Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. Januar 2007
Aktenzeichen: 27 W 32/06

(OLG Hamm: Beschluss v. 18.01.2007, Az.: 27 W 32/06)

1.

Ist nach Antrags- oder Klagerücknahme über die Kosten einer Nebenintervention zu entscheiden, so ist nicht zu überprüfen, ob ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten an der Entscheidung bestand, wenn zuvor kein Zurückweisungsantrag nach § 71 ZPO gestellt war.

2. Beantragt eine Aktiengesellschaft im Freigabeverfahren nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 1 AktG die Feststellung, dass die Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen durch die Antragsgegner der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister nicht entgegen steht, so ist auch für weitere Minderheitsgesellschafter ein die Nebenintervention ermöglichendes rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits gegeben. Eine Rechtskrafterstreckung ist hierfür nicht erforderlich.

Tenor

In dem Antragsverfahren gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG

wird auf die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin C der Beschluss der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld vom 10. März 2006 abgeändert.

Der Antragstellerin werden die durch die Nebenintervention der C entstandenen Kosten auferlegt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 5.000,00 €. (Rechtsanwaltskosten der Nebenintervenientin im Antragsverfahren nach einem Streitwert von 500.000,00 €, vgl. Senatsbeschluss vom 16.1.2007 - 27 W 86/06 - im Rechtsstreit 15 O 154/05 LG Bielefeld).

Gründe

I.

Die (insgesamt 30) Antragsgegner waren Minderheitsaktionäre der Antragstellerin, einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Auf Verlangen ihrer Hauptaktionärin beschloss die Hauptversammlung der Antragstellerin im Juli 2005, die Stückaktien aller Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung auf die Hauptaktionärin zu übertragen. Hiergegen haben die Antragsgegner Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen die Antragstellerin erhoben, die beim LG Bielefeld unter dem Aktenzeichen 15 O 154/05 anhängig waren (im Folgenden "Hauptsacheverfahren" genannt).

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Freigabeverfahren nach §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 1 AktG beantragt festzustellen, dass die Erhebung der Klagen im Hauptsacheverfahren der Eintragung des Übertragungsbeschlusses nicht entgegen steht. Diesem Verfahren ist die Beschwerdeführerin - nach ihrer Behauptung ebenfalls eine Minderheitsaktionärin der Antragstellerin - mit Schriftsatz vom 18.01.2006 als Nebenintervenientin auf Seiten der Antragsgegner beigetreten, nachdem sie zuvor im Hauptsacheverfahren bereits als Nebenintervenientin der Kläger beigetreten war. Am 03.02.2006 hat die Antragstellerin ihren Antrag in Erfüllung eines im Hauptsacheverfahrens geschlossenen Vergleichs zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2006 hat die Beschwerdeführerin beantragt, der Antragstellerin die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Diesen Antrag hat das Landgericht - Kammer für Handelssachen - durch Beschluss vom 10.03.2006, der Beschwerdeführerin am 15.03.2006 zugestellt, zurückgewiesen. Die Nebenintervention sei unzulässig gewesen, weil es der Beschwerdeführerin an einem rechtlichen Interesse im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO fehle. Hiergegen richtet sich die am 23.03.2006 eingegangene sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin, mit der sie ihren Antrag weiter verfolgt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die entsprechend § 269 Abs. 5 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Die durch die Nebenintervention der Beschwerdeführerin verursachten Kosten sind der Antragstellerin gem. §§ 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO antragsgemäß aufzuerlegen.

1.

Es ist allgemeine Meinung, dass der in § 101 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck gekommene Grundsatz der Parallelität der Kosten der Nebenintervention und der Kosten des Rechtsstreits nicht nur in den in § 101 Abs. 1 ZPO genannten Fällen gilt; auch die sich aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ergebende Kostenfolge ist auf die Kosten der Nebenintervention zu übertragen (vgl. nur Musielak/Wolst, ZPO, 5. A. 2007, § 101 Rn. 3).

2.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts reicht es aus, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Rücknahme des Antrags der Antragstellerin den Antragsgegnern als Nebenintervenientin beigetreten war und diesem Beitritt keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Hindernisse entgegen standen.

Dagegen spielt es keine Rolle, ob die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Antragsgegner im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO hatte. Denn das wird nur auf Antrag einer Hauptpartei in einem Zwischenstreit nach § 71 ZPO, dagegen nicht von Amts wegen überprüft (vgl. BGH NJW 2006, 773f, Rn. 9f.). Diese für den Fall des Abschlusses eines Verfahrens durch eine Sachentscheidung des Gerichts unzweifelhaft geltende Regel findet auch Anwendung, wenn das Verfahren durch Rücknahme des einleitenden Gesuchs (Klage, Antrag) endet. Es besteht keine Veranlassung, in diesem Fall von der Notwendigkeit eines Antrags auf Zurückweisung der Nebenintervention abzusehen. Denn ebenso wie im Fall einer gerichtlichen Entscheidung ist jede Partei in der Lage, vor dem Verfahrensende diesen ihr obliegenden Antrag zu stellen, um die Überprüfung des rechtlichen Interesses des Nebenintervenienten zu erreichen. Eine Kostenentscheidung bezüglich der Kosten der Nebenintervention zu Lasten einer Partei mag in den seltenen Ausnahmefällen ausscheiden, in denen der Partei der Schriftsatz, mit denen der Beitritt erklärt wurde (§ 70 ZPO), nicht mehr so rechtzeitig vor Verfahrensende zugestellt wurde, dass sie den Antrag nach § 71 ZPO stellen konnte. Dies wird etwa diskutiert für Fälle eines Beitritts nach Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. A., § 101 Rn. 2). Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar, weil der Beitrittsschriftsatz vor der Rücknahme des Antrags zugestellt worden war.

Offen bleiben kann im vorliegenden Fall, wie zu verfahren ist, wenn zwar ein Antrag auf Zurückweisung gestellt worden, vor einer Entscheidung hierüber das Hauptverfahren jedoch durch Rücknahme beendet worden ist. Die Annahme, dass das Zwischenverfahren als gegenstandslos endet und bei der Kostenentscheidung die Nebenintervention ohne Weiteres nach § 71 Abs. 3 ZPO als zulässig zu behandeln ist, ist hier ebenso zu erwägen wie eine Inzidententscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention im Rahmen der Kostenentscheidung.

3.

Aber selbst wenn man der Auffassung folgen wollte, das Vorliegen eines rechtlichen Interesses gem. § 66 ZPO sei Voraussetzung für eine Kostenentscheidung zu Ungunsten der Antragstellerin, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Nebenintervenientin am Ausgang des Freigabeverfahrens nicht nur ein tatsächliches und wirtschaftliches Interesse. Zwar ist der Ausgangspunkt des Landgerichts zutreffend, dass es im Freigabeverfahren weder eine Rechtskrafterstreckung auf die Nebenintervenienten gibt noch die Entscheidung Gestaltungswirkung ihnen gegenüber hat. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht notwendig, um ein rechtliches Interesse anzunehmen, sondern beschreiben nur besonders häufige und zudem eindeutige Fallgruppen. Im Übrigen reicht es allgemein aus, dass der Ausgang des Verfahrens für die Rechte des Nebenintervenienten in dem Sinn von Bedeutung ist, dass der Sieg der von ihm unterstützten Partei z.B. eine Gefahr von ihm abwendet, die ihm aus ihrem Unterliegen drohen würde (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. A., § 66 Rn. 12 m.w.N.).

Das ist hier der Fall: Betroffen ist zunächst nicht nur ein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse (a.A. ohne nähere Erläuterung Neumann, EwiR § 327e AktG 1/05), sondern ein Recht der Nebenintervenientin, nämlich ihr Mitgliedschaftsrecht an der Antragstellerin, das durch Vorlage der Depotbescheinigungen glaubhaft gemacht ist. Dieses war bei einem Unterliegen der Antragsgegner bedroht, weil sodann keine formellen Hindernisse gegen eine Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister mehr bestanden und damit dessen Wirksamwerden auch zu Lasten der Nebenintervenientin drohte. Dass dies nicht unmittelbare (dann läge eine Gestaltungswirkung vor), sondern nur mittelbare Folge einer solchen Entscheidung (nämlich nach Vorlage nebst Antrag beim Handelsregister) gewesen wäre, ist unerheblich (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO. Rn. 14a; Musielak/Weth, ZPO, 5.A., § 66 Rn. 5 m.w.N.). Der Fall ist nicht anders zu beurteilen als im Falle einer drohenden Vollstreckung aus einer Entscheidung (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO. Rn. 16) und ist auch vergleichbar mit Fällen einer Mitberechtigung (aaO. Rn. 24b); in beiden Konstellationen wird ebenfalls ein rechtliches Interesse bejaht.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.






OLG Hamm:
Beschluss v. 18.01.2007
Az: 27 W 32/06


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