Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 137/02

(BPatG: Beschluss v. 19.03.2003, Az.: 28 W (pat) 137/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 11. August 2000 für die Waren

"Motorräder; Motorradbekleidung, Lederbekleidung"

eingetragene Marke BULLOSS deren Eintragung am 14. September 2000 veröffentlicht worden ist, ist Widerspruch erhoben aus der Marke 394 05 707 BULLS die seit dem 16. August 1995 für "Fahrräder und deren Teile" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, da sich die Marken im Rahmen der allein in der Klasse 12 noch gegebenen Warenähnlichkeit in Klang und Bild ausreichend unterschieden, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, zumal sich die Übereinstimmungen der Marken allenfalls in der Abwandlung und Variation der für das vorliegende Warengebiet schutzunfähigen Sachangabe "Kraft, Bulligkeit" erschöpften. Auf die Frage der (bestrittenen) Benutzung der Widerspruchsmarke komme es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Sie legt Unterlagen vor, nach denen die Widerspruchsmarke für "Fahrräder" umfangreich benutzt werde, und hält nicht nur Fahrräder und Motorräder für hochgradig ähnlich, sondern geht auf Grund einer durch starke Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch von einer Ähnlichkeit hinsichtlich der Motorrad- und Lederbekleidung aus. Da schließlich auch die Marken wegen der Übereinstimmung in Wortanfang und -ende quasi zur Identität tendierten, liege die Annahme einer Verwechslungsgefahr auf der Hand.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Nichtbenutzungseinrede aufrecht und rügt in erster Linie, dass von der Widersprechenden keine ausreichend spezifizierten Umsatzzahlen genannt seien. Des weiteren bestreitet sie eine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und hält auch die Marken für deutlich unterscheidbar, zumal die Widerspruchsmarke angesichts der Drittzeichenlage und ihrer deutlichen Anlehnung an die beschreibende Angabe "Bulligkeit" nur als kennzeichnungsschwach eingestuft werden könne.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg. Auch nach Ansicht des Senats besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen, legt man die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr implizierte Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zugrunde.

Die Widerspruchsmarke wird rechtserhaltend für die Ware Fahrräder benutzt, und zwar für beide nach § 43 MarkenG vorliegend relevanten Zeiträume (September 1995 bis 2000 und März 2003 bis 1998). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen in Form einer eidesstattlichen Versicherung und Prospektunterlagen, auf denen die Art und Weise der tatsächlichen Benutzung auf der Ware deutlich erkennbar ist. Auch die genannten Umsatzzahlen bewegen sich in einer Größenordnung, die jeden Zweifel an einer ernsthaften und wirtschaftlich sinnvollen Benutzung der Widerspruchsmarke ausschließen. Die Einwände der Markeninhaberin hiergegen liegen neben der Sache und beruhen auf einer offensichtlichen Verkennung der rechtlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Benutzung; denn weder hat ein Widersprechender die Benutzung lückenlos über den gesamten Benutzungszeitraum darzulegen noch muß er detaillierte Angaben zu Werbeprospekte u.ä. machen, wenn diese wie vorliegend lediglich die in der eidesstattlichen Versicherung angegebene Art der Benutzung (insbes. den Bezug der Marke zur Ware) belegen sollen. Aus diesem Grund kommt es auch nicht auf die Auflagenhöhe solcher Werbematerialien oder deren genaue Datierung an. Richtig ist allein, dass die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen nicht geeignet sind, den behaupteten erhöhten Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke und ggfls einen erweiterten Schutzumfang zu stützen, denn dem Vorbringen der Widersprechenden lässt sich allein entnehmen, dass die Marke gut benutzt wird. Eine solche typisch funktionsgemäße Verwendung der Marke führt aber nicht schon zwangsläufig zur Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft. Hierzu hätte es eines weitaus substantiierteren Vortrags (etwa zu Marktanteilen, geographischer Verbreitung, Dauer und Intensität der Benutzung, erreichter Bekanntheitsgrad im Verkehr usw.) bedurft, ganz abgesehen davon, dass die Markeninhaberin das Vorbringen der Widersprechenden bestritten hat.

Was die danach zu beurteilenden Waren betrifft, fehlt es hinsichtlich der Waren der Klasse 25 ersichtlich bereits an der erforderlichen Warenähnlichkeit; weshalb "Motorrad- und Lederbekleidung" mit "Fahrrädern und deren Teilen" ähnlich sein soll oder weshalb die behauptete und ohnehin durch nichts belegte gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Auswirkungen auf die Beurteilung der Warenähnlichkeit haben soll, hat die Widersprechende nicht nachvollziehbar vorgetragen. Möglicherweise hat sie die Entscheidung des Senats zur Ähnlichkeit von "Fahrrädern" und "Bekleidungsstücken" (vgl Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit, 12. Aufl. 2002, S 127) missverstanden, wo wegen der verwendeten Oberbegriffe über die gemeinsame Klammer "Sport" noch eine ausreichende Schnittmenge an Berührungspunkten festgestellt werden konnte, die in bezug auf die vorliegend maßgebliche Spezialware gerade nicht gegeben sind. Insoweit ist der Widerspruch bereits zutreffend ohne jegliche weitere Sachprüfung zurückgewiesen worden.

Was die Waren der Klasse 12 betrifft, hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass Fahrräder und Motorräder schon aufgrund ihrer historischen Entwicklung als ähnlich angesehen werden müssen dass die Waren aber eine Tendenz zur Warenferne im Rechtssinne aufweisen (Richter/Stoppel aaO mwNachw.). Nach den Feststellungen des Senats bieten nach wie vor mehrere Hersteller von Motorrädern bzw Motorrollern wie beispielsweise die Firmen BMW, Herkules, Yamaha, Peugeot unter ihrer Marke ebenfalls Fahrräder an. Gerade die wieder stark in Mode kommenden Motorroller werden gemeinsam mit Fahrrädern in denselben Vertriebsstätten angeboten und sind in ihrem Verwendungszweck etwa für den Einsatz im innerörtlichen Bereich austauschbar.

Vor diesem Warenhintergrund und dem Umstand, dass es sich bei den Waren nicht um Artikel des täglichen Verbrauchs, sondern um Güter handelt, die vom Verbraucher mit besonderer Aufmerksamkeit auch gegenüber den Warenkennzeichnungen erworben werden, sind an den von der jüngeren Marke zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand deutlich unterdurchschnittliche Anforderungen zu stellen, die vorliegend eingehalten werden. Sowohl in klanglicher wie schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Marken nicht nur durch eine unterschiedliche Silbenzahlen, sondern auch im allgemeinen Wortaufbau und vor allem der dominanten Vokalfolge, abgesehen davon, dass der Schlusskonsonant der Widerspruchsmarke mit dem vorausgehenden "l" verschleift, bei der angegriffenen Marke aber deutlich betont wird. Zwar ist richtig, dass die Widerspruchsmarke rein buchstabenmäßig vollständig in der angegriffenen Marke enthalten ist und beide Marken im Wortanfang übereinstimmen. Dennoch haben beide Markenwörter einen völlig anderen Wortcharakter mit den genannten markanten klanglichen wie schriftbildlichen Unterschieden, was dem Verkehr auch aus der Erinnerung heraus nicht zwingend nahe legt, die Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke wiederzuerkennen. Begriffliche Zusammenhänge sind für den Senat nicht erkennbar; zwar orientiert sich die Widerspruchsmarke an dem auch markenmäßig beliebten Motiv der Kraft eines Stieres, die angegriffene Marke ist demgegenüber ein reines Phantasiewort, so dass es auch insoweit keine Gemeinsamkeiten gibt (die dann ohnehin wegen des beschreibenden Charakters für sich genommen keine Verwechslungsgefahr begründen könnten).

Letztlich kann im Rahmen der Wechselwirkung zwischen Waren- und Markenähnlichkeit nicht festgestellt werden, dass mit Verwechslungen in einem entscheidungserheblichen Umfang zu rechnen ist, so dass der Widerspruch zurecht zurückgewiesen worden ist und damit auch die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte, ohne dass vorliegend Anlass zur Kostenauferlegung bestanden hätte (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.03.2003
Az: 28 W (pat) 137/02


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