Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Februar 2000
Aktenzeichen: 13 W (pat) 11/99

(BPatG: Beschluss v. 24.02.2000, Az.: 13 W (pat) 11/99)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 15. Dezember 1998 hat die Patentabteilung 24 des Deutschen Patentamts nach Prüfung von zwei Einsprüchen das am 02. November 1990 angemeldete Patent 40 35 264 mit der Bezeichnung

"Abnutzungsbeständige Kupferlegierungen und Verwendung derselben für Synchronisierringe in Kraftfahrzeuggetrieben"

gemäß PatG § 61 Abs 1 Satz 1 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Die geltenden, erteilten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 haben folgenden Wortlaut:

" 1. Abnutzungsbeständige Kupferlegierung, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus

(1) 10 bis 43 % Zink,

(2) 2 bis 8 % Aluminium,

(3) 0,01 bis 1 % Molybdän,

(4) 0,01 bis 2 % Zirkonium, Titan und / oder Vanadium,

(5) 0,1 bis 5 % Eisen, Nickel und/oder Kobalt sowie

(6) Kupfer als Restmit unvermeidlichen Verunreinigungen besteht.

3. Abnutzungsbeständige Kupferlegierung, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus

(1) 10 bis 43 % Zink,

(2) 2 bis 8 % Aluminium,

(3) 0,01 bis 1 % Niob,

(4) 0,01 bis 2 % Zirkonium, Titan und/oder Vanadium,

(5) 0,1 bis 3 % Zinn und / oder 0,1 bis 5 % Eisen, Nickel und / oder Kobalt,

(6) von 56 bis 65 % Kupfer als Restmit unvermeidlichen Verunreinigungen besteht."

Die rückbezogenen Ansprüche 2 und 4 betreffen Legierungen gemäß Anspruch 1 und 3, der Anspruch 5 betrifft die Verwendung der Legierungen für einen Synchronisierring.

Folgende Entgegenhaltungen sind zuletzt noch als maßgeblich in Betracht gezogen worden:

(1) US 41 48 635

(2) DE 38 09 994 C2

(6) DE 38 05 794 A1

(7) DE 38 42 873 A1

(8) WO 87/02 070 Im Aufrechterhaltungsbeschluß ist ua ausgeführt, daß die beiden Einsprüche zulässig und die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 5 gegenüber dem Stand der Technik neu seien sowie auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden D... ... & Co.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt sie unter anderem aus, daß der patentgemäßen Kupferlegierung die aus der DE 38 05 794 A1 (6) bekannte Zusammensetzung einer Synchronringlegierung sehr nahekomme, so daß der Fachmann in Zusammenschau mit den Anregungen zur Kornverfeinerung aus der DE 38 42 873 A1 (7) ohne erfinderische Tätigkeit zum Patentgegenstand gelange. Entsprechendes gelte auch für eine naheliegende Zusammenschau der DE 38 05 794 A1 (6), in der auf Seite 4, Zeile 44 auch die Abriebfestigkeit erwähnt sei, mit der US 41 48 635 (1), wobei dem Fachmann aus WO 87/02 070 (8), Seite 1, Zeilen 22 und 23 bekannt sei, daß Niob und Molybdän bezüglich der Kornverfeinerung gleichwirkend seien, so daß unter dieser Prämisse die nebengeordneten Ansprüche 1 und 3 gemeinsam getroffen würden. Bis auf sehr geringe Unterschiede im Kupfergehalt erfülle nämlich die aus der US 41 48 635 (1) bekannte Zusammensetzung bereits alle Merkmale des Anspruchs 1 und sei auch für Synchronringe geeignet.

Schließlich verweist die Einsprechende noch darauf, daß die beanspruchte Untergrenze für die Elemente Niob und Molybdän so niedrig liege, daß sie bereits in den Bereich üblicher Verunreinigungen falle und deshalb die Grenze für eine bewußte Zugabe höher liegen müsse. Außerdem bestünden Bedenken gegen die Richtigkeit der angegebenen Versuchsergebnisse. Insgesamt sei deshalb das Patent zu widerrufen.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht den Argumenten der Einsprechenden in allen Punkten und verweist darauf, daß die patentgemäß angestrebte Abnutzungsbeständigkeit bzw Abriebfestigkeit nicht in direktem Zusammenhang mit einer an sich bekannten Kornverfeinerung stehe und auch nicht mit den im Stand der Technik angestrebten Festigkeits- und Duktilitätssteigerungen. Die Zusammenschau der unterschiedlichen Schriften liege nicht nahe und außerdem lehre dieser Stand der Technik eine Vielzahl von Beimengungen, so daß die beanspruchte spezielle Zugabe von Niob bzw Molybdän nur rückblickend als naheliegende erscheinen könne. Schließlich ergäben die Ausführungsbeispiele keine Widersprüchlichkeiten, sondern nachvollziehbare Auswirkungen und ein wirksamer Effekt gehe auch schon von geringen Mengen Niob und Molybdän aus.

Wegen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Patent betrifft eine abnutzungsbeständige Kupferlegierung nach den Ansprüchen 1 und 3.

Nach Seite 2, Zeilen 14 bis 16 der Streitpatentschrift liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde, neuartige Kupferlegierungen zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Festigkeit, hohe Duktilität und gute Abnutzungsbeständigkeit besitzen und insbesondere zur Verwendung für Synchronisierringe in Kraftfahrzeuggetrieben geeignet sind.

Die Aufgabe wird durch die kennzeichnenden Merkmale der Ansprüche 1 bzw 3 gelöst.

Fachmann ist ein auf Kupferlegierungen spezialisierter, diplomierter Ingenieur.

Die Gegenstände nach den Ansprüchen 1 und 3 sind unbestritten neu und beruhen auf erfinderischer Tätigkeit.

Nächstkommend sind die Entgegenhaltungen (1), (2) und (6).

Die von der Einsprechenden zuletzt in den Vordergrund gestellte DE 38 05 794 A1 (6) betrifft eine verschleißfeste Kupferlegierung für Synchronringe auf der Basis von ca 42 bis 80 Gew.-% Kupfer, in (6) als verbleibender Restanteil neben der Summe der Beimengungen genannt. An Legierungselementen sind in Gew.-% genannt 17 bis 40 % Zink, 2 bis 11 % Aluminium und 0,1 bis 3,5 % mindestens eines der Elemente Zirkon, Titan und Vanadium sowie 0 bis 2,5 % Zinn, 0 bis 0,5 % Silizium, 0 bis 4 % Mangan und 0 bis 1,5 % Blei. Insoweit überdecken sich diese Gehalte der einzelnen Elemente mit denen der streitpatentgemäßen Kupferlegierungen.

Im Unterschied zur beanspruchten Zusammensetzung enthält die Legierung nach (6) weder Niob noch Molybdän, dafür aber 0 bis 0,3 Gew.-% mindestens eines der Elemente Phosphor, Magnesium und Kalzium zur Verminderung der in der Matrix dispergierten intermetallischen Verbindungen sowie 50 bis 3000 ppm Sauerstoff O2 zur Bildung von Oxiden mit Al, Ti, Zr, V bzw Si zur Erhöhung des Reibungskoeffizienten und der Verschleißfestigkeit.

Aufgrund dieser Lehre gibt es für den Fachmann weder einen Grund, zur Erhöhung der Abriebfestigkeit nach anderen Legierungsbestandteilen im Stand der Technik zu suchen, noch den dazu dienenden Sauerstoff und die zur Kornverfeinerung dienenden Zugaben von Phosphor, Magnesium und Kalzium nunmehr wegzulassen und stattdessen dafür andere Elemente zu suchen und speziell auf Niob bzw Molybdän zurückzugreifen. Schon deshalb liegt eine Zusammenschau der Entgegenhaltung (6) mit der DE 38 42 873 A1 (7) oder der US 41 48 635 (1) nicht nahe.

Die Entgegenhaltungen (7) bzw (1) vermitteln selbst auch keine Anregung zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, nämlich zu einer Erhöhung der Abriebfestigkeit die Elemente Niob oder Molybdän zu verwenden.

So zielt die DE 38 42 873 A1 (7) darauf ab, bei guter Verarbeitbarkeit eine hohe Beständigkeit gegen thermomechanische Ermüdung durch die Bildung von ß-Messing nach einer Hochtemperatur-Lösungswärmebehandlung und Temperung zu erreichen. Gegenüber der beanspruchten abriebfesten Legierung fehlen in diesem bekannten Fall die Elemente Zinn, Eisen, Nickel und Kobalt. Für die Beständigkeit gegen thermomechanische Ermüdung wird die merkliche Korngrößenreduktion verantwortlich gemacht, die man durch Wechselwirkungen infolge der Bildung einer tertiären intermetallischen Verbindung vom Niob-Titan-Aluminium-Typ erreicht. Zu diesem Zweck enthält die Legierung nach (7) geringe Zusatzmengen an Niob und Titan in einer Gesamtmenge von 0,01 bis 0,2 Gew.-%. Aus dieser Lehre ergibt sich für den Fachmann keinerlei Hinweis, wie für eine andere Legierungszusammensetzung eine hohe Abnutzungsbeständigkeit zu erreichen sei. Auch nicht, daß dafür eine Korngrößenreduktion geeignet sei und auch nicht, daß dazu - wie das Streitpatent lehrt - die Koexistenz zweier intermetallischer Verbindungen notwendig sei, nämlich einer von Niob oder Molybdän und einer weiteren durch eines der Elemente Zirkon, Titan oder Vanadium gebildeten.

Ohne Kenntnis der beanspruchten Zusammensetzung ist es deshalb nicht naheliegend, aus der Entgegenhaltung (7) isoliert das Element Niob auszuwählen, um es bei der Legierung nach Entgegenhaltung (6) zum Erreichen eines anderen Ziels zu verwenden.

Auch die US 41 48 635 (1) vermag in Verbindung mit der Entgegenhaltung (6) nicht einfach zum Streitpatentgegenstand zu führen. Die Schrift (1) betrifft eine Kupferlegierung, deren Widerstand gegen Hochtemperaturerweichung oberhalb ca 250 OC durch spezielle Zugabe von 0,02 bis 1 Gew.-% Niob deutlich gesteigert ist, so daß sie auch bei 350 OC eine Kombination von hoher Festigkeit mit hoher Spannungskorrosionsfestigkeit und hohem Widerstand gegen Ermüdung bietet. Sie unterscheidet sich durch höheren Kupfergehalt von den beanspruchten abnutzungsbeständigen Legierungen.

Für den Fachmann ist es auch nicht naheliegend, bei der im Kupfergehalt anderen Legierung den nach (1) speziell gegen Hochtemperaturerweichung zugefügten Niobgehalt bei einer aus Entgegenhaltung (6) bekannten Legierung für das Ziel einzusetzen, dort damit die Abriebfestigkeit dieser Legierung zu erhöhen.

Darüber hinaus müßte bei einer solchen Zusammenschau von (6) mit (7) oder (1) auch auf den der Oxidbildung dienenden Sauerstoffgehalt sowie die Zumengungen von Phosphor, Magnesium oder Kalzium gemäß (6) verzichtet werden, um zum Streitpatentgegenstand zu gelangen, was hinsichtlich gleicher Zielrichtung ebenfalls nicht naheliegt.

Aus entsprechenden Gründen führt auch eine Zusammenschau der DE 38 09 994 C2 (2) mit der DE 38 42 873 A1 (7) oder US 41 48 635 (1) nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Kupferlegierung. Zwar betrifft die Entgegenhaltung (2) eine verschleißfeste Kupferlegierung für Synchronringe und weitgehender Überdeckung der Zusammensetzung mit der beanspruchten Legierung, es fehlt dort aber ein Niob- oder Molybdängehalt. Um in diesem bekannten Fall die Abriebbeständigkeit der Oberfläche zu verbessern, wird auf der Oberfläche entweder eine Aluminiumoxidschicht erzeugt, um eine Erhitzung des Kupfers zu verringern, oder die Oberfläche wird beispielsweise durch Kugel- bzw Sandstrahlen kaltverfestigt, um den Reibverschleiß zu vermindern.

Ausgehend von dieser Schrift müßte der Fachmann das Bemühen zur Steigerung von Abriebfestigkeit durch bestimmte Oberflächenschutzschichten verlassen und nach legierungstechnischen Möglichkeiten suchen. Aus den zu den Entgegenhaltungen (7) und (1) dargelegten Gründen ist es jedoch nicht naheliegend, aus diesen Schriften (7) bzw (1) Anregungen oder Hinweise für eine Erhöhung der Abriebfestigkeit zu bekommen. Auch die Verwendung von Niob ist daraus nicht naheliegend, weil es in (7) und (1) jeweils für andere Zwecke dient.

Schließlich kann dann auch die WO 87/02 070 (8) nicht weiterhelfen, weil sie nur die Kornverfeinerung von Kupferlegierungen betrifft und kein Zusammenhang in der Weise bekannt ist, daß die Abriebfestigkeit einer Legierung gemäß (2) oder (6) allein durch Kornverfeinerungsmaßnahmen verbessert werden könnte.

Darüber hinaus weisen die aus (8) bekannten Kupferlegierungen einen gegenüber dem Streitpatent sehr viel geringeren Aluminiumgehalt auf, und vor allem sind dort für eine kornverfeinernde Wirkung etwa fünfzig Elemente als Zusatz angegeben, von denen die Legierungen nach (6) bzw (1) bereits mehrere enthalten wie Zink, Aluminium, Zirkon bzw Titan, Zinn bzw Eisen. Es würde deshalb für den Fachmann keinen Sinn machen, aus (8) weitere Elemente zur Kornverfeinerung auszuwählen unter Beibehaltung der nach (6) bzw (1) ohnehin vorhandenen, zumal auch nicht gerade Niob oder Molybdän aus der Vielzahl der genannten Elemente. Wenn aus (8) entnommen werden kann, daß Niob und Molybdän hinsichtlich der Kornverfeinerung einander entsprechen, so führt dies für sich wegen der oben dargelegten Gründe auch nicht zum Streitpatentgegenstand, weil dieser schon aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1), (2), (6) und (7) nicht nahegelegt ist und deshalb auch (8) nicht weiterhelfen kann.

Die weiteren bekanntgewordenen Druckschriften liegen ferner und lassen keine weitergehenden Gesichtspunkte erkennen.

Die abnutzungsbeständigen Kupferlegierungen nach den Ansprüchen 1 und 3 sind somit neu und beruhen auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Ansprüche 1 und 3 haben deshalb Bestand.

Die Unteransprüche 2, und 4 betreffen keine Selbstverständlichkeiten und sind daher ebenfalls bestandsfähig.

Für die Patentfähigkeit der Verwendung der Kupferlegierungen nach den Ansprüchen 1 bzw. 3 für Synchronisierringe gelten die dort genannten Gründe sinngemäß. Der Anspruch 5 hat daher ebenfalls Bestand.

Aus den von der Einsprechenden weiterhin geltendgemachten Gesichtspunkten zu den Ausführungsbeispielen und zu der niedrigen Untergrenze des Niob- bzw Molybdängehaltes konnten keine Widerrufsgründe hergeleitet werden, die zu einem Widerruf des angegriffenen Patentes hätten führen können.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Ch. Ulrich Dr. K. Vogel Heyne Dr. Henkel Bb






BPatG:
Beschluss v. 24.02.2000
Az: 13 W (pat) 11/99


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