Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 227/02

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2003, Az.: 24 W (pat) 227/02)

Tenor

Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortbildmarke Grafik der Marke 30016030.5 ist ua für die Waren

"Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarpflegemittel, insbesondere Haarfärbemittel, Dauerwellmittel, Shampoo, Conditioner, Reenforcer, Haarspray, Haarcreme; Bücher und Zeitschriften, Fotos"

unter der Nummer 300 16 030 in das Register eingetragen worden.

Dagegen hat der Inhaber der Wortbildmarke 396 48 551 Grafik der Marke 39648551.0 Widerspruch erhoben, der auf die oben genannten Waren der angegriffenen Marke beschränkt worden ist und sich auf die für die Widerspruchsmarke ua eingetragenen Waren

"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, Seifen, Haarwässer; Druckereierzeugnisse, Fotographien, Magazine"

stützt. Das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der widersprechenden Marke ist am 23. September 1999 abgeschlossen worden.

Mit Beschluß vom 28. August 2002 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, den Widerspruch aus der Marke 396 48 551 wegen fehlender Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Ausgehend von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie Warenidentität und dem hiernach angezeigten strengen Maßstab bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken sei der zum Ausschluß einer Verwechslungsgefahr erforderliche Markenabstand gewahrt. Insgesamt unterschieden sich die Marken durch die Zahl "2000" auf Seiten der angegriffenen Marke und die unterschiedliche grafische Gestaltung hinreichend voneinander. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde auch nicht durch die Buchstaben "MS" geprägt, da beide Bestandteile "MS" und "2000" von gleich starker Kennzeichnungskraft seien. Selbst wenn mit der Zahl "2000" eine Jahresangabe assoziiert werde, fehle es an einem sachlich beschreibenden Zusammenhang zu den angegriffenen Waren, so daß der Bestandteil nicht jegliche Unterscheidungskraft entbehre. Auch für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr bestünden keine Anhaltspunkte.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er hält die beiden Marken für verwechselbar. Die angegriffene Marke werde durch die Buchstaben "MS" geprägt, die den eigentlichen Herkunftshinweis bildeten, während die hiervon durch den Bindestrich als Sinneinheit abgetrennte Zahl "2000" lediglich einen beschreibenden Hinweis auf das Jahr 2000 vermittle, indem sie allgemein auf die Zukunftsorientiertheit der Produkte oder auf das Jahr ihrer Markteinführung hindeute. Da die Widerspruchsmarke ebenfalls aus der Buchstabenfolge "MS" bestehe, werde der Verkehr die beiden Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen. Auf dem Gebiet des Rennwagensports verbinde die überwiegende Zahl der Bürger die Buchstaben "MS" mit den Namen "Michael Schuhmacher". Der mithin notorisch bekannten Buchstabenfolge stehe deshalb ein erweiterter Schutz zu.

Der Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke in dem beantragten Umfang anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der widersprechenden Marke bestritten. Im übrigen verweist er auf sein bisheriges Vorbringen vor der Markenstelle. Dort hat er im wesentlichen vorgetragen, daß der Verkehr die ältere Marke wegen der eigenwilligen Schriftform überwiegend als reine Bildmarke auffassen werde, welche eher an eine abstrakte Rennwagendarstellung erinnere und von der Interpretation als Buchstabenmarke ablenke. Da zwischen den Gesamtdarstellungen keine Berührungspunkte bestünden, sei auch bei Warenidentität und dem erforderlichen erhöhten Abstand der Marken keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Widersprechenden ist in der Sache unbegründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Markenstelle hat daher den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren erhobene Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke ist unzulässig, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke, die mit dem Abschluß des Widerspruchsverfahrens am 23. September 1999 begonnen hat, noch nicht abgelaufen ist (§ 43 Abs 1 Satz 2 iVm § 26 Abs 5 MarkenG). Bei der Entscheidung über den Widerspruch ist daher von den im Register eingetragenen Waren der Widerspruchsmarke auszugehen..

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Insoweit kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (st Rspr; vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; GRUR 1998, 922, 923 "Canon"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2002, 542, 543 "BIG").

Nach der maßgeblichen Registerlage genießt die Widerspruchsmarke im Bereich der Klassen 3 und 16 Schutz für Waren, die mit den angegriffenen Waren der jüngeren Marke identisch bzw hochgradig ähnlich sind.

Entgegen dem Vorbringen des Widersprechenden kann der Widerspruchsmarke allerdings keine erhöhte, sondern lediglich eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und ein entsprechend durchschnittlicher Schutzumfang beigemessen werden. Von Haus aus kommt der - bei ihrer Anmeldung als Bildzeichen "Rennwagen" bezeichneten - grafisch gestalteten Marke, in der auch die Buchstabenfolge "MS" erkennbar ist, normale Kennzeichnungskraft zu. Die Bekanntheit des Markeninhabers Michael Schuhmacher als Formel-1-Rennfahrer hat dabei keine Auswirkungen auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die hier in Rede stehenden Waren der Klassen 3 und 16. So erscheint schon fraglich, ob sich die Bekanntheit des Namens Michael Schumacher gleichermaßen auch auf die Namensinitialen "MS", insbesondere in der hier relevanten grafischen Gestaltung, bezieht sowie außerdem, ob die Bekanntheit von Michael Schumacher als Person und Formel-1-Rennfahrer selbst in bezug auf einschlägige Produkte im Bereich des Automobilrennsports eine erhöhte Bekanntheit des Namens Michael Schuhmacher auch als Marke, dh als Unterscheidungsmerkmal von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer, indiziert. Doch selbst wenn man die Bekanntheit der Buchstaben "MS" als Marke für Waren und Dienstleistungen im Bereich des Automobilrennsports unterstellen würde, könnte eine solche nur auf damit eng verwandte Waren oder Dienstleistungen ausstrahlen (BGH BlPMZ 1978, 326, 327 "SPAR"; BPatG GRUR 2000, 807, 808 "LIOR/DIOR"; Bl 2001, 101, 103 "Ayk.../AOK"), nicht jedoch auf die hier in Rede stehenden Waren der Klassen 3 und 16, die keine näheren wirtschaftlichen Berührungspunkte zum Automobilrennsport aufweisen.

Im Hinblick auf die Wechselwirkung der einzelnen Faktoren sind mithin bei der gegebenen Warenidentität bzw -nähe zwar strenge, angesichts normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke jedoch keine außergewöhnlich großen Anforderungen an den zum Ausschluß einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand der Marken zu stellen. Einen solchen wahrt die jüngere Marke in jeder Hinsicht gegenüber der Widerspruchsmarke.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (st Rspr, vgl ua BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2002, 167, 169 "Bit/Bud"). Nachdem sich die jüngere Marke in ihrer Gesamtheit durch die mit Bindestrich an die Buchstabenfolge "MS" angefügte Zahl "2000" in weder zu überhörender noch zu übersehender Weise von der älteren, nur aus der, grafisch zudem stark verfremdeten Buchstabenkombination "MS" bestehenden Widerspruchsmarke abgegrenzt, käme eine unmittelbare Verwechslungsgefahr vorliegend nur dann in Betracht, wenn das Buchstabenelement "MS" in der jüngeren Marke eine derart prägende Bedeutung hätte, daß der weitere Bestandteil "-2000" dahinter so weit zurückträte, daß er vom Verkehr bei der Wahrnehmung der Marke vernachlässigt werden und demzufolge den Gesamteindruck der Marke nicht mehr mitbestimmen würde (vgl ua BGH aaO "Bit/Bud"; GRUR 2002, 542, 543 "BIG"; Urteil vom 23. August 2003, I ZR 257/00 "Kinder"). Dies hat die Markenstelle zu Recht verneint.

Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Widersprechenden anzuschließen, wonach der Verkehr die Buchstaben "MS" in der angegriffenen Marke als den eigentlichen betrieblichen Herkunftshinweis und die Zahl "2000" als lediglich beschreibenden bedeutungslosen Hinweis auffassen werde. Hierfür ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann (Einzel-) Buchstaben und Zahlen von Haus aus, ohne daß sie eine konkret beschreibende Bedeutung für die betreffenden Waren bzw Dienstleistungen besitzen oder sie vom Publikum aus einem sonstigen Grund nicht als betriebliches Unterscheidungsmerkmal angesehen werden, die Kennzeichnungskraft nicht ohne weiteres abgesprochen werden (vgl BGH GRUR 2001, 161, 162 "Buchstabe K"; BlPMZ 2002, 383, 384 "Zahl 1"). Daß die Zahl "2000" konkret die Art, Beschaffenheit, Menge oder ein sonstiges Merkmal der angegriffenen Waren der Klassen 3 und 16 bezeichnen würde, ist nicht ersichtlich und wird von dem Widersprechenden auch nicht dargetan. Nach Auffassung des Senats ist es ferner auch nicht zwingend, daß die Zahl "2000" in der angegriffenen Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Jahreszahl 2000 verstanden wird. Im Gegensatz etwa zu den vom Bundespatentgericht insoweit als nicht kennzeichnungskräftig beurteilten Marken "COUNTDOWN 2000" ua für "Feuerwerkskörper" (PAVIS PROMA, 28 W (pat) 245/00), "Passionsspielreisen Oberammergau 2000" für ua "Veranstaltung von Reisen" (PAVIS PROMA 32 W (pat) 457/99) oder "READY 2000" ua für "Datenverarbeitungsgeräte und Computer" (PAVIS PROMA 27 W (pat) 65/00), gibt hierfür die Marke "MS-2000" begrifflich sowie in bezug zu den in Rede stehenden Waren keinerlei Anhalt.

Doch selbst dann, wenn die Zahl "2000" vom Verkehr (noch) in beachtlichem Umfang als Jahreszahl aufgefaßt und darin ein beschreibender Hinweis, etwa allgemein auf die Zukunftsorientiertheit der Produkte oder auf das Jahr ihrer Markteinführung, gesehen werden sollte, führt dies nicht dazu, daß die Zahl im Gesamteindruck der jüngeren Marke zu vernachlässigen wäre. Denn abgesehen davon, daß insoweit eine beschreibende Bedeutung nur relativ vage und uneinheitlich anklingt, tragen auch beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile dann mit zum Gesamteindruck einer Marke bei, wenn sie sich mit weiteren Angaben zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbinden. (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 409; BGH GRUR 1995, 808, 809 "P3-plastoclin"; BGH GRUR 1999, 586, 587 "White Lion"). Dies trifft für die angegriffene Marke zu, in der die Verknüpfung der beiden Buchstaben "MS" und der Zahl "2000" mittels Bindestrich insgesamt - auch angesichts ihrer Kürze - den Eindruck einer aufeinander bezogenen, zusammengehörigen Einheit vermittelt (vgl hierzu BGH, PAVIS PROMA, I ZB 14/99 "HR-120"; MarkenR 2002, 285, 287 "B-2 alloy"). Bei der einheitlichen und kurzen Buchstaben-Zahlenkombination "MS-2000" besteht daher für den Verkehr in keiner Hinsicht Veranlassung, diese - sinnverändernd - um die (Jahres-) Zahl "2000" verkürzt wiederzugeben.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck der beiden Marken scheidet demnach aus.

Zutreffend hat die Markenstelle weiterhin die Gefahr verneint, daß die jüngere Marke gedanklich, unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung mit der älteren Marke in Verbindung gebracht werden könnte. Angesichts der starken grafischen Verfremdung der Buchstaben "MS" in der älteren Marke erscheint schon äußerst fraglich, ob die Druckbuchstabenfolge "MS" in der angegriffenen Marke als ein hiermit wesensgleicher Stammbestandteil zu beurteilen wäre. Jedenfalls aber kommt den Buchstaben "MS" nicht der für einen Serienstamm erforderliche besondere Hinweischarakter auf das Unternehmen des Widersprechenden zu (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdn 472). Dafür, daß im Verkehr bereits eine entsprechend gebildete Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "MS" benutzt würde (vgl BGH BlPMZ 2002, 542, 543 f "BIG"; GRUR 2002, 544, 547 "BANK 24"), hat der Widersprechende nichts vorgetragen. Der besondere Hinweischarakter als Serienstamm ergibt sich auch nicht aus der Bekanntheit des Widersprechenden Michael Schuhmacher als Formel-1-Rennfahrer, da sich diese, wie oben dargelegt, nicht auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als betrieblichen Herkunftshinweis auswirkt.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, gemäß § 71 Abs 1 MarkenG einer der Beteiligten aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 28.10.2003
Az: 24 W (pat) 227/02


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