweisung.
I.
Prospekthaftungsansprüche bestehen nicht.
1.
Eine Prospekthaftung im weiteren Sinne scheidet aus. Diese setzt voraus an, dass nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo persönliches Vertrauen in Anspruch genommen worden ist (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZR 100/08). Die Beklagte hatte mit dem Kläger keinen persönlichen Kontakt und auch keine Stellung, nach der sie in eine Vertragsbeziehung zum Anleger trat oder dessen Beitritt sie im Namen der ... AG zu bewirken hatte.
2.
Die eigentliche Prospekthaftung (im engeren Sinne) knüpft hingegen an typisiertes Vertrauen an. Sie setzt u.a. voraus, dass die Beklagte verantwortlich ist für etwaige Prospektmängel.
Nach S. 23 des Prospekts ist die Beklagte nicht dessen Herausgeber.
Die Beklagte ist auch weder Gründerin, Initiatorin oder Gestalterin der …, die das Management bildet oder beherrscht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften daneben als so genannte Hintermänner ebenso alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (vgl. BGH, Urt. vom 06.03.2008 - III ZR 256/06, juris Rz.13 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie in dieser Einflussnahme nach außen in Erscheinung getreten sind oder nicht. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, da vertragliche oder persönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und diesem Personenkreis nicht zustande kommen, dessen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts. Als in diesem Sinn Verantwortliche kommen in erster Linie Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter in Betracht, weil diese die Geschicke der Initiatorengesellschaft bestimmen. In der Rechtsprechung sind auch schon mit ähnlichem Einfluss versehene Personen, etwa ein Generalbevollmächtigter und der Leiter einer für die Baubetreuung zuständigen "Planungsgemeinschaft" der Prospekthaftung unterworfen worden. Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der wahrgenommenen Funktion ist nicht ausschlaggebend, sondern der "Leitungsgruppe" können alle Personen zugerechnet werden, denen ähnliche Schlüsselfunktionen zukommen (BGH aaO, mwN). Nicht ausreichend ist (BGH aaO, juris Rn. 15 sowie Urteil vom 14. 6. 2007 - III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479, Rn. 12) die bloße Mitwirkung an der Herausgabe des Prospekts (vgl. BGHZ 79, 337, 348 f) oder an dessen Gestaltung (Urteil vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 372/03 - NJW-RR 2006, 610 f Rn. 14) wie die nur in Teilbereichen ausgeübte Einflussnahme (Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879, 883 f).
Dies zugrunde gelegt, ist die Beklagte nicht Hintermann der ... AG gewesen.
a)
Zwar ist davon auszugehen, dass die Beklagte auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum weiterhin Alleinaktionärin der ... AG war. Ihr diesbezügliches Bestreiten ist unsubstanziiert, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Obgleich auch das von der Beklagten in Auftrag gegebene Rechtsgutachten auf Seite 20 zu diesem Schluss gekommen ist, hat die Beklagte auch in zweiter Instanz ihr Vorbringen insoweit nicht weiter ergänzt. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte sogar noch in der Sitzung des Aufsichtsrats vom 20. Dezember 2005 als (Allein-)Aktionärin bezeichnet und in dieser Funktion von ihrem Ehemann vertreten wurde.
b)
Die Stellung der Beklagten als Allleinaktionärin genügt indes nicht für die Annahme, sie habe auf das Geschäftsgebaren der ... AG oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausgeübt und deshalb Mitverantwortung getragen (vgl. Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 6 Rn. 154; Melber, WuB I G 8 Prospekthaftung 6.06, Anmerkung zum Urteil BGH vom 8.12.2005, VII ZR 372/03, WM 2006, 427). Am Erfordernis einer tatsächlichen Einflussnahme auf die konkret angebotene Anlage ist ebenso festzuhalten wie daran, dass der Gesellschafter Kenntnis vom Vertrieb des Prospekts hatte.
Ein Aktionär übt, auch wenn er sämtliche Aktien hält, nicht per se neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss in der Gesellschaft aus. Er kann zwar über Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats (§§ 101, 103 AktG) indirekten Einfluss auf die Bestellung des Vorstands (§ 84 AktG) nehmen. Darin liegt aber für sich gesehen weder eine Bestimmung der Geschicke der AG noch ein Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts.
c)
Der Kläger hat nicht dargetan, dass die Beklagte tatsächlich selbst die Geschicke der AG bestimmt und besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausgeübt hat.
Vorgetragen hat der Kläger eine Anwesenheit der Beklagten in einer Hauptversammlung allein bezüglich derjenigen am 21. Mai 2004 in Wien. Der Kläger behauptet nicht, dass in dieser Hauptversammlung die Beklagte über Fragen der Geschäftsführung entschieden hat (§ 119 Abs. 2 AktG).
Soweit der Kläger auf S. 5 seines Schriftsatzes vom 24. Juli 2007 (Blatt 70 GA) direkten Einfluss der Beklagten auf die Geschicke der Gesellschaft behauptet hat, ist bereits nicht ersichtlich, dass es die Beklagte war, die die dortigen, ihr zugeschriebenen Maßnahmen vorgenommen hat. Der Kläger hat sein dortiges Vorbringen ersichtlich dem Schreiben … vom 5. Juli 2004 (Anlage K 12) entnommen. In diesem Schreiben erwähnt … zwar mehrfach die "Hauptaktionärin". Gegen die Annahme, dass … hiermit die Beklagte selbst meinte, spricht aber deutlich S. 8 seiner am 26. September 2006 getätigten Aussage im Ermittlungsverfahren (Blatt 551 der Ermittlungsakten), wonach die Beklagte in das operative Geschäft nicht eingebunden gewesen sei und er mit ihr wegen geschäftlicher Dinge direkt nicht korrespondiert habe.
Letztlich kann dies aber dahin stehen, da die von dem Kläger behaupteten Maßnahmen der Beklagten diese nicht zum Hintermann machen.
Dies gilt zum einen für die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe unter Umgehung des Aufsichtsrats und ohne dessen Wissen den Erwerb von Anteilen an der … GmbH beschlossen und den Vorstand entsprechend beauftragt. Aus dem von dem Kläger in Bezug genommenen Schreiben … an den Aufsichtsrat vom 15. Juli 2004 (Anl. K 12, dort S. 5) ergibt sich dieser Vortrag nicht. Dort heißt es lediglich, dass dieser Sachverhalt aufgrund zeitlicher Engpässe direkt mit der Hauptaktionärin abgestimmt wurde. Hierin ist keine eine Hintermann begründende Handlung zu sehen. Da der Kläger sich zum Beweis seines Vortrages auf das vorgenannte Schreiben bezieht, sich hieraus der Klägervortrag aber nicht ergibt, ist das Klägervorbringen insoweit unsubstanziiert und bietet keine Veranlassung, hierüber Beweis zu erheben. Auf S. 12 seiner Berufungserwiderung (Blatt 352 GA) geht der Kläger zudem selbst lediglich davon aus, dass der Erwerb von Anteilen der … GmbH ohne Kenntnis des Aufsichtsrats "in direkter Abstimmung" mit der Hauptaktionärin erfolgte. Zudem wäre der Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen auch nicht gleichzusetzen mit einem für die Hintermanneigenschaft maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts.
Soweit der Kläger weiter behauptet, sämtliche wichtigen Angelegenheiten wurden von Vorstand und Aufsichtsrat "direkt mit der Beklagten bzw. ihrem Vertreter abgestimmt und erörtert", kann dem - auch unter Berücksichtigung der Aussage … im Ermittlungsverfahren - nicht entnommen werden, dass es die Beklagte und nicht ihr Ehemann war, mit welcher Angelegenheiten abgestimmt und erörtert wurden.
Der Kläger behauptet weiterhin zwar, die Beklagte habe die "strategische Ausrichtung der Gesellschaft insgesamt" beschlossen. Er teilt indessen nicht mit, was konkret die Beklagte wann in welcher Art und Weise wem gegenüber bestimmt haben soll. Maßgeblich für die Hintermanneigenschaft ist zudem der Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts, nicht eine etwaige "strategische Ausrichtung der Gesellschaft insgesamt".
Aus dem von dem Kläger wiederum in Bezug genommenen Schreiben … vom 5. Juli 2004 (Anlage K 12) ergibt sich nicht der Klägervortrag, die Beklagte habe "den jeweiligen Abschlussprüfer bestimmt". … erwähnt an der von dem Kläger angegebenen Stelle lediglich, dass die … GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "in Abstimmung mit der Hauptaktionärin vom Vorstand mit der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2003 beauftragt" worden ist. Zudem würde eine Bestimmung des Wirtschaftsprüfers mit der Prüfung eines bestimmten Jahresabschlusses den Bestimmenden nicht zum Hintermann machen.
d)
Auch das Handeln ihres Ehemannes vermag eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht zu begründen.
Zum einen ist bereits nicht schlüssig vorgetragen, dass der Ehemann der Beklagten Hintermann der ... AG war.
Zum anderen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Ehemann der Beklagten seine Berater- oder sonstige Tätigkeit bei der ... AG von der Beklagten abgeleitet und insoweit für diese aufgetreten ist.
Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte ihren Ehemann beauftragt hat, Einfluss auf die Konzeption des konkreten Modells zu nehmen. Die Beklagte hat eine derartige Vollmacht ausdrücklich bestritten (Bl. 273 f. und 372 GA) und ausgeführt, sie habe ihren Ehemann bevollmächtigt, sie in Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen zu vertreten und dort ihre Rechte wahrzunehmen. Hiermit ist aber gerade nicht die Vollmacht verbunden, für sie Einfluss auf die Konzeption des konkreten Modells zu nehmen, Prospekte mitverantwortlich herauszugeben oder ähnliches. Weitergehende Vollmachten als die von der Beklagten eingeräumte behauptet auch der Kläger nicht. Er befürwortet eine Zurechnung der Handlungen des Ehemannes der Beklagten zudem selbst nur, "soweit dieser in Vollmacht an Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen teilgenommen hat" (Blatt 317 GA).
Auch aus §§ 164, 166 BGB ergibt sich hier nichts anderes. Es mag sein, dass sich die Beklagte grundsätzlich die Kenntnisse und Erklärungen ihres sie vertretenden Ehemannes gem. §§ 164, 166 BGB zurechnen lassen muss. Hier geht es aber nicht um die Frage einer Zurechnung von Kenntnissen, sondern um die Zurechnung tatsächlichen, eine Hintermanneigenschaft begründenden Handelns.
Die Anwendung von § 278 BGB erfordert die Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Ehemannes der Beklagten. Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Die Beklagte war als Alleinaktionärin weder zuständig noch dazu verpflichtet noch hat sie die Verpflichtung übernommen, hinter der ... AG zu stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss auszuüben und deshalb Mitverantwortung zu tragen.
§ 831 BGB setzt - ungeachtet der Frage, ob es denkbar ist, dass sich die Beklagte aufgrund dieser Norm das Verhalten ihres Ehemannes zurechnen lassen müsste - voraus, dass der Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung rechtswidrig erfüllt hat. Insoweit fehlt es an jedem Vorbringen des insoweit darlegungspflichtigen Klägers. Dieses schriftsätzliche Vorbringen ersetzt nicht der mit Schriftsatz des Klägers vom 8. Juni 2009 überreichte 63-seitige Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und eine fünfseitige, auszugsweise wörtliche Wiedergabe dieses Berichtes ohne jede erläuternde Anmerkung und ohne jeden, über den Abschlussbericht hinausgehenden Beweisantritt.
Schließlich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte Kenntnis von der - unterstellten - Einflussnahme ihres Ehemannes auf die Konzeption des konkreten Modells hatte.
II.
Auch eine Haftung der Beklagten nach §§ 826, 830 BGB wegen vorsätzlicher Beteiligung an einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch seitens des Vorstandes initiierte sittenwidrige und betrügerische Verkäufe von Inhaber-Teilschuldverschreibungen ist nicht gegeben.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte das schädigende Verhalten objektiv gefördert hat und sie zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat, weil sie zumindest die Augen vor einer sich ihr aufdrängenden Tatbeteiligung verschlossen hat.
1.
Jedenfalls für Letzteres fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
Die Erwägung des Landgerichts, die Beklagte habe sich einer Kenntnis über die bestehenden Schwierigkeiten der Gesellschaft bewusst verschlossen, weil ihr aufgrund ihrer Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung in .. bekannt gewesen sei, dass erhebliche Differenzen zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand bestanden und dass der vorgelegte Jahresabschluss vom bestehenden Aufsichtsrat nicht genehmigt wurde, ist zwar in der Sache zutreffend, vermag aber für eine Haftung aus § 826 BGB nichts beizutragen. Der Aufsichtsrat bemängelte ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung, dass die … GmbH nicht der gewählte Abschlussprüfer ist und vom Aufsichtsrat auch nicht mit der Prüfung beauftragt worden war, und dass der vorgelegte Jahresabschluss 2003 inhaltliche Mängel aufweist, so einen Rechenfehler im Anhang. Es ist hingegen nichts dafür ersichtlich, dass der Aufsichtsrat dort für Anleger wesentliche inhaltliche Mängel von Prospekten beanstandet oder aber Kritik zu der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft oder zu deren Geschäftsmodell geäußert hat. Derartige Meinungsäußerungen der Mitglieder des Aufsichtsrats hat der Kläger nicht behauptet; im Gegenteil ist er dem Vorbringen der Beklagten, die Kritik habe sich nur auf die soeben ausgeführten Punkte bezogen, nicht entgegen getreten. Diese Kritikpunkte mussten der Beklagten aber keine Veranlassung zu der Annahme geben, dass es sich bei der Gesellschaft um ein Schneeballsystem handelt, welches ohne weitere Mittelzuflüsse nicht überlebensfähig ist, oder dass die Gesellschaft insolvenzreif ist. Der Vortrag des Klägers auf S. 17 der Klageschrift, die Beklagte habe das Schneeballsystem gekannt, ist nicht mit Tatsachenvortrag unterlegt und ohne Substanz. Ebenso wenig substanziiert hat der Kläger vorgetragen, welcher Jahresabschluss, welcher Lagebericht und welcher Bericht des Aufsichtsrats mit welchem Inhalt wann der Beklagten vorgelegt wurde und welche Schlüsse sie hieraus gezogen hat beziehungsweise welche Umstände sie bewusst nicht wahrgenommen hat.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Aktenvermerke vom 8., 10. und 13. Juli 2004, die ihr mit dem Schreiben vom 15. Juli 2004 übersandt worden sind, zur Kenntnis genommen hat. Die Beklagte hat in ihrer Anhörung vor dem Landgericht eine Kenntnisnahme abgestritten. Der Kläger hat keinen Beweis für das Gegenteil angetreten; das Landgericht hat eine Kenntnisnahme auch nicht festgestellt.
Eine unterlassene Kenntnisnahme der Aktenvermerke ist auch nicht fernliegend; nicht gerechtfertigt ist insbesondere der Vorwurf, die Beklagte habe sich der Kenntnis, die sie bei Lektüre der Aktenvermerke erlangt hätte, bewusst verschlossen. Wie gerade ausgeführt, steht nicht fest, dass sich für die Beklagte aus ihrer Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung in … Anhaltspunkte dafür ergaben, dass es sich bei der ... AG um ein Schneeballsystem handelte, sie nicht überlebensfähig ist oder die ... AG Prospekte herausgab, die in für die Anleger wesentlichen Bereichen unzutreffende Angaben enthielten. Insofern hatte die Beklagte auch keine Veranlassung anzunehmen, dass in den ihr übersandten Vermerken und Anschreiben Umstände von erheblicherem Gewicht thematisiert werden als in der Wiener Aufsichtsratssitzung erörtert; unter diesen Umständen hatte die Beklagte nicht zwingend Veranlassung, die ihr insgesamt etwa 20 mit kleinen Schrifttypen eng bedruckten Seiten im Detail zur Kenntnis zu nehmen.
Dies wäre aber notwendig gewesen, um die von dem Kläger nunmehr in den Vordergrund seiner Betrachtung gerückten, in den Aktenvermerken enthaltenen Schlagwörter wie "Sanierungsfall" zur Kenntnis zu nehmen. Sie erscheinen dort nicht an hervorgehobener, leicht erkennbarer Stelle. Vielmehr setzten sich die Aktenvermerke überwiegend mit einer Vielzahl von einem Laien nicht ohne Weiteres verständlichen Details auseinander wie z.B. der Angemessenheit des angesetzten Einbringungswertes von Sacheinlagen, des Bestehens von Wertberichtigungsbedarf, der Angemessenheit des Kaufpreises von erworbenen Beteiligungen an dritten Unternehmen, des Nachweises der Werthaltigkeit der Forderungen aus Anteilsverkäufen an dritten Unternehmen sowie der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Aktivierung von Ingangsetzungskosten als Bilanzierungshilfe zulässig ist usw.. Diese Überlegungen und Ausführungen erschließen sich ohne verständiges Hintergrundwissen ersichtlich nicht jedermann. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein solch verständiges Hintergrundwissen besaß. Dann aber stellt die unterbliebene Kenntnisnahme der Aktenvermerke durch die Beklagte auch kein bewusstes Sichverschließen dar.
Ebenso wenig ist erkennbar, weswegen die Beklagte den z.T. ausdrücklich als subjektive Einschätzungen vorgetragenen Ansichten der Aufsichtsratsmitglieder ("nach meiner Ansicht", "nach unserer Auffassung" etc.) mehr Glauben hätte schenken müssen als den entgegen gesetzten Ausführungen des Vorstands in dessen beiden Schreiben vom 15. Juli 2004.
Soweit das Landgericht weiterhin darauf abstellt, der Beklagten sei ausweislich ihres Schreibens vom 16. Juli 2004 (Blatt 79 GA) der anstehende Wechsel des gesamten Aufsichtsrates bekannt gewesen, so ist nicht ersichtlich, was sich daraus konkret für eine Haftung nach § 826 BGB ergeben soll. Gleiches gilt, soweit das Landgericht unter Bezugnahme auf das vorgenannte Schreiben ausführt, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Prospekte hinsichtlich ihrer Stellung als Alleinaktionärin/Hauptaktionären falsche Angaben enthalten. Aus einer derartigen Kenntnis ergibt sich nichts, was für eine Haftung nach § 826 BGB relevant sein könnte.
In dem mit Schriftsatz des Klägers vom 8. Juni 2009 überreichten Abschlussbericht in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf unterstellt der Berichtverfasser auf S. 18 zwar eine Kenntnis der Beklagten u.a. von der finanziellen Situation der ... AG, ohne dies aber mit Tatsachen und Indizien zu unterlegen, die es dem Senat ermöglichen, einen derartigen Schluss zu ziehen.
Weder ersichtlich noch dargetan ist, dass die Beklagte der ... AG Kapital zugeführt hat in Kenntnis dessen, dass die ... AG sich in ernsthaften wirtschaftlichen Problemen befindet.
2.
Dahinstehen kann hiernach, ob eine objektive Beteiligung der Beklagten an einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch den Vorstand der … ist nicht dargetan.
Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier aus Sicht des Senats deutlich in einem Unterlassen; auf dieses hat auch das Landgericht abgestellt. Voraussetzung für eine Haftung wegen Unterlassung ist aber u. a. die Feststellung, durch welche konkrete Handlung die Tat hätte verhindert werden können (vgl. Schönke/Schröder/Cramer/Heine, StGB, 27. Aufl., § 27 Rdnr. 15). Trotz des dahingehenden Hinweises der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung (Seite 21, Bl. 289 GA) hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger hierzu keinerlei Sachvortrag gehalten.
Als aktives Tun der Beklagten kommt nur die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder am 12.8.2004 in Betracht. Nicht etwa hat sie die Aufsichtsratsmitglieder, die angekündigt hatten, den Beklagten zu 1) nicht entlasten zu wollen, "abberufen"; diese traten vielmehr zurück (S. 6 des Schriftsatzes vom 23.5.2008, Bl. 172 GA und Aussage … Bl. 570 Ermittlungsakte). Ob und inwieweit die für sich gesehen neutrale Handlung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern die sittenwidrige Schädigung des Klägers gefördert hat, ist nicht dargetan.
Es erscheint dem Senat fraglich, in der Zurverfügungstellung erheblicher eigener Vermögenswerte eine objektive Förderung einer sittenwidrigen Schädigung zu sehen. Dies kann aber letztlich ebenso dahin stehen wie die Frage, ob eine nicht näher dargetane Mitwirkung an dem Erwerb einer fremden Unternehmensbeteiligung eine solche objektive Beteiligung darstellt.
III.
Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB sind nach ansatzweise schlüssig dargetan, auch nicht im Schriftsatz des Klägers vom 8. Juni 2009.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Den Streitwert für die Berufung hat der Senat auf bis zu 7.000 € festgesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Dies gilt auch im Hinblick auf die mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 3. und 8. Juli 2009 überreichten Urteile des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2009. Gelangt ein Berufungsgericht im Einzelfall trotz gleichen oder identischen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht, so begründet dies für sich allein nicht die Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH, Beschluss vom 16.09.2003 - XI ZR 238/02, WM 2003, 2278). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Es handelt sich lediglich um die unterschiedliche Bewertung in einem Einzelfall, ob ein bestimmtes Verhalten die Annahme einer vorsätzlichen Beteiligung an einer sittenwidrigen Schädigung rechtfertigt.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 3. und 8. Juli 2009 geben zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung. Der Senat hat die Erwägungen in den überreichten Urteilen berücksichtigt; sie rechtfertigen aus Sicht des Senats indes keine andere Entscheidung als die vom hiesigen Senat hier getroffene.
… … …
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 17.07.2009
Az: I-16 U 123/08
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