Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 315/04
(BPatG: Beschluss v. 31.05.2005, Az.: 27 W (pat) 315/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 29. Oktober 2004 aufgehoben und die teilweise Löschung der Marke 303 26 095 für die Waren "Bekleidungsstücke, Tag- und Nachtwäsche, Sportbekleidung, insbesondere Badeanzüge, Badehosen; Strumpfwaren" angeordnet.
Gründe
I Die Widersprechende hat gegen die am 12. September 2003 veröffentlichte Eintragung der u.a. für "Bekleidungsstücke, Tag- und Nachtwäsche, Sportbekleidung, insbesondere Badeanzüge, Badehosen; Strumpfwaren" geschützten Wortmarke ELUNA
- beschränkt auf diese Waren - Widerspruch eingelegt aus ihrer am 13. Oktober 1993 für "Leib- und Nachtwäsche; Miederwaren, insbesondere Mieder, Korsetts, Korseletts; Hüfthalter und Hüftformer für Bekleidungszwecke, Strumpfhaltergürtel, Miederhöschen, Miederschlüpfer, Tanzgürtel und Büstenhalter" eingetragenen Wortmarke Elena.
Die Inhaber der angegriffenen Marke hat im Widerspruchsverfahren die Einrede der mangelnden rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben und diese Einrede auch nach Vorlage von Benutzungsunterlagen aufrechterhalten.
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit dem angefochtenen Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, ungeachtet der von der Markeninhaberin bestrittenen rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke bestehe keine Verwechslungsgefahr. Denn trotz nach Registerlage gegebener teilweiser Warenidentität bzw. hochgradiger Warenähnlichkeit halte die jüngere Marke selbst nach strengsten Maßstäben den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Das Klangbild der angegriffenen Marke weise eklatante Abweichungen von dem der Widerspruchsmarke auf, da erstere auf dem Vokal "U" betont werde, der daher deutlich hervortrete, während die ältere Marke auf der ersten Silbe betont werde, so dass der Vokal "E" eine dominante Stellung einnehme. Auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit liege nicht vor. Die Markenwörter seien verhältnismäßig kurz, so dass der Abweichung in dem jeweils dritten Buchstaben eine nicht unerhebliche Bedeutung zukomme, zumal beide Buchstaben ein deutlich verschiedenes Erscheinungsbild hätten. Darüber hinaus werde eine Verwechslungsgefahr auch dadurch vermieden, dass breiteste Verkehrskreise in dem Wort "Elena" einen weiblichen Vornamen und in dem Markenwort der angegriffenen Marke den Begriff "LUNA" für "Mond" erkennen würden.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde macht die Widersprechende geltend, dass eine Verwechslungsgefahr ihres Erachtens nicht verneint werden könne. Bei der angegriffenen Marke handele es sich um einen Fantasiebegriff. Beide Marken könnten zudem verschieden betont werden. "Elena" sei dabei an den Namen "Helene" angelehnt, der auf der zweiten Silbe betont werden könne. Die Vergleichsmarken stimmten in vier von fünf Buchstaben, davon in drei von vier klangprägenden Vokalen überein, welche am Anfang und am Ende der Markenworte stünden. Auch schriftbildlich bestehe eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit, da die Buchstaben "U" und "E" keine optisch voneinander abweichenden Ober- bzw. Unterlängen besäßen. Die Verbraucher würden die Marken nicht analysierend betrachten; da der Bestandteil "luna" in der Marke "Eluna" aufgehe, sei daher nicht zu erwarten, dass die Verbraucher das Wort "Luna" in dieser Marke erkennen würden.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses die Marke 303 26 095 Eluna für die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren zu löschen.
Die Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die Nichtbenutzungseinrede werde aufrechterhalten, da die Widerspruchsmarke lediglich als Modellbezeichnung zur Unterscheidung und Identifizierung von anderen Waren aus dem Unternehmen der Widersprechenden verwendet werde; die Verbraucher würden in der Widerspruchsmarke daher keinen Herkunftshinweis sehen. Die Widerspruchsmarke besitze nur eine geringe Kennzeichnungskraft, da im Bekleidungssektor häufig weibliche Vornamen als bloße Modellbezeichnungen verwendet würden. Hinsichtlich der Markenähnlichkeit werde auf die Ausführungen der Markenstelle Bezug genommen. Es sei abwegig anzunehmen, dass der Vokal "U" in der angegriffenen Marke derart untergehe, dass er mit dem "E" in der Widerspruchsmarke verwechselt werden könne. Die Betonung liege dabei auf jedem Fall auf dem Vokal "U", so dass dieser klanglich klar und deutlich wahrnehmbar sei. Auch schriftbildlich unterschieden sich beide Marken so deutlich, dass auch aus einiger Entfernung der Unterschied erkennbar sei.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann hinsichtlich der mit dem Widerspruch gezielt angegriffenen Waren der jüngeren Marke im Ergebnis nicht verneint werden. Denn unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht mehr ein.
1. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die beiden Zeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG (12.09.1998 - 12.09.2003) und nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (31.05.2000 - 31.05.2005) hinreichend glaubhaft gemacht. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Prokuristin der Widersprechenden vom 5. Mai 2004 und ihrer Ergänzung vom 2. August 2004 wurden in den Jahren 2001 bis 2002 3.493 bzw. 1.793 Bustiers, 38.799 bzw. 18.565 Büstenhalter und 41.418 bzw. 21.277 Slips, welche mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet waren und unter die im Warenverzeichnis genannten Waren "Leib- und Nachtwäsche; Miederwaren" fallen, vertrieben. Zwar wurden in den Jahren 1998 bis 2000 unter der Widerspruchsmarke nicht die vorgenannten Produkte, sondern Röcke und Kleider verkauft, für welche die Widerspruchsmarke nicht geschützt ist, da diese Kleidungsstücke in der Regel nicht unmittelbar am Leib getragen werden, so dass es sich bei ihnen um keine Leibwäsche i.S.d. Warenverzeichnisses handelt. Darüber hinaus ist der Vertrieb mit den vorgenannten Produkten im Jahr 2003 nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung gegenüber der für das Jahr 2002 im Gegensatz zu 2001 nur geringfügigen Rückläufigkeit des Umsatzes nunmehr deutlich zurückgegangen, da in diesem Jahr nur 223 Bustiers, 56 Büstenhalter und 283 Slips verkauft wurden. Beides steht aber einer rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen, weil eine Benutzung im gesamten Fünfjahreszeitraum nicht erforderlich ist (vgl. BGH GRUR 1999, 995, 996 - HONKA; GRUR 2000, 1038, 1039 - Kornkammer; BPatG GRUR 2001, 58, 59 - COBRA CROSS) und allein der Rückgang der Umsatzzahlen im Jahr 2003 angesichts der erheblichen Umsatzzahlen für die Jahre 2001 und 2002 noch kein hinreichendes Indiz für eine bloße Scheinbenutzung darstellt, da der Rückgang auch auf der Marktsituation beruhen kann.
Soweit die Markeninhaberin schließlich eingewandt hat, die Widerspruchsmarke werde nach den in den weiteren Unterlagen enthaltenen Angaben von der Widersprechenden nicht als Zweitmarke, sondern nur als "Modellbezeichnung" zur Unterscheidung und Identifizierung von anderen Waren aus dem Unternehmen der Widersprechenden enthalten, vermag der Senat diese Ansicht nicht zu teilen. Abgesehen davon, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung bei einer Sortenbezeichnung häufig auch eine markenmäßige Verwendung angenommen hat (vgl. BGH GRUR 1961, 280, 281 - Tosca; GRUR 1970, 552, 553 - Felina-Britta; GRUR 1974, 84, 86 - Trumph; GRUR 1984, 813, 814 - Ski-Delial), kann eine Verwendung als Sortenbezeichnung der Annahme einer markenmäßigen Benutzung nur dann entgegenstehen, wenn besondere Umstände vorliegen, wegen derer die betreffende Bezeichnung nicht (mehr) als Unterscheidungsmittel von den gleichen Produkten anderer Unternehmen angesehen werden kann, sondern nur der Unterscheidung der eigenen Produkte des Herstellers dienen soll (vgl. BGH, a.a.O. - Ski-Delial); dies wurde aber nur dann angenommen, wenn nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls eine solche Sichtweise des Verkehrs nahe lag, etwa wenn einzelne Produkte nur als unselbständige Sortimentsbestandteile angeboten wurden (vgl. BGH, a.a.O. - Ski-Delial). Solche Besonderheiten sind vorliegend aber weder ersichtlich noch von der Markeninhaberin vorgetragen; soweit sie hierzu geltend gemacht hat, dass die Widerspruchsmarke als weiblicher Vorname angesehen werden könne und eine Kennzeichnung mit weiblichen Vornamen auf dem Bekleidungssektor üblich sei, übersieht sie, dass - wie gerichtsbekannt ist - weibliche Vornamen auf dem Modesektor sehr häufig auch als Marken verwendet werden, so dass dieser Umstand für sich genommen die Annahme, die Widerspruchsmarke werde nur zur Unterscheidung der einzelnen Waren von den weiteren Produkte der Widersprechenden eingesetzt, nicht rechtfertigt. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke für die oben genannten Produkte rechtserhaltend benutzt wurde.
2. Da die nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Bustiers, Büstenhalter und Slips unter den im Warenverzeichnis der jüngeren Marke enthaltenen Oberbegriff "Bekleidungsstücke" fallen und Teil der darin ebenfalls enthaltenen Waren "Tag- und Nachtwäsche" sind, liegt in bezug auf diese angegriffenen Waren Warenidentität vor. Eine zumindest hochgradige Warenähnlichkeit, wenn nicht gar Warenidentität besteht zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "Sportbekleidung, insbesondere Badeanzüge, Badehosen", da hierzu speziell für die sportliche Betätigung abgestimmte Unterwäsche gehört, bei der es sich wiederum auch um Bustiers, Büstenhalter und Slips handeln kann. Wegen der ähnlichen Funktion von "Strumpfwaren", welche mit dem Widerspruch ebenfalls angegriffen sind, zu Unterwäsche, zu welcher Bustiers, Büstenhalter und Slips gehören, besteht auch insoweit eine beachtliche Warenähnlichkeit (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 51 Stichwort "Büstenhalter" und S. 296 Stichwort "Strumpfwaren").
3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als normal zu erachten. Soweit die Markeninhaberin meint, wegen der häufigen Verwendung von weiblichen Vornamen im Bekleidungssektor sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geschwächt, kann dem nicht beigetreten werden. Denn hierbei handelt es sich um keinen Umstand, der eine originäre Kennzeichenschwäche begründen könnte (vgl. hierzu allg. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 343 m.w.N.).
4. Entgegen der Ansicht der Markenstelle kann eine Markenähnlichkeit jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht verneint werden, was ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage einer klanglichen Ähnlichkeit für sich genommen bereits unter Berücksichtigung der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der hochgradigen Warenähnlichkeit, wenn nicht sogar zumindest teilweiser Warenidentität, die Annahme einer Verwechslungsgefahr begründet (vgl. EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Tz. 28] - Lloyd; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions).
Der einzige Unterschied zwischen den beiden Marken findet sich jeweils in der Wortmitte. Angesichts des Erfahrungssatzes, dass die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig nicht den einander gegenüberstehenden Zeichen nicht gleichzeitig begegnen, sondern ihre Auffassung nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnen (vgl. EuGH a.a.O. [Rz. 26] - Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f. - Sana/Schosana), wobei die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 569 - Cefallone), reicht dieser Unterschied nicht mehr aus, eine Verwechselbarkeit beider Zeichen hinreichend auszuschließen. Denn angesichts der Identität der übrigen Wortbestandteile kann der Verkehr - dies ist vorliegend die Allgemeinheit - insbesondere bei einer nur flüchtigen Wahrnehmung beide Zeichen trotz ihrer relativen Kürze leicht füreinander erachten, wenn er eine Marke an denselben oder hochgradig ähnlichen Produkten wahrnimmt, für welche ihm die andere Marke als Produktkennzeichnung bekannt ist. Eine solche Verwechselbarkeit beider Zeichen wird entgegen der Ansicht der Markenstelle auch nicht durch ihren unterschiedlichen Begriffsgehalt ausgeschlossen. Denn abgesehen davon, dass hiervon nur dann die Rede sein kann, wenn der Verkehr die Kennzeichnungen zutreffend wahrnimmt, wovon nach dem Vorstehenden aber gerade nicht ausgegangen werden kann, handelt es sich bei der älteren Marke weder um eine gebräuchliche Abwandlung des weiblichen Vornamens "Helena" bzw. "Helene", noch wird der Verkehr der angegriffenen Marke eine bestimmte Bedeutung zuordnen; soweit die Markenstelle gemeint hat, der Verkehr werde in der jüngeren Marke das lateinische Wort "luna" für "Mond", welches sich auch unverändert in einer Reihe romanischer Sprachen findet, erkennen, übersieht sie, dass es zum einen wegen des vorangestellten Vokals "E" hierzu einer analysierenden Betrachtung des Verkehrs bedürfte, wovon aber nicht ausgegangen werden kann (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 - PROTECH), und zum anderen eine entsprechende Sprachkenntnis bei nicht nur unerheblichen Teilen des Verkehrs nicht ohne weiteres unterstellt werden kann.
5. Da somit eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zwischen beiden Zeichen hinsichtlich der mit dem Widerspruch beschränkt angegriffenen Waren nicht mit der erforderlichen Sicherheit verneint werden kann, war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für diese Waren anzuordnen.
6. Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. van Raden Prietzel-Funk Schwarz Na
BPatG:
Beschluss v. 31.05.2005
Az: 27 W (pat) 315/04
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