Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 25. August 2010
Aktenzeichen: 34 Wx 40/10, 34 Wx 040/10

(OLG München: Beschluss v. 25.08.2010, Az.: 34 Wx 40/10, 34 Wx 040/10)

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Traunstein - Grundbuchamt - vom 26. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist Inhaberin eines Erbbaurechts. Grundstückseigentümerin ist eine in unvordenklicher Zeit entstandene oberbayerische Alpenweidegenossenschaft (im Folgenden: Genossenschaft), die im Grundbuch wie folgt eingetragen ist:

Die €-Alpe ist gemeinschaftliches, unausgeschiedenes Eigentum der Genossenschaft, die Anteile hieran sind nach Rinder- und Pferderechten verteilt; die Rinder- und Pferderechte sind veräußerlich und teilbar. Die auf der Alpe anfallenden Holznutzungen werden gemeinschaftlich veräußert und der Erlös zu Meliorationen auf der Alpe verwandt. Eine Vorstandschaft besitzt die Genossenschaft nicht. Es überwacht aber ein alle Jahre wechselnder Alpenherr und dessen Beistand, genannt der Alpenknecht, welche aus den Mitgliedern nach einer bestehenden Reihenfolge bestellt werden, die Ausübung der Nutzungsberechtigungen der Alpe.

Mit notarieller Urkunde vom 7.12.2009 bestellte die Beteiligte zu 1 für die Beteiligte zu 2 an dem Erbbaurecht eine Grundschuld ohne Brief über 365.000,-- €. Zur Belastung des Erbbaurechts ist die Zustimmung des Grundstückseigentümers nach § 5 Abs. 2 Satz 1 ErbbauRG erforderlich. Mit dem Eintragungsantrag vom 21.1.2010 hat der Notar die unterschriftsbeglaubigte Belastungszustimmung des Herrn Josef S., handelnd für die Genossenschaft, vom 7.12.2009 vorgelegt. Der Urkunde beigefügt ist ein privatschriftliches Protokoll der Generalversammlung vom 18.5.2005, wonach Herr S. zum 1. Vorstand gewählt wurde. Dieser sowie eine weitere Person als Schriftführer haben die Richtigkeit der Niederschrift am 11.12.2009 mit ihrer notariell beglaubigten Unterschrift bestätigt.

Nach der dem Grundbuchamt vorliegenden sogenannten Generalsatzung der Genossenschaft vom 12.5.2004 sind deren Organe (§ 4 Abs. 1) die Generalversammlung und der Vorstand. Die Generalversammlung ist bei Anwesenheit von 2/3 der Gräserrechte beschlussfähig (§ 5 Abs. 4), wobei die Beschlussfassung (§ 5 Abs. 5) im Wege der Akklamation durchgeführt werden kann. Die Generalsatzung tritt nach § 8 Abs. 2 am Tage nach der Beschlussfassung in Kraft. Die dem Satzungstext angefügten Unterschriften wurden teilweise erst im Jahr 2008 abgegeben und notariell beglaubigt.

Mit Zwischenverfügung vom 26.1.2010 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - Frist zum Nachweis der Vertretungsberechtigung des Vorstands in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO gesetzt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

Bei der Genossenschaft handele es sich um eine juristische Person nach deutschem Recht aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB. Es genüge die Zustimmung durch den vertretungsberechtigten Vorsitzenden in der Form des § 29 GBO.

Zum Nachweis der Vertretungsberechtigung sei in analoger Anwendung von Vereins- und WEG-Vorschriften eine Niederschrift über die Generalversammlung vom 18.5.2005 mit notarieller Beglaubigung der Unterschriften des Vorsitzenden und des Schriftführers vorgelegt worden. Selbst wenn man dies für zulässig erachte, fehle in dem Protokoll die zum Beispiel für Beschlussfassungen in WEG-Versammlungen zwingend nötige Feststellung der Beschlussfähigkeit. Ebenso wenig sei das Abstimmungsergebnis der Wahl in der Niederschrift aufgeführt. Allein aus den leserlichen Unterschriften der wohl bei der Generalversammlung anwesenden Mitglieder ergebe sich, dass Beschlussfähigkeit nicht vorgelegen haben dürfte.

Abgesehen davon scheide aber bereits eine analoge Anwendung von Vereins- und WEG-Vorschriften zum Nachweis der Vertretungsberechtigung aus. Die Genossenschaft nach altem Recht sei nicht mit einer Eigentümergemeinschaft und auch nicht mit einem Verein vergleichbar. Im Übrigen regele § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO eindeutig, dass sonstige zur Eintragung erforderliche Tatsachen, wozu die Vertretungsmacht gehöre, im Grundbuchverfahren durch öffentliche Urkunden nachzuweisen seien. Dem könne durch notarielle Beurkundung der Mitgliederversammlung, in welcher der vertretungsberechtigte Vorsitzende gewählt werde, genügt werden. Ein solches Verfahren sei nichts Ungewöhnliches und werde beispielsweise auch bei Beschlussfassungen durch die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft praktiziert. Eine Regelungslücke liege also nicht vor.

Selbst wenn man aber die Voraussetzungen einer Analogie als gegeben erachte, sei die der Satzung zugrunde liegende Versammlung nicht notariell beurkundet, lediglich die Unterschriften der Almweidegenossen seien notariell beglaubigt worden. Dies genüge nicht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Notar eingelegte Beschwerde. Diese wird unter anderem damit begründet, dass die Satzung in § 5 Abs. 10 eine Regelung über die Protokollierung der Mitgliederversammlung enthalte, wonach das Protokoll vom Schriftführer zu unterzeichnen sei. Besondere Anforderungen an den Inhalt würden nicht gestellt. Weitere Nachweise als das vorgelegte Versammlungsprotokoll mit beglaubigter Unterschrift des Schriftführers könnten nicht verlangt werden. Die notarielle Beurkundung der Wahl des Vorsitzenden bringe für das Grundbuch keine zusätzliche Rechtssicherheit, weil der Notar lediglich seine Wahrnehmungen bei der Versammlung in einer Tatsachenurkunde niederlege, also nur die vom Versammlungsleiter getroffenen Feststellungen über die ordnungsgemäße Ladung und die Beschlussfähigkeit sowie andere Ereignisse in der Versammlung wiedergebe, hierzu aber weder eigene Ermittlungen anstelle noch entsprechende Feststellungen aus eigener Zuständigkeit treffe. Es bestehe auch keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des Wahlprotokolls oder am ordnungsgemäßen Zustandekommen der Beschlussfassung zu zweifeln.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31.3.2010 nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das vom Grundbuchamt beanstandete Eintragungshindernis liegt vor, weil die Vertretungsberechtigung der für die Grundstückseigentümerin handelnden Person nicht in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen ist.

131. Bei der Genossenschaft handelt es sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts um eine juristische Person nach deutschem Recht aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB. Die Beurteilung obliegt dem Grundbuchrechtspfleger anhand der Eintragungsunterlagen. Gemäß Art. 164 EGBGB sind die landesgesetzlichen Vorschriften über die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehenden Realgemeinden und ähnlichen Verbände, deren Mitglieder als solche zu Nutzungen an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken berechtigt sind, in Kraft geblieben. In Bayern bestanden für derartige Realverbände keine besonderen Rechtsvorschriften. Sie konnten je nach ihren Aufgaben und ihrem Wesen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ganz verschieden ausgestaltet sein (vgl. z.B. BayObLG vom 31.5.1972, 2 Z 10/72, und vom 26.10.1972, 2 Z 57/72; zuletzt grundsätzlich Senat vom 30.10.2009, 34 Wx 056/09, bei juris). Die gegenständliche Genossenschaft bildet nach dem über viele Jahrzehnte wenn nicht gar Jahrhunderte hinweg geprägten und in der Rechtswirklichkeit gelebten Selbstverständnis ihrer Mitglieder einen körperschaftlich organisierten Verband (siehe dazu auch BayObLGZ 1991, 24: Alpgenossenschaften im Allgäu). Das Eigentum steht nicht Einzelpersonen, sondern der Gesamtheit der Teilhaber zu. Entsprechend ist die hier notwendige Zustimmungserklärung der Genossenschaft als Grundstückseigentümerin nicht von allen Mitgliedern zu erklären, sondern durch die für den Personenverband vertretungsberechtigte natürliche Person.

2. Die Vertretungsmacht des Vorsitzenden des Vorstands ist nicht in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO nachgewiesen.

a) § 29 Abs. 1 Satz 1GBO verlangt für die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen den Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden. Unter die sonstigen zur Eintragung erforderlichen Erklärungen fallen die rechtsgeschäftlichen Vollmachten, nicht aber der Nachweis der Stellung als gesetzlicher Vertreter (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 29 Rn. 15). Für die juristischen Personen des geltenden Rechts im Gegensatz zu alten, vor dem 01.01.1900 bestehenden, bieten zwar § 32 GBO sowie § 26 Abs. 2 GenG und § 69 BGB die Erleichterung, dass die Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter durch einen zeitnahen Auszug aus dem betreffenden Register nachgewiesen werden kann. Beide Möglichkeiten scheiden aber für altrechtliche juristische Personen aus, da sie in keinem Register eingetragen sind und besonderer staatlicher Aufsicht nicht unterliegen. Ebenfalls nicht möglich ist die Nachweisführung durch Eigenurkunde eines Notars, der nicht selbst an der maßgeblichen Wahlversammlung teilgenommen hat (vgl. BayObLGZ 1991, 24/33 f.). Zur Nachweisführung grundsätzlich notwendig und geeignet ist die öffentliche Beurkundung der Mitgliederversammlung, in der der satzungsmäßige Vorstand gewählt wird (BayObLGZ 1991, 24/34). Ein derartiges Verfahren ist dem geltenden Recht nicht unbekannt (vgl. § 130 AktG). Daran hat auch der Senat grundsätzlich festgehalten (Beschluss vom 30.10.2009, 34 Wx 056/09, unter II.2.c). Eine öffentliche Beurkundung der Versammlung vom 18.5.2005 liegt jedoch nicht vor.

16b) In seinem Beschluss vom 30.10.2009 hat Senat, dem die Schwierigkeiten in der Beweisführung durchaus bewusst sind, in einem vergleichbaren Fall es als ausreichend erachtet, wenn die satzungsgemäße Wahl des vertretungsberechtigten Vorstands in Anlehnung an § 26 Abs. 3 WEG durch die Vorlage der maßgeblichen Beschlussfassung nachgewiesen wird, bei der die Unterschriften der die Niederschrift beurkundenden Personen öffentlich beglaubigt sind (siehe Schöner/Stöber 14. Aufl. Rn. 2904b, 3650; siehe auch Staudinger/Mayer Bearb. 2005 Art. 164 Rn. 45). Erleichterungen in der Beweisführung, die im Anwendungsbereich des § 29 GBO durchaus in Betracht kommen (vgl. Demharter § 29 Rn. 63), stehen in einem Spannungsverhältnis zur Sicherungspflicht des Staates gegenüber unrichtigen Eintragungen, die am guten Glauben teilnehmen (Hügel/Otto GBO § 29 Rn. 1). Bei der hiernach vorzunehmenden Abwägung kann von dem in der Zwischenverfügung verlangten Nachweis nicht abgesehen werden. Denn die Satzung vom 12.5.2004 enthält keine dem § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG adäquate Bestimmung. Sie regelt in § 5 Abs. 10 lediglich, dass das Beschlussergebnis durch den Schriftführer zu protokollieren ist. Zwar wird in der Regel das Protokoll mit einer Unterschrift abgeschlossen werden. Zwingend ist dies indes nicht. Insbesondere ist nicht selbstverständlich, dass die Richtigkeit (nur) vom Schriftführer bestätigt wird. So setzt etwa § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG die Unterschrift des Vorsitzenden, eines Wohnungseigentümers und unter bestimmten Voraussetzungen noch von einer dritten Person voraus. Diese Personen übernehmen, weil auf die notarielle Beurkundung bzw. auf die Beglaubigung der Unterschriften aller Teilnehmer an der Versammlung verzichtet wird, gegenüber dem Grundbuchamt eine Garantenstellung (vgl. Röll Rpfleger 1986, 4), und zwar auch bezüglich der inhaltlichen Richtigkeit (Riecke in Riecke/Schmid WEG 3. Aufl. § 26 Rn. 77). Ein nicht unterschriebenes Protokoll, wie es die Satzung ermöglicht, wäre ersichtlich kein grundbuchtauglicher Nachweis. Nicht anders ist aber die Unterschrift von Personen zu beurteilen, deren satzungsmäßige Zuständigkeit zur Feststellung des Ergebnisses der maßgeblichen Wahl nicht feststeht oder die von der Satzung dazu nicht bestimmt sind. Hinzu kommt, dass die Richtigkeit des Protokolls erst 4 ½ Jahre nach der maßgeblichen Versammlung unterschriftlich bestätigt wird. Auch dies gibt dem Grundbuchamt berechtigten Anlass, einen weitergehenden Nachweis zu verlangen.

c) Das Grundbuchamt geht davon aus, dass die Identität der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin mit der Personenvereinigung gewahrt ist, die auf der Grundlage der Generalsatzung vom 12.5.2004 die Versammlung vom 18.5.2005 abgehalten hat. Dagegen ist im Hinblick auf das beim Grundbuchamt geführte Verzeichnis der Mitglieder (vgl. Senat vom 30.10.2009, 34 Wx 056/09, zu II.2.a, a.E.) nichts einzuwenden.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. In Ermangelung sonstiger Anhaltspunkte schätzt der Senat den Aufwand, das Eintragungshindernis zu beseitigen, mit dem festgesetzten Wert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.






OLG München:
Beschluss v. 25.08.2010
Az: 34 Wx 40/10, 34 Wx 040/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d148aa2c1a03/OLG-Muenchen_Beschluss_vom_25-August-2010_Az_34-Wx-40-10-34-Wx-040-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share