Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. Juni 2006
Aktenzeichen: 4b O 238/03
(LG Düsseldorf: Urteil v. 29.06.2006, Az.: 4b O 238/03)
Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Plasmadüsen, die geeignet sind und bestimmt sind zur Durchführung eines Verfahrens zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken mit Flüssigkeiten durch Oberflächenvorbehandlung mittels elektrischer Entladung, bei dem durch eine Plasmaentladung unter Zufuhr eines Arbeitsgases ein gebündelter Strahl eines reaktiven Mediums erzeugt wird, bei dem die Plasmaentladung als Bogenentladung erzeugt wird und bei dem die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit diesem Strahl überstrichen wird, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Bogenentladung mit Hilfe einer Hochfrequenz-Wechselspannung betrieben wird,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
ohne
- im Falle des Anbietens den Angebotsempfänger unübersehbar schriftlich darauf hinzuweisen, dass ohne die Zustimmung der Klägerin die Plasmadüse nicht zur Durchführung des vorbeschriebenen Verfahrens verwendet werden darf, und
- im Falle der Lieferung dem Abnehmer die Verpflichtung aufzuerlegen, das vorbeschriebene Verfahren bei Meidung einer für jeden Benutzungsfall fällig werdenden, an die Klägerin zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,-- Euro (in Worten: sechstausend Euro) nicht ohne Zustimmung der Klägerin durchzuführen;
2.
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. November 2001 begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
wobei der Beklagten vorbehalten wird, auf ihr Verlangen die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und nicht-gewerblichen Abnehmer nicht der Klägerin, sondern einem von dieser zu bezeichnenden ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die Kosten der Einschaltung übernimmt und ihn ermächtigt und zugleich verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Name oder eine bestimmte Anschrift in der erteilten Rechnung enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 30. November 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,-- Euro.
Tatbestand
Die Klägerin ist alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte, eingetragene Inhaberin des u.a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents X (Klagepatent). Das Klagepatent, das eine Priorität vom 1. September 1995 in Anspruch nimmt, ist am 29. August 1996 angemeldet worden. Die Erteilung des Klagepatents ist am 31. Oktober 2001 bekanntgemacht worden.
Gegen das Klagepatent ist von der Beklagten sowie von Dritten ein Einspruchsverfahren durchgeführt worden, in dessen Rahmen die Klägerin den Patentanspruch 1 in eingeschränkter Fassung verteidigt hat. Mit der Entscheidung vom 5. Juli 2005 hat die Einspruchsabteilung des Klagepatent im eingeschränkten Umfang aufrechterhalten. Gegen diese Zwischenentscheidung haben die Beklagte sowie Dritte Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken. Die Verfahrenssprache des Klagepatents ist Deutsch. Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat in der durch die Zwischenentscheidung des EPA vom 5. Juli 2005 aufrechterhaltenen Fassung folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken mit Flüssigkeiten, durch Oberflächenvorbehandlung mittels elektrischer Entladung, bei dem durch eine Plasmaentladung unter Zufuhr eines Arbeitsgases ein gebündelter Strahl eines reaktiven Mediums erzeugt wird, bei dem die Plasmaentladung als Bogenentladung erzeugt wird und bei dem zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit diesem Strahl überstrichen wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Bogenentladung mit Hilfe einer Hochfrequenz-Wechselspannung betrieben wird."
Die nachfolgende Abbildung (verkleinerte Figur 1 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
Gestützt auf das Klagepatent wendet sich die Klägerin gegen einen von der Beklagten unter der Bezeichnung "X" angebotenen Plasma-Generator, zu dem sie als Anlage L6 eine Produktbeschreibung vorlegt. Dieser Produktbeschreibung zufolge wird der Generator insbesondere bei der Vorbehandlung von Formenteilen, Profilen und Klebenuten eingesetzt. Unter der Überschrift "Anwendung" heißt es auszugsweise:
"Der Generator erzeugt eine Hochspannungsentladung in der Düse, das dabei entstehende, nahezu potentialfreie Plasma wird auf die zu behandelnde Oberfläche übertragen."
Unter der Überschrift "Aufbau" ist u.a. ausgeführt:
"Das Gerät besteht aus einem Halbleiter-Generator in 19"-Bauweise mit einem integrierten Transformator zur Hochspannungserzeugung sowie der Elektrode zur Funkenentladung (Plasma)."
Anlage L6 ist nachfolgend verkleinert eingeblendet:
Die Klägerin ist der Auffassung, die streitbefangene Vorrichtung diene bestimmungsgemäß dazu, von sämtlichen Merkmalen des geschützten Verfahrens wortsinngemäß Gebrauch zu machen, und verletze daher das Klagepatent mittelbar. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagte daher auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch.
Die Klägerin beantragt,
zu erkennen wie geschehen, jedoch ohne die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die gegen die Zwischenentscheidung des Europäischen Patentamts vom 5. Juli 2005 eingelegte Beschwerde auszusetzen.
Die Beklagte bestreitet den Vorwurf der Patentverletzung und führt hierzu aus: Da der Patentanspruch im Oberbegriff eine Plasmaentladung postuliere, sei auch ein Bauteil bzw. ein Verfahrensschritt erforderlich, in dem das Plasma gespannt werde, nämlich ein Plasmatron. Dies ergebe sich aus der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts betreffend das europäische Patent X und außerdem aus der Enzyklopädie "X". In der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2006 hat die Beklagte darüber hinaus erstmals vorgetragen, bei der angegriffenen Ausführungsform finde keine Bogenentladung statt.
Abgesehen vom mangelnden Benutzungstatbestand sei das Klagepatent auch nicht rechtsbeständig. Über die in dem bereits durchgeführten Einspruchsverfahren hinaus eingewandten Entgegenhaltungen stützt die Beklagte ihre Beschwerde nunmehr auch auf eine angebliche offenkundige Vorbenutzung der Klägerin durch eine "X" und eine Vorbenutzung der Beklagten unter der Bezeichnung "X" und "X". Der Verletzungsrechtsstreit seit mit Rücksicht darauf zumindest weiter auszusetzen.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist in der Sache überwiegend gerechtfertigt. Mit dem Plasma-Generator "X" verletzt die Beklagte den deutschen Teil des Klagepatents wortsinngemäß in mittelbarer Weise. Sie ist der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz verpflichtet; lediglich bei dem Rechnungslegungsantrag war der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen. Anlass, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf das anhängige Beschwerdeverfahren einstweilen auszusetzen, besteht nicht.
I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit von Werkstücken mit Flüssigkeiten durch Oberflächen-Vorbehandlung. Soll ein Werkstück oberflächenbeschichtet, lackiert oder geklebt werden, ist häufig eine Vorbehandlung erforderlich, durch die Verunreinigungen von der Oberfläche entfernt werden und dadurch die Molekülstruktur - insbesondere bei Werkstücken aus Kunststoff - so verändert wird, dass die Oberfläche mit Flüssigkeiten wie Kleber, Lacken und dergleichen benetzt werden kann. Ein solches bekanntes Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs beschreibt der Artikel "X", bei dem die Bogenentladung mit einer Gleichspannung betrieben wird. Ein weiteres bekanntes Verfahren besteht darin, eine Korona-Entladung auf die Folienoberfläche einwirken zu lassen und zu diesem Zweck die Folie durch einen schmalen Spalt zwischen den Korona-Elektroden hindurchzuführen. Die Klagepatentschrift bemerkt dazu, dass dieses Verfahren nur bei relativ dünnen Folien anwendbar ist. Sie kritisiert, dass es zu einer unerwünschten Vorbehandlung der Rückseite der Folie kommen kann, beispielsweise wenn sich zwischen der rückseitigen Elektrode und der Folie eine Luftblase bildet, in der eine weitere Entladung stattfindet.
Schließlich wird in der X eine Korona-Düse beschrieben, die zum Vorbehandeln der Oberfläche von dickeren Folien oder massiven Werkstücken dient und bei der zwischen den Elektroden ein oszillierend oder umlaufend geführter Luftstrom austritt, so dass man eine flächige Entladungszone erhält, in der die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit den Korona-Entladungsbüscheln überstrichen werden kann. Die Klagepatent kritisiert daran, dass die beschriebene Korona-Düse sich nicht für die Vorbehandlung von Werkstücken mit einem verhältnismäßig tiefen Relief eignet, da Innenecken, tiefe Nuten und dergleichen mit der flächig ausgedehnten Entladungszone dieser Düse nicht oder nur schwer zu erreichen sind. Weiter kritisiert sie, dass diese bekannte Korona-Düse eine verhältnismäßig aufwendige und sperrige Konstruktion besitzt, da für die Erzeugung des oszillierenden bzw. umlaufenden Luftstroms ein Motorantrieb erforderlich ist.
Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik bezeichnet es die Klagepatentschrift als die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe (das technische Problem), ein Verfahren zur Vorbehandlung von Werkstückoberflächen mittels elektrischer Entladung anzugeben, das sich auch bei Werkstückoberflächen mit einem relativ komplizierten Relief anwenden lässt.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:
1.
Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken mit Flüssigkeiten durch Oberflächen-Vorbehandlung mittels elektrischer Entladung.
2.
Es wird durch
a) eine Plasmaentladung
b) unter Zufuhr eines Arbeitsgases
c) ein gebündelter Strahl
d) eines reaktiven Mediums erzeugt.
3.
Die Plasmaentladung wird als Bogenentladung erzeugt.
4.
Die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks wird mit diesem Strahl überstrichen.
5.
Die Bogenentladung wird mit Hilfe einer Hochfrequenz-Wechselspannung betrieben.
Die Klagepatentschrift stellt heraus, dass sich das patentgemäße Verfahren zur Behandlung sowohl von leitenden als auch von nichtleitenden Werkstücken, insbesondere von Werkstücken aus Kunststoff eignet. Sie führt weiter aus, dass sich gezeigt hat, dass sich auf die beschriebene Weise ein Strahl erzeugen lässt, der einerseits chemisch so aktiv ist, dass eine wirksame Oberflächen-Vorbehandlung erreicht wird, dieser andererseits jedoch eine so niedrige Temperatur besitzen kann, dass auch empfindliche Oberflächen nicht beschädigt werden.
II.
Der streitbefangene Plasma-Generator "X" der Beklagten stellt ein Mittel dar, das bestimmt und geeignet ist, von der technischen Lehre des Klagepatents dem Wortsinn nach Gebrauch zu machen.
Die Beklagte selbst zieht dies nur in zweierlei Hinsicht in Zweifel. Zum einen hat sie in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen behauptet, die angegriffene Ausführungsform erzeuge keine Plasmaentladung (Merkmal 3). Zum Anderen hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2005 erstmals vorgetragen, bei der angegriffenen Ausführungsform finde keine Bogenentladung statt (Merkmal 3 und 5).
Da die Verwirklichung der Merkmale 1, 2 und 4 zwischen den Parteien unstreitig ist, erübrigen sich nähere Ausführungen dazu. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist hingegen auch von der Verwirklichung der streitigen Merkmale 3 und 5 auszugehen.
1.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die angegriffene Ausführungsform sei nicht dazu bestimmt und geeignet, bei einem Verfahren eingesetzt zu werden, das eine Plasmaentladung aufweist, verlässt sie die anerkannten Grundsätze der Auslegung von Patentansprüchen. Gemäß Artikel 69 Abs. 1 EPÜ ist maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent unter Schutz gestellt ist, der Inhalt der Patentansprüche. Dabei ist im Rahmen der Auslegung der Sinngehalt der von der Patentschrift verwandten Worte zu ermitteln, wobei die Beschreibung und Zeichnung der Patentschrift zur Auslegung des Schutzumfangs des Patentanspruchs heranzuziehen sind. Begriffe in den Patentansprüchen sind demnach so zu deuten, wie der angesprochene Fachmann sie nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung versteht (BGH, GRUR 2001, 232 - Brieflocher). Benutzt das Patent Begriffe in einer Bedeutung, die von dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch abweichen, so ist das Patent selbst sein eigenes Lexikon (BGH, GRUR 1999, 909 - Spannschraube).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erkennt der Fachmann, dass die vom Patentanspruch 1 gelehrte Plasmaentladung nicht mit einer in wissenschaftlichen Abhandlungen erörterten Plasmaentladung gleichzusetzen ist. Die Beschreibung des Klagepatents belehrt ihn vielmehr darüber, dass sich die Heranziehung derartig theoretischwissenschaftlicher Abhandlungen geradezu verbietet. In der Beschreibung des Klagepatents (vgl. Anlage L1, Abs. [0025]) heißt es ausdrücklich:
"Ob es sich hier bei der als Plasmastrahl (34) bezeichneten "Flamme" tatsächlich um ein Plasma im eigentlichen Sinne, d.h. um ein teilweise ionisiertes Medium handelt, ist nicht vollständig gesichert. [...] Möglicherweise handelt es sich bei der "Flamme" nur um ein schwach ionisiertes Plasma oder um ein Medium, das lediglich freier Radikale oder angeregte Atome oder Moleküle enthält. Es konnte jedoch zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass der Plasmastrahl (34) die gewünschte vorbehandelnde Wirkung auf die in den Strahl gebrachten Werkstückoberflächen hat."
Der Fachmann entnimmt dem, dass der in dem Patentanspruch enthaltene Begriff "Plasmaentladung" vom Patent in einer ganz bestimmten Weise verstanden wird. Auch im Hinblick auf die Aufgabe, die sich das Patent gestellt hat, einen gebündelten Strahl zu erzeugen, der chemisch ausreichend aktiv ist, um eine wirksame Oberflächen-Vorbehandlung herbeiführen zu können, der zugleich jedoch eine niedrige Temperatur hat, so dass Werkstücke aus Kunststoff keinen Schaden nehmen, erschließt sich für den Fachmann, welche Anforderungen die Patentschrift an die von ihr gelehrte "Plasmaentladung" stellt.
Zu einem solchen gebündelten, niedrig temperierten Strahl kommt es unstreitig auch bei der angegriffenen Ausführungsform, so dass auch bei diesem eine Plasmaentladung im Sinne des Klagepatents auftritt. Dies folgt im übrigen bereits daraus, dass die Beklagte bezeichnenderweise selbst stets von einem "Plasma" spricht (vgl. Anlage L 6). Eines Plasmatrons zur Spannung des Plasmas bedarf es dabei nicht.
2.
Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2006 erstmals vorgetragene Bestreiten einer Bogenentladung bei der angegriffenen Ausführungsform ist aus mehreren Gründen im Rechtsstreit nicht zu beachten. Für den Rechtsstreit ist als unstreitig anzusehen, dass die angegriffene Ausführungsform eine Bogenentladung im Sinne von Merkmal 3 und 5 erzeugt.
a)
Das Vorbringen der Beklagten ist verspätet, ohne dass sie dafür eine hinreichende Entschuldigung gegeben hat. Noch in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2005 hatte die Beklagte vorgetragen, ihre Vorrichtung sei keineswegs in der Lage, die Bogenentladung mit Hilfe einer Korona-Entladung zu zünden. Das Bestreiten im Termin zur mündlichen Verhandlung stellt dem gegenüber ein gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisendes Verteidigungsmittel dar. Der Beklagten war im Zusammenhang mit der Terminierung des Rechtsstreits nach dem Wiederaufruf durch die Klägerin eine Erwiderungsfrist bis zum 9. September 2005 gesetzt worden, die auf Antrag der Beklagten vom 9. August 2005 um einen Monat verlängert wurde. Spätestens in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 10. Oktober 2005 hätte die Beklagte daher das Vorhandensein des Merkmales bestreiten müssen. Die Zulassung würde den Rechtsstreit verzögern, da das Merkmal dadurch erstmals streitig gestellt worden ist und im Wege der Beweisaufnahme geklärt werden müsste, wessen Behauptung richtig ist. Die Beklagte hat das späte Vorbringen auch nicht hinreichend entschuldigt. Der von ihr vorgetragene Umstand, das Merkmal der Bogenentladung sei erst durch die Zwischenentscheidung des Europäischen Patentamts vom 5. Juli 2005 in den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs gelangt, entschuldigt die Verspätung nicht. Zum einen wäre diese Entscheidung schon bis zum Ablauf der - bereits erwähnten - gesetzten Frist von der Beklagten in ihrem Vortrag zu berücksichtigen gewesen. Zum anderen war das Merkmal auch zuvor bereits im Patentanspruch enthalten, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Anspruchs befindet.
Das Verteidigungsmittel der Beklagten ist auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung, für die die vorstehenden Ausführungen entsprechend gelten, gemäß § 296 Abs. 2 in Verbindung mit § 282 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Verspätung beruht auf grober Nachlässigkeit, da sich der in einem Patentverletzungsrechtsstreit in Anspruch Genommene unmittelbar ein Bild der ihm zum Vorwurf gemachten Patentverletzung machen muss und dabei die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs zu prüfen hat. Dieser Sorgfaltsanforderung genügt es nicht, noch in einem Schriftsatz vom 10. Oktober 2005 das Vorhandensein einer Bogenentladung als solcher nicht in Abrede zu stellen, sondern lediglich die Art und Weise ihrer Auslösung zu bestreiten und damit letztlich das Vorliegen einer Bogenentladung selbst einzuräumen, in der mündlichen Verhandlung dann aber generell zu bestreiten, dass eine Bogenentladung entsteht.
b)
Im Hinblick auf den letztgenannten Umstand ist das Vorbringen der Beklagten auch widersprüchlich und aus diesem Grunde nicht beachtlich. Die Beklagte konnte insbesondere nicht den Widerspruch zu ihrer eigenen Produktbeschreibung ausräumen, in der von einer Punktentladung die Rede ist, die - wie die Klägerin bereits in der Klageschrift vorgetragen hat und was in der Folgezeit unbestritten geblieben ist - mit einer Bogenentladung gleichzusetzen ist.
3.
Die angegriffene Ausführungsform ist ein Mittel, dass sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Dies sind solche, die nach ihrer Wirkungsweise dazu geeignet sind, einen Eingriff in den Schutzgegenstand des Klagepatents nach sich zu ziehen. Das Mittel muss geeignet sein, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Dies ist hier der Fall, da die angegriffene Ausführungsform nach der Produktbeschreibung - und wie bereits dargestellt - das vom Klagepatent geschützte Verfahren ausführt.
Im Hinblick auf die soeben zitierte Produktbeschreibung, die die Klägerin als Anlage L 6 vorgelegt hat, kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die angegriffene Ausführungsform von der Beklagten dazu bestimmt wurde, zur Durchführung des geschützten Verfahrens benutzt zu werden.
III.
Da die Beklagte von dem Klageschutzrecht im dargestellten Umfang widerrechtlich Gebrauch gemacht hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung (Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG) verpflichtet. Die Handlungen der Beklagten rechtfertigen es, ihr das Angebot und das Inverkehrbringen schlechthin zu untersagen, da nach der ausdrücklichen Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2006 unstreitig ist, dass die angegriffene Ausführungsform nicht patentfrei benutzt werden kann. Im Hinblick darauf war der Beklagten auf Antrag der Klägerin für das Inverkehrbringen - als demgegenüber mildere Maßnahme - auch aufzuerlegen, mit Abnehmern eine strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung aufzuerlegen.
Weil der Beklagten als Fachunternehmen ein mindestens fahrlässiges Verschulden zur Last fällt, ist sie der Klägerin außerdem zum Schadenersatz (Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG) verpflichtet. Aufgrund der geschilderten Umstände, insbesondere der Verwendungsangabe in der Leistungsbeschreibung der Beklagten, ist nach der Lebenswahrscheinlichkeit anzunehmen, dass ein Abnehmer der Beklagten zumindest in einem Fall die angegriffene Ausführungsform zur Durchführung des patentgeschützten Verfahrens benutzt hat. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadenersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, hat die Beklagte im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Verletzungshandlungen zu legen (Artikel 64 EPÜ, § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB), wobei ihr hinsichtlich der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (InstGE 3, 176 - Glasscheiben-Befestiger) - auch von Amts wegen - ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen war.
IV.
Anlass, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht. Nachdem die Kammer den Rechtsstreit durch Beschluss vom 22. April 2004 bereits bis zur Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch ausgesetzt hatte und die fachkundige Einspruchsabteilung das Klagepatent weitgehend aufrechterhalten hat, wäre nur dann Raum für eine weitere Aussetzung, wenn im Beschwerdeverfahren neuer, bisher noch nicht berücksichtigter Stand der Technik entgegengehalten wird, der der Erfindung ersichtlich näher kommt als die gewürdigten Schriften.
Neu eingewandt wird nur die angeblich offenkundige Vorbenutzung der Klägerin (X) und der Beklagten (X). Bezüglich der von der Beklagten geltend gemachten Vorbenutzung durch die Klägerin ist zwischen den Parteien schon streitig, ob diese zur Benutzung des patentgemäßen Verfahrens geeignet war, wogegen die Beschreibung in der Bedienungsanleitung der Vorbehandlungsanlage spricht, in der von Korona-Düsen mit rotierendem Innenrohr die Rede ist. Im Hinblick auf die Vorbenutzung der Beklagten selbst ist streitig, ob die Vorbenutzung vor dem Prioritätstag stattgefunden hat. Da aus diesen Gründen in Bezug auf die Vorbenutzung eine Beweisaufnahme erforderlich wäre, deren Ausgang offen ist und keinen sicheren Schluss auf eine überwiegend wahrscheinliche Vernichtung des Klagepatents zulässt, ist eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits nicht angezeigt.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
VI.
Der Streitwert wird auf 750.000,-- Euro festgesetzt (§ 3 ZPO, § 63 Abs. 2 GKG).
Von dem Streitwert entfallen auf den Unterlassungsantrag 500.000,-- Euro, auf den Antrag auf Feststellung der Schadenersatzverpflichtung 200.000,-- Euro und auf den Auskunftsantrag 50.000,-- Euro.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 29.06.2006
Az: 4b O 238/03
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