Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 63/01

(BPatG: Beschluss v. 14.08.2003, Az.: 10 W (pat) 63/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentinhaberin ist Inhaberin des mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 525 970, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 692 22 101 geführt wird und eine "Walzenpresse zum Herstellen von Verbundglas" betrifft. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents erfolgte am 10. September 1997.

Mit Bescheid vom 10. September 1997 informierte das Patentamt die Patentinhaberin formlos über das Erfordernis der Einreichung einer deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und der Zahlung der Gebühr in Höhe von 250,- DM. Mit weiterem Bescheid vom 14. Januar 1998 wies das Patentamt darauf hin, dass wegen der Nichterfüllung dieser Erfordernisse die Wirkungen des europäischen Patents als von Anfang an nicht eingetreten gelten.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 1998, eingegangen am selben Tag, reichte die Patentinhaberin eine Übersetzung ein, zahlte zugleich die Gebühr und stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift 0 525 970 sowie zur Zahlung der Gebühr in Höhe von 250,- DM. Zur Begründung trug sie vor, ihre englischen Vertreter hätten bei ihren japanischen Vertretern mit Scheiben vom 14. August 1997 angefragt, ob ua der deutsche Anteil des europäischen Patents aufrecht erhalten werden solle. Die japanischen Vertreter hätten ihr hierüber mit Schreiben vom 26. August 1997 berichtet und um entsprechende Instruktionen gebeten. Die Patentabteilung der Patentinhaberin habe daraufhin mit Schreiben vom 5. September 1997 die Marketing- und Verkaufsabteilung der Patentinhaberin um Mitteilung gebeten, in welchen Staaten das Patent aufrecht erhalten werden solle. Zugleich habe dieses letztgenannte Schreiben den Hinweis enthalten, dass die Lizenznehmerin des vorliegenden Patents, die Fa. P... plc., die belgischen, spanischen und lu- xemburgischen Anteile nicht aufrecht erhalten wolle. Aufgrund der Erwähnung dieser Länder sei der zuständige Sachbearbeiter in der Marketing- und Verkaufsabteilung zu der irrigen Ansicht gelangt, dass das vorliegende europäische Patent nur über einen belgischen, spanischen und luxemburgischen Anteil verfüge, den man hätte aufrecht erhalten können. Da man an diesen drei Ländern keinerlei geschäftliches Interesse gehabt habe, sei der Patentabteilung der Patentinhaberin keine Weisung zur Aufrechterhaltung in irgendeinem Land gegeben worden, auch keine Weisung zur Aufrechterhaltung des deutschen Anteils. Nach Erhalt des Schreibens vom 11. Dezember 1997, mit dem die englischen Vertreter die japanischen Vertreter darauf hinwiesen, dass es für eine Aufrechterhaltung ua in Deutschland zu spät sei, habe sich bei der Patentinhaberin herausgestellt, dass eine Aufrechterhaltung des deutschen Anteils gewollt gewesen, aber aufgrund des Irrtums des Sachbearbeiters nicht veranlasst worden sei. Die vorgenannten vier Schreiben wurden in Kopie miteingereicht, wobei die Schreiben der englischen Vertreter vom 14. August und 11. Dezember 1997 in englischer Sprache, die beiden weiteren Schreiben in japanisch abgefasst sind.

Mit Bescheid vom 11. September 1998 wies das Patentamt darauf hin, dass es der Glaubhaftmachung durch den Angestellten in der Marketing- und Verkaufsabteilung und dessen Vorgesetzten bedürfe, wobei auch Aussagen zur hierarchischen Einordnung dieser Personen im Unternehmen erforderlich seien. Diese Aussagen seien in deutscher, zumindest aber englischer Übersetzung vorzulegen. Die bisher zur Glaubhaftmachung vorgelegten Mittel stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Ursache des Fristversäumnisses.

In der Folgezeit erbat die Patentinhaberin zur Beantwortung dieses Bescheids mehrfach Fristverlängerungen. Die Fristverlängerungsgesuche enthielten seit dem dritten Gesuch mit Schriftsatz vom 28. Juni 1999 stets den Zusatz "Die verlängerte Frist vermerken wir als gewährt, solange kein gegenteiliger Bescheid ergeht." und wurden vom Patentamt stets kommentarlos zur Akte geheftet. Zuletzt gingen am 3. Juli 2000 ein Fristverlängerungsgesuch bis 3. September 2000 und am 4. September 2000 ein Fristverlängerungsgesuch bis 31. Oktober 2000 ein.

Durch Beschluss der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. August 2000 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und zur Zahlung der hierfür erforderlichen Gebühr mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die bisher zur Glaubhaftmachung vorgelegten Mittel nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Ursache des Fristversäumnisses stünden.

Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der am 10. November 2000 eingelegten Beschwerde. Eine Begründung der Beschwerde hat sie zwar angekündigt, aber nicht eingereicht. Einen förmlichen Antrag hat sie nicht gestellt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Patentamt hat der Patentinhaberin zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.

1. Das Verfahren vor dem Patentamt leidet zwar an einem wesentlichen Mangel, weil das Patentamt den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt hat. Das Patentamt hat nahezu zwei Jahre lang die Fristverlängerungsgesuche der Patentinhaberin ohne jede ablehnende Äußerung hingenommen, so dass die Patentinhaberin von einer gewährten Fristverlängerung ausgehen und hierauf vertrauen durfte, zumal die Verfahrensweise der "stillschweigenden" Fristverlängerung übliche Amtspraxis ist (vgl auch Senatsentscheidung 10 W (pat) 2/02 vom 10. Oktober 2002). Vor diesem Hintergrund hätte es vor einer Beschlussfassung während einer noch laufenden Äußerungsfrist wie hier eines ausdrücklichen Hinweises des Patentamts bedurft, dass eine weitere Fristverlängerung nicht mehr gewährt werde, was nicht der Fall gewesen ist. Insoweit war die Beschlussfassung für die Patentinhaberin überraschend und hat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Dieser Verfahrensmangel führt hier aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung gemäß § 79 Abs 3 Nr 2 PatG. Da der Sachverhalt geklärt und die Sache entscheidungsreif ist, hat der Senat das vom Gesetz in § 79 Abs 3 PatG eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über die Frage eigener Sachentscheidung oder Aufhebung und Zurückverweisung dahingehend ausgeübt, selbst in der Sache zu entscheiden, zumal das Wiedereinsetzungsverfahren schon seit der Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags im Februar 1998 anhängig ist und eine weitere Verfahrensverzögerung auch unter Berücksichtigung des eintretenden Instanzverlusts unangemessen erscheint.

2. Die Patentinhaberin hat die Frist gemäß Art II § 3 Abs 1 Satz 1 IntPatÜG versäumt. Danach hat ein Patentinhaber, wenn ein mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent nicht in deutscher Fassung vorliegt, innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt beim Patentamt eine deutsche Übersetzung der Patentschrift einzureichen und eine Gebühr zu entrichten. Gemäß Gebührenverzeichnis Nummer 113 820 zu dem bis 31. Dezember 2001 geltenden Patentgebührengesetz - in der hier maßgeblichen Fassung vom 19. Juli 1996 - betrug diese Gebühr 250,- DM.

Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents erfolgte hier am 10. September 1997, so dass die Frist am 10. Dezember 1997 ablief. Die Einreichung der Übersetzung und die Zahlung der Gebühr erst am 10. Februar 1998 sind daher verspätet. Gemäß Art II § 3 Abs 2 IntPatÜG gelten daher die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten.

3. Wegen dieser Fristversäumung hat die Patentinhaberin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antrag ist zwar form- und fristgerecht gestellt worden. Ausgehend davon, dass das Hindernis spätestens mit dem Fax der englischen Vertreter der Patentinhaberin vom 11. Dezember 1997 weggefallen ist, ist der am 10. Februar 1998 gestellte Antrag noch innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist des § 123 Abs 2 Satz 1 PatG gestellt worden, wobei dieser auch die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthält. Da gleichzeitig sowohl die Übersetzung eingereicht als auch die Gebühr bezahlt worden ist, ist auch die versäumte Handlung fristgerecht nachgeholt worden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist aber nicht begründet. Voraussetzung für die Gewährung von Wiedereinsetzung ist insoweit ein schlüssiger Tatsachenvortrag des Säumigen, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass ihn an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, § 123 Abs 1 PatG. Dabei muss er sich grundsätzlich das Fehlverhalten Dritter, die keine Bevollmächtigten im Sinne von § 85 Abs 2 ZPO, sondern sogenannte Hilfspersonen sind, nicht zurechnen lassen. Es kommt jedoch insoweit ein die Wiedereinsetzung hinderndes eigenes Verschulden des Säumigen in Betracht, wenn bei der Auswahl, Unterweisung und Überwachung dieser Hilfspersonen oder bei der Büroorganisation nicht sorgfältig gehandelt worden ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 123 Rdn 104ff; Busse, PatG, 5. Aufl, § 123 Rdn 33, 34).

Der Tatsachenvortrag der Patentinhaberin legt nicht hinreichend schlüssig dar, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist des Art II § 3 Abs 1 Satz 1 IntPatÜG zur Einreichung der Übersetzung und zur Zahlung der Gebühr einzuhalten. Solches ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Akteninhalt. Nach dem Vortrag der Patentinhaberin muss vielmehr entweder von einem ihr zurechenbaren Verschulden eines Bevollmächtigen oder aber jedenfalls von einem Organisationsverschulden der Patentinhaberin ausgegangen werden.

Nach dem Vortrag der Patentinhaberin hat sich ein Sachbearbeiter in ihrem Unternehmen darüber geirrt, dass ihr europäisches Patent auch einen deutschen Anteil hat. Da die Entscheidung, ob der deutsche Anteil an einem europäischen Patent aufrechterhalten werden soll oder nicht, der Entscheidung über den Verzicht auf das Patent für Deutschland gleichkommt, ist hierbei eine besondere Aufmerksamkeit und genaue Prüfung der Umstände zu erwarten. Diese Sorgfalt ist hier nicht eingehalten worden, denn die Entscheidung des Sachbearbeiters in der Marketing- und Verkaufsabteilung, keine Weisung zur Aufrechterhaltung von Länderanteilen zu geben, ist offensichtlich getroffen worden, ohne sich vorher anhand der über das Patent zur Verfügung stehenden Unterlagen kundig zu machen. Die benannten Länder des europäischen Patents sind nämlich nicht nur auf den ersten Blick auf dem Deckblatt der europäischen Patentschrift ersichtlich, sie ergeben sich auch ohne weiteres aus dem Anschreiben der englischen Vertreter vom 14. August 1997. Es spricht schon viel dafür, dass dieser Sachbearbeiter als Bevollmächtigter der Patentinhaberin im Sinne von § 85 Abs 2 ZPO anzusehen ist, so dass sie sich dessen Verschulden zurechnen lassen muss. Denn ihm ist faktisch die wichtige Entscheidung überlassen worden, für welche Länder das europäische Patent aufrecht erhalten werden soll, womit er in eigenverantwortlicher Weise für die Patentinhaberin tätig geworden ist (vgl Schulte, aaO, § 123 Rdn 101 unter i; Busse, aaO, § 123 Rdn 31; BPatGE 7, 230, 232 zum Leiter einer Patentabteilung als Vertreter gemäß § 85 Abs 2 ZPO). Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Sachbearbeiter nicht Bevollmächtigter, sondern bloß Hilfsperson gewesen ist, trifft die Patentinhaberin jedenfalls ein Organisationsverschulden dahingehend, dass sie - ungeachtet dessen, dass über die Auswahl, Unterweisung und Überwachung dieses Sachbearbeiters bisher nichts vorgetragen ist - eine derart wichtige Entscheidung einer Hilfsperson selbständig ohne weitere Kontrolle überlassen hat, wobei diese noch nicht einmal der insoweit fachkundigen Patentabteilung angehört. Bei großen Firmen gelten im Grundsatz hinsichtlich der Büroorganisation die gleichen Sorgfaltsanforderungen wie bei Anwälten (vgl Busse, aaO, § 123 Rdn 33 aE; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl, § 233 Rdn 49), und auch ein Anwalt darf eine wichtige Entscheidung nicht zur selbständigen Erledigung auf sein Büropersonal übertragen. Die Fristversäumung kann nach alledem nicht als unverschuldet angesehen werden.

Zudem sind für den maßgeblichen Sachverhalt - Irrtum des Sachbearbeiters - entgegen § 123 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 PatG keine Mittel zur Glaubhaftmachung eingereicht worden wie etwa eine eidesstattliche Versicherung. Insofern ist im angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt worden, dass die bisherigen Mittel zur Glaubhaftmachung in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ursache der Fristversäumung stehen. Zwar ist die Glaubhaftmachung nachholbar, hier erübrigte sich aber ein entsprechender Hinweis deswegen, weil schon der schriftsätzliche Vortrag nicht geeignet ist, die Annahme eines fehlenden Verschuldens zu rechtfertigen.

Schülke Knoll Püschel Pr






BPatG:
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Az: 10 W (pat) 63/01


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