Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 8. Mai 2002
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 46/00
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 08.05.2002, Az.: VI-U (Kart) 46/00)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufungen der Klägerinnen das am 23.8.2000 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden den Klägerinnen auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jedoch können die Klägerinnen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000 Euro abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe erbringt. Die Sicherheiten können durch Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Die klagenden Innungen für O., denen im Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa 400 Handwerksbetriebe, die über Zulassungen als Leistungserbringer von Hilfsmitteln nach § 126 Abs. 1 SGB V verfügen, als Mitglieder angehören, greifen mit der Klage eine Ausschreibungs- und Vergabepraxis der Beklagten an, die einer Beschaffung (wiederverwendbarer und nicht "preisvereinbarter") orthopädischer Hilfsmittel zu einem Preis von mehr als 400 DM (einschließlich Mehrwertsteuer = mehr als 204,52 Euro) für ihre Versicherten gilt. Die Beklagte führt die knappschaftliche Krankenversicherung durch.
Zwischen den Klägerinnen, Landesverbänden gesetzlicher Krankenkassen, einzelnen gesetzlichen Krankenkassen und der Beklagten bestand (gemäß § 127 SGB V) der Rahmenvertrag vom 10.11.1993, dessen Gegenstand (§ 1) unter anderem die Herstellung, Abgabe und Anpassung von orthopädischen Hilfsmitteln durch Mitgliedsbetriebe der Klägerinnen an die Versicherten und die Vergütung war (GA 13 ff.). Schon 1994 schrieb die Beklagte eine Belieferung mit den genannten Hilfsmitteln räumlich begrenzt aus und erteilte einem bestimmten Unternehmen der Orthopädietechnik den Auftrag zur ausschließlichen Versorgung ihrer Versicherten mit diesen Hilfsmitteln. Die Klägerinnen erhoben damals vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage gegen die Beklagte, auf die das Gericht (rechtskräftig) feststellte, dass die gemäß § 126 SGB V an Mitgliedsbetriebe der Klägerinnen erteilten Zulassungen die Anschaffung und Reparatur von wiederverwendbaren Hilfsmitteln mit einem Preis von mehr als 400 DM umfassten, die zugelassenen Mitglieder der Klägerinnen zur Versorgung der Versicherten der Beklagten mit den genannten Hilfsmitteln also berechtigt seien (Urteil vom 28.10.1996 - S 24 Kn 45/94; vgl. GA 29 ff.). 1998 führte die Beklagte erneut eine Ausschreibung betreffend die Belieferung ihrer Versicherten mit wiederverwendbaren Hilfsmitteln zu einem Preis von mehr als 400 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) durch und schloss mit bestimmten Leistungserbringern einen (auf 2 Jahre) befristeten Versorgungsvertrag ab. Sie kündigte den mit den Klägerinnen bestehenden Rahmenvertrag vom 10.11.1993 zum 31.12.1999. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit dieser Kündigung. Im September 1999 sprachen sie ab, dass die Beklagte den Rahmenvertrag mit Ausnahme von dessen § 1 vorläufig weiter anwenden werde (vgl. GA 231 ff., 234). Auf Klage der Klägerinnen stellte das Sozialgericht Düsseldorf durch Urteil vom 16.1.2001 (S 24 KN 98/99 KR) fest, dass der Rahmenvertrag für die Klägerinnen zu 1, 2, 3 und 5 (mithin nur für die Klägerin zu 4 nicht) über den 31.12.1999 hinaus fort gelte (vgl. GA 479 f.), da die diesen Klägerinnen gegenüber ausgesprochenen Kündigungen mangels wirksamer Bevollmächtigung des Unterzeichners der Kündigungserklärung unwirksam seien. In der Berufungsverhandlung vor dem Landessozialgericht Essen verständigten die Parteien sich dahin, dass der Rahmenvertrag vom 10.11.1993 auf Grund erneuter Kündigungserklärung der Beklagten gegenüber allen Klägerinnen jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2001 beendet sei (vgl. GA 618 ff.).
Im April 2000 leitete die Beklagte wiederum ein Ausschreibungsverfahren zum Zweck einer (auf zwei Jahre befristeten) Belieferung ihrer Versicherten mit den genannten Hilfsmitteln ein, was den Klägerinnen Anlass für die vorliegende Klage gab.
Die Klägerinnen sind der Auffassung gewesen, die Vorgehensweise der Beklagten verstoße gegen den Rahmenvertrag vom 10.11.1993, so lange dieser in Kraft gewesen sei, sowie gegen Wettbewerbs- und deutsches sowie europäisches Kartellrecht. Die Beklagte habe durch die angegriffene Ausschreibung das Gebiet allgemeinen Wettbewerbs betreten und müsse dies und die anschließenden Vertragsabschlüsse an den insoweit geltenden Regeln messen lassen. Hiernach sei das Verhalten der Beklagten als unzulässig zu bewerten, da hierdurch bei den genannten Hilfsmitteln der Wettbewerb unter den Leistungserbringern für die ausgeschriebene Vertragsdauer aufgehoben und eine Teilnahme der ihnen, den Klägerinnen, angeschlossenen Mitgliedsbetriebe an einer Versorgung der Versicherten mit den in Frage stehenden Hilfsmitteln ausgeschlossen werde, obwohl alle zugelassenen Leistungserbringer einen Anspruch auf Beteiligung hieran hätten. Die Beklagte sei marktbeherrschend, jedenfalls aber als marktstark im Sinne des GWB anzusehen. Sachliche Gründe, Versorgungsverträge - wenn auch befristet - mit nur wenigen Leistungserbringern abzuschließen, seien nicht zu erkennen. Auch das SGB V sehe eine Ermächtigung der gesetzlichen Krankenkassen zu Vertragsabschlüssen mit - wie sie, die Klägerinnen, es genannt haben - Sondervertragspartnern nicht vor.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
es künftig zu unterlassen, europaweite Ausschreibungen für wiederverwendbare orthopädische Hilfsmittel mit einem Preis von mehr als 400 DM mit dem Ziel durchzuführen, die Versorgung knappschaftlich Versicherter mit diesen orthopädischen Hilfsmitteln nur durch einen oder mehrere Leistungsanbieter durchzuführen, und alle anderen zugelassenen Leistungserbringer, soweit sie bei ihnen, den Klägerinnen, organisiert seien, von der Teilnahme an der Versorgung auszuschließen (Exklusivverträge mit Sondervertragspartnern),
sämtliche zugelassenen Hilfsmittellieferanten (§ 126 Abs. 1 SGB V), soweit sie bei ihnen, den Klägerinnen, organisiert seien, an der Versorgung der knappschaftlich versicherten Patienten mit wiederverwendbaren orthopädischen Hilfsmitteln mit einem Preis von mehr als 400 DM generell zu beteiligen und Leistungsangebote dieser Hilfsmittellieferanten nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die Versorgung durch Sondervertragspartner durchgeführt werden müsse.
Die Beklagte hat
Abweisung der Klage beantragt.
Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges, den Mangel einer Klagebefugnis der Klägerinnen und die Unbestimmtheit der Klage gerügt. In der Sache hat sie die Auffassung vertreten, in Folge der durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) in Kraft getretenen Änderung von § 69 SGB V seien die Vorschriften des Kartell- und Wettbewerbsrechts auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu Leistungserbringern nicht mehr anzuwenden. Hilfsweise hat die Beklagte einen Verstoß gegen Kartell- und Wettbewerbsrecht verneint und hierzu unter anderem ausgeführt: Die Durchführung der angegriffenen Ausschreibung sei wettbewerbskonform, zumal nach Einfügen des 4. Teils in das GWB von öffentlichen Auftraggebern (bei Erreichen oder Überschreiten der Schwellenwerte) eine Auftragsvergabe im Wege von Vergabeverfahren zu verlangen sei. Hiervon könne eine nachhaltige Beeinträchtigung des Wettbewerbs allein schon wegen der Befristung von Beschaffungsverträgen sowie deswegen nicht ausgehen, weil sich die Mitglieder der Klägerinnen an den alle zwei Jahre zu wiederholenden Ausschreibungen beteiligen könnten. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte auch auf den geringen Anteil, der bei ihren Umsätzen auf die ausgeschriebenen Hilfsmittel entfalle, sowie andererseits auf die Möglichkeit zu sparsamerer Mittelverwendung bei der Gesundheitsfürsorge verwiesen. Hiervon abgesehen ist sie der Behauptung einer marktbeherrschenden oder auch nur marktstarken Stellung entgegen getreten.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 27.1.2000 vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten entschieden und hat diese bejaht. Mit am 23.8.2000 verkündetem Urteil hat es der Klage unter Abweisung im Übrigen nach dem Klageantrag zu 2. stattgegeben und zur Begründung - kurz zusammengefasst - ausgeführt: Die Klage sei zulässig. In der Sache stehe den Mitgliedern der Klägerinnen gemäß § 124 Abs. 5 SGB V (auf den § 126 Abs. 3 SGB V verweist) ein Anspruch auf Teilnahme an der Versorgung der Versicherten mit den in Rede stehenden Hilfsmitteln zu, den die Beklagte unzulässig auf die bloße Berechtigung, sich bei Ausschreibungen zu bewerben, verkürzt habe. Überdies sei eine Kompetenz der Beklagten, eine Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln der genannten Art auszuschreiben und Lieferverträge (nur) mit Sondervertragspartnern abzuschließen, aus dem SGB V nicht abzuleiten. Die Beklagte verstoße hierdurch nicht nur gegen den Grundsatz der Beachtung der Vielfalt der Leistungserbringer (§ 2 Abs. 3 SGB V), sondern auch gegen das Recht der Versicherten auf freie Auswahl unter den zugelassenen Leistungserbringern, was selbst mit dem von den Krankenkassen zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht zu rechtfertigen sei. Der Klageantrag zu 1 sei dagegen unbegründet, da eine Durchführung der genannten Ausschreibungen die Klägerinnen oder ihre Mitglieder nicht in ihren Rechten verletze.
Gegen dieses Urteil haben die Parteien wechselseitig Berufung eingelegt, die Klägerinnen mit dem Ziel einer Verurteilung der Beklagten auch nach dem Klageantrag zu 1, die Beklagte mit dem Ziel einer vollständigen Klageabweisung.
Die Klägerinnen erweitern und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie sehen Rechte ihrer Mitglieder bereits durch die Ausschreibungspraxis der Beklagten als verletzt an und wiederholen ihre Ansicht, dass durch die als abschließend zu betrachtenden Bestimmungen des SGB V Leistungsausschreibungen der vorliegenden Art nicht zugelassen seien. Außerdem sei die Beklagte nicht als öffentliche Auftraggeberin einzustufen, an die sich das am 1.1.1999 in Kraft getretene Vergaberecht ausschließlich richte. Im Übrigen beanstanden die Klägerinnen eine von den angegriffenen Ausschreibungen der Beklagten (wie auch von der anschließenden Vergabe an einige wenige Leistungserbringer) ausgehende faktische Wirkung, die auf Dauer zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs unter den zugelassenen Leistungserbringern führe.
Die Klägerinnen beantragen nach Umstellung ihrer Klageanträge nunmehr,
unter Zurückweisung der gegnerischen Berufung
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Ausschreibungen für wiederverwendbare orthopädische Hilfsmittel mit einem Preis von mehr als 400 DM (Bemerkungen: einschließlich Mehrwertsteuer und soweit Festbeträge im Sinne von § 127 Abs. 2 SGB V hierfür nicht festgesetzt worden sind) mit dem Ziel durchzuführen, die Versorgung knappschaftlich Versicherter mit diesen orthopädischen Hilfsmitteln nur durch einen oder mehrere Leistungsanbieter durchzuführen und hierdurch alle anderen zugelassenen Leistungserbringer, soweit sie bei ihnen, den Klägerinnen, organisiert sind, von der Teilnahme an der Versorgung auszuschließen (entsprechend ursprünglichem Klagantrag zu 1),
hilfsweise (und entsprechend dem ersten Teil des früheren Klageantrags zu 2, dem das Landgericht stattgegeben hat),
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sämtliche zugelassenen Hilfsmittellieferanten, soweit sie bei ihnen, den Klägerinnen, organisiert sind, an der Versorgung der bei der Beklagten knappschaftlich Versicherten mit wiederverwendbaren orthopädischen Hilfsmitteln zu einem Preis von mehr als 400 DM (einschließlich Mehrwertsteuer und soweit Festbeträge im Sinne von § 127 Abs. 2 SGB V hierfür nicht festgesetzt worden sind) generell zu beteiligen;
weiterhin hilfsweise (entsprechend dem zweiten Teil des ursprünglichen und vom Landgericht stattgegebenen Antrages zu 2),
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Leistungsangebote von zugelassenen Hilfsmittellieferanten, soweit diese bei ihnen, den Klägerinnen, organisiert sind, deshalb abzulehnen, weil die Lieferung der wiederverwendbaren orthopädischen Hilfsmittel (zu einem Preis von mehr als 400 DM einschließlich Mehrwertsteuer und soweit Festbeträge im Sinne von § 127 Abs. 2 SGB V hierfür nicht festgesetzt worden sind) im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens an dort zu ermittelnde Vertragspartner vergeben werden soll.
Die Beklagte beantragt,
unter Zurückweisung der Berufungen der Klägerinnen die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerinnen unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile Bezug genommen.
Gründe
Die Berufungen der Klägerinnen sind unbegründet. Die Berufung der Beklagten hat dagegen Erfolg. Den Klägerinnen stehen die gegen das Ausschreibungs- und Vergabeverhalten der Beklagten bei orthopädischen Hilfsmitteln der in den Klageanträgen genannten Art geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Die Zulässigkeit der Klagen ist allerdings nicht zu verneinen. Da das Landgericht über die Zulässigkeit des von den Klägerinnen beschrittenen Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten vorab gemäß § 17a Abs. 3 GVG entschieden und den Rechtsweg - von den Parteien, insbesondere der Beklagten, nicht angefochten - bejaht hat, ist diese Frage im Berufungsrechtszug nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Die Klagebefugnis der Klägerinnen ist gemäß den §§ 33 S. 2 GWB, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegeben (vgl. BGH WRP 2000, 759, 760 - Zahnersatz aus Manila). Gegen die Bestimmtheit des ursprünglichen Klageantrags zu 2 (erster Teil, der in dem ersten nunmehr gestellten Hilfsantrag aufgegangen ist; § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) sind ebenso wenig mehr Bedenken gegeben, nachdem die Klägerinnen diesen Antrag zulässigerweise in einen Feststellungsantrag abgeändert haben (vgl. BGH GRUR 1985, 394 - Technics). Soweit die Klageanträge Bezug nehmen auf zugelassene Leistungserbringer oder Hilfsmittellieferanten, die bei den Klägerinnen organisiert sind (ihnen also als Mitglieder angehören), bedurfte es keiner namentlichen Aufzählung der einzelnen Mitglieder der Klägerinnen in den Anträgen. Der Begriff des "Mitglieds" ist nicht zweifelhaft. Wer Mitglied der jeweiligen Klägerinnen ist, geht aus Mitgliedslisten hervor.
A) Zu den Berufungen der Klägerinnen in der Sache:
I. Die Klägerinnen haben gemäß ihrem im Berufungsrechtszug gestellten Hauptantrag keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, Ausschreibungen für wiederverwendbare orthopädische Hilfsmittel mit einem Preis von mehr als 400 DM (entsprechend mehr als 204,52 Euro) - soweit Festbeträge im Sinne von § 127 Abs. 2 SGB V hierfür nicht festgesetzt worden sind - durchzuführen.
Als Rechtsgrundlage für einen hierauf gerichteten Anspruch kommen die §§ 33 S. 1, 20 Abs. 1 und 2 GWB; Art. 81 und 82 des EG-Vertrages sowie § 1 UWG in Betracht, wobei die Vorschriften der §§ 124 Abs. 5 S. 2 SGB V (auf den § 126 Abs. 3 SGB V verweist) und 127 Abs. 2 S. 2 SGB V heranzuziehen sind. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 geänderte und am 1.1.2000 in Kraft getretene Fassung des § 69 SGB V zum Teil dahin verstanden wird, die Vorschriften des GWB und des UWG seien auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern seither nicht mehr anzuwenden (vgl. z.B. BSG, 3. Senat, Urt. v. 25.9.2001 - B 3 KR 3/01 R, Urteilsabdruck S. 11 ff. m.w.N.; a.A. BSG, 6. Senat, Urt. v. 28.6.2000 - B 6 KA 26/99 R). Ob dem zuzustimmen ist, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit jedoch keiner Entscheidung. Wenn der Senat die genannten Vorschriften auf ihre Ergiebigkeit für die geltend gemachten Ansprüche gleichwohl prüft, geschieht dies allein zu Gunsten der Klägerinnen.
In tatsächlicher Hinsicht ist der zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Rahmenvertrag vom 10.11.1993 zwischen den Parteien nicht mehr besteht, sondern mit Ablauf des Jahres 2001 in Folge wirksamer Kündigung durch die Beklagte aufgelöst ist. Hiervon gehen die Parteien übereinstimmend aus. Es ist bei der rechtlichen Beurteilung hierauf abzustellen, da die Klägerinnen - mit dem Hauptantrag und nicht anders auch mit den Hilfsanträgen - die Durchsetzung in die Zukunft wirkender Ansprüche auf Unterlassung und Feststellung eines Rechtsverhältnisses erstreben.
a) Ein Unterlassungsanspruch wegen unbilliger Behinderung und/oder sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung der Mitglieder der Klägerinnen durch die Beklagte gemäß den §§ 33 S. 1, 20 Abs. 1 oder 2 GWB ist nicht gegeben.
1. Die Beklagte ist nicht Normadressatin des § 20 Abs. 1 oder 2 GWB. Hierzu ist zunächst der für die rechtliche Bewertung relevante Markt abzugrenzen. Als relevanter Markt ist in sachlicher Hinsicht der Nachfragemarkt für orthopädische Hilfsmittel (Waren und gewerbliche Leistungen) anzusehen, auf dem die Beklagte als Nachfragerin auftritt und die Mitglieder der Klägerinnen sich als Anbieter betätigen. Entsprechend dem Bedarfsmarktkonzept für die Angebotsmärkte ist für die Nachfragemacht der Beklagten die Sicht der Marktgegenseite, d.h. der anbietenden Mitglieder der Klägerinnen, entscheidend. Die Feststellung von Nachfragemacht ist abhängig davon, inwieweit die Marktgegenseite der Anbieter auf Beschaffungen durch andere Nachfrager ausweichen kann (vgl. Langen/Ruppelt, KartR, 9. Aufl., § 19 GWB, Rdn. 23 m.w.N.).
In räumlicher Hinsicht ist der einschlägige Markt aus der Sicht der (in Nordrhein-Westfalen ansässigen) Mitglieder der Klägerinnen auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen begrenzt. Denn die Klägerinnen behaupten nicht, ihre Mitglieder seien in nennenswertem Umfang bundesweit gewerblich tätig. Andererseits sind kleinere räumliche Teilmärkte im Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht zu bilden, da sich aus dem Vortrag der Klägerinnen ebenso wenig ergibt, dass der Wettbewerb und die Ausweichmöglichkeiten bei den in Frage stehenden Waren und gewerblichen Leistungen über die enger zu ziehenden Grenzen bestimmter Teilmärkte hinaus aus objektiven Gründen ausgeschlossen oder entscheidend vermindert ist (vgl. hierzu Langen/Ruppelt, § 19, Rdn. 27; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 19, Rdn. 14 - jeweils m.w.N.).
Auf dem so ermittelten Markt nimmt die Beklagte - obwohl sie bei der Beschaffung von orthopädischen Hilfsmitteln und damit zusammenhängenden gewerblichen Leistungen funktional als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts handelt - eine marktbeherrschende Stellung nicht ein, da sie weder ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB), noch eine im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern überragende Marktstellung festzustellen ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB). Hierzu genügt es, die Tatsache in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte im Bundesland Nordrhein-Westfalen einen Anteil an den Versicherten auf sich vereinigt, der unstreitig lediglich um Weniges über 4 % der Bevölkerung dieses Bundeslandes liegt. Die darin zum Ausdruck kommende Marktbedeutung der Beklagten schließt eine marktbeherrschende Stellung nach einer der benannten gesetzlichen Alternativen aus. Leistungserbringern wie den Mitgliedern der Klägerinnen sind allein durch die Existenz anderer gesetzlicher Krankenkassen und durch deren Beschaffungsbedarf bei gleichartigen Hilfsmitteln so zahlreiche Ausweichmöglichkeiten eröffnet, dass von einer Marktbeherrschung durch die Beklagte auch nicht annähernd gesprochen werden kann.
In einem anderen Fall hat der Senat rechtskräftig (nach Nichtannahme der Revision durch den Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.3.2000 - KZR 10/99) bereits entschieden, dass eine einzelne gesetzliche Krankenkasse mit den übrigen Kranken- und Ersatzkassen auch nicht zusammengefasst und in einer Gesamtschau der gesetzlichen Krankenversicherung (als deren Teil) allein deswegen als marktbeherrschend behandelt werden darf, weil etwa 90 % der deutschen Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind (Urt. v. 2.2.1999 - U (Kart) 4/98, Urteilsabdruck S. 13 f.). Eine solche, vom Senat schon damals abgelehnte Betrachtungsweise widerspricht dem im GWB vorausgesetzten und funktional zu verstehenden Unternehmensbegriff. Dabei kann es immer nur darum gehen, wie ein einzelnes Unternehmen im Wettbewerb bei der Beschaffung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb wirtschaftlich selbständig handelt. Auch die Prüfung einer Marktbeherrschung ist immer an ein einzelnes Unternehmen gebunden (vgl. auch BGH GRUR 1994, 526 = NJW-RR 1994, 1199 - Orthopädisches Schuhwerk). Dagegen stellt die Vorhaltung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung für sich genommen noch keine Wettbewerbshandlung dar, sondern es wird dadurch lediglich der rechtliche Rahmen geschaffen, dessen der Staat sich zur Erfüllung seines sozialen Auftrags in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG bedient. Dementsprechend fehlt es an einer rechtlichen Handhabe, das Wettbewerbsverhalten einer einzelnen Krankenkasse allen anderen in der gesetzlichen Krankenversicherung vereinigten Krankenkassen zuzurechnen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung wird vielmehr von einer Mehrzahl von gesetzlichen Krankenkassen getragen, die eine jede für sich selbständig und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind. Diese Selbständigkeit gilt auch für das unternehmerische Handeln.
Die Beklagte als einzelne gesetzliche Krankenkasse bildet mit den übrigen gesetzlichen Krankenkassen ebenso wenig ein als solches marktbeherrschendes Oligopol (§ 19 Abs. 2 S. 2 GWB). Auch diese Problematik ist bereits Gegenstand des oben genannten Senatsurteils gewesen (Urteilsabdruck S. 14 ff.). Kennzeichnend für ein Oligopol ist nach dem Gesetz, dass ein wesentlicher Wettbewerb (Binnenwettbewerb) zwischen den Mitgliedern für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen nicht besteht. Zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Trägern findet jedoch trotz der besonderen rechtlichen Ausgestaltung ihres Verhältnisses zueinander (vgl. z.B. § 86 SGB X: Verpflichtung zur Zusammenarbeit; § 201 Abs. 2 und 3 SGB V: gegenseitige Information; § 266 f. SGB V: Risikostrukturausgleich) ein Wettbewerb statt. Die gesetzlichen Krankenkassen stehen z.B. untereinander nämlich im Wettbewerb um Mitglieder. Hiervon ist die Beklagte wegen der gesetzlichen Regelung in den §§ 177 SGB V, 137 und 273 SGB VI selbst zwar weniger betroffen. Dies ändert aber nichts daran, dass ein derartiger Wettbewerb zwischen den übrigen gesetzlichen Krankenkassen (und damit innerhalb des vermeintlichen Oligopols) besteht, nachdem die Versicherungspflichtigen wählen können, welcher Krankenkasse sie sich anschließen wollen. Die gesetzlichen Krankenkassen befinden sich untereinander außerdem in einem Wettbewerb um Innovation, Beitragskosten und Service. Es wäre lebensfremd anzunehmen, eine gesetzliche Krankenkasse, die - wie die Beklagte - durch die wiedergegebene gesetzliche Regelung in gewisser Weise vor einer "Abwanderung" von Mitgliedern zu anderen Krankenkassen geschützt ist, verwende allein deswegen keine Gedanken an ihre Beitragssätze und die sonstigen Leistungen. Solches bewirken vielmehr allein die dem eigenen Geschäft geltenden Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Im Übrigen erzeugen auch die Beitragssätze der übrigen Krankenkassen und deren Leistungen - selbst wenn die Beklagte auf Grund höherer Beiträge und weniger kundenfreundlicher Leistungen von einem Mitgliederverlust nicht unmittelbar bedroht sein sollte - nach der Lebenserfahrung einen gewissen Wettbewerbsdruck, dem sich auch die Beklagte nicht vollständig entziehen kann. Dass diese Überlegung zutreffend ist, zeigt sich im vorliegenden Fall gerade an dem Umstand, dass die Beklagte zu dem von den Klägerinnen beanstandeten Wettbewerbsverhalten gegriffen hat, um - wie sie es darstellt - Finanzmittel einzusparen. Sie hat damit praktisch einen "Alleingang" unternommen, der - obwohl die Beklagte ihre Ausschreibungspraxis seit 1998 schon zum zweiten Mal wiederholt - bei den übrigen gesetzlichen Krankenkassen bislang ersichtlich keine Nachahmer gefunden hat.
Ein vergleichbares Vorgehen, und zwar ebenfalls von Seiten der Beklagten, ist dem Senat lediglich aus dem Bundesland Sachsen bekannt (durch das von den Klägerinnen in Ablichtung vorgelegte Urteil des OLG Dresden vom 23.8.2001 - U 2403/00 Kart). Allerdings verweist das OLG Dresden zur Begründung seiner Auffassung einer Nachahmungsgefahr auf die Praxis einer A. O. sowie auf einen vom OLG Stuttgart behandelten - jedoch nur vermeintlich - gleichartigen Fall (Urteilsabdruck S. 28: OLG Stuttgart, WuW DE-R 307). Der vom OLG Stuttgart entschiedene Rechtsstreit hatte jedoch die Errichtung eines Zentrallagers für gebrauchte höherwertige und leihweise an Versicherte zu überlassende Hilfsmittel zum Gegenstand, nicht jedoch Ausschreibungen der hier in Rede stehenden Art. Die Entscheidung des OLG Stuttgart betrifft mithin einen in § 33 Abs. 5 S. 1 SGB V geregelten Sonderfall, dessen Behandlung auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen ist. Gleiches gilt für das dargestellte Verhalten einer A. O..
Der Senat folgt auch in anderer Hinsicht nicht dem OLG Dresden, nämlich in der auf die §§ 127 Abs. 1, 125 Abs. 1 und 128 SGB V (sowie auf eine Entscheidung des OLG Jena in WuW DE-R 500, 504) gestützten Argumentation, dass auf dem Nachfragemarkt nach Hilfsmitteln kein wesentlicher Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen bestehe. Das OLG Dresden hat dies damit begründet, die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen seien nach den genannten Vorschriften zu gemeinsamem und einheitlichem Handeln gehalten. Hierauf ist indes zu entgegnen, dass gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 SGB V - soweit, wie im Streitfall, Festbeträge nicht festgesetzt worden sind - nicht ausschließlich die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen, sondern gerade auch die jeweiligen Krankenkassen ermächtigt sind, mit Leistungserbringern Verträge über die Preise zu schließen, die sich im vorliegenden Fall nur innerhalb des durch den - soweit ersichtlich, von anderen Krankenkassen oder deren Verbänden nicht gekündigten - Vertrag vom 10.11.1993 gezogenen Rahmens halten müssen. Eben dies gibt auf dem betreffenden Nachfragemarkt auch Raum für einen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen.
Ungeachtet dessen könnte, wenn man von der Existenz eines Oligopols unter den gesetzlichen Krankenkassen ausginge, die Feststellung, die im Rahmen der Unbilligkeit einer von der Beklagten ausgehenden Behinderung erforderlich wäre, daß nämlich ihr Verhalten sich ähnlich auswirke wie ein entsprechendes Verhalten aller Mitglieder des Oligopols, nicht getroffen werden (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NJW 1986, 1877, 1879 - Abwehrblatt II). Derartiges kann wegen der tatsächlich geringen Marktbedeutung der Beklagten im Streitfall nicht angenommen werden. Dazu ist wiederum darauf zu verweisen, dass der Anteil der bei der Beklagten Versicherten auf dem räumlich relevanten Markt bei lediglich gut 4 % der Bevölkerung liegt. Für eine vom OLG Dresden angenommene und von dem Verhalten der Beklagten ausgehende Nachahmungsgefahr (Urteilsabdruck S. 28) liegen zureichende Anhaltspunkte nicht vor. So ist von den Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit nicht etwa geltend gemacht worden, die Beklagte werde bei dem beanstandeten Wettbewerbsverhalten von anderen gesetzlichen Krankenkassen "vorgeschoben" oder sie nehme die Rolle eines "Vorreiters" ein. Es können vielmehr zahlreiche und auch in der regionalen Struktur der Anbieterseite liegende Gründe ebenso gegen eine Übernahme des von der Beklagten praktizierten Ausschreibungsverfahrens durch andere Krankenkassen sprechen. Hierauf deutet nicht zuletzt wiederum hin, dass es zu Nachahmungen durch andere Krankenkassen bisher tatsächlich nicht gekommen ist, mithin weder ein Nachahmungseffekt noch ein Nachahmungswille anderer gesetzlicher Krankenkassen festgestellt werden kann. Hiervon abgesehen kann eine bloße und allenfalls abstrakt festzustellende Nachahmungsgefahr die oben angesprochene Auswirkung einer unbilligen Behinderung durch ein Mitglied eines Oligopols für sich allein genommen nicht begründen. Es ist, um eine derartige Auswirkung annehmen zu können, vielmehr eine tatsächliche Übernahme des angegriffenen Wettbewerbsverhaltens durch andere Krankenkassen oder Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu fordern, die im Streitfall nicht gegeben ist (vgl. auch insoweit das Senatsurteil vom 2.2.1999 - U (Kart) 4/98, Urteilsabdruck S. 16, 17).
Die vorstehenden Ausführungen belegen zugleich, dass auch von einer Marktstärke der Beklagten im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 GWB, insbesondere von einer Abhängigkeit der Mitglieder der Klägerinnen als kleinen und mittleren Unternehmen von der Beklagten in der Weise, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen, nicht gesprochen werden kann. Auch insoweit ist auf die vergleichsweise geringe Marktbedeutung der Beklagten unter den gesetzlichen Krankenkassen, von denen keine nach dem Ausschreibungssystem der Beklagten verfährt, zu verweisen. Unter den gesetzlichen Krankenkassen herrscht Wettbewerb. Von daher stehen den Mitgliedern der Klägerinnen ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten für ihre gewerbliche Betätigung zur Verfügung.
2. Der Unterlassungsausspruch kann noch aus einem weiteren Grund nicht aus den §§ 33 S. 1, 20 Abs. 1 oder 2 GWB hergeleitet werden. Sofern die Beklagte die den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Leistungen im Rahmen eines vernünftig ausgestalteten Vergabeverfahrens vergibt, ist ihr eine unbillige Behinderung der Mitglieder der Klägerinnen nicht vorzuwerfen. Ein Unterlassungsanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung der Mitglieder der Klägerinnen ohne sachlich gerechtfertigten Grund ist im übrigen bereits deswegen zu verneinen, da sich der Hauptantrag generell gegen eine Durchführung von Ausschreibungen bei der Beschaffung der genannten orthopädischen Hilfsmittel richtet.
Es ist auch im konkreten Fall die Ausschreibung der Lieferung wiederverwendbarer orthopädischer Hilfsmittel durch die Beklagte nicht als eine unbillige Behinderung im Sinne der Abs. 1 und 2 des § 20 GWB zu beanstanden. Der Auffassung der Klägerinnen, es entstehe durch ein derartiges Verfahren ein offener Widerspruch zu den Wertungen und den Bestimmungen des SGB V, ist nicht beizupflichten. Eine vernünftig gehandhabte Vergabepraxis ist mit dem SGB V zu vereinbaren. Hierbei hat den Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen zu bilden, dass auch der Beklagten in ihrer Rolle als (funktional) handelndem Unternehmen eine grundsätzliche Freiheit darin zuzuerkennen ist, die Bezugswege für ihren Leistungsbedarf nach eigener kaufmännischer Entscheidung zu bestimmen (BGHZ 101, 72, 81 f. - Krankentransporte). Auf Nachfrageentscheidungen der vorliegenden Art wirken sich regelmäßig zahlreiche kaufmännische Gesichtspunkte aus, und der Beklagten kann - wie anderen Unternehmen auch - nicht generell untersagt werden, sich hiervon leiten zu lassen. So haben die Krankenkassen zum Beispiel das in den §§ 2 Abs. 1 und 4, 12 Abs. 1 und 70 Abs. 1 S. 2 SGB V normierte Gebot zu wirtschaftlichem Handeln zu beachten.
Dass in Vollzug des Wirtschaftlichkeitsgebots bestimmte Leistungen, derer die Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten bedürfen, ausgeschrieben und in einem (gegebenenfalls förmlichen) Vergabeverfahren vergeben werden, wird durch Vorschriften des SGB V nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Im Gegenteil zeigt sich vielmehr an der Regelung des § 127 Abs. 2 S. 2 SGB V, dass den Krankenkassen, soweit bestimmte Hilfsmittel nicht Festpreisen unterworfen worden sind, bei Preisvereinbarungen mit Leistungserbringern Freiräume eröffnet sind, in denen unter Beteiligung von Leistungserbringern auch Vergabeverfahren stattfinden dürfen. Sofern die Krankenkassen zur Deckung eines fälligen oder demnächst fälligen Bedarfs an Waren oder Dienstleistungen entschlossen sind und der Auftragswert den hierfür maßgeblichen Schwellenwert erreicht oder übersteigt, sind sie gemäß den Bestimmungen des 4. Teils des GWB, der Vergabeverordnung und der Verdingungsordnung für Leistungen auch rechtlich verpflichtet, die Aufträge in einem Vergabeverfahren zu erteilen. Krankenkassen sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB (vgl. auch Werner in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, § 98 GWB, Rdn. 225). Die von ihnen zur Beschaffung von Waren und/oder Leistungen im Rahmen ihrer Aufgaben vergebenen Aufträge sind öffentliche Aufträge gemäß § 99 GWB. Die Anwendung der Vorschriften der §§ 97 ff. GWB ist durch Bestimmungen des SGB V nicht abbedungen. Eine Auftragsvergabe in vernünftig ausgestalteten Vergabeverfahren, mithin solcher, die in einem bestimmten und angemessenen zeitlichen Rhythmus wiederholt werden, bei denen sicher gestellt ist, dass sich alle in Betracht kommenden Leistungserbringer hieran beteiligen können, die losweise Vergaben sowie gegebenenfalls auch geografische Unterteilungen in bestimmte Leistungsbezirke vorsehen, erfolgt im Wettbewerb und widerspricht nicht dem SGB V. Dass die Beklagte ein an solchen Maßstäben ausgerichtetes Verfahren nicht durchführt, ist nicht zu erkennen.
Die Beklagte verstößt damit ebenso wenig gegen den Grundsatz der Auswahlfreiheit der Versicherten hinsichtlich der Leistungserbringer wie gegen das Gebot der Beachtung der Vielfalt der Leistungserbringer. Die freie Wahl des Leistungserbringers ist zu entnehmen aus den § 33 S. 2 SGB I, wonach bei der Erbringung von Leistungen (der Krankenversicherung) den Bedürfnissen und Wünschen der Versicherten, soweit sie angemessen sind, entsprochen werden soll. Diese Wahlfreiheit geht indes nicht so weit, dass die Krankenkassen bei der Gesundheitsversorgung von dem Auswahlwillen der Versicherten abhängig sind. Im 4. Kapitel des SGB V, in dem die rechtlichen Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern geregelt sind, wird vielmehr ausdrücklich, und zwar auf dem hier in Rede stehenden Sektor in § 127 Abs. 1 und 2 SGB V, die Kompetenz der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände zum Abschluss von Verträgen mit den Leistungserbringern hervorgehoben. Bei der Auswahl der Leistungserbringer haben die Krankenkassen der Vielfalt der Leistungserbringer Rechnung zu tragen (vgl. § 2 Abs. 3 S. 1 SGB V sowie Hilfsmittel betreffend mittelbar auch §§ 126 Abs. 1 S. 2, 127 Abs. 3 und 128 SGB V). Sowohl die Wahlfreiheit der Versicherten als auch die Beachtung der Vielfalt der Leistungserbringer gelten jedoch nur im Rahmen des Machbaren (§ 12 Abs. 1 SGB V) und soweit Rechtsvorschriften nicht entgegen stehen (§ 33 S. 1 SGB I). Vor diesem Hintergrund hat die auf die Bestimmung des § 33 S. 2 SGB I zurückzuführende Wahlfreiheit der Versicherten einen nur subsidiären Charakter. Eine allgemeine Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Krankenkassen die Leistungserbringer auswählen und die Verträge schließen, folgt daraus nicht. Vielmehr besteht ein Wahlrecht der Versicherten regelmäßig nur im Rahmen der von den Krankenkassen unter Vertrag genommenen Leistungserbringer. Dies ist jedenfalls auch im hier vorliegenden Fall einer Beschaffung von (wiederverwendbaren) orthopädischen Hilfsmitteln anzunehmen, in dem die Person des Leistungserbringers aus der Sicht des Versicherten keine entscheidende Rolle spielt, sondern die Leistung eines Leistungserbringers grundsätzlich gleichwertig und austauschbar gegen die eines anderen Anbieters ist. Dass dem Gesetz selbst eine zumindest ähnliche Wertung zugrunde liegt, lässt sich aus § 33 Abs. 5 SGB V ersehen, der es den Krankenkassen gestattet, den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise zu überlassen (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart WuW DE-R 307, 311).
Der Gesichtspunkt der Vielfalt der Leistungserbringer verpflichtet die Krankenkassen im Übrigen lediglich zur "Beachtung", ohne dass damit ausdrücklich etwas über die Art und Weise gesagt ist, wie dieses Gebot bei der Aufnahme von Leistungsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zu berücksichtigen ist. Die "Beachtung" der Vielfalt ist auch gewährleistet, wenn Krankenversicherungsleistungen, wie im Streitfall, nach einem angemessen ausgestalteten Ausschreibungsverfahren, dessen Merkmale oben beschrieben worden sind, vergeben werden. Die Vielfalt der Leistungserbringer bildet ein den Wettbewerb förderndes Strukturelement in der gesetzlichen Krankenversicherung, das nach dem Willen des Gesetzgebers erhalten werden soll. Darin kommt die Zielvorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass der Gesundheitsfürsorge am besten dadurch Rechnung getragen werden kann, indem es eine Vielzahl von im Wettbewerb stehenden Leistungserbringern gibt. Hieraus ist zu folgern, dass Verhaltensweisen der Krankenkassen, die geeignet sind, die (vorhandene) Vielfalt der Leistungserbringer zu beeinträchtigen und die die gesetzlich gewollte Struktur der Krankenversicherung (teilweise, aber in einem wesentlichen Punkt) verändern, unzulässig sind. Maßnahmen, die den Bestand und die Vielfalt der Leistungserbringer nicht gefährden, sind hingegen nicht zu beanstanden.
Hieran gemessen stört die Ausschreibungspraxis der Beklagten den Fortbestand der Vielfalt der Leistungserbringer auf dem Sektor der Hilfsmittelvorsorge nicht. Hierzu ist darauf zu verweisen, dass diese Praxis unstreitig lediglich etwa 9 % des Hilfsmittelbudgets der Beklagten betrifft; die Beklagte schreibt lediglich die Lieferung wiederverwendbarer Hilfsmittel beginnend ab einem bestimmten Wert aus. Die Ausschreibungen erfolgen in einem verhältnismäßig kurzen zeitlichen Rhythmus. An den Verfahren können sich alle auf dem betreffenden Gebiet tätigen Leistungserbringer (gegebenenfalls auch unter Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zu Arbeitsgemeinschaften) beteiligen. Die Gefahr einer von den Klägerinnen befürchteten Umschichtung und Veränderung von Anbieterstrukturen ist danach nicht gerechtfertigt.
Aus der Tatsache, dass die Mitglieder der Klägerinnen zu einer Abgabe von Hilfsmitteln zugelassen sind, ist kein Anspruch des einzelnen Mitglieds gegen die Krankenkassen darauf abzuleiten, im konkreten Bedarfsfall zu einer Lieferung auch herangezogen zu werden. Die Zulassung - so bestimmt § 124 Abs. 5 S. 2 SGB V (auf den § 126 Abs. 3 SGB V verweist) - "berechtigt" die Leistungserbringer lediglich zur Versorgung der Versicherten.
Im Ergebnis ist der mit dem Hauptantrag von den Klägerinnen erhobene Unterlassungsanspruch auf Grund nationalen Kartellrechts nicht begründet.
b) Ein auf Art. 81 EG gestützter Unterlassungsanspruch scheidet aus, da das beanstandete Verhalten der Beklagten nicht feststellbar auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, auf Beschlüssen oder auf aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beruht und außerdem eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs nicht zu erkennen ist. Art. 82 EG ist im Streitfall nicht einschlägig, weil der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung auf einem Teil des Gemeinsamen Marktes nicht zukommt.
c) Dem Hauptantrag ist auch gemäß § 1 UWG nicht stattzugeben. Die Beklagte verhält sich rechtstreu und gerade nicht sittenwidrig, indem sie die streitgegenständlichen Leistungen ausgeschrieben hat.
II. Der zuerst gestellte Hilfsantrag ist unbegründet, da die Ausschreibungspraxis der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Die Klägerinnen werfen der Beklagten nicht vor, die angegriffene Ausschreibung nicht allen in ihnen vertretenen Mitgliedern zugänglich gemacht und diese nicht vollzählig beteiligt zu haben.
III. Bei der gegebenen Rechtslage hat auch der weitere Hilfsantrag der Klägerinnen keinen Erfolg, da die Beklagte es während der Laufzeit von Lieferaufträgen an Leistungserbringer, die nach Ausschreibungsverfahren erteilt worden sind, mit Recht ablehnt, die genannten Hilfsmittel von anderen, im Vergabeverfahren nicht zum Zuge gekommenen Leistungserbringern, so von Mitgliedern der Klägerinnen, zu beziehen.
B) Die Berufung der Beklagten ist nach den vorstehenden Ausführungen begründet. Die Klage ist insgesamt - auch soweit ihr das Landgericht stattgegeben hat - als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO a.F..
Beschwer der Klägerinnen: insgesamt 100.000 DM
(Streitwert der Berufungen der Klägerinnen und der Beklagten: je 50.000 DM).
K.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 08.05.2002
Az: VI-U (Kart) 46/00
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