Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Mai 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 65/04
(BPatG: Beschluss v. 09.05.2006, Az.: 33 W (pat) 65/04)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Januar 2004 aufgehoben.
Gründe
I Am 14. Februar 2000 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wort-/Bildmarke 300 11 526.1 Wort-/Bildmarke 300 11 526.1 für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Drucksachen, Unterrichts- und Lehrmittel, Veröffentlichungen, Zeitpläne, Zeitschriften, Zeitungen, Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren), Bücher, Fahnen, Wimpel aus Papier, Kalender, Kataloge, Photographien;
Klasse 25: Bekleidungserzeugnisse, Schuhe, Kopfbedeckungen;
Klasse 35: Marketing (Absatzforschung); Marktforschung; Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit), Verkaufsförderung für andere (Sales promotion); Dienstleistung einer Werbeagentur; Vermietung von Werbeflächen, von Werbematerial; Verteilung von Warenproben zu Werbezwecken; Verbreitung von Werbeanzeigen; Herausgabe von Werbetexten, Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke, sowie im Zusammenhang mit Golf- und Polosport für Feste, Geselligkeiten, Reisen und die Präsentation im Internet, Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten, Vervielfältigung von Dokumenten;
Klasse 41: Betrieb eines Clubs (Unterhaltung und Unterricht); Betrieb von Sportanlagen; Betrieb von Golfplätzen; Betrieb von Poloplätzen; Betrieb einer Fecht- und Schießanlage; Betrieb von Sportcamps; Vermietung von Stadien; Vermietung von Sportausrüstungen; Tierdressur; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Unterricht und Erziehung; Durchführung von Veranstaltungen; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Reitunterricht und Durchführung von pferdesportlichen Veranstaltungen; Veranstaltung sportlicher Wettkämpfe; Veranstaltung von Wettbewerben; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Durchführung von pädagogischen Prüfungen; Veranstaltungen von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Unterhaltung; Training von Pferden; Veröffentlichung von Büchern; Videofilmproduktion; Betrieb von Gesundheits-Clubs.
Mit Beschluss vom 9. Januar 2004 hat die Markenstelle für Klasse 35 durch eine Angestellte des gehobenen Dienstes die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle stellt die angemeldete Marke eine unmittelbar beschreibende Angabe bezüglich ihres Erbringungsorts dar. Es sei möglich und nahe liegend, dass die Dienstleistungen von in dieser Region ansässigen Betrieben bzw. Unternehmen erbracht würden, so dass sich die angemeldete Wortfolge für den Verkehr als allgemeiner sachlicher Hinweis auf deren Herkunft und Inhalt darstelle, da die Waren und Dienstleistungen Informationen über diese Region enthalten und aus dieser Region stammen könnten. Da die Konkurrenten des Anmelders ebenfalls den Erbringungsort ihrer Dienstleistungen bzw. den Herkunftsort und Inhalt ihrer Waren mit der Wortfolge "GUT SEEBURG AM CHAMPAGNERBERG" bezeichnen können müssten, stehe ihrer Monopolisierung ein Freihaltebedürfnis entgegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach neuerer Rechtsprechung nicht das Vorliegen eines aktuellen und konkret feststellbaren Freihaltebedürfnisses erforderlich sei, sondern es darauf ankomme, ob die betreffende Angabe für eine Verwendung als geografische Angabe geeignet sei und ob dies im Hinblick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten sei. In der Region Gut Seeburg/Champagnerberg seien, im Internet belegbar, bereits diverse Unternehmen, insbesondere Werbeagenturen, und Sporteinrichtungen ansässig. Angesichts der unmittelbaren Nähe zur Großstadt Berlin und der verhältnismäßig dichten Besiedelung dieser Umgebung sei die Ansiedelung weiterer Betriebe vernünftigerweise zu erwarten. An dieser Beurteilung ändere auch der Vortrag des Anmelders nichts, wonach er Besitzer des Gutes Seeburg sei, denn der Besitz als tatsächliche Sachherrschaft könne wesentlich unkomplizierter wechseln oder erlöschen als das Eigentum, wohingegen der Markenschutz unbegrenzt verlängerbar sei. Eine lediglich besitzrechtliche Position vermöge daher der Annahme eines berechtigten Bedürfnisses der Mitbewerber an der freien Verwendung des Ortsnamens nicht entgegenzustehen. Auch die grafische Ausgestaltung der angemeldeten Marke sei nicht geeignet, die Schutzfähigkeit zu begründen, da sie nicht über das Werbeübliche hinausgehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung trägt er vor, dass die Markenstelle keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu einem aktuellen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft entstehenden Freihaltebedürfnis getroffen habe. Wie aus dem von der Markenstelle angeführten Nachschlagewerk "Müllers Großes Deutsches Ortsbuch" hervorginge, gebe es in Deutschland insgesamt 10 Orte mit dem Namen "Seeburg". Bereits dies spreche für eine mehrdeutige, unbestimmte Angabe. Selbst wenn eine Zuordnung durch den weiteren Bestandteil "Am Champagnerberg" möglich sein sollte, wären hierfür detaillierte Ortskenntnisse und - wegen der weiteren Orte mit dem Namen "Seeburg" - mehrere Gedankenschritte erforderlich, was aber gegen ein Freihaltebedürfnis spreche.
Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, da es selbst die Gemeindebezeichnung "Seeburg" nicht mehr gebe. Diese Gemeinde (Kr. Potsdam-Mittelmark) sei im Rahmen einer Gebietsreform in die Gemeinde Dallgow-Böberitz eingemeindet worden. Dies gehe aus dem Schreiben der Gemeinde Dallgow-Döberitz vom 7. Oktober 2003 an den Anmelder hervor, das er in Kopie eingereicht hat. Als veralteter Ortsname könne die Angabe "Seeburg" und damit die angemeldete Gesamtbezeichnung nicht (mehr) freihaltebedürftig sein. Im Übrigen handele es sich bei dem ehemaligen Ort "Seeburg" um eine wirtschaftlich unbedeutende Örtlichkeit mit ca. 600 Einwohnern. Das Anwesen des Anmelders inmitten eines Naturschutzgebietes in einer 1 km vom ehemaligen Ort "Seeburg" entfernten Splittersiedlung umfasse lediglich ca. 13,1 ha. Da eine Eignung, als geografische Herkunftsangabe zu dienen, den Namen bekannter Orte zukomme, könne dies keinesfalls für das Anwesen des Anmelders "Am Champagnerberg" gelten. Zudem befinde sich das Landgut "Am Champagnerberg" seit 1991 ausschließlich im Alleineigentum des Anmelders. Zwar befänden sich dort auch, wie die Markenstelle insoweit zu Recht ausgeführt habe, verschiedene weitere Unternehmen und Anlagen, diese befänden sich jedoch sämtlich auf dem Gut des Anmelders, der Mietverträge mit den dortigen Unternehmen abgeschlossen habe.
Auch ein zukünftiges Freihaltebedürfnis liege nicht vor. Hierfür müssten sichere und konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Entwicklung vorhanden sein, welche die Freihaltung des fraglichen Begriffs zwingend erforderten. Da der Anmelder bereits seit 1991 Eigentümer des Guts sei, sei es sogar eher unwahrscheinlich, dass sich diese Verhältnisse änderten. Im Übrigen liege es, wenn bei etwaigen Übertragungen das Markenrecht nicht ohnehin mit dem Geschäftsbetrieb auf den Rechtsnachfolger übergehe, in der Hand des künftigen Erwerbers, sich das Recht an der freien Verwendung vertraglich oder im Klagewege zu sichern. Aus der Rechtsprechung gehe hervor, dass eine langjährige, gegenwärtig noch bestehende und künftig nicht ohne weiteres in Frage zu stellende tatsächliche und rechtliche Monopolstellung der Annahme eines berechtigten Bedürfnisses der Mitbewerber an der freien Verwendung des Ortsnamens entgegenstehen könne. Da keine sicheren und konkreten Anhaltspunkte für eine andere Entwicklung vorhanden seien, lägen auch die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Berücksichtigung eines zukünftigen Freihaltebedürfnisses nicht vor. Im Übrigen weise die Anmeldemarke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Allerdings stellen die in der Marke enthaltenen Angaben "Seeburg" und "am Champagnerberg" geografische Angaben dar. Insbesondere handelt es sich bei der Angabe "Seeburg" um einen Ortsnamen, der entgegen der Auffassung des Anmelders trotz seiner Eingemeindung in eine andere Gemeinde nach wie vor eine geografische Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Betracht kommt. Maßgebend ist insoweit nicht irgendeine politische oder kommunalrechtliche Eigenständigkeit, sondern allein der Umstand, ob eine solche Angabe vom Verkehr als Ortsangabe verstanden werden kann. Dies ist, da Seeburg als südwestlich des Berliner Stadtteils gelegene Ortschaft in Karten verzeichnet ist (vgl. z. B. www.berlin.citymap.de), offensichtlich der Fall. Auch die relative Unbekanntheit solcher Orte oder die Existenz weiterer Orte gleichen Namens hindert ebenso wenig das Vorliegen einer Merkmalsangabe wie eine vergleichsweise geringe Einwohnerzahl, wenn dort eine Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen jederzeit erfolgen kann (BGH GRUR 2003, 882 - Lichtenstein).
Nach dem Ergebnis der Senatsrecherche verfügt nur die o. g., bei Berlin gelegene Ortschaft "Seeburg" über ein Areal mit der Bezeichnung "Champagnerberg" oder "Am Champagnerberg", so dass die in der Anmeldemarke enthaltene geografische Angabe einerseits konkretisiert, andererseits aber auch eingeschränkt wird. Der Senat konnte die genaue Lage und Ausdehnung dieses Seeburger Areals zwar nicht ermitteln, jedoch muss es sich dabei um ein Gebiet handeln, das über die Straße "Scholle" zu erreichen ist, da (nur) ein weiterer, mit dem Betrieb des Anmelders möglicherweise nicht wirtschaftlich verbundener benachbarter Pferdehof eine ähnliche Adressangabe verwendet (Pferdehof Heisler mit der Adresse: "Scholle 3 Am Champagnerberg, 14476 Seeburg", vgl. www.agriadvance.de, während der Betrieb des Anmelders die Adresse "Scholle 4 Am Champagnerberg" aufweist). Die Existenz dieses Pferdehofs, unterstellt die Annahme mangelnder wirtschaftlicher Verbundenheit mit dem Anmelderbetrieb wäre richtig, würde für die meisten der in der Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen auch ein (gegenwärtiges) Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an der Angabe "Seeburg - am Champagnerberg" belegen.
Hier kommt allerdings entscheidungserheblich hinzu, dass sich die angemeldete Marke nicht in einer geografischen Angabe erschöpft, da in ihr das Wort "Gut" vorangestellt ist. Damit ist sie nicht als direkte geografische Angabe, sondern nach Art der Bezeichnung eines bestimmten (größeren) landwirtschaftlichen Betriebes gebildet. Zwar kann damit nicht automatisch jegliches Bedürfnis an der Freihaltung einer solchen Angabe verneint werden, da einerseits auch andere Landwirte, Pferdezüchter oder sonstige auf einem bestimmten Gut arbeitende Hersteller oder Dienstleistungserbringer ein Interesse haben können, ihren Betrieb nahe liegend mit einer Kombination des Wortes "Gut" und der geografischen Angabe über die Belegenheit des Anwesens zu kombinieren (vgl. allerdings BGH GRUR 1999, 365 - THE HOUSE OF BLUES, wonach die Bezeichnung von Merkmalen des Betriebs nicht einer Bezeichnung von Merkmalen der Waren und Dienstleistungen gleichgesetzt wird), andererseits können sich die Namen von historischen landwirtschaftlichen Betrieben auch als "Namensgeber" für Städte, Dörfer oder Teile davon entwickeln, was etwa für viele Ortschaften oder Ortsteile mit dem Schlussbestandteil "...-hof" gelten wird. Letzteres hat sich hier allerdings nicht feststellen lassen.
Jedenfalls ist das in Frage kommende geografische Areal Seeburg am Champagnerberg nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats derart eingegrenzt, dass es im Hinblick auf die extrem begrenzte Anzahl möglicher weiterer Betriebe an diesem Ort und die Größe des Betriebs des Anmelders nicht mehr als rein ortsbeschreibende Angabe in Betracht kommt. Wie oben ausgeführt, ließ sich nur ein weiterer Betrieb feststellen, der nach seinem Internetauftritt Konkurrent des Anmelderbetriebs auf dem Gebiet des Pferdesports sein könnte und der in der Gegend "am Champagnerberg" bzw. der Straße "Scholle" belegen ist (Pferdehof Heisler). Er verwendet zur Kennzeichnung seines Betriebs bzw. seiner Dienstleistungen auch nicht eine Kombination des Wortes "Gut" mit einer geografischen Angabe. Ansonsten stellt der Anmelderbetrieb mit seinen Mietern und Pächtern den offenbar einzigen und - nach der Internetpräsenz und der Fülle der auf dem Anwesen angebotenen Dienstleistungen - wesentlichen Betrieb bzw. eine örtliche Zusammenfassung verschiedener Betriebe dar. Auf seinem Gelände befinden sich etwa eine Tierklinik, ein Poloclub samt Pferdepension, Sportanlagen für Golf, Fechten, Schießen, ein Restaurant, eine Gäste-Pension und ein Bekleidungsgeschäft (www.gutseeburg.de/). Eine Internetrecherche mit der Suchmaschine "A..." nach der angemeldeten Gesamtwortfolge (Stringsuche nach exakt der gleichen Wortreihenfolge) erbrachte lediglich neun Hinweise, die sich allesamt auf den Anmelderbetrieb bezogen. Auch eine allgemeiner gefasste Internet-Recherche, in der nur die Wortfolge "am Champagnerberg" mit der Ortsangabe "Seeburg" kombiniert wurde, erbrachte nur etwa 60 Treffer, die sich wiederum auf den Betrieb des Anmelders (z. T. als "Polo und Country Club Gut Seeburg") und die auf dem Gelände befindliche tierärztliche Klink bezogen.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Bezeichnung vom Verkehr nur als geografische Herkunftsangabe verstanden wird, die für Mitbewerber des Anmelders freigehalten werden müsste. Vielmehr stellt sie offensichtlich nur einen Hinweis auf den Betrieb des Anmelders dar. Damit scheidet ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus.
Zugleich kann auch nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Denn wenn nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats kein Verständnis der Anmeldemarke als geografische Herkunftsangabe, sondern allenfalls als Hinweis auf den Betrieb des Anmelders, mithin auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb, in Betracht kommt, so verfügt die Anmeldemarke zwangsläufig über ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
Der Beschwerde war damit stattzugeben.
BPatG:
Beschluss v. 09.05.2006
Az: 33 W (pat) 65/04
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