Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 27. November 2014
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 41/14

(BGH: Beschluss v. 27.11.2014, Az.: AnwZ (Brfg) 41/14)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 4. Juni 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit August 1984 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit am 17. April 2013 ausgefertigtem und am 24. April 2013 dem Kläger zugestelltem Beschluss vom 10. April 2013 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Nichtunterhalten der Berufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO) und wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbeschluss hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des Antragstellers in Betracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 4/12, AnwBl. 2012, 553 Rn. 2 und vom 23. Februar 2011 - AnwZ (Brfg) 4/10, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, sind Zulassungsgründe wegen jedes die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, NVwZ-RR 2004, 391; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 124a Rn. 61).

Nach Maßgabe dieser an die Begründung des Zulassungsantrags zu stellenden Anforderungen bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags. Dort wird weder ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen. Hinsichtlich der die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs zum Widerrufsgrund nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO (Nichtunterhalten einer Berufshaftpflichtversicherung) werden keine Zulassungsgründe dargelegt.

2. Unabhängig hiervon hat der Zulassungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 m.w.N.).

a) Im Zeitpunkt des Widerrufsbeschlusses der Beklagten lag der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO vor.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten.

Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs unterhielt der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufsbeschlusses keine Berufshaftpflichtversicherung. Der Anwaltsgerichtshof hat daher zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO erfüllt waren. Der erneute Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung durch den Kläger ab dem 1. Mai 2013, d.h. nach dem Erlass des Widerrufsbeschlusses, ist nach den vorstehenden Grundsätzen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung nicht maßgeblich.

b) Auch soweit die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen hat (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.

aa) Nach Auffassung des Klägers geben die im Urteil des Anwaltsgerichtshofs aufgelisteten Forderungen den Forderungsstand der Höhe nach nicht zutreffend wieder. Die Ausführungen zur Forderung der V. Brauerei träfen nicht mehr zu, da das Darlehen durch monatliche Ratenzahlungen zurückgeführt werde. Hinsichtlich der Forderung des Herrn M. sei mit diesem zwischenzeitlich eine mündliche Einigung erzielt worden. Die vereinbarte Zahlung solle erfolgen, sobald dem Kläger der Kaufpreis für das verkaufte Grundstück in Vo. zur Verfügung stehe. Auch die Ratenzahlungen an die Raiffeisenbank Vo. seien zwischenzeitlich wieder aufgenommen worden. Die Forderungen der K. und der S. Mediengruppe seien ihm unbekannt. In Bezug auf die Forderung des Herrn B. werde mit diesem über die Rückzahlung des Darlehens verhandelt. Zudem stünden den Forderungen zur Tilgung ausreichende Vermögenswerte des Klägers gegenüber. Aus dem Verkauf des Grundstücks in Vo. stehe ihm der Kaufpreis von 514.000 € zu. Der Kaufvertrag könne nunmehr auch ab dem 1. Januar 2015 abgewickelt werden. Außerdem solle die Wohnung in G. , deren Miteigentümer der Kläger zu . sei, verkauft werden.

bb) Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass, an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist.

Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsentscheidung im Schuldnerverzeichnis eingetragen und daher der Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu vermuten war. Tatsachen, die geeignet wären, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, trägt der Kläger auch im Zulassungsverfahren nicht vor. Soweit er in der Antragsbegründung zur zwischenzeitlich erfolgten beziehungsweise von ihm erwarteten Reduzierung einiger der gegen ihn bestehenden Forderungen ausführt, rechtfertigt dies schon deshalb nicht die Zulassung der Berufung, weil - wie ausgeführt - für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist. Eine nachträgliche Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsanwalts ist nicht im Anfechtungsprozess über einen Zulassungswiderruf zu berücksichtigten; die Beurteilung solcher Entwicklungen ist vielmehr einem gesonderten Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011, aaO). Auch im Übrigen genügen die Ausführungen des Klägers nicht den Anforderungen, die an einen zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls geeigneten Vortrag zu stellen sind (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - AnwZ (Brfg) 9/14, juris Rn. 6 ff. m.w.N.).

Aus den vorstehenden Gründen ist auch der Vortrag des Klägers zu den von ihm erwarteten Erlösen aus dem Verkauf des Grundstücks in Vo. und dem beabsichtigten Verkauf einer Eigentumswohnung in G. nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Es handelt sich ebenfalls um nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens liegende und daher nicht berücksichtigungsfähige Umstände. Zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs standen dem Kläger die Veräußerungserlöse nicht als liquider Vermögenswert zur Verfügung. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es aber nach ständiger Senatsrechtsprechung entscheidend an (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2004, AnwZ (B) 3/03, ZVI 2004, 598, 599; vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 44/13, juris Rn. 5 und vom 10. März 2014, aaO Rn. 4).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser König Remmert Stüer Braeuer Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 04.06.2014 - I AGH 15/13 -






BGH:
Beschluss v. 27.11.2014
Az: AnwZ (Brfg) 41/14


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