Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 28. Oktober 2004
Aktenzeichen: L 16 KR 106/03
(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 28.10.2004, Az.: L 16 KR 106/03)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24. März 2003 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung krankengymnastischer/physiotherapeutischer Leistungen.
Die Klägerin ist als Krankengymnastin und Physiotherapeutin zur Versorgung der Versicherten der beklagten Primärkasse zugelassen. Am 29.08.1994 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten folgende Anerkenntnis-Erklärung ab:
"Hiermit erkenne(n) ich/wir den mir/uns ausgehändigten Vertrag über die Erbringung und Vergütung physikalischtherapeutischer Leistungen für die Versicherten der Mitgliedskassen der Landesverbände durch Krankengymnasten/Physiotherapeuten in Nordrhein vom 25.06.1991 an. Ich/Wir bin/sind damit einverstanden, daß spätere Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages mir/uns gegenüber ohne weitere Anerkennung verbindlich werden, soweit ich/wir diese Anerkenntnis-Erklärung nicht schriftlich widerrufe(n).
Ich/wir verpflichte(n) mich/uns, meinen/unseren Erfüllungsgehilfen die Bestimmungen des Vertrages zur Kenntnis zu bringen und deren Beachtung durch sie in geeigneter Weise zu überwachen.
Mit meiner Unterschrift erkenne ich alle Vereinbarungen nach § 124 SGB V als Zulassungsvoraussetzung an. Im Weiteren erfolgt die Anerkennung des vorgenannten Vertrages unter dem Vorbehalt, daß es sich ebenfalls um eine Vereinbarung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 SGB V handelt.
C, den 29.8.94 Ort, Datum T. Unterschrift der Leistungserbringerin."
Sonstige Vereinbarungen sind zwischen der Klägerin bzw. dem Verband, dem sie angehört, und der Beklagten nicht abgeschlossen worden.
Die Klägerin versorgte aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen auch Versicherte der Beklagten, die in Alters- oder Pflegeheimen untergebracht waren, u.a. den Versicherten H (H). Wurden dabei mehrere Versicherte anlässlich eines Besuchs des jeweiligen Heimes behandelt, zahlte die Beklagte ab dem zweiten versorgten Patienten lediglich noch eine reduzierte Gebühr und kein anteiliges Wegegeld. Des Weiteren lehnte die Beklagte die Zahlung einer Vergütung für die erforderlichen Berichte der Therapeutin an den behandelnden Arzt ab.
Die Klägerin hat am 28.12.2001 "in Sachen des Sachleistungsberechtigten H" Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben, sowie weitere Verfahren wegen anderer Versicherten bei diesem SG gegen die Beklagte anhängig gemacht. Sie hat im vorliegenden Verfahren wegen der ihrer Ansicht nach unbegründeten Kürzungen der Rechnungen in Sachen H zunächst beantragt,
im Rahmen einer einheitlichen Rechtsprechung die Beklagte zu verurteilen, an sie die erbrachten und ab 01.01.2000 unter dem Vorbehalt der Nachforderung abgerechneten Leistungen sowie in Zukunft ihre Rechnungen - selbstverständlich nach einer entsprechenden Leistungserbringung und zugestandenen Überprüfung - gemäß der ortsüblich anerkannten Preisliste ihr innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen und nicht erneut Verträge anderer Berufsverbände anzuwenden, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihr zumindest einen Betrag von 93,65 DM, zuzüglich eines Verwaltungskostenzuschlags von 10 Prozent (9,37 DM) zuzüglich Zinsen ab dem Verzugszeitpunkt 07.11.2001 zu zahlen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe zu Unrecht wegen Überschneidungen von Hausbesuchen 63,65 DM sowie weitere 30,- DM für Arztberichte nicht gezahlt. Die doppelte Abrechnung von Hausbesuchen sei tatsächlich nicht erfolgt. Die Beklagte könnte den gegenteiligen Beweis auch nicht führen. Die Patienten seien unstreitig ordnungsgemäß behandelt worden, die Bezahlung aber von der Beklagten unter Verweisung auf Verträge Dritter zu Unrecht verweigert worden, so dass sich die Beklagte in Verzug befinde. Bedingt durch unterschiedliche Leistungs- und Vertragspreise anderer Berufsverbände existiere keine einheitliche ortsübliche Leistungs- und Preisliste, sondern es würden von jeder Versichertenart (Kassenart) bis zu sechs unterschiedliche Preise für die gleichen Leistungen am gleichen Ort nach "Gutsherrenart" gewährt. Ein derartiges Preisdiktat sei unzulässig. Sie - die Klägerin - wende in ihrer Praxis eine für alle Patienten gültige Leistungs- und Preisliste an. Dabei handele es sich um die ortsüblichen Sätze, die auch von anderen öffentlichen bzw. halböffentlichen Institutionen und Privat-Versicherungen gezahlt und von Beihilfe-Stellen sowohl des Landes Nordrhein-Westfalen als auch des Bundes anerkannt würden. Die entsprechend geforderte Vergütung sei weder unbillig noch unangemessen, entgegen den von der Beklagten offerierten Sätzen. Es werde angeboten, einen Vertrag zu schließen, in dem moderne und hochqualifizierte Physiotherapie und Preisnachlässe vereinbart werden könnten, wobei es weniger auf die Preisgestaltung ankomme, sondern mehr auf die Leistungserbringung und deren qualitativ entsprechende Honorierung sowie die vertraglichen Rahmenbedingungen.
Die Beklagte hat auf die von der Klägerin abgegebene Anerkenntniserklärung verwiesen, aus der eine entsprechende Bindung an die bestehenden Vergütungsvereinbarungen folge. Diese sähen bei der Behandlung mehrerer Patienten während eines Hausbesuchs (z.B. in einem Alters- und Pflegeheim) nur einmal die volle Hausbesuchsgebühr zuzüglich Wegegeld und für jeden weiteren Patienten eine reduzierte Gebühr vor. Für H sei jeweils die volle Hausbesuchsgebühr an Tagen abgerechnet worden, an denen die Klägerin in demselben Heim noch weitere Patienten behandelt habe. Insoweit seien die Abrechnungen zu Recht um 63,65 DM gekürzt worden. Therapieberichte seien nicht zu vergüten, da die entsprechenden Preisvereinbarungen eine solche zusätzliche Vergütungspflicht nicht vorsähen. Die einseitige Festsetzung von Vergütungen durch die Leistungserbringerin sei nicht zulässig.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass die Beklagte seit dem 01.01.1998 verpflichtet ist,
1. mangels eines rechtsgültigen Vertrages nach § 125 Abs. 2 SGB V gegenüber der Klägerin nicht Vertragsinhalte anderer Berufsverbände anzuwenden, insbesondere keine Beträge wegen "Hausbesuchsüberschneidungen" abzuziehen, 2. festzustellen, dass die Beklagte seit dem 01.01.1998 verpflichtet ist, a) einen Entschädigungssatz von 26,- DM (ab 01.01.2002: 13,50 Euro) pro Einzelhausbesuch und b) für innerörtliche Wegentschädigung von 1,60 DM (ab 01.10.2002: 0,90 Euro) pro km zu zahlen; hilfsweise, 3. festzustellen, dass die Beklagte ab 01.01.1998 verpflichtet ist, a) einen Entschädigungssatz von 49,50 DM (ab 01.01.2002: 25,30 Euro) pro Einzelhausbesuch und b) für eine innerörtliche Wegentschädigung eine Pauschale von 19,20 DM (ab 01.01.2002: 9,80 Euro) pro Hausbesuch sowie c) pro Rezeptur zur Abgrenzung des Kostenträgers und der zu berechnenden Hausbesuchs-Gebühr für die jeweiligen Hausbesuche einen Zuschlag von 16,50 DM (ab 01.01.2002: 7,70 Euro) zu zahlen, 4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, a) Rechnungen binnen 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu begleichen, b) die Forderungsbeträge ab dem 14. Tag nach Rechnungsdatum gemäß den Verzugszinsen des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen, zuzüglich eine pauschale Verzugsgebühr von 7,70 Euro zu zahlen.
Mit Urteil vom 24.03.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 24.04.2003 Berufung eingelegt, mit der sie ihre Auffassung weiter verfolgt. Sie ist insbesondere der Meinung, die von der Beklagten angebotenen Vergütungen ließen eine ausreichende und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte seit dem 01.01.1998 verpflichtet ist, a) einen Entschädigungssatz von 26 DM (ab 01.01.2002 13,50 Euro) pro Einzelhausbesuch und b) für innerörtliche Wegentschädigungen von 1,60 DM (ab 01.01.2002 0,90 Euro) pro Kilometer zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, a) Rechnungen binnen 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu begleichen, b) die Forderungsbeträge ab dem 14. Tag nach Rechnungsdatum gemäß den Verzugszinsen des BGB zu verzinsen und zuzüglich eine pauschale Verzugsgebühr von 7,70 Euro zu zahlen, hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte ab 01.01.1998 verpflichtet ist, sofern sie zu Recht Kürzungen bei Hausbesuchsüberschneidungen vornimmt, um nicht aufgrund einer Mischkalkulation unverändert den mit dem Hauptantrag begehrten Vergütungssatz zu zahlen, a) einen Entschädigungssatz von 49,50 DM (ab 01.01.2002 25,30 Euro) pro Einzelhausbesuch und b) für eine innerörtliche Wegentschädigung eine Pauschale von 19,20 DM (ab 01.01.2002 9,80 Euro) pro Hausbesuch sowie c) pro Rezeptur zur Abgrenzung des Kostenträgers und der zu berechnenden Hausbesuchs-Gebühr für die jeweiligen Hausbesuche einen Zuschlag von 16,50 DM (ab 01.01.2002 7,70 Euro) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Berufung, die das SG nicht zugelassen habe, sei unzulässig, weil sich das Verfahren nur auf die Kürzungsbeträge in Sachen H beziehe, die aber den Beschwerdewert für die zulassungsfreie Berufung nicht erreichten.
Im Übrigen sei die Berufung aber auch nicht begründet, weil die Klägerin an ihre Erklärung gebunden sei und damit auch für sie die zwischen ihr, der Beklagten, und dem Interessenverband Freiberuflicher Krankengymnasten e.V. und dem Landesverband Nordrhein-Westfälischer Krankengymnasten/Physiotherapeuten e.V. geschlossenen Verträge Geltung hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig sowohl hinsichtlich des Hauptantrages zu 1) als auch desjenigen zu 2).
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten übersteigt die Beschwer den Wert für die zulassungsfreie Berufung von 500,- Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Gegenstand der Entscheidung des SG, der für die Bestimmung des Beschwerdewertes maßgeblich ist (vgl. BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1 S. 2; § 144 Nr. 11; BVerwG NVwZ 1987, 219), beschränkte sich nicht auf Zahlungsansprüche der Klägerin bezüglich der Behandlung des Versicherten H Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG uneingeschränkt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung höherer Vergütungen aufgrund von Behandlungen im Rahmen eines Hausbesuchs sowie Feststellungen hinsichtlich der Fälligkeit und der Verzinsung dieser Vergütungsansprüche begehrt. Das aus diesen Anträgen resultierende wirtschaftliche Interesse der Klägerin übersteigt aber den Wert von 500,- Euro bei weitem. Ob hierin eine zulässige Klageänderung (§ 99 Abs. 1 SGG) lag, ist ebensowenig für die Bestimmung des Beschwerdewertes der Berufung maßgeblich wie die Frage, ob der abstrakte Feststellungsantrag im Hinblick auf die streitigen einzelnen Versicherungsverhältnisse zulässig gewesen ist. Dieses berührt lediglich die Zulässigkeit der Feststellungsanträge selbst, nicht aber die der Berufung.
2. Der Zulässigkeit der Berufung bezüglich des Antrags zu 2) steht auch nicht entgegen, dass dieser vor dem SG nur hilfsweise erhoben worden ist. Abgesehen davon, dass es ohnehin den Anträgen insoweit an einem Abhängigkeitsverhältnis mangelt, das die Stellung als Haupt- und Hilfsantrag plausibel macht, ist der Wechsel eines Hilfsantrags zum Hauptantrag auch noch im Berufungsverfahren zulässig, solange nicht der ursprüngliche Hauptantrag fallen gelassen wird (vgl. BGH MDR 99, 954).
II.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen.
1. Die Feststellungsanträge sind zulässig. Es kann dahinstehen, ob der Übergang von der zunächst erhobenen Zahlungs- und Feststellungsklage bezogen auf die Abrechnung eines konkreten Versicherungsverhältnisses zur unbeschränkten Feststellung hinsichtlich der allgemeinen Vergütungssätze und Abrechnungspraxis eine Klageänderung i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG oder (nur) eine (ohnehin zulässige) Klageerweiterung gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG darstellt. Erstere ist nämlich schon deshalb zulässig gewesen, weil sich die Beklagte auf die geänderten Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem SG rügelos eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 2. Alt. SGG).
Die Klägerin hat auch das für die Anträge erforderliche Feststellungsinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Um ihre Leistungen wirtschaftlich kalkulieren und erbringen zu können, muss sie wissen, nach welchen Vergütungssätzen sie zur Abrechnung berechtigt ist und ob die Abrechnungspraxis der Beklagten (Zahlungszeitpunkt, Prüfungsrecht) rechtmäßig ist. Zahlungsklagen und damit verbundene Feststellungen in einzelnen Abrechnungsfällen führen insoweit schon wegen der beschränkten zeitlichen Wirkung und des Bezuges zu einzelnen bestimmten Vertragsleistungen nicht zu einer umfassenden Klärung des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses.
Dem Antrag zu 1) steht schließlich auch keine anderweitige Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) entgegen. Ein entsprechender Antrag ist allerdings schon vor dessen Erhebung im hiesigen Verfahren in zumindest einem anderen Verfahren (SG Köln Az.: S 19 KR 110/01./. L 16 KR 90/03) vor Gericht rechtshängig gemacht worden. Während dieser Rechtshängigkeit ist ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand unzulässig (§ 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG). Eine gleichwohl erhobene zweite Klage muss durch Prozessurteil abgewiesen werden, was in jedem Rechtszug zu beachten ist (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl., Rdn. 8 zu § 94). Die anderweitige Rechtshängigkeit ist jedoch durch die vor dem Senat erklärte Klagerücknahme entfallen (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. Rdn. 7b). Die Klagerücknahme bedarf nicht der Zustimmung der Beklagten, da § 102 SGG eine entsprechende Beschränkung nicht vorsieht (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, Anm. 2 zu § 102; Meyer-Ladewig a.a.O. Rdn. 6b zu § 102). Sie kann auch im Berufungsverfahren erklärt werden, ist allerdings grundsätzlich an das Gericht zu richten, bei dem das Verfahren anhängig ist (Meyer-Ladewig a.a.O. Rdn. 7a zu § 94). Hinsichtlich des genannten weiteren Verfahrens begegnet dieses keinen Bedenken, weil das Verfahren vor dem erkennenden Senat ebenfalls anhängig ist. Der Senat hat davon abgesehen zu prüfen, ob in den weiteren noch beim SG anhängigen Verfahren der Beteiligten gleichlautende Anträge zu einem früheren Zeitpunkt gestellt worden waren. Die Beteiligten hatten dies auf Anfrage des Senats übereinstimmend verneint. An der Richtigkeit dieser Angabe bestehen im Hinblick auf das genannte weitere Verfahren jedoch Zweifel. Von einer weiteren Klärung dieser Frage hat der Senat jedoch im Hinblick auf die weiteren Erklärungen der Beteiligten Abstand genommen. Diese haben sich dahin verständigt, dass das vorliegende Verfahren als Musterverfahren zur Klärung der entsprechenden Streitfrage geführt werden sollte. Wenn die Parteien dabei angesichts der Vielzahl der Verfahren (ursprünglich mehr als 100 Verfahren, zum größten Teil auf einem Trennungsbeschluss des SG beruhend) auch übersehen haben mögen, dass teilweise identische Klageverfahren anhängig geblieben sind, so ist für die Beteiligten durch die Erklärung der Klägerin, die gleichlautenden Anträge in sämtlichen übrigen Verfahren zurückzunehmen, doch klargestellt, dass allein aus der Entscheidung über den Antrag zu 1) im hiesigen Verfahren Rechte von ihr hergeleitet werden können. Die Beklagte könnte der Durchsetzung von Rechten aufgrund gegenteiliger Entscheidungen in den weiteren Verfahren mit der zur Niederschrift des Gerichts abgegebenen Erklärung - gegebenenfalls im Wege der Restitutionsklage (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. Rdn. 8 zu § 94) - entgegentreten.
2. Der Klageantrag zu 1) ist nicht begründet, wie das SG zu Recht erkannt hat. Dabei kann es der Senat dahinstehen lassen, ob dies schon Folge der Erklärung der Klägerin vom 29.08.1994 ist, weil aufgrund dessen die zwischen der Beklagten und den Interessen- und Landesverbänden der Krankengymnasten und Physiotherapeuten im Bezirk Nordrhein geschlossene Preisvereinbarung auch zwischen der Klägerin und der Beklagten Wirkung hat. Der Zusatz in dieser Erklärung über die Anerkennung der Zulassungsvoraussetzungen steht dem, entgegen der Auffassung des SG, nicht entgegen. § 124 Abs. 2 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) a.F. sah vor, dass als Heilmittelerbringer nur zuzulassen ist, wer die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt (jetzt inhaltsgleich § 124 Abs. 2 Nr. 3 SGB V). Ob die Unterwerfung unter eine bestehende Preisvereinbarung eine Zulassungsvoraussetzung im Sinne des § 124 Abs. 2 SGB V ist, hat das BSG ausdrücklich offengelassen (SozR 3-2500 § 124 Nr. 3 S. 29), solche Vergütungsvereinbarungen aber als verbindlich angesehen, denen der die Zulassung beantragende Heilmittelerbringer nicht widersprochen hat. Die Klägerin hat mit ihrer Erklärung aber die Vergütungsvereinbarungen der Beklagten ausdrücklich anerkannt in der Erwartung, wie sie vor dem Senat erläutert hat, dass es sich um eine Zulassungsvoraussetzung handelte. Vom Empfänger-Horizont der Beklagten her konnte der Zusatz über die Zulassungsvoraussetzungen in der Erklärung vom 29.08.1994 daher auch nur dahin verstanden werden, die Zustimmung der Klägerin werde für alle von beiden Beteiligten für erforderlich gehaltene Zulassungsvoraussetzungen erteilt. Da beide Parteien aber übereinstimmend die Vergütungsvereinbarung hierzu zählten, ist damit auch insoweit ein entsprechender Vertragsschluss zustandegekommen.
Aber auch wenn man infolge des späteren Verhaltens und der Erklärungen sowie Abrechnungen der Klägerin diese Preisvereinbarung als zumindest konkludent gekündigt ansieht, steht der Klägerin keine höhere Vergütung zu, als sie von der Beklagten den übrigen Heilmittelerbringern (entsprechend den mit diesen einheitlich geschlossenen Vereinbarungen) gezahlt werden. Aufgrund des insoweit vertragslosen Zustandes steht der Klägerin kein einseitiges Bestimmungsrecht nach §§ 315, 316 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu, auch wenn die Bestimmungen des BGB gemäß § 69 Satz 3 SGB V entsprechende Anwendung zwischen den Beteiligten finden können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 69 Nr. 1). Diese Vorschriften, die eine einseitige Vergütungsbestimmung durch den Leistenden regeln, sind jedoch im Recht der Leistungserbringer gemäß §§ 124 ff. SGB V nicht anwendbar (BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 4). § 125 Abs. 2 SGB V stellt die Vereinbarung über die Vergütung in die Vertragsautonomie der Heilmittelerbringer sowie deren Verbände und der Verbände der Krankenkassen. Es entfiele aber jeglicher Anreiz zum Abschluss derartiger Verträge, wenn ohne diese eine der Parteien ihre Preise einseitig durchsetzen könnten (BSG a.a.O.; BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 7 S. 26).
Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf die übliche Vergütung im Sinne des § 612 BGB bzw. der §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB. Ob sich der Vergütungsanspruch der Leistungserbringer bei einer fehlenden vertraglichen Preisvereinbarung nach ersterer Vorschrift - hier aufgrund des jeweiligen Behandlungsvertrages - (vgl. dazu Urteil des Senats vom 22.04.2004 - L 16 KR 270/02 -) oder allein nach Bereicherungsrecht - Leistungskondition des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB - (vgl. BSG Urt. v. 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -; BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1 S. 5; gegenteilige Auffassung OLG Düsseldorf, SGb 1993, 429, 431 mit insoweit zustimmender Anmerkung Kummer a.a.O. S. 433) richtet, kann letztlich dahinstehen. Die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB ist die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährte Vergütung (Putzo in Palandt, Kommentar zum BGB, 63. Auflage, Rdn. 8 zu § 612). § 818 Abs. 2 BGB stellt im Bereicherungsrecht auf den objektiven Verkehrswert des Erlangten ab (BGHZ 55, 128, 135; 82, 299, 307 f.). Dies sind aber ebenfalls die Vergütungssätze, die üblicher Weise von den Krankenkassen für vergleichbare Leistungen gezahlt werden (BSG Urt. v. 13.05.2004 - B 3 KR 2/03 R -). Dabei ist auf das für das jeweilige Kassensystem gültige Vergütungssystem und nur bei Ermangelung eines solchen auf sonstige Vergütungsvereinbarungen zurückzugreifen. Der Gesetzgeber hat es dem jeweiligen Kassenverband überlassen, für seine Mitglieder mit den Heilmittelerbringern oder deren Verbände Vereinbarungen "im freien Spiel der Kräfte" abzuschließen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132 a Nr. 1 S. 4). Bestehen daher außerhalb des jeweiligen Verbandssystem höhere Vergütungssätze, könnte der einzelne Heilmittelerbringer, für den keine Verbandspflicht besteht, ohne weiteres durch eine Kündigung der bestehenden Verträge eine höhere Vergütung erlangen, wenn nicht auf das jeweilige Kassensystem im Rahmen der Vergütungsansprüche nach §§ 612 Abs. 2, 812 BGB abzustellen wäre. Im umgekehrten Fall wäre die Durchsetzung einer weiteren Erhöhung regelmäßig ausgeschlossen, weil mit der Kündigung der Vergütungsvereinbarung automatisch der geringere Durchschnittssatz in Kraft träte, so dass für die Krankenkasse keine Verhandlungsnotwendigkeit bestünde (vgl. dazu auch BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 7 S. 26). Da die Beklagte nach einer einheitlichen Preisvereinbarung die Leistungen der Krankengymnastik/Physiotherapie im Bereich Nordrhein vergütet, kann die Klägerin demzufolge keine höhere Vergütung beanspruchen.
Unter welchen Umständen nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB; 313 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 - BGBl I. S. 3138 -; vgl. auch § 59 SGB X) ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung besteht, kann dahinstehen (vgl. dazu BSGE 66, 159, 162 f. = SozR 3-2200 § 376 b Nr. 1 unter Hinweis auf BGHZ 86, 167 169). Ein solches Anpassungsrecht kann nur unter schwerwiegenden Veränderungen, die es einer Partei unzumutbar machen, entsprechend den bisherigen Vereinbarungen behandelt zu werden, begründet werden. Ein solches Mißverhältnis der Vergütung lässt sich trotz der Behauptung der Klägerin angesichts des Umstandes, dass zahlreiche Krankengymnasten/innen und Physiotherapeuten/innen ihre Leistungen nach den entsprechend zwischen ihren Verbänden und der Beklagten vereinbarten Preisen erbringen, nicht annehmen. Dabei hängt die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung von zahlreichen Faktoren ab, so dass nicht auf die Verhältnisse eines Einzelnen abgestellt werden kann, selbst wenn dieser nicht in der Lage ist, mit allgemein vereinbarten Preisen wirtschaftlich zu arbeiten. Im Übrigen ist der Vortrag der Klägerin insoweit so wenig konkret, dass er keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen in diese Richtung gibt.
3. Auch der Hauptantrag zu 2) ist nicht begründet. Die Beklagte ist weder verpflichtet, die Rechnungen der Klägerin binnen 14 Tagen zu begleichen, noch bei Überschreitung dieser Frist Verzugszinsen zuzüglich einer Gebühr zu zahlen.
§ 11 Abs. 1 des Vertrages zwischen dem Interessenverband freiberuflicher Krankengymnasten e.V. sowie dem Landesverband nordrheinwestfälischer Krankengymnasten/Physiotherapeuten e.V. und der Beklagten gemäß § 125 SGB V geschlossenen Vertrages sieht vor, dass Rechnungen innerhalb von drei Wochen nach Eingang bei der Krankenkasse zu begleichen sind. Selbst wenn die Klägerin an diesen Vertrag nicht mehr gebunden sein sollte, hat sie keinen Anspruch auf eine Zahlung binnen der von ihr geforderten Frist von 14 Tagen. Das Fehlen einer vertraglichen Regelung führt nicht zur uneingeschränkten Anwendung des § 271 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger die Leistungen sofort verlangen kann, wenn eine Zeit für diese weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Da § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Regelung über die Abrechnung der Preise den Leistungserbringern und den Landesverbänden der Krankenkassen insgesamt überanwortet hat, kann § 271 Abs. 1 BGB keine uneingeschränkte Anwendung finden, solange eine solche Vereinbarung nicht zustandekommt. Der Zahlungsanspruch des Leistungserbringers hängt davon ab, ob er die durch den Vertragsarzt verordnete Leistung ordungsgemäß unter Beachtung der Heilmittelrichtlinien erbracht hat. Ob dies der Fall ist, kann aber die Krankenkasse regelmäßig erst nach Prüfung der entsprechenden Abrechnung erkennen. Wie diese Prüffrist zu gestalten ist, bleibt aber den Vertragsparteien vorbehalten und kann nicht einseitig von einer Seite vorgegeben werden.
Verzugszinsen kann die Klägerin ebenfalls nicht beanspruchen. Solche sind im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur ausnahmsweise zu bezahlen, wenn sie gesetzlich vorgesehen oder wegen bereichsspezifischer Besonderheiten zu zahlen sind (BSG, Urt. v. 04.03.2004 - B 3 KR 4/03 R -). Da aber weder die §§ 124, 125 SGB V noch die aufgrund dieser Bestimmungen geschlossenen Vereinbarungen Zinsansprüche vorsehen, fehlt es an einem derartigen Ausnahmetatbestand. "Verzugsgebühren" pauschaler Art sind nicht vorgesehen.
III.
Die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags ist entsprechend der Ausführungen unter I 1. zulässig. Sie ist aber aus den Erwägungen, wie sie unter II. 2. dargelegt worden sind, unbegründet.
Die Berufung musste daher insgesamt zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 2 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 01.01.2002 gültigen Fassung i.V.m. § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO), § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG.
Der Senat hat im Anschluss an das Verfahren L 16 KR 270/02 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 28.10.2004
Az: L 16 KR 106/03
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