Landgericht Bonn:
Urteil vom 28. Juni 2004
Aktenzeichen: 6 S 22/04

(LG Bonn: Urteil v. 28.06.2004, Az.: 6 S 22/04)

Wird mit Ausbildung zur medizinischen Fußpflege ohne Hinweis darauf geworben, dass die konkrete Ausbildung nicht zur Berechtigung führt, die Bezeichnung medizinischer Fußpfleger/Podologe zu führen, muss das Entgelt gleichwohl entrichtet werden, wenn dies nicht das angestrebte Ziel der Ausbildung war.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Dezember 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn - 3 C 102/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO verwiesen.

Die Beklagte greift mit der Berufung die Verurteilung zur Zahlung von 1.250,-- EUR Lehrgangsgebühr für die Ausbildung zur Fußpflegerin gemäß dem mit dem Kläger unter dem 18.12.2002 geschlossenen Vertrag an, den sie mit anwaltlichen Schreiben vom 27.01.2003 wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.

Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung verneint und damit die Wirksamkeit des Ausbildungsvertrages vom 18.12.2002 bejaht. Dabei hat das Amtsgericht die unstreitige Tatsache zugrunde gelegt, dass eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin gemäß dem PodG ( Podologin) im Rahmen der vom Kläger in seiner Schule angebotenen Lehrgänge nicht möglich ist. Eine arglistige Täuschung hat das Amtsgericht mit der Begründung verneint, dass den Kläger über diesen Umstand nur eine Aufklärungspflicht treffe, die er erfüllt habe.

Die Beklagte begründet ihre Berufung unter Bezugnahme auf die vorgenannten tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts damit, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft vom Nichtvorliegen einer arglistigen Täuschung der Beklagten durch den Kläger ausgegangen sei und nicht berücksichtigt habe, dass sich der Kläger im Vertrag vom 18.12.2002 verpflichtet habe, die Beklagte zur medizinischen Fußpflegerin auszubilden, was sich bereits schon aus der Überschrift der genannten Vereinbarung herleiten lasse.

Insoweit behauptet die Beklagte, seitens des Klägers sei kein konkreter Hinweis über die Neuregelungen des PodG erfolgt. Aus diesem Grunde meint sie, sei die im Vertragstext aufgenommene Formulierung, dass die Beklagte vor Vertragsabschluss an einer Informationsveranstaltung mit der Darstellung der Lehrgangsinhalte teilgenommen habe, was nicht der Fall gewesen sei, unerheblich. Aus diesem Grunde sei auch das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, aufgrund dieser Formulierung des von ihr unterschriebenen Vertrages habe sich die Beklagte Kenntnis über den Inhalt der angebotenen Informationsveranstaltung verschaffen müssen.

Auf einen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2004 seitens der Kammer erteilten Hinweis, dass von der Beklagten bislang nicht hinreichend dazu vorgetragen worden sei, welche Vorstellung sie bei Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages gehabt habe, welches Ziel sie mit der Ausbildung verfolgt und wie sie zu diesen Vorstellungen gelangt sei hat die Beklagte im Rahmen des schriftlichen Verfahrens ergänzend mit Schriftsatz vom 17.05.2004 vorgetragen. Wegen des Inhaltes dieses Schriftsatzes und der Erwiderung des Klägers hierzu mit Schriftsatz vom 28.05.2004, der das angefochtene Urteil verteidigt, wird ebenso Bezug genommen wie auf die übrigen bereits zuvor im Rahmen dieses Rechtsstreits zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des mit ihr am 18.12.2002 abgeschlossenen Ausbildungsvertrages i. V. m. § 611 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 1.250,-- EUR.

Dieser Vertrag ist nicht durch die im anwaltlichen Schreiben der Beklagten vom 27.1.2003 enthaltene Anfechtungserklärung von Anfang an unwirksam geworden.

Weder der Sachvortrag der Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26.04.2004 noch ihr ergänzender Sachvortrag im Schriftsatz vom 17.05.2004 erfüllen die Voraussetzungen aufgrund deren von einer wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung der Beklagten durch den Kläger ausgegangen werden kann.

Dasselbe gilt auch für den Fall der Umdeutung der Anfechtungserklärung der Beklagten im Schreiben vom 27.01.2003 in eine außerordentliche Kündigung nach § 13 a UWG, da schon nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen, nämlich dass die Beklagte durch eine irreführende Werbung des Klägers zum Vertragsschluss bestimmt worden ist.

Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

Auch wenn die Werbung des Klägers als irreführend anzusehen ist, hat dies die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag nicht zum Vertragsschluss veranlasst.

Irreführend ist die Werbung des Klägers aufgrund des Umstandes, dass er weder in dem mit Schreiben vom 28.11.2002 der Beklagten mit übersandten Informationsblatt noch in dem Vertragsformular, das die Beklagte unter dem 18.12.2002 unterschrieben hat, im stärkeren Maße, als dies dort geschehen ist, verdeutlicht hat, dass er die Ausbildung zum Podologen im Sinne des PodG im Rahmen der zum Inhalt des Vertrages gewordenen Ausbildung und in seiner Ausbildungsstätte insgesamt nicht bieten kann.

Wenn es dann in dem Informationsblatt in dessen ersten Absatz einleitend heißt:

" Die Fußpflegefachschule ( ... bildet ... Schüler und Schülerinnen im Fachbereich medizinische Fußpflege aus ." und des weiteren unter der Überschrift Schulung mit System der Absatz mit dem Satz eingeleitet wird :" Der Beruf in der medizinischen Fußpflege erstreckt sich vorwiegend auf praktische Tätigkeiten" stellt dies keine korrekte Bewerbung der Ausbildung dar.

Dasselbe gilt für die fettgedruckte Überschrift des Vertragsformular, dass die Parteien unter dem 18.12.2002 unterzeichnet haben, nämlich: " Ausbildungsvertrag medizinische Fußpflege".

Im vorliegenden Falle ist jedoch von der Kammer nicht zu entscheiden, ob dem Kläger aus wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten die Verwendung des Begriffs "medizinische Fußpflege" zu untersagen ist.

Für die Frage einer wirksamen Anfechtung oder Kündigung des Ausbildungsvertrages vom 18.12.2002 durch die Beklagte ist vielmehr entscheidend, dass sie, worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2004, wie bereits dargestellt, ausdrücklich hingewiesen hat, substantiiert und hinreichend dazu vorträgt, welche Vorstellungen sie bei Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages gehabt hat, welches Ziel sie mit der Ausbildung verfolgte und wie sie zu diesen Vorstellungen gelangt ist.

Die Kammer hat im Anschluss an den in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis der Beklagten aufgegeben hierzu schriftsätzlich vorzutragen. Dies war auch zulässig, da, worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Recht in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, in erster Instanz ein entsprechender Hinweis, dass hierzu vorgetragen werden müsse, nicht erfolgt ist. Aus diesem Grunde konnte die Beklagte in der Berufungsinstanz mit ergänzendem Sachvortrag zu dieser bis dahin noch nicht verhandelten Frage nicht ausgeschlossen werden. Der nach Erteilung des vorstehend wiedergegebenen Hinweises seitens der Beklagten ergänzte Sachvortrag genügt jedoch nicht, um die im Rahmen des Hinweises aufgeworfenen Fragen zu beantworten. In ihrem Schriftsatz vom 17.05.2004 legt die Beklagte nicht hinreichend dar, die Ausübung welcher konkreten Tätigkeit sie sich nach Abschluss der Ausbildung gemäß dem Vertrag mit dem Kläger vom 18.12. vorgestellt hat. Namentlich sagt sie nicht, was ihre Vorstellung war, in welchem Umfange sie zur Ausübung von fußpflegerischer Tätigkeit aufgrund der Ausbildung beim Beklagten befähigt und berechtigt sein konnte.

Die Beklagte behauptet, im Rahmen ihrer inzwischen abgeschlossenen Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin im Haus E in Y die Erfahrung gemacht zu haben, dass die Heimbewohner von einer medizinischen Fußpflegerin betreut wurden, die ihre Leistungen über die jeweils zuständige Krankenkasse abrechnen konnte. Deswegen habe sie sich dafür interessiert, selbst als medizinische Fußpflegerin in Altenheimen oder Krankenhäusern arbeiten zu können, und habe dies als dauerhafte Erwerbsmöglichkeit angesehen. Dies ergänzt die Beklagte durch die Behauptung, sie habe dies als dauerhafte Erwerbsmöglichkeit angesehen, weil sie als medizinische Fußpflegerin - im Gegensatz zur einfachen Fußpflegerin - Leistungen in Altenheimen oder Krankenhäusern erbringen und mit der jeweiligen Krankenkasse hätte abrechnen können. Deswegen habe sie sich an den als Fußpflegefachschule firmierenden Beklagten gewandt, um dort eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin zu machen. Sie sei auch noch bei Vertragsunterzeichnung der festen Überzeugung gewesen, von dem Beklagten eine Ausbildung als medizinische Fußpflegerin zu erhalten. Dies habe sie insbesondere aus der Überschrift des Vertrages entnommen. Erst in der zweiten Hälfte des Monats Januar 2003 habe sie von der Zeugin S erfahren, dass der Beklagte diese Ausbildung überhaupt nicht erteilen könne, was ihr durch den Zeugen C vom Gesundheitsamt Y bestätigt worden sei.

Die seitens des Klägers bestrittene Behauptung, dass eine medizinische Fußpflegerin ihre Leistungen über die jeweils zuständige Krankenkasse unmittelbar abrechnen könne, ist für die vorliegende Entscheidung und für die Bedeutung des ergänzenden Sachvortrages der Beklagten nicht von entscheidender Bedeutung.

Von wesentlich erheblicherer Bedeutung ist vielmehr, dass sich die Beklagte offensichtlich selbst nie über das Berufsbild der medizinischen Fußpflegerin informiert hat.

Nach dem oben zusammenfassend wiedergegebenen Sachvortrag der Beklagten hat sie ihre Überzeugung, von dem Beklagten eine Ausbildung als medizinische Fußpflegerin zu erhalten insbesondere aus der Überschrift des Vertrages entnommen.

Die Beklagte geht demgegenüber auf den Inhalt des ihr mit Schreiben des Klägers vom 28.11.2002 übersandten Informationsblattes, das oben angesprochen worden ist, überhaupt nicht ein. Insbesondere behauptet sie nicht, dass dieses über die Überschrift des Vertrages hinaus für sie von irgendeiner, insbesondere entscheidender Bedeutung gewesen ist, mit dem Kläger sodann später den Ausbildungsvertrag vom 18.12.2002 abzuschließen.

Trotz der zweifachen Verwendung des Begriffes medizinische Fußpflege beinhaltet dieses Informationsblatt eine Angabe der Lehrpläne mit der Unterteilung in die theoretischen Fächer und diejenigen Fächer, die der praktische Unterricht beinhaltet.

Hier wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, nicht nur, was sie - wie schon ausgeführt - unterlassen hat, vorzutragen, welche Vorstellungen sie mit der Tätigkeit einer medizinischen Fußpflegerin verband, sondern auch, welche Ausbildung sie in der Schule des Klägers zu erhalten erwartete.

Auch dazu, die Vermittlung welcher Kenntnisse sie im Rahmen der Ausbildung erwartete, trägt die Beklagte überhaupt nicht vor. Insbesondere setzt sich die Beklagte nicht damit auseinander, inwieweit der in dem Informationsblatt des Klägers mitgeteilte Umfang der Ausbildung deutlich hinter dem zurückbleibt, was vom Podologengesetz gefordert wird.

Nach § 3 PodG soll die Ausbildung entsprechend der Aufgabenstellung des Berufes insbesondere dazu befähigen durch Anwendung geeigneter Verfahren nach den anerkannten Regeln der Hygiene allgemeine und spezielle fußpflegerische Maßnahmen selbständig auszuführen, pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen, unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mitzuwirken ( Ausbildungsziel).

Darüber hinaus dauert diese Ausbildung in Vollzeitform zwei Jahre, in Teilzeitform höchstens vier Jahre und wird durch staatlich anerkannte Schulen vermittelt und schließt mit der staatlichen Prüfung ab.

Dem gegenüber beschränkt sich die Ausbildung beim Kläger entweder auf einen Wochenendlehrgang von neun Wochenenden, wie ihn die Beklagte gewählt hat oder auf einen Vollzeitlehrgang von lediglich vier Wochen. Hierauf wird in dem Anschreiben vom 28.11.2002 ausdrücklich hingewiesen, darüber hinaus ergibt sich dies durch Umrandungen hervorgehobene Rubriken des von den Parteien unterzeichneten Vertrages.

Aus dem vorstehenden ergibt sich des weiteren, dass die für die Bezeichnung medizinischer Fußpfleger erforderliche Ausbildung im Gegensatz zu der im Informationsblatt des Klägers dargestellten Lehrplan erheblich höhere Anforderungen in sämtlichen Ausbildungsbereichen stellt, die nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung den Podologen zur Zusammenarbeit mit dem Arzt in der in § 3 PodG dargestellten Art und Weise befähigen.

Dass sie entsprechende Vorstellungen hatte, diese erforderlichen Kenntnisse bereits aufgrund der wesentlich kürzeren Ausbildung beim Kläger zu erhalten, hat die Beklagte nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt.

II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 10 i. V. m. 711, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1250,-- EUR

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht gegeben sind.






LG Bonn:
Urteil v. 28.06.2004
Az: 6 S 22/04


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