Landgericht Bochum:
Beschluss vom 9. Januar 2002
Aktenzeichen: 7a T 397/01

(LG Bochum: Beschluss v. 09.01.2002, Az.: 7a T 397/01)

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin nach einem Streitwert von bis zu 300 Euro.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wertheim vom 21.09.1983 (B 516/83) wegen einer Forderung von rund 830,00 DM.

Der Schuldner gab die eidesstattliche Versicherung ab und offenbarte unter anderem ein Konto bei der Postbank Dortmund. Ein Vollstreckungsversuch der Gläubigerin in dieses Konto scheiterte, weil das Konto aufgelöst war. Ein Guthaben war zum Zeitpunkt der Auflösung nicht vorhanden. Die Gläubigerin beauftragte die beteiligte Obergerichtsvollzieherin, den Schuldner erneut zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorzuladen, um Auskunft über eine etwaige neue Bankverbindung zu erhalten. Diesen Auftrag lehnte die beteiligte Obergerichtsvollzieherin ab, weil die Annahme neuen Vermögenserwerbs nicht gerechtfertigt sei.

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin wies das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Zur Begründung führte es aus, die Auflösung eines in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Kontos verpflichte den Schuldner nicht zur erneuten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, weil allein der Umstand, dass das Konto nicht mehr bestehe, zum Nachweis neuen Vermögens nicht ausreiche.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 24.09.2001.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und die beteiligte Obergerichtsvollzieherin anzuweisen, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen.

Sie trägt vor, der Schuldner dürfte anderweitig ein neues Konto eröffnet haben und vertritt die Auffassung, die Auflösung des Kontos sei vergleichbar mit der in § 903 ZPO aufgeführten Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. In der Regel sei davon auszugehen, dass der Schuldner ein neues Konto eröffne, da die Regelung aller finanziellen Verhältnisse heute ohne ein Girokonto nur sehr schwer möglich sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht eine Verpflichtung des Schuldners zur Ergänzung seiner eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO verneint.

Soweit in der Rechtsprechung teilweise (Landgericht Münster, Rpfleger 99, 230) die Auffassung vertreten wird, der Schuldner sei auch dann zur wiederholten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung innerhalb von drei Jahren verpflichtet, wenn der Gläubiger glaubhaft mache, dass der Schuldner sein bisheriges Konto aufgelöst habe und der Schuldner anderweitig ein neues Konto eröffnet haben dürfte, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Jene Auffassung stützt sich darauf, dass die Auflösung eines Kontos vergleichbar sei mit dem in § 903 ZPO genannten Grund der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. Wie in diesem gesetzlich geregelten Fall sei auch bei der Kontoauflösung in der Regel davon auszugehen, dass ein Schuldner danach ein neues Konto eröffne, denn ohne ein solches sei heutzutage die Regelung aller finanziellen Angelegenheiten nur schwer möglich.

Dem steht nach Auffassung der Kammer jedoch entgegen, dass § 903 ZPO die Ergänzung der eidesstattlichen Versicherung nur für den Fall anordnet, in dem anzunehmen ist, dass der Schuldner nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung pfändbares Vermögen erworben hat. Aus der Tatsache, dass der Schuldner vorliegend nicht mehr über seine Bankverbindung verfügt, kann ein solcher späterer Vermögenserwerb indes nicht geschlossen werden. Aus welchem Grund das Konto aufgelöst wurde, ist nicht ersichtlich. Gerade bei Girokonten, die über längere Zeit im Soll stehen, ist es banküblich, dass die rückständigen Forderungen tituliert und die Konten geschlossen werden. Dass der Schuldner in einem solchen Fall über ein neues Konto verfügt, ist nicht ohne weiteres anzunehmen, weil zahlreiche Banken nicht bereit sind, für Personen, die die eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, ein Girokonto zu eröffnen.

Abgesehen davon stellt eine neue Bankverbindung als solche auch kein pfändbares Vermögen dar. Pfändbar ist lediglich der gegenwärtige bzw. ein künftiger Saldo. Dass unbare Zahlungen an den Schuldner zu erwarten sind, hat die Gläubigerin nicht vorgetragen. Die Erwartung ist auch nicht mit einer erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung des § 903 Satz 1, 2. Alt. ZPO zu begründen.

§ 903 Satz 1, 2. Alt. ZPO ist nach allgemeiner Meinung entsprechend seinem Zweck, dem Gläubiger den Zugriff auf neu erworbenes Vermögen zu ermöglichen, erweiternd auszulegen. Der Verlust jeder, auch einer Erwerbsquelle aus selbstständiger Arbeit wie auch der Wegfall des Bezuges von Arbeitslosengeld- oder -hilfe können hierunter fallen (vg!. Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 21. Auf!., Rn 12a zu § 903; MünchKomm/Eickmann, ZPO, 2. Auf!., Rn 7 zu § 903; Wieczorek, ZPO, 2. Auf!., Anm. B la 1 zu § 903; Baumbach/Hartmann, 53 Auf!., Rn 16 zu § 903; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Auf!., Rn 5 zu § 903; Zöller/Stöber, 22. Auf!., Rn 9 zu § 903 ZPO).

Weder eine solche erweiternde noch eine analoge Anwendung des § 903 Satz 1, 2. Alt. ZPO kommen hier aber in Betracht, weil die Beendigung einer Kontoverbindung dem gesetzlich geregelten Fall der Aufgabe einer Arbeitsstelle, die die Aufnahme einer anderen Erwerbsquelle vermuten läßt, nicht gleich kommt, denn die Kontoverbindung stellt nicht die Erwerbsquelle als solche dar. Daher läßt die Beendigung der Kontoverbindung nach Auffassung der Kammer auch nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass der Schuldner neues Vermögen - auch nicht in Gestalt regelmäßiger Einkünfte - erworben hat oder seine Vermögensverhältnisse verschleiern wolle (so auch Landgericht Kassel, Rpfleger 97, 74; Amtsgericht Hannover, DGVZ 00,78; Amtsgericht Emmendingen, DGVZ 01, 94).

Auch aus der Einfügung des Satzes 2 in § 903 ZPO durch Art. 1 Nr. 35 ZwVollstrNov ergibt sich nichts anderes. Nach § 903 Satz 2 ZPO nF entfällt lediglich das Erfordernis, die Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 ZPO erneut vorzutragen, wenn sie bei dem vorangegangenen Verfahren vorlagen. Die erforderliche Glaubhaftmachung späteren Vermögenserwerbs ist dadurch nicht berührt.

III.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 57 Abs. 3 BRAGO, 12 Abs. 1 GKG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.






LG Bochum:
Beschluss v. 09.01.2002
Az: 7a T 397/01


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