Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juli 2011
Aktenzeichen: 28 W (pat) 37/11

(BPatG: Beschluss v. 29.07.2011, Az.: 28 W (pat) 37/11)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 31 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 24. November 2008 und 25. Februar 2011 werden aufgehoben

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 31 IR vom 24. November 2008 das Schutzersuchen der Inhaberin der international für die Waren und Dienstleistungen Klasse 16: Paper, cardboard and goods made of these materials, not included in other classes; printed matter; bookbinding material; photographs; stationery; adhesives for stationery or household purposes; material for artists; paintbrushes; typewriters and office requisites (except furniture); instructional or teaching material (except apparatus); plastic materials for packaging (not included in other classes); printing type; printing blocks.

Klasse 31: Agricultural, horticultural and forestry products and grains, not included in other classes; live animals; fresh fruits and vegetables; natural seeds, plants and flowers; foodstuffs for animals; malt.

Klasse 42: Scientific and technological services and research and design relating thereto; industrial analysis and research services; design and development of computers and software; legal services.

Klasse 44: Medical services; veterinary services; hygienic and beauty care for human beings or animals; agriculture, horticulture and forestry services.

registrierten Bildmarke IR 897 907 nach Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA i.V.m. §§ 107, 113, 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und mit weiterem Beschluss vom 25. Februar 2011 auch die hiergegen eingelegte Erinnerung der Markeninhaberin zurückgewiesen. Dies wird damit begründet, der schutzsuchenden Marke fehle die Unterscheidungskraft, weil die Wortbestandteile im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur den allgemeinen Sachhinweis enthielten, dass (irgend-) eine Internationale Vereinigung Saatgut fair (bildliche Darstellung einer Waage) und einheitlich (Wort "unifomity") teste; dieses darin zu erkennende allgemeine Güteversprechen ohne konkretisierenden Herkunftshinweis werde durch die siegelartige Darstellung noch unterstrichen.

Mit ihrer Beschwerde macht die Markeninhaberin im Wesentlichen geltend, die Schutz suchende Marke sei schutzfähig, weil ihre Wortbestandteile, die ähnlichen eingetragenen Verbandszeichen entspräche, die beanspruchten Waren nicht beschrieben; darüber hinaus ließe das in sich geschlossene Bildelement die Kennzeichnung auch optisch markenmäßig wirken.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 31 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 24. November 2008 und 25. Februar 2011 aufzuheben.

II.

Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Die angemeldete Kennzeichnung ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist nach der verbindlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] - Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] -BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] -SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung nur zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] - SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] -Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] -Das Prinzip der Bequemlichkeit).

Nach diesen Grundsätzen lässt sich die Unterscheidungskraft der hier zu beurteilenden international registrierten Bildmarke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen letztlich nicht verneinen. Dabei spielt es allerdings keine Rolle, ob es, wie die Markeninhaberin geltend macht, bereits Eintragungen von vergleichbaren Verbandzeichen gibt; denn aus der Schutzgewährung für andere Marken lässt sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich kein Anspruch auf Eintragung ableiten (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] Bild.T-Online.de und ZVS; BGH WRP 2011, 349, 350 f. -FREIZEIT RÄTSEL WOCHE; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. -Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. -Papaya; GRUR 2010, 423 -amazing discoveries; GRUR 2010, 425 -Volksflat).

Unabhängig davon lässt sich das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft der schutzsuchenden IR-Marke vorliegend nach Auffassung des Senats aber schon wegen ihrer grafischen Gestaltung nicht verneinen. Dabei kann dahinstehen, ob, wie die Markenstelle gemeint hat, die Wortelemente der schutzsuchenden IR-Marke nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt haben (vgl.

BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Auch wenn hierfür einiges sprechen mag, werden die angesprochenen Verkehrskreise den erforderlichen Herkunftshinweis aber ohne Weiteres zumindest der grafischen Gestaltung der schutzsuchenden Marke entnehmen. Etwas Anderes gälte nur, falls die darin enthaltenden grafischen Elemente wegen ihrer Werbeüblichkeit einen Schutz der angemeldeten Kennzeichnung nicht begründen könnten (vgl. BGH WRP 2001, 1201, 1202 -anti-KALK), wenn sie sich in der bildlichen Wiedergabe der im Warenverzeichnis genannten Waren und Dienstleistungen erschöpften (vgl. BGH WRP 1997, 755 -Autofelge; WRP 1999, 526 -Etiketten, mit weiteren Nachw.) oder wenn sie nur einfache geometrische Formen oder einfache graphische Gestaltungselemente enthielten, die -wie dem Verkehr aus Erfahrung bekannt ist -in der Werbung, auf der Ware, ihren Verpackungen oder auf Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2001, 734, 735 -Jeanshosentasche; HABM Mitt 2001, 273, 275 - M-förmige Steppnähte). Solche, eine Herkunftsfunktion der Grafik ausschließende Umstände, können nach Ansicht des Senats bei der hier zu beurteilenden konkreten Bildmarke aber nicht festgestellt werden. Zwar mögen -worauf die Markenstelle abgestellt hat -siegelartige Darstellungen als allgemeine Gütehinweise ohne individualisierende Herkunftsfunktion durchaus üblich sein, zu beachten ist aber, dass der bildlichen Gesamtdarstellung der schutzsuchenden Bildmarke eine aufwändige Gestaltung zugrunde liegt, die in der ganz konkreten Verbindung der einzelnen Darstellungsmittel, auch wenn diese für sich genommen (werbe-) üblich sein mögen, der Bildmarke das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft noch zu vermitteln imstande sind.

Da sich das Schutzersuchen der Inhaberin der IR-Marke somit nicht wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen werden kann, waren auf ihre Beschwerde die anderslautenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Klante Schell Schwarz Me






BPatG:
Beschluss v. 29.07.2011
Az: 28 W (pat) 37/11


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