Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 338/03
(BPatG: Beschluss v. 20.12.2005, Az.: 32 W (pat) 338/03)
Tenor
1. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
2. Der Widersprechenden werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Gründe
I.
Gegen die am 11. Januar 2002 angemeldete und am 3. Juli 2002 für die Waren und Dienstleistungen Fleisch-, Geflügel- und Wilderzeugnisse; Fisch-, Weichtier- und Krebstiererzeugnisse; Obst, Gemüse, Kartoffeln, Pilze und Küchenkräuter, als Konserve, getrocknet oder tiefgefroren; zubereitetes Obst und Gemüse einschließlich Pilze, auch tiefgefroren; zubereitete Kartoffeln, insbesondere Pommes frites, auch tiefgefroren; fertige Teil- und Komplettgerichte aus Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Weichtieren, Krebstieren, Eiern, Obst, Gemüse, Pilzen und/oder Kartoffeln, auch tiefgefroren; Nuss-, Mandel- und Pistazienkerne; Reis, Grieß, Speisestärke, Mehle und Teigwaren; Getreideflocken, Getreidepräparate; Brot; Pizzas, Pizza- und Teigtaschen, Pasteten, Sandwiches, Mehlspeisen, auch tiefgefroren; fertige Gerichte aus Teigwaren, auch tiefgefroren; Hefe, Backpulver; Salz, Senf, Essig, Mayonnaise, Saucen, Salatsaucen, Würzmittel, Gewürze; Verpflegung, Partyserviceeingetragene Wortmarke 302 01 475 Toppiesist Widerspruch erhoben worden aus der am 10. Mai 1999 angemeldeten farbigen (blau, rot, weiß) Wort-/Bildmarke 399 32 879 siehe Abb. 1 am Ende Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für die Waren 06: Aluminiumfolien; Verpackungsmaterial aus Metallfolien; Grillpfannen; Back- und Bratformen aus Aluminiumfolie; Backformen- und Pfanneneinleger aus Aluminiumfolie; Verschlussklipse und -klemmen aus Metall; mit Kunststoff beschichtete Aluminiumfolien; 16: Verpackungsmaterial aus Papier, Pappe (Karton) und/oder Kunststoff in Form von Folien, Schläuchen, Blättern, Rollen, Beuteln, Schachteln und Behältern für die Verwendung in Haushalt und Küche zum Bevorraten, Backen, Braten, Kochen, Frischhalten und Einfrieren; Eiskugelbeutel; Mikrowellenfolie; Etiketten; Folienschreiber; Back- und Bratformen aus Papier; Back- und Bratpapier; 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder damit plattiert); Gefrierformen und -dosen; Kunststoffgeschirr; Kunststofftrinkgefäße; Verschlussklipse und -klemmen aus Kunststoff; Kuchen-, Back- und Bratformen; Garhauben; Spritzschutzdeckel; Folienspender; Flaschenkühler (soweit in Klasse 21 enthalten); mit Flüssigkeit (Gel) gefüllte Behälter und Ummantelungen aus Kunststoff zum Kühlen, Erwärmen, Kalthalten und/oder Warmhalten von Getränken.
Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke.
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 7. Oktober 2003 unter Auferlegung der Kosten zu Lasten der Widersprechenden zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr sei zwischen den Vergleichsmarken nicht gegeben. Die Verpackungsmaterialien der Widerspruchsmarke seien den Lebensmitteln der jüngeren Marke nicht ähnlich. Da der Widersprechenden die Aussichtslosigkeit ihres Widerspruchs hätte klar sein müssen, sei es gerechtfertigt, ihr die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Zwischen den Marken bestehe eine Verwechslungsgefahr. In klanglicher Hinsicht lägen diese in einem sehr engen Ähnlichkeitsbereich. Wegen eines hohen Bekanntheitsgrads sei von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Hierzu stützt sich die Widersprechende auf eine Marktforschungsstudie aus dem Jahr 2000, wonach die Markenbekanntheit der Widerspruchsmarke bei über 90 % liege. Entgegen der Auffassung der Markenstelle würden die sich gegenüberstehenden Waren sehr enge Berührungspunkte aufweisen, weil sie sich täglich, nämlich im Haushalt der Verbraucher, begegneten. Die Kostenentscheidung des Patentamts entspreche keinesfalls der Billigkeit, da der Widerspruch nicht mutwillig erhoben worden sei und im Hinblick auf die Veränderung des Verbraucherleitbildes nicht aussichtslos erscheine.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Eine Verwechslungsgefahr scheitere an der fehlenden Warenähnlichkeit. Die von der Widersprechenden behauptete gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht nachgewiesen, da nur 500 Hausfrauen befragt worden seien, die Küchenfolien besäßen oder regelmäßig benutzten. Für die relevanten Verkehrskreise seien diese nicht repräsentativ.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen.
Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH GRUR 2005, 419, 422 - Räucherkate). Eine Verwechslungsgefahr kann jedoch nicht angenommen werden, wenn entweder die Vergleichszeichen oder die von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen gänzlich unähnlich und (vgl. BGH GRUR 2001, 507, 508 EVIAN/REVIAN; GRUR 2003, 428, 432 BIG BERTHA; GRUR 2004, 241, 243 GeDIOS, jeweils zur Warenunähnlichkeit). So liegt der Fall hier. Zwischen den Lebensmitteln und den Verpflegungsdienstleistungen der jüngeren Marke einerseits und den (im wesentlichen) Verpackungsmaterialien der Widerspruchsmarke andererseits besteht keine Ähnlichkeit.
Warenähnlichkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, z.B. Beschaffenheit, regelmäßige Herstellungsstätten und Vertriebswege, Verwendungszweck, Nutzung, wirtschaftliche Bedeutung, Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte, so enge Berührungspunkte vorliegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Meinung sein können, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken von - unterstellt - höchster Kennzeichnungskraft versehen sind (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 1999, 731 - Canon II).
Zutreffend hat die Markenstelle eine Ähnlichkeit zwischen Lebensmitteln und Verpackungsmaterialien verneint. Unähnlichkeit besteht grundsätzlich zwischen der Hauptware (hier Lebensmittel) und der Hilfsware, wozu insbesondere die Verpackung der Ware zählt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 116). Dass sich die Lebensmittel und die Verpackungsmaterialien täglich im Haushalt der Verbraucher begegnen, begründet entgegen der Auffassung der Widersprechenden keine Warenähnlichkeit. Wie wenig überzeugend dieses Argument ist, zeigt das von der Markeninhaberin in diesem Zusammenhang aufgezeigte Beispiel, bei der Argumentation der Widersprechenden bestünde z. B. auch eine Ähnlichkeit zwischen einem Messer und der Butter, die sich der Verbraucher morgens aufs Frühstücksbrot streicht.
Aus der fehlenden Ähnlichkeit von Lebensmitteln und Verpackungsmaterialien folgt, dass die Dienstleistungen der jüngeren Marke "Verpflegung, Partyservice" mit den Verpackungsmaterialien der Widerspruchsmarke erst recht nicht ähnlich sind. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Ähnlichkeit zwischen Waren einerseits und Dienstleistungen andererseits im Gegensatz zum Verhältnis von Waren untereinander oder von Dienstleistungen untereinander schon deshalb von vornherein zurückhaltend anzunehmen ist, weil grundlegende Abweichungen zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung bzw. dem Vertrieb einer körperlichen Ware bestehen (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O., § 9 Rdn. 126). So gilt der Erfahrungssatz, dass die Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen (soweit sie Waren hervorbringen) ähnlich sind (vgl. BGH GRUR 1999, 731, 733 - Canon II; GRUR 1999, 186, 187 - White Lion). Zwar kann unter besonderen Umständen auch zwischen einer Ware und einer Dienstleistung eine Ähnlichkeit bestehen, solche Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich.
Aufgrund der fehlenden Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit kann die Frage nach der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Markenähnlichkeit dahingestellt bleiben.
2. Die Kostenentscheidung der Markenstelle ist nicht zu beanstanden. Zwar ist vom Grundsatz auszugehen, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt (§ 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG), dennoch können Umstände eine Kostenauferlegung zu Lasten des Widersprechenden aus Billigkeitsgründen rechtfertigen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 63 Rdn. 16, § 71 Rdn. 25). Dies ist etwa bei - wie hier - ersichtlich fehlender Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen anzunehmen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rdn. 30).
3. Der Widersprechenden sind nach § 71 Abs. 1 MarkenG auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Dabei kann im wesentlichen auf die vorstehend genannten Gründe verwiesen werden, da die Kostenentscheidung nach § 71 Abs. 1 MarkenG unter den gleichen Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen ist wie die Kostenentscheidung im patentamtlichen Verfahren nach § 63 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 63 Rdn. 16). Die Weiterverfolgung des von vornherein offensichtlich aussichtslosen Widerspruchs mit der Beschwerde rechtfertigt bereits als solche die Kostenauferlegung, nachdem die Widersprechende im patentamtlichen Verfahren durch den Beschluss bereits auf diese Problematik aufmerksam gemacht worden ist und daher Anlass und Gelegenheit zur nochmaligen Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs unter dem Gesichtspunkt der zwingend erforderlichen Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen hatte.
Prof. Dr. Hacker Viereck Kruppa Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 20.12.2005
Az: 32 W (pat) 338/03
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