Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. Oktober 2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 54/99
(BGH: Beschluss v. 11.10.2000, Az.: AnwZ (B) 54/99)
Tenor
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und der Antragstellerin die ihr entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens bis zur Erledigung wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die im Jahre 1956 geborene Antragstellerin ist seit 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1997 nahm sie eine Tätigkeit als Syndikusanwältin bei der Firma Heinrich B. Immobilien auf, einem Einzelunternehmen, das dem Kaufmann Gerald T. gehört. Dieser besitzt seit 1973 die Erlaubnis nach § 34 c GewO, Verträge über Grundstücke, Wohn- und Geschäftsräume sowie Darlehen zu vermitteln, und macht davon gelegentlich Gebrauch. Die Firma B. hat ca. 30 bis 35 Angestellte, die alle ausschließlich im Bereich der Hausverwaltung tätig sind. Der Antragstellerin wurde vertraglich die juristische Leitung in allen Bereichen der Hausverwaltung übertragen, wobei zu ihrer Tätigkeit auch die Überwachung der kaufmännischen und technischen Belange gehört. Ihr wurde Gesamtprokura erteilt.
Durch Bescheid vom 25. November 1998 hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts M. die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO a.F. widerrufen, weil die von der Antragstellerin ausgeübte Tätigkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts nicht vereinbar sei. Der Anwaltsgerichtshof hat auf Antrag der Rechtsanwältin diesen Bescheid aufgehoben und festgestellt, daß der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO a.F. nicht vorliegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin ihre Tätigkeit bei der Firma B. beendet. Sie hat daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt; die Rechtsanwaltskammer, auf die die Zuständigkeit inzwischen übergegangen ist, hat sich dem angeschlossen.
II.
Der Senat hat daher in entsprechender Anwendung von § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese sind der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil ihr Rechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.
1. Die Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts kann durch die erwerbswirtschaftliche Prägung eines Zweitberufes gefährdet sein. Interessenkollisionen kommen vor allem in Betracht, wenn ein kaufmännischer Beruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der anwaltlichen Tätigkeit stammen (BVerfGE 87, 287, 329 = NJW 1993, 317, 321). Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist eine Tätigkeit als Versicherungsmakler mit dem Beruf des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht vereinbar; denn der Versicherungsmakler könnte sich in erheblichem Maße seine aus anwaltlicher Berufsausübung gewonnenen Kenntnisse für das Versicherungsvermittlungsgeschäft zunutze machen (BGH, Beschl. v. 14. Juni 1993 -AnwZ (B) 15/93 -BRAK-Mitt. 1994, 43, 44; v. 13. Februar 1995 -AnwZ (B) 71/94 -NJW 1995, 2357; v. 21. Juli 1997 -AnwZ (B) 15/97 -BRAK-Mitt. 1997, 253, 254). Diese Gefahr besteht regelmäßig auch dann, wenn der Rechtsanwalt die Vermittlungstätigkeit nicht im eigenen Namen, sondern für eine Gesellschaft ausübt (BGH, Beschl. v. 13. Februar 1995, aaO).
Ein allgemeiner Grundsatz, wonach anwaltliche und erwerbswirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich miteinander unvereinbar sind, kommt jedoch weder in §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO a.F. noch an anderer Stelle des Gesetzes zum Ausdruck. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit rechtfertigt nur dort den Ausschluß von der Zulassung als Rechtsanwalt, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und ihr in geeigneter Weise nur mit einer Berufswahlschranke begegnet werden kann. Die rechtliche Beurteilung dieser Frage hat den konkreten Inhalt der ausgeübten zweitberuflichen Tätigkeit in jedem Einzelfall mit einzubeziehen (BVerfGE 87, 287, 328 f = NJW 1993, 317, 321).
2. Bei der Antragstellerin hat der angefochtene Beschluß entsprechende Gefahren schon deshalb zu Recht verneint, weil maklerische Tätigkeit nicht zu ihren Aufgaben gehörte.
a) Der Inhaber des Unternehmens, für das die Antragstellerin arbeitete, hat bestätigt, daß diese nicht makelnd tätig wurde und auch in keiner Weise mit den von ihm getätigten Maklergeschäften in Berührung kam. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben begründen, sind nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht aufgezeigt worden. Vielmehr bestätigen der Anstellungsvertrag und die ihm beigefügte ausführliche Tätigkeitsbeschreibung die Darstellung der Antragstellerin. Danach oblag ihr die Rechtsberatung in allen Angelegenheiten der Hausverwaltung sowie in Personalsachen und darüber hinaus die Überwachung des baulichen Zustands der Wohnanlagen. Aquisitorische Aufgaben gehörten damit nicht zu den Leistungen, die die Antragstellerin dem Unternehmen gegenüber zu erbringen hatte.
b) Eine Unvereinbarkeit dieser zweitberuflichen Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß die Antragstellerin Prokura (§ 49 HGB) erhalten hatte. Trotz dieser Vollmacht richtete sich der Tätigkeitsbereich der Antragstellerin allein nach dem Anstellungsvertrag und der ihm als Anlage beigefügten Aufgabenbeschreibung. Für die berufsrechtliche Beurteilung ist nicht auf die mit der Prokura verbundenen zivilrechtlichen Befugnisse und rechtlichen Wirkungen gegenüber Dritten, sondern auf die konkrete Gefahr von Interessenkollisionen zwischen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und dem Anwaltsberuf abzustellen. Daher hat der Senat die Aufgaben eines Leiters der Finanzdienstleistungsdirektion oder der Schadensabteilung bei Versicherungen für mit dem Anwaltsberuf vereinbar erachtet, weil in den entschiedenen Fällen eine Befugnis zur Vermittlung von Versicherungsverträgen nicht bestand bzw. auf den engsten Verwandtenkreis beschränkt war und deshalb mit einer Interessenüberschneidung nicht gerechnet werden mußte (BGH, Beschl. v. 13. Februar 1995 -AnwZ (B) 56/94 -NJW-RR 1995, 949; v.
11. Dezember 1995 -AnwZ (B) 32/95 -BRAK-Mitt. 1996, 78, 79). Der Antragstellerin war es trotz der erteilten Prokura in der dienstvertraglichen Beziehung zu ihrem Arbeitgeber nicht gestattet, maklerische Tätigkeiten aufzunehmen. Daher bestanden keine Anzeichen dafür, daß die Antragstellerin Kenntnisse, die sie als Rechtsanwältin erhalten hatte, für Maklergeschäfte verwerten oder, bezogen auf die Maklertätigkeit von Herrn T., Anwaltsmandate ihrer Auftraggeber zu deren Vorteil oder Nachteil beeinflussen würde.
c) Soweit die Antragstellerin die Interessen der Firma B. gegenüber Eigentümern, Mietern oder Dritten zu vertreten hatte, war der Schutz des rechtsuchenden Publikums vor daraus erwachsenden Pflichtenkollisionen durch die Tätigkeitsverbote des § 46 BRAO gewahrt. Auf die Vermeidung solcher Gefahren ist daher der angefochtene Bescheid zu Recht auch nicht gestützt worden.
Deppert Fischer Basdorf Ganter Salditt Müller Christian
BGH:
Beschluss v. 11.10.2000
Az: AnwZ (B) 54/99
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