Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. März 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 71/12
(BGH: Beschluss v. 21.03.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 71/12)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 4. Oktober 2012 zugestellte Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der vor dem Anwaltsgerichtshof von Rechtsanwältin M. ver- tretene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde (nur) dem Kläger persönlich am 4. Oktober 2012 zugestellt. Mit Fax vom 5. November 2012 hat der Kläger beim 1 Anwaltsgerichtshof Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen mit Fax vom 5. Dezember 2012 an den Anwaltsgerichtshof begründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 1 VwGO abzulehnen, weil er zwar zulässig, aber unbegründet ist.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist fristgemäß gestellt und begründet worden (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO). Die Fristen für den Antrag auf Zulassung der Berufung und dessen Begründung begannen im vorliegenden Fall am 5. November 2012 zu laufen. Die Zustellung an den Kläger persönlich war unwirksam, da dann, wenn für ein gerichtliches Verfahren ein Prozessbevollmächtigter bestellt ist, Zustellungen nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO an diesen zu erfolgen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 21/11 Rn. 3; Kopp/ Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 67 Rn. 55). Sie ist jedoch gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 56 Abs. 2 VwGO, § 189 ZPO dadurch geheilt worden, dass der im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof vertretungsberechtigte (§ 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO) Kläger durch den von ihm selbst gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung zu erkennen gegeben hat, dass er im weiteren Verfahren nicht mehr durch seine frühere Prozessbevollmächtigte vertreten sein will, ihre Prozessvollmacht mithin stillschweigend widerrufen hat. Die an den Kläger erfolgte Zustellung des Urteils ist deshalb zu diesem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1988 - VI ZR 226/87, BGHR ZPO § 187 Satz 1 Zustellungsmängel 2). Die Akten mit 2 der Begründung des Zulassungsantrags sind auch vor Ablauf der zweimonatigen Begründungsfrist beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2. Der Antrag, mit dem der Kläger inhaltlich den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, ist jedoch unbegründet.
Über das Vermögen des Klägers ist durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 11. August 2010 ( IN ) wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird deshalb ein Vermögensverfall des Klägers kraft Gesetzes vermutet. Solange das Insolvenzverfahren läuft, ist die Grundlage dieser Vermutung nicht entfallen. Geordnete Vermögensverhältnisse sind erst wieder hergestellt, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 Abs. 1 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 12, vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 8, vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 4, und vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12 Rn. 3).
Diese Voraussetzungen lagen zu dem nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 28. Oktober 2011, aaO Rn. 7) für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2011 - 4 nicht vor; die Beurteilung zeitlich späterer Entwicklungen - hier die Genehmigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 5. Dezember 2012 - ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Gefährdung entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511, unter II 2 a und vom 31. März 2008 - AnwZ (B) 33/07 Rn. 8 m.w.N.). Soweit der Kläger darauf verweist, dass der Insolvenzverwalter den Weiterbetrieb der Anwaltskanzlei genehmigt und die Konten kontrolliert habe, so dass die Mandanten wirtschaftlich abgesichert gewesen seien, vermag dies eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht auszuschließen. Wird über das Vermögen eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ein Insolvenzverfahren eröffnet, sind die Interessen der Mandanten regelmäßig schon deshalb gefährdet, weil diese - vorbehaltlich ihres guten Glaubens - das Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen können (Senatsbeschlüsse vom 13. März 2000 - AnwZ (B) 28/99, NJW-RR 2000, 1228 und vom 18. Oktober 2004 aaO). 7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Tolksdorf Roggenbuck Seiters Frey Martini Vorinstanzen:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 04.10.2012 - 2 AGH 11/11 - 8
BGH:
Beschluss v. 21.03.2013
Az: AnwZ (Brfg) 71/12
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