Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 228/04
(BPatG: Beschluss v. 23.07.2007, Az.: 30 W (pat) 228/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juli 2004 aufgehoben und die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I Die IR-Markeninhaberin hat für die Bezeichnung STRONG am 14. November 2000 mit Priorität vom 30. Mai 2000 für die Waren der Klasse 9 Settopboxes (receivers) for analog and digital receipt of video, audio and Internet data transmitted via satellite or cable connections; distortionfree block converters (LNB's) and outdoor installed dishes fort he receipt of video, audio and Internet data transmitted via satellite or cable connections; including twoway LNB-transmittersum Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nachgesucht.
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der IR-Marke durch Beschluss einer Prüferin des höheren Dienstes vom 13. Juli 2004 nach §§ 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 MMA, Art. 6 quinquies B PVÜ den begehrten Schutz verweigert, da dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle.
Die schutzsuchende Wortmarke stamme aus dem englischsprachigen Grundwortschatz und werde hierzulande von den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ohne weiteres im Sinne von "(leistungs)stark" und damit lediglich als Beschaffenheitsangabe verstanden. Wie eine Internet-Recherche ergeben habe, werde das Wort in diesem Sinne auch im Zusammenhang mit Geräten verwendet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin, die sich nunmehr zusätzlich auf die Verkehrsdurchsetzung ihrer Marke in Deutschland beruft, mit dem (sinngemäßen) Antrag, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Sie macht geltend, dass sie als einer der weltweit führenden Hersteller der beanspruchten Waren die IR-Marke in Deutschland markenmäßig seit 1999 für Set-Top-Boxen samt Zubehör und Fernbedienungen und seit 2002/2003 für die übrigen Waren benutze. Sie arbeite insoweit mit großen Vertriebspartnern zusammen und betreibe einen hohen Werbeaufwand, der zu entsprechend hohen Stück- und Umsatzzahlen geführt habe. Hierzu legt sie umfangreiche Unterlagen zur Glaubhaftmachung vor, u. a eine eidesstattliche Versicherung vom 23. Februar 2005 nebst Anlagen über Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen sowie Anzeigen und Publikationen. Aufgrund sämtlicher dargelegten Glaubhaftmachungsmittel stehe fest, dass sich die Marke im Verkehr durchgesetzt und infolge der umfangreichen und langen Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe. Die unter der Marke angebotenen Waren würden eindeutig der IR-Markeninhaberin zugeordnet.
Außerdem sei die angemeldete Marke unterscheidungskräftig und nicht beschreibend. Bei der Bezeichnung "STRONG" handele es sich um einen unterscheidungskräftigen, weil mehrdeutigen und allenfalls suggestiven Ausdruck, der zur Beschreibung der beanspruchten Waren völlig unüblich sei und mittlerweile sowohl durch eine Gemeinschaftsmarke als auch national in Großbritannien geschützt sei.
Der Senat hat die IR-Markeninhaberin darauf hingewiesen, dass er die originäre absolute Schutzfähigkeit überprüfen werde, jedoch gegebenenfalls die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverweisen werde, da die Markenstelle über eine Verkehrsdurchsetzung noch nicht entschieden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmelders und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der IR-Markeninhaberin ist zulässig. Sie hat in der Sache aber nur insoweit Erfolg, als im Beschwerdeverfahren (erstmals) eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke geltend gemacht und zum Zwecke der weiteren Prüfung dieses Vorbringens eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt begehrt worden ist (§§ 8 Abs. 3, 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
Im Hinblick auf die vom Deutschen Patent- und Markenamt durchzuführende Prüfung, ob sich die angemeldete Marke in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat, ist der die Eintragung versagende Beschluss aufzuheben, wenngleich der Senat die Auffassung der Markenstelle teilt, dass die angemeldete Bezeichnung keine ursprüngliche Unterscheidungskraft aufweist.
Das Beschwerdegericht ist trotz der geltend gemachten Verkehrsdurchsetzung nicht von der Pflicht entbunden, zunächst die Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung im Hinblick auf das hier insbesondere in Betracht kommende Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überprüfen und die Geltendmachung einer Verkehrsdurchsetzung im Sinne von § 8 Abs. 3, welche dieses Schutzhindernis überwinden könnte, nur hilfsweise zu berücksichtigen. An diese rechtliche Beurteilung durch das Gericht ist das Deutschen Patent- und Markenamt im weiteren Verfahren auch gebunden (§ 70 Abs. 4 MarkenG). Andernfalls könnte ein Anmelder auf diesem Wege das Verfahren unter Vermeidung einer negativen Beschwerdeentscheidung wieder völlig offen gestalten (vgl. BPatG Az. 25 W (pat) 44/04 vom 6. April 2005 - Kindernothilfe).
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr.; BGH, GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153, 1154 - anti KALK; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; MarkenR 2005, 145 - BerlinCard).
Danach sind insbesondere solche Zeichen nicht unterscheidungskräftig, bei denen es sich für den Verkehr in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres erkennbar um eine unmittelbar beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handelt, wobei jedoch das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht auf solche beschreibenden Angaben beschränkt ist.
Wie im Beschluss der Markenstelle, auf den Bezug genommen wird, bereits zutreffend ausgeführt wurde, verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Bezeichnung in Verbindung mit den in Anspruch genommenen Waren im Sinne von "stark, leistungsstark". Soweit die IR-Markeninhaberin geltend macht, die Mehrdeutigkeit des englischen Begriffs stelle ein unterscheidungskräftiges Kriterium dar, trifft dies nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht zu (vgl. EuGH GRUR 2004, 146 - doublemint; 2004, 640 - biomild). Zudem ist der Begriffsinhalt der Sachangabe im Kontext der Waren ohne weiteres verständlich, zumal es sich um eine allgemein anpreisende Angabe handelt, die warenübergreifend verwendet werden kann.
Die von der IR-Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen lassen es indessen nicht als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die begehrte Bezeichnung im Verkehr für die beanspruchten Waren zugunsten der IR-Markeninhaberin durchgesetzt hat und damit die hier bestehenden Schutzversagungsgründe des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG überwunden sein können (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Die IR-Markeninhaberin hat glaubhaft dargelegt, dass sie die schutzsuchende Bezeichnung nicht nur firmenmäßig, sondern auch als Marke benutzt, und dies durch das erforderliche entsprechende Tatsachenmaterial belegt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 343 ff.), wenngleich die Verwendung vielfach in Verbindung mit einer einfachen Grafik erfolgt. Zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung hat sie einen Ordner mit verschiedenen Unterlagen wie eine Aufstellung der Werbeaufwendungen, Angaben über den Umfang der Darstellung in der Öffentlichkeit in verschiedenen Medien, Prospekt, Verwendungsbeispiele sowie eine eidesstattliche Versicherung vom 23. Februar 2005 vorgelegt. Diese Unterlagen könnten zwar auf eine Verkehrsdurchsetzung der Marke für einzelne der beanspruchten Waren hinweisen, jedoch ist sie durch die eingereichten Unterlagen nicht hinreichend belegt, zumal keine Umfrageergebnisse in Bezug auf die einzelnen Waren eingereicht wurden. Andererseits erscheint dieser Nachweis jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 345). Über die Frage der Verkehrsdurchsetzung hat die Markenstelle jedoch noch nicht entschieden, da sie erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht wurde. Es ist daher sachgerecht, das Verfahren gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin war deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben und ihr die Möglichkeit zu eröffnen, die behauptete Verkehrsdurchsetzung im Verfahren vor der Markenstelle nachzuweisen (§ 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
Dr. Vogel von Falckenstein Hartlieb Paetzold
BPatG:
Beschluss v. 23.07.2007
Az: 30 W (pat) 228/04
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