Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. April 2004
Aktenzeichen: I-20 U 12/04
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 20.04.2004, Az.: I-20 U 12/04)
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin werden unter Zurückweisung des diesbezüg-lichen weitergehenden Rechtsmittels und Zurückweisung der diesbezüglichen weitergehenden Verfügungsanträge die hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. und 2. ergangenen Urteile der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2003 zum Teil abgeändert, und zwar dahinge-hend, dass jeweils unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250000 Euro, ersatzwei-se Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten,
die Antragsgegnerin zu 1. verurteilt wird, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das „Aromatsystem“, insbesondere den „Aromat-Kaffedispenser“ und die „Aromat-Kaffeekonzentrate“ mit der Aussage zu werben:
„das Aromat-Kaffeesystem ist der rationellste Weg, Ihre Kunden mit hochwerti-gem, frischem Kaffee zu versorgen, 24 Stunden am Tag.“,
und zwar wie aus der nachstehend wiedergegebenen Abbildung ersicht-lich:
die Antragsgegnerin zu 2. verurteilt wird, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das „Aromatsystem“, insbesondere den „Aromat-Kaffedispenser“ und die „Aromat-Kaffeekonzentrate“, mit der Aussage zu werben:
„Frische€ Sofort! Frischer Kaffee auf Knopfdruck, 24 Stunden am Tag.“,
und zwar wie aus der nachstehend wiedergegebenen Abbildung ersichtlich:
Die Berufung der Antragstellerin gegen das hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3. ergangene Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der erstinstanzlichen Verfahren gegen die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. werden jeweils gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des erstinstanzli-chen Verfahrens gegen die Antragstellerin zu 3. hat die Antragstellerin allein zu tragen. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und ihre diesbezüglichen eigenen Kosten zu 5/8 zu tragen, ebenso jeweils die Hälfte der diesbezüglichen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen zu 1. und zu 2. und die gesamten diesbezüglichen Kosten der Antragsgegnerin zu 3. Zu 1/8 fallen die Gerichtskosten der zweiten Instanz und die diesbezüglichen außerge-richtlichen Kosten der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu 1. zur Last, zu ¼ der Antragsgegnerin zu 2.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin zu 2. bietet unter der Bezeichnung "Aromat" bundesweit gewerblichen oder behördlichen Endverbrauchern zum Einsatz etwa in Büros oder Kantinen ein Kaffeeversorgungssystem an, in dessen Kaffeemaschinen kein gemahlener Röstkaffee zum Brühen des fertigen Getränks eingesetzt wird, sondern ein tiefgefrorenes flüssiges Kaffeekonzentrat. Um es herzustellen, wird Kaffee geröstet, gemahlen und in einem speziellen Brühprozess in einen flüssigen Extrakt umgewandelt, der etwa 20 bis 25 mal stärker ist als trinkfähiger Kaffee. Der Extrakt wird abgekühlt, luftdicht verpackt und tiefgefroren; er weist eine Haltbarkeit von mindestens 15 Monaten auf, so die Antragstellerin, oder von bis zu 24 Monaten, so die Antragsgegnerinnen. Zur Anwendung wird das Konzentrat aufgetaut und in den Kaffeemaschinen mit heißem Wasser auf die gewünschte Trinkstärke gebracht. In anderen auf dem Markt verbreiteten Kaffeesystemen finden Kaffeebohnen, gemahlenes Kaffeepulver oder löslicher Kaffee Verwendung.
Die Antragsgegnerin zu 2. gibt ein Faltblatt über ihr System heraus, in dem es unter anderem heißt: "Sie brauchen weder eigens geschultes Personal noch eine genaue Bedarfsplanung - unsere Automaten geben auf Knopfdruck bis zu 4,8 Liter (30 Tassen) frisch zubereiteten Kaffee pro Minute aus, und das ohne Zutaten zu verschwenden." Das Faltblatt ist im Anhang des vorliegenden Urteils leicht verkleinert wiedergegeben (gemäß der Anlage ASH 2 in 20 U 12/04). Das querrechteckige Blatt ist in vertikaler Richtung zweimal so gefaltet, dass zunächst der rechte Seitenteil über den Mittelteil und dann der linke Seitenteil über den den Mittelteil bedeckenden rechten Seitenteil gelegt wird. Das erste Blatt der Anlage zeigt die Außenseite des linken Seitenteils, die die Vorderseite des Prospekts in gefaltetem Zustand bildet, das zweite Blatt die Innenseite des linken Seitenteils, das dritte Blatt die Innenseite des Mittelteils, das vierte Blatt die Innenseite des rechten Seitenteils, das fünfte Blatt die Außenseite des rechten Seitenteils und das sechste Blatt die Außenseite des Mittelteils; das sechste Blatt bildet die Rückseite des Prospekts in gefaltetem Zustand. In aufgeschlagenem Zustand zeigt das Faltblatt innen von links nach rechts das zweite, dritte und vierte Blatt der Anlage nebeneinander.
Zudem finden sich auf der Internet-Seite www.aromat.de der Antragsgegnerin zu 2., die in der Formel des vorliegenden Urteils an zweiter Stelle wiedergegeben ist (gemäß der Anlage ASD 2 in 20 U 13/04), folgende Werbeaussagen: "Kaffeesysteme€ Maßgeschneidert! Frischer aromatischer Kaffee den ganzen Tag. Kostengünstig. Schnell und effizient. Die Basis: flüssige Kaffeekonzentrate, eingesetzt in Dosenform ... Frische€ Sofort! Frischer Kaffee auf Knopfdruck 24 Stunden am Tag..
Die Antragsgegnerinnen zu 1. und 3. vertreiben das System der Antragsgegnerin zu 1. unter Verwendung des Faltblatts weiter.
Die Antragsgegnerin zu 1. wirbt zudem auf ihren Internetseiten www.scanomat.de und www.kaffeekonzepte, die in der Formel des vorliegenden Urteils an erster Stelle wiedergegeben sind (gemäß der Anlage ASD 1 in 20 U 12/04), mit folgenden Aussagen: "Das AROMAT-Kaffeesystem ist der rationellste Weg, Ihre Kunden mit hochwertigem, frischem Kaffee zu versorgen, 24 Stunden am Tag. ... Frischer Kaffee auf Knopfdruck 24 Stunden am Tag. ... Wir garantieren frischen, geschmackvollen AROMAT-Kaffee, so schnell Sie ihn brauchen, immer genauso viel Sie brauchen."
Die Antragstellerin, die ein gleiches Kaffeeversorgungssystem wie die Antragsgegnerinnen unter der Bezeichnung "Cafitesse" vertreibt, hält in Bezug auf das System - es habe insgesamt nur einen Marktanteil von unter 10 % - die Verwendung der Werbeangaben "frisch zubereiteter Kaffee", "frischer Kaffee" und "Frische" gegenüber den angesprochenen gewerblichen Abnehmern nach § 3 UWG für irreführend. Ein haltbar gemachtes Lebensmittel dürfe für sich von vornherein nicht in Anspruch nehmen, frisch zu sein. Unter "frischem Kaffee" verstehe der Verkehr den frisch gerösteten, alsbald gemahlenen und dann zubereiteten Kaffee. Unter "frisch zubereitetem Kaffee" werde das nach der traditionellen Methode durch Hinzufügen von heißem Wasser zu gemahlenem Röstkaffee gewonnene Getränk verstanden. Hierzu bezieht sich die Antragstellerin auf die Ergebnisse einer von ihr vorgelegten Verkehrsbefragung der GfK Marktforschung vom 28. November 2003 (Anlage ASD 7 in 20 U 12/04). Die Antragstellerin will von der Werbung nicht vor dem 14. Oktober 2003 erfahren haben. Sie hat die Antragsgegnerinnen in drei getrennten Eilverfahren (34 O 179, 180 und 181/03) auf Unterlassung der Werbeaussagen in Anspruch genommen.
Die Antragsgegnerinnen haben die beanstandeten Werbeaussagen als zutreffend verteidigt. Sie haben darauf abgestellt, dass bei dem in Rede stehenden Verfahren frische und frisch geröstete Kaffeebohnen zum Einsatz kämen und der Kaffee durch Aufbrühen hergestellt werde. Das unmittelbar nach Brühen von Kaffee vorhandene Aroma bleibe durch das Tieffrieren erhalten. Zudem müssten die Aussagen im Zusammenhang der ausführlichen Beschreibungen und Erläuterungen des Produkts und seiner Zubereitungsweise gesehen werden. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sich die Aussagen an gewerbliche Interessenten nicht für Kaffee, sondern für "Kaffeesysteme" richteten. Schließlich verstoße die Antragstellerin selbst "in eklatanter Weise gegen die im vorliegenden Verfahren mit soviel Nachdruck verfochtenen Prinzipien". Es fehle an einem Verfügungsgrund, weil die Aussage: "frischer Kaffee auf Knopfdruck 24 Stunden am Tag" schon seit 1997 verwendet werde.
Mit den angefochtenen Urteilen vom 17. Dezember 2003 hat das Landgericht die Eilbegehren der Antragstellerin mangels Irreführungsgefahr zurückgewiesen. Es sei von einer grundsätzlichen Kenntnis der angesprochenen gewerblichen Verkehrskreise von den Zubereitungsmodalitäten bei Kaffeesystemen auszugehen. Aber selbst bei einer anfänglichen Unkenntnis werde eine Irreführung durch die werbliche Darstellung der Arbeit des fraglichen Systems mit Kaffeekonzentrat ausgeschlossen.
Gegen die Urteile hat die Antragstellerin jeweils Berufung eingelegt, mit denen sie ihre Eilbegehren, jetzt auch auf § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG gestützt, weiterverfolgt. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise wüssten von vornherein über den Einsatz von Kaffeekonzentrat in Kaffeeversorgungssystemen Bescheid. Die Verkehrsvorstellungen würden vielmehr durch Systeme unter Einsatz von Kaffeepulver oder ganzen Kaffeebohnen bestimmt. Unter einer "frischen Zubereitung" verstehe der Verkehr ein "frisches Aufbrühen". Der Prospekt der Antragsgegnerinnen erwecke insgesamt den Eindruck, das Kaffeegetränk werde aus vor kurzem gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen in herkömmlicher Weise durch Aufbrühen in der Kaffeemaschine gewonnen. Im Übrigen werde nicht notwendigerweise der gesamte Text des Prospekts zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich der eindeutig falschen Werbeangaben spiele eine anderweitige Aufklärung ohnehin keine Rolle mehr. Die Internetwerbung mit "frischem Kaffee" sei ohne weiteres falsch, wenn sie auf das Kaffeegetränk selbst bezogen werde, aber auch dann, wenn sie auf die eingesetzten Bohnen oder das Pulver bezogen werde; denn das eingesetzte Material sei nicht mehr frisch.
Nach einer Verbindung der Berufungsverfahren miteinander beantragt die Antragstellerin,
auf ihre Berufungen hin unter Abänderung der angefochtenen Urteile im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln
a) alle Antragsgegnerinnen zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das "Aromatsystem", insbesondere den "Aromat-Kaffedispenser" und die "Aromat-Kaffeekonzentrate" mit der Aussage zu werben:
"Unsere Automaten geben auf Knopfdruck bis zu 4,8 Liter (30 Tassen) frisch zubereiteten Kaffee pro Minute aus. ..."
b) die Antragsgegnerin zu 1. darüber hinaus zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das "Aromatsystem", insbesondere den "Aromat-Kaffedispenser" und die "Aromat-Kaffeekonzentrate" mit der Aussage zu werben:
"das Aromat-Kaffeesystem ist der rationellste Weg, Ihre Kunden mit hochwertigem, frischem Kaffee zu versorgen, 24 Stunden am Tag."
c) die Antragsgegnerin zu 2. darüber hinaus zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das "Aromatsystem", insbesondere den "Aromat-Kaffedispenser" und die "Aromat-Kaffeekonzentrate" mit der Aussage zu werben:
"Frische€ Sofort! Frischer Kaffee auf Knopfdruck, 24 Stunden am Tag",
allerdings mit der Maßgabe, dass sich die Verbote auf eine Werbung beziehen sollten, wie sie sich aus den bezeichneten Benutzungsbeispielen ergebe.
Die Antragsgegnerinnen beantragen
Zurückweisung der Berufungen.
Sie verteidigen die angefochtenen Urteile und heben hervor, dass die Vermischung des Konzentrats mit heißem Wasser unmittelbar vor dem Einfließen des Kaffees in die Tasse nach ihrem System die Bezeichnung "frisch zubereitet" rechtfertige.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufungen der Antragstellerin sind in Bezug auf alle drei Antragsgegnerinnen zulässig. Die Berufungen hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. sind teilweise begründet, die Berufung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3. ist unbegründet. Die angegriffenen Werbeaussagen sind im Zusammenhang der Internetseiten der Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. nach § 3 UWG und § 17 Abs. 1 Nr. 5 b LMBG irreführend, im Zusammenhang des von der Antragsgegnerin zu 2. stammenden, aber auch von den übrigen Antragsgegnerinnen benutzten Faltblatts sind sie es nicht.
Nach der Beschränkung der Angriffe auf die Werbung in den Zusammenhängen, in denen sie tatsächlich vorgekommen ist, sind die Verfügungsbegehren nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt gefasst. Die Ungewissheit über die Tragweite der erstrebten Urteile, die sich daraus ergab, dass nach der ursprünglichen Antragsfassung Werbeaussagen ohne Rücksicht auf die Zusammenhänge untersagt werden sollten, in denen sie ursprünglich gemacht worden waren, zugleich aber über die Bedeutung dieser Zusammenhänge für das Verkehrsverständnis der Aussagen gestritten wurde, ist behoben. Zudem stellt sich nicht mehr die Frage einer weitergehenden Begehungsgefahr.
Die Prüfung, ob die beanstandeten Werbeaussagen irreführend sind, hat auf das Verständnis abzustellen, das die angesprochenen Verkehrskreise von der Werbung gewinnen. Von der Werbung angesprochen wird nicht die Breite der am Kaffeegenuss interessierten Bevölkerung; denn mit dem von allen Antragsgegnerinnen benutzten Faltblatt und den Internetseiten der Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. wird nicht bei den potentiellen Genießern für den Absatz von Grundstoffen für die Zubereitung des Kaffeegetränks, also für geröstete Kaffeebohnen oder gemahlenen oder löslichen Kaffee oder eben auch flüssiges Kaffeekonzentrat, oder für den Absatz von Gerät zur Zubereitung des Kaffeegetränks unter Einsatz dieses Materials geworben. Angesprochen werden vielmehr die Vertreter von Unternehmen oder Behörden, die ihrerseits Teilen der Bevölkerung, wohl vor allem ihren Mitarbeitern oder Kunden, die Möglichkeit des Kaffeegenusses bieten wollen. Des Näheren werden diejenigen Vertreter von Unternehmen oder Behörden angesprochen, die über die Beschaffung eines sogenannten Kaffeeversorgungssystems zu entscheiden haben. Soweit ersichtlich, geht es dabei um die Beschaffung der den Kaffee zubereitenden und ausgebenden Maschinen und den davon bestimmten fortlaufenden Bezug des Grundstoffs für das Kaffeegetränk. Bei den den Beschaffungsentscheidungen treffenden Personen - anders vielleicht bei Kantinenpächtern - sind nicht durchweg besondere Kenntnisse und Erfahrungen über Lebens- und Genussmittel und ihre Zubereitung vorauszusetzen. Über die Anschaffung eines Kaffeeversorgungssystems werden in Unternehmen oder Behörden häufig diejenigen Personen befinden, die auch sonstige Beschaffungsentscheidungen treffen. Von den so umschriebenen Verkehrskreisen kann nicht erwartet werden, dass sie mit den unterschiedlichen Funktionsweisen vertraut sind, nach denen die auf dem Markt konkurrierenden Kaffeeversorgungssysteme arbeiten.
Wohl aber ist anzunehmen, dass die in den Unternehmen oder Behörden Verantwortlichen über die Anschaffung eines Kaffeeversorgungssystems erst aufgrund einer sorgfältigen Prüfung entscheiden. Denn der notwendige Aufwand ist beträchtlich. Die Parteien stimmen darin überein, dass es um Maschinen geht, die mehrere Tausend Euro kosten. Die angegriffene Werbung bezieht sich, wie in der Berufungsverhandlung nochmals klargestellt worden ist, nicht auf kleinere Anlagen. Die Prüfung wird sich dabei gerade auch auf die Qualität des Kaffeegetränks erstrecken, die von den verschiedenen Kaffeeversorgungssystemen zu erwarten ist. Denn die Zufriedenheit der späteren Kaffeegenießer, Mitarbeiter oder Kunden, mit der Qualität des Getränks wird für die über die Anschaffung entscheidenden Personen durchweg nicht ohne Bedeutung sein. Zu den Vorzügen eines bestimmten Kaffeegetränks gehört aber der Wohlgeschmack, der mit seiner "Frische" verbunden wird. Auch wenn die Mitglieder des zur Entscheidung berufenen Senats nicht selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, vermögen sie das - kein besonderes Wissen vorauszusetzende - Verständnis der Kreise zu erfassen.
Alle drei angegriffenen Aussagen können - für sich genommen - Fehlvorstellungen über die Beschaffenheit des Getränks hervorrufen, das das beworbene Kaffeesystem in der Lage ist, den Nutzern zur Verfügung zu stellen. Die Aussagen der beiden Internetseiten
"das Aroma-Kaffeesystem ist der rationellste Weg, Ihre Kunden mit hochwertigem, frischem Kaffee zu versorgen, 24 Stunden am Tag."
und
"Frische€ Sofort! Frischer Kaffee auf Knopfdruck, 24 Stunden am Tag",
beinhalten, der ausgegebene Kaffee sei als Produkt selbst "frisch". Die Aussage des Faltblatts
"Unsere Automaten geben auf Knopfdruck bis zu 4,8 Liter (30 Tassen) frisch zubereiteten Kaffee pro Minute aus. ..."
beinhaltet demgegenüber, der Kaffee sei "frisch" zubereitet. Denn erst die mit dem Adjektiv ausgedrückte Eigenschaft des Kaffees, überhaupt zubereitet zu sein, wird durch das Adverb "frisch" näher bestimmt. Von der Ausgabe "frischen" oder "frisch zubereiteten Kaffees" durch das System der Antragsgegnerinnen kann in Wirklichkeit aber keine Rede sein.
Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Antragstellerin, dass der Verkehr unter "frischem Kaffee", bezogen auf das Getränk, einen aus dem klassischen Ausgangsstoff - gerösteten und alsdann gemahlenen Kaffeebohnen - unmittelbar hergestellten Aufguss versteht, also kein Getränk, das unmittelbar erst aus einem haltbar gemachten Zwischenprodukt stammt, mag das Zwischenprodukt seinerseits auch aus gerösteten und alsdann gemahlenen Kaffeebohnen gefertigt sein. Das Merkmal der "Frische" wird also nicht allein auf die Zeit bezogen, die seit dem letzten Schritt auf dem Weg zum trinkfähigen Erzeugnis vergangen ist. Ein Kaffeegetränk erfüllt nicht schon dann die Erwartungen an ein "frisches" Lebens- oder Genussmittel, wenn es nur nicht abgestanden ist. Vielmehr liegt das Merkmal der Frische nur dann vor, wenn der gesamte von den gerösteten Bohnen ausgehende Herstellungsprozess des Getränks keine besonderen von den herkömmlichen Abläufen abweichenden Verzögerungen, insbesondere also keine konservierenden Zwischenstufen aufweist.
Bei vielen Lebens- und Genussmitteln legt der Verkehr auf Frische großen Wert. Für Kaffee gilt die Wertschätzung der Frische in besonderem Maße, weil mit ihr die guten Geschmacks- und Aromaqualitäten des Getränks verbunden werden. Es spielt keine Rolle, ob der Verkehr mit seiner generellen Wertschätzung "frischen Kaffees" immer Recht hat oder ob es konservierende Herstellungsverfahren gibt, gegebenenfalls auch unter Einsatz konzentrierter Zwischenprodukte, die im Ergebnis zu einem Kaffeegetränk gleich guten oder gar besseren Geschmacks und Aromas führen wie das herkömmliche und vom Verkehr vorausgesetzte Verfahren. Der Verkehr hat ein Anrecht, schon in seiner isolierten Erwartung hinsichtlich der Frische des Erzeugnisses nicht getäuscht zu werden. Wegen der besonderen Bedeutung des Merkmals der Frische für die Beurteilung der Qualität eines Kaffeegetränks sind an eine diesbezügliche Werbung strenge Maßstäbe zu legen. Der Verkehr fühlte sich mit Recht getäuscht, wenn hinsichtlich eines werblich herausgestellten und für ihn besonders wichtigen Merkmals der "Frische" das Kaffeegetränk in seinem letzten Herstellungsschritt vom Ausgangsstoff, der die Qualität des Getränks wesentlich bestimmt, völlig getrennt und das Prädikat dem Getränk schon deshalb zugebilligt würde, weil es seit dem letzten Herstellungsschritt nur nicht abgestanden ist.
Im Streitfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass überhaupt ein konservierendes Zwischenprodukt eingesetzt wird, nämlich das haltbar gemachte Flüssigkonzentrat, kann dahin stehen, wie alt bei einer klassischen Herstellung des Kaffeegetränks das Ausgangsprodukt der gerösteten und gemahlenen Bohnen sein darf, damit noch von "frischem Kaffee" gesprochen werden kann.
Der Senat teilt im Ausgangspunkt aber auch die Auffassung der Antragstellerin, dass die Beschreibung des ausgegebenen Getränks auf dem Faltblatt mit "frisch zubereitetem Kaffee" im Verkehr dieselbe Vorstellung erwecken kann, wie sie vorstehend für "frischen Kaffee" dargelegt worden ist: Auch der "frisch zubereitete Kaffee" kann letztlich verkürzend als "frischer Kaffee" im dargestellten Sinne erscheinen und nicht nur als ein Kaffee, dessen - letzter - Herstellungsschritt, die "Zubereitung" noch nicht allzu lange zurück liegt, der Kaffee also eben nur nicht abgestanden ist. Denn eine inhaltliche Abweichung der auf dem Faltblatt gewählten komplexeren sprachlichen Gestalt von der einfacheren sprachlichen Form der Internetseiten erschließt sich erst bei einer genaueren philologischen Betrachtung. Auf eine solche zergliedernde Betrachtung ist aber zur Feststellung der Vorstellungen, die der Verkehr von Werbeaussagen entwickelt, grundsätzlich nicht abzustellen. Auf den Streitfall bezogen, sind genaue philologische Betrachtungen - ungeachtet der Sorgfalt, mit der die fraglichen Beschaffungsentscheidungen getroffen werden, - auch von Personen nicht zu erwarten, die über die Anschaffung von Kaffeesystemen entscheiden.
Mit seinem Verständnis der angegriffenen Werbaussagen befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit den Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur. Danach ist eine Ware, wenn sie durch besondere Vorkehrungen über längere Zeit haltbar gemacht worden ist, nicht "frisch", was etwa auch für einen frisch gerösteten vakuumverpackten Röstkaffee gilt (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. § 3 UWG Rdnr. 148). Der Begriff "frisch" meint natürliche, nicht künstlich konservierte Frische (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 240). Die Kommentare stützen sich dabei auf die zu einer Werbung für gemahlenen Röstkaffee ergangenen Entscheidung "vakuum frisch II" des Oberlandesgerichts Hamburg (GRUR 1979, 63), das - wie schon zuvor in seiner Entscheidung "vakuum frisch I" (GRUR 1978, 313) - mit Recht bei der Bestimmung des Verkehrsverständnisses darauf abgestellt hat, der Verkehr schätze bei Kaffee gerade die sogenannte Röstfrische mit ihren besonderen, im Laufe der Zeit schwindenden Geschmacks- und Aromaeigenschaften; die Eigenschaften zeichneten den frisch gerösteten, sofort gemahlenen und dann zubereiteten Kaffee vor anderen aus. Das von der Antragsgegnerin vorgelegte Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. November 2003 in der Sache 5 U 45/03 (Anlage AG 2 in 20 U 12/04) ist hiervon nicht abgerückt. In der Entscheidung ist nämlich letztlich darauf abgestellt worden, dass die Aussage des dortigen Streitfalls "Jede Tasse herrlich frischer Kaffee-Genuss" hinsichtlich so genannter Kaffee-Pads in Zusammenhängen verwandt worden war, die Fehlvorstellungen ausgeschlossen haben sollen. Allerdings ist nicht verkennen, dass das Oberlandesgericht Hamburg in der neueren Entscheidung dem Einsatz von Kaffeepulver weniger Bedeutung in Bezug auf das Verkehrsverständnis von der werblich herausgestellten "Frische" des Kaffeegetränks beigemessen hat, als es der erkennende Senat vorliegend in Bezug auf das Konzentrat für richtig hält.
Im Streitfall wird durch den Gesamtzusammenhang der beiden Internetseiten, auf denen die einzeln beanstandeten Aussagen erscheinen, Fehlvorstellungen in Bezug auf die Frische des ausgegebenen Kaffeegetränks nicht verlässlich vorgebeugt. Interessenten für ein Kaffeesystem der in Rede stehenden Art wird auf den Seiten vielmehr massiv die angebliche "Frische" des zu gewinnenden Kaffees suggeriert; der Einsatz von Kaffeekonzentrat wird demgegenüber nur beiläufig erwähnt. Selbst in Bezug auf die oben näher umschriebenen Werbeadressaten, die den Aussagen mit Sorgfalt begegnen werden - mögen Internetseiten regelmäßig auch nur eine erste Annäherung an ein Produkt vermitteln -, ist aber auch einer unterschwelligen Beeinflussung durch irreführende Angaben entgegenzutreten.
Auf der Internetseite der Antragsgegnerin zu 2. beginnt und endet die Beschreibung des Kaffeesystems in der zuerst wahrzunehmenden - kurzen - linken Textspalte mit dem Hinweis auf "frischen Kaffee", am Ende besonders nachdrücklich. Die Mitteilung über "flüssige Kaffee-Konzentrate" als "Basis" in des Getränks der Mitte der Spalte hält sich demgegenüber im Hintergrund. Auch auf der Seite der Antragsgegnerin zu 1. beginnt und endet die Beschreibung des Kaffeesystems in der linken - hier längeren - Textspalte mit dem Hinweis auf "frischen Kaffee". Zudem erscheint der "frische Kaffee" hier auch in der rechten Textspalte, und zwar an erster Stelle. Die Mitteilungen der linken Textspalte, es werde "ein einzigartiges Sortiment von Kaffeedispensern und Kaffeekonzentraten" geliefert und "für die AROMAT-Kaffeekonzentrate" würden "nur die besten Kaffeebohnen verwendet" treten daneben deutlich zurück.
Durch die Internetseiten beim Verkehr hervorgerufene Fehlvorstellungen über die "Frische" des zu gewinnenden Kaffeegetränks sind nicht deshalb hinzunehmen, weil den Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. nicht die Möglichkeit genommen werden dürfte, werblich darauf hinzuweisen, dass das Kaffeegetränk nach ihrem System niemals abgestanden sei, weil das Konzentrat nämlich jeweils nur gemäß dem Bedarf für eine einzige Tasse mit heißen Wasser verdünnt und damit trinkfähig gemacht werde. Um diesen Vorteil ihres Systems - auf die Frage, in welchem Umfang andere Kaffeesysteme Getränke auf Vorrat produzieren und über längere Zeit hinweg - und damit abgestanden - ausgegeben, hat es in der Berufungsverhandlung allerdings keine klare Antwort gegeben - werblich zur Geltung zu bringen, sind die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. nicht darauf angewiesen, in der praktizierten Weise die "Frische" des Kaffees schlechthin hervorzuheben. Ihnen ist vielmehr zuzumuten, den Vorteil konkret zu benennen und damit weitergehenden Fehlvorstellungen über die "Frische" des gesamten Herstellungsvorgangs vorzubeugen.
Der Gesamtzusammenhang der Faltblattwerbung schließt demgegenüber Fehlvorstellungen, die die herausgegriffenen Aussage für sich genommen über die Frische des Kaffeegetränks hervorrufen könnte, in hinreichendem Maße aus. Die Aussage ist ohne Hervorhebung in die längere textliche Schilderung des Kaffeesystems auf der vierten Seite des Faltblatts eingebettet. Der dritte Absatz, der sie enthält, folgt auf einen Absatz mit der Darstellung des Einsatzes eines konservierenden Zwischenprodukts in Form eines gefrorenen Konzentrats. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die oben näher umschriebenen Werbeadressaten den Text ganz und mit Sorgfalt lesen. Die Abbildung von Kaffeebohnen auf der dritten Seite des Faltblatts ist nicht geeignet, den Gehalt der herausgegriffenen verbalen Werbeaussage so zu verstärken, dass die Klarstellungen im umgebenden Text ihre Bedeutung verlieren würden. Die durch Kaffeebohnen hervorgerufenen Vorstellungen werden durch den Text auf das Maß zurückgeführt, das nach dem System der Antragsgegnerinnen gerechtfertigt ist, nämlich dass es sich bei ihnen um das Ausgangsprodukt handelt, aus dem über Zwischenschritte und längere Zeit das Kaffeegetränk gewonnen wird. Im Rahmen einer Schilderung des Kaffeesystems mit seinen Bestandteilen und Abläufen dürfen die Antragsgegnerinnen auf den Vorteil hinweisen, der ausgegebene Kaffee sei in dem Sinne "frisch zubereitet" ist, dass er jedenfalls nicht erst abgestanden ausgegeben wird.
Im Hinblick darauf, dass es im Streitfall um die Unterbindung irreführender Werbung geht, die auch Belange der Verbraucher beeinträchtigt, können sich die Antragsgegnerinnen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei der Antragstellerin oder "in der weltweiten Kampagne der Muttergesellschaft der Antragstellerin und der angeschlossenen Firmen ... gerade der Aspekt der Frische tragendes Element" sei.
Es fehlt nicht an einem Verfügungsgrund für die am 14. November 2003 angebrachten Begehren der Antragstellerin. Die zugunsten der Antragstellerin wirkende Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist nicht widerlegt. Die Antragsgegnerinnen haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin in Kenntnis der geltend gemachten Wettbewerbsverstöße zu lange mit der Rechtsverfolgung zugewartet hätte. Eine frühere Kenntnisnahme als von der Antragstellerin eingeräumt, nämlich "nicht vor dem 14. Oktober 2003", ist nicht festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1, § 100, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. In der Beschränkung der Unterlassungsbegehren auf eine Verwendung der angegriffenen Werbeäußerungen wie in den tatsächlich benutzten Werbemitteln geschehen liegt zu einem gewissen Teil eine Antragsrücknahme. Die Angriffe auf die bereits vorgenommene konkrete Werbehandlungen hat aber ein weitaus größeres Gewicht als Angriffe auf bloß mögliche. Die von den Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. eingesetzten Werbemedien der Internetseiten einerseits und das von allen Antragsgegnerinnen genutzte Faltblatt andererseits werden als nahezu gleich gewichtig - mit einem gewissen Übergewicht der Internetseiten - angesehen.
Streitwert des Berufungsverfahrens (nach den in die angefochtenen Urteile ohne Widerspruch übernommenen Angaben der Antragsschriften)
bezüglich der Antragsgegnerinnen zu 1. und 3.: jeweils 75.000 Euro,
bezüglich der Antragsgegnerin zu 2.: 150.000 Euro
B. Sch. F.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 20.04.2004
Az: I-20 U 12/04
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