Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. Januar 2007
Aktenzeichen: 8 U 195/05
(OLG Hamm: Urteil v. 17.01.2007, Az.: 8 U 195/05)
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.09.2005 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichtes Essen unter Zurückweisung der Berufung und der Klage im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.964,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 30.723,12 € seit dem 30.11.2003, weiteren 5.120,52 € seit dem 01.12.2003 und weiteren 5.120,52 € seit dem 03.03.2004 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Tantiemeanspruch des Klägers gegen die Be-klagte aus dem Verwaltervertrag vom 01.05.2002 trotz der Freistellung vom 05.05.2003 bis zum 31.12.2003 fortbestanden hat.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %. Von dieser Kostenregelung ausgenommen sind die Kosten der Verwei-sung des Rechtsstreits 2 O 622/03, die der Kläger zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jewels zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des je-wels zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Anstellungsvertrag. Zur Darstellung des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Feststellungsantrag, der Verwaltervertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehe fort, sei zulässig und teilweise begründet. Durch die ordentliche Kündigung vom 30.12.2002 und die außerordentlichen Kündigungen vom 25.06.2003, 27.11.2003, 17.12.2003 und 10.05.2004 sei der Verwaltervertrag nicht beendet worden. Die ordentliche Kündigung vom 30.12.2002 sei unwirksam. Zwar sei unter Anwendung von § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co OHG ein Beschluss über die Kündigung des Beklagten zustande gekommen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages verstoße aber gegen § 114 Abs. 1 HGB und sei deshalb nichtig. Die weitergehenden Kündigungen vom 25.06.2003, 27.11.2003, 17.12.2003 und 10.05.2004 seien ohne Gesellschafterbeschluss erfolgt und bereits deshalb unwirksam.
Eine Beendigung des Verwaltervertrages müsse aber auf der Grundlage der Kündigung vom 09.03.2004 angenommen werden. In dieser Kündigung liege eine ordentliche Kündigung mit einer Frist von 12 Monaten zum Halbjahresende am 30.06.2005. Diese Kündigung hätten die Gesellschafter wirksam beschlossen.
Die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellung seiner Tantiemeansprüche seien entstanden und erst durch die ordentliche Kündigung vom 09.03.2004 zum 30.06.2005 untergegangen.
Aufgrund des Fortbestehens des Verwaltervertrages bis zum 30.06.2005 stünden dem Kläger Entgelte im Umfang von 133.133,52 € zu. Von dem Verwalterentgelt in Höhe von 4.700,00 €/Monat müssten 100,00 € für die Leasing-Raten des vom Kläger genutzten Pkw abgezogen werden. Die dem Kläger gewährte Nutzung des Pkw sei entsprechend den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes mit monatlich 520,52 € anzusetzen.
Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.
Der Kläger trägt zur Begründung vor:
Der Mitgesellschafter C habe die Insolvenz der C2 GmbH mutwillig verschuldet. Der Gesellschafterbeschluss der OHG vom 16.01.2004 sei deshalb rechtsunwirksam. Die Annahme des Landgerichtes, er habe die Kündigung vom 09.03.2004 erhalten, sei falsch. Es bestünde kein Anhaltspunkt dafür, dass er sich unredlich verhalten hätte. Des weiteren sei die Kündigung vom 09.03.2004 sachlich nicht gerechtfertigt. Wie bei jeder Kündigung müsse zwischen einer verhaltensbedingten und einer personenbedingten Kündigung unterschieden werden. Da er den persönlichen wie fachlichen Anforderungen an einen Geschäftsführer entsprochen habe, könne kein Kündigungsgrund die Kündigung vom 09.03.2004 rechtfertigen.
Die Beklagte trägt vor:
Die Annahme des Landgerichtes, der Kläger könne sich auf im Gesellschaftsvertrag der OHG niedergelegte Zustimmungserfordernisse der Gesellschafterversammlung berufen, gehe fehl. Da der Kläger nicht selbst Gesellschafter der OHG gewesen sei, sei die einzige für das Anstellungsverhältnis maßgebliche Rechtsgrundlage zwischen ihm und der OHG der Anstellungsvertrag vom 01.05.2002 gewesen. Dort sei ein Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung nicht vorgesehen. Für die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Dezember 2002 sowie für die weitergehenden außerordentlichen Kündigungen komme es daher nicht auf ein Zustimmungserfordernis der Gesellschaftsversammlung an. Sollte der Senat gleichwohl davon ausgehen, dass die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der OHG notwendig gewesen sei, um dem Kläger wirksam zu kündigen, sei dieses Erfordernis auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der OHG erfüllt. Diese Bestimmung verstoße nicht gegen § 119 Abs. 2 HGB. Auch bei Personengesellschaften sei die Übertragung und Spaltung von Mitgliedschaftsrechten der Gesellschafter möglich, wenn dem alle Gesellschafter zugestimmt hätten.
Darüber hinaus seien sämtliche außerordentlichen Kündigungen wirksam ausgesprochen worden. Das Verhalten des Klägers vom 25. Juni 2003 sowie vom 26. November 2003 begründe jeweils einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung.
Aufgrund der wirksam ausgesprochenen Kündigungen seien die Zahlungsansprüche des Klägers insgesamt unbegründet.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Urteils des Landgerichtes Essen vom 27.09.2005 gegenüber der Beklagten festzustellen, dass der Verwaltervertrag zwischen ihm und der C2 GmbH & Co. OHG vom 01.05.2002 durch die ordentliche Kündigung vom 30.12.2002 und die außerordentlichen Kündigungen vom 25.06.2003, 30.06.2003, 27.11.2003, 17.12.2003, 09.03.2004, 01.05.2004 und 10.05.2004 nicht beendet worden ist; in Abänderung des Urteils des Landgerichtes Essen vom 27.09.2005 festzustellen, dass sein Tantiemeanspruch gegenüber der Beklagten aus dem Verwaltervertrag vom 01.05.2002 trotz der Freistellung vom 05.05.2003 fortbestehe; die Beklagte in Abänderung des Urteils des Landgerichtes Essen vom 27.09.2005 zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Verwaltervertrages vom 01.05.2002 weiter zu beschäftigen; in Abänderung des Urteils des Landgerichtes Essen vom 27.09.2005 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 142.344,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz und zwar aus 36.904,00 € seit dem 30.11.2003 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 21.088,00 € seit dem 03.03.2004 sowie aus 100.168,00 € seit der ersten Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
B.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet, und die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, da die vom Kläger erhobene Feststellungsklage zum Tantiemeanspruch und die Zahlungsklage teilweise Erfolg haben, die Klage im Übrigen aber abzuweisen ist.
I. Feststellungsantrag zur Beendigung des Verwaltervertrages
Der Feststellungsantrag ist zulässig. Gegenstand einer Feststellung kann nach § 256 Abs. 1 ZPO nur das Rechtsverhältnis selbst sein, nicht aber Vorfragen oder einzelne Elemente. Das Begehren, die Unwirksamkeit einer Kündigung festzustellen, reicht daher grundsätzlich nicht. So ist aber das Begehren des Klägers auch nicht zu verstehen. Ihm geht es darum, wie sich aus dem Weiterbeschäftigungsantrag ergibt, festzustellen, dass der Verwaltervertrag weiter fortbesteht.
Das streitige Rechtsverhältnis besteht zwischen den Parteien. Denn die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der C2 GmbH & Co. OHG geworden. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des Landgerichtes auf Seite 6 und 7 des angefochtenen Urteils, die von den Parteien im Berufungsverfahren nicht angegriffen werden.
Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet, da der Verwaltervertrag zwischen dem Kläger und der C2 GmbH & Co. OHG mit der Kündigung vom 30.12.2002 zum 31.12.2003 beendet worden ist. Das beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Anzuwendendes Recht
Die Beurteilung, ob der Verwaltervertrag fortbesteht, richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen. Das Kündigungsschutzgesetz findet nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG keine Anwendung:
Der Kläger ist für die OHG nicht als gesetzlich vertretungsberechtigtes Organ tätig geworden. Kraft Gesetzes waren die beiden GmbH zur Vertretung berufen (§ 125 Abs. 1 HGB). Vertraglich ergibt sich die Berufung zur Vertretung der OHG aus § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages. Danach wird die OHG durch gesondert zu bestellende Geschäftsführer vertreten. Auf dieser Grundlage ist der Anstellungsvertrag der OHG mit dem Kläger geschlossen worden (§ 1 des Anstellungsvertrages). Damit beruht die Vertretungsbefugnis des Klägers auf dem Gesellschaftsvertrag, dessen naturgemäß abstrakter Inhalt durch den Anstellungsvertrag konkretisiert wurde. Diese Sichtweise entspricht Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG, Streitigkeiten im Arbeitgeberlager nicht der Arbeitsgerichtsbarkeit und arbeitsrechtlichen Normen zu unterwerfen (BAG NJW 2003, 3290, 3292). Dieser Zweck ist in der vorliegenden Konstellation einschlägig. Denn der Kläger streitet sich als Gesellschafter einer der Gesellschafterinnen mit der OHG/Beklagten über seine Leitungsfunktion im Unternehmen.
2. Verwirkung
Das Recht des Klägers, sich gegen die Kündigung vom 30.12.2002 zu wehren, unterliegt nach allgemeinen Grundsätzen keiner Frist und ist nicht verwirkt. Diese sich aus § 242 BGB ergebende Einwendung ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Verwirkung setzt ein Zeitmoment, ein Umstandsmoment und die Feststellung voraus, dass sich die OHG/Beklagte entsprechend eingerichtet hat und deshalb eine Berufung auf die Unwirksamkeit der Kündigung durch den Kläger treuwidrig ist. Die letzte der drei genannten Voraussetzungen ist nicht gegeben. Dazu ist im Einzelnen auszuführen:
a)
Für das Zeitmoment gibt es in der Rechtsprechung keine klaren Vorgaben (s. BAG NJW 1999, 379, 381; BAG NZA 1989, 16). Weniger als zwei Monate erscheinen zweifelhaft, ein Jahr reicht auf jeden Fall. Der Kläger erhielt die Kündigung am 30.12.2002, wehrte sich erstmals mit außergerichtlichem Anwaltsschreiben vom 09.05.2003 und reichte die Feststellungsklage am 03.06.2003 beim Landgericht ein. Maßgeblich für das Zeitmoment ist der Zeitraum von der Übergabe der Kündigung bis zum 09.05.2003, d.h. insgesamt vier Monate und 10 Tage. Angesichts der für den Kläger erkennbaren Interessenlage der OHG, schnell Klarheit über die Gestaltung des Unternehmens zu haben, reicht dieser Zeitraum aus, um das Zeitmoment als Voraussetzung der Verwirkung zu bejahen.
b)
Das Umstandsmoment ist zu bejahen, da das Verhalten des Klägers zugunsten der OHG einen Vertrauenstatbestand begründete, d.h. die OHG davon ausgehen durfte, der Kläger würde die neue Situation akzeptieren. Der Kläger hatte sich in seine neue Rolle eingefunden und versuchte, seinen Aufgaben im Vertrieb nachzukommen. Aus der Sicht der OHG konnte deshalb darauf vertraut werden, der Kläger werde gegen die Kündigung keine rechtlichen Schritte einleiten.
c)
Nicht festgestellt werden kann aber auf der Grundlage des Sachvortrages erster und zweiter Instanz, ob die OHG sich im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers eingerichtet hat, d.h. Dispositionen traf, die es treuwidrig erscheinen lassen, dass sich der Kläger gegen die Kündigung wehrt.
3. Formelle Wirksamkeit der Kündigung
Die Kündigung vom 30.11.2002 ist formell wirksam ausgesprochen worden. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
a)
Nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages wurde die OHG vertreten durch einen Geschäftsführer und den Prokuristen oder alle Geschäftsführer. Die Kündigung vom 30.12.2002 genügt beiden Anforderungen. Es kommt also nicht darauf an, ob für die OHG der bereits neu bestellte Geschäftsführer handeln konnte.
b)
Für die Kündigung vom 30.12.2002 war die Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig:
Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich kein Gesichtspunkt, der das Außenvertretungsrecht der OHG betrifft (§ 126 Abs. 2 HGB). Diese Regelung findet aber keine Anwendung, wenn das Geschäft die inneren Verhältnisse der Gesellschafter der OHG betrifft. Das ist hier anzunehmen. Zwar war der Kläger selbst nicht Gesellschafter der OHG. Er war jedoch als Gesellschafter und Geschäftsführer einer der Gesellschafterinnen und in seiner Funktion als Vertreter der OHG in das Innenverhältnis der OHG einbezogen. Wie aus §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages folgt, hatten die Gesellschafter der beiden GmbH eine Funktion, die über die bloße Vertretung der GmbH hinausging. Die Kündigung des Anstellungsvertrages berührte deshalb die inneren Grundlagen der OHG.
Für die Kündigung des Anstellungsvertrages des Klägers als Geschäftsführers der OHG ergibt sich das Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung aus einer entsprechenden Anwendung des § 5 (3) Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages, zumindest aber aus der Generalklausel des § 5 (3) des Gesellschaftsvertrages. Aus § 5 (3) Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages ist in systematischer Argumentation zu folgern, dass erst recht für die Kündigung eines Geschäftsführers die Zustimmung der Gesellschafterversammlung notwendig ist.
c)
Die Gesellschafterversammlung hat am 30.12.2002 die Kündigung des Anstellungsvertrages beschlossen:
Die Gesellschafterversammlung hat zunächst den Beschluss gefasst, den Kläger als Geschäftsführer der OHG abzuberufen (Ziff. 8 des Protokolls). Anschließend haben die drei gegen den Kläger stimmenden "Gesellschafter" diesem mitgeteilt, dass er noch im Vertrieb arbeiten könne. Zugleich wurde ihm die Kündigung übergeben (Ziff. 9 des Protokolls). Der Senat hat deshalb keine Bedenken, im Letzteren eine zumindest konkludente Beschlussfassung über die Kündigung des Anstellungsvertrages zu erkennen. Es ist unschädlich, dass die Beschlussfassung nicht in der gewohnten Form protokolliert wurde.
d)
Dieser Beschluss ist mit Mehrheit gefasst worden:
aa)
Nach § 7 (6) des Gesellschaftsvertrages bedurfte der Beschluss der "Mehrheit der bei der Beschlussfassung vertretenen Stimmen". Auf dieser Grundlage könnte zugunsten des Klägers wie folgt argumentiert werden: Stimmberechtigt waren die beiden GmbH als Gesellschafterinnen der OHG. Die GmbH wurden jeweils durch ihre beiden Geschäftsführer vertreten. Die Geschäftsführer der Beklagten stimmten für die Kündigung. Die Geschäftsführer der C2 GmbH stimmten nicht einheitlich. Darin liegt ein Dissens in der inneren Willensbildung dieser GmbH, der zur Willensabgabeunfähigkeit führt. Die C2 GmbH hat damit keine Stimme abgegeben, obwohl sie anwesend war. Darauf aufbauend wäre nicht feststellbar, dass eine Mehrheit der vertretenen Stimmen für die Kündigung stimmte.
Diesem Gedankengang kann nicht entgegengehalten werden, der Kläger habe im Rahmen der innergesellschaftlichen Willensbildung nicht mitwirken dürfen (§ 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Denn es ging nicht um ein Rechtsgeschäft der GmbH, das gegenüber dem Kläger vorgenommen werden sollte. Ebensowenig war die C2 GmbH von der Abstimmung ausgeschlossen, weil einer ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer betroffen war. Anderes könnte nur gelten, wenn der Kläger als Mehrheitsgesellschafter die GmbH beherrscht hätte. Das war aber nicht der Fall.
Zugunsten der Beklagten und damit zu Lasten des Klägers findet aber § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages Anwendung. Danach hält jeder der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ein Stimmrecht von 25 %. Diese Regelung ist nach dem Willen der Gesellschafterinnen, jeweils vertreten durch ihre Gesellschafter-Geschäftsführer, so zu verstehen, wie es sich aus dem Protokoll der Versammlung vom 01.05.2002 ergibt (dass in dem Protokoll von einer "GbR" die Rede ist, hindert nicht die eindeutige Zuordnung zu OHG; wie sich aus dem weiteren Inhalt des Protokolls ergibt). Dort heißt es zu Ziff. 3:
"Somit besteht die Gesellschafterversammlung aus vier Vertretern mit je 25 % Stimmrecht."
Das ist eindeutig in dem Sinne, dass jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer unabhängig von dem anderen zu seiner GmbH gehörenden Gesellschafter- Geschäftsführer zur Stimmabgabe berechtigt sein sollte. Ziel der von dem Kläger initiierten Regelung war es, die OHG beschlussfähig zu erhalten, wenn die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH sich gegenseitig blockieren. Mit seiner Initiative zur Einbindung dieser Vorschrift in den Gesellschaftsvertrag wollte der Kläger - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat - dem Umstand Rechnung tragen, dass mit dem Mitgesellschafter C bereits zum Zeitpunkt der Gründung der OHG erhebliche Differenzen bestanden.
Wendet man den so zu verstehenden § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages an, ergeben sich keine Probleme, eine Mehrheit der vertretenen Stimmen festzustellen. Auf die Frage, ob der Kläger mitstimmen durfte (Stimmverbot analog § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG), kommt es nicht an.
bb)
Die Regelung in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages in der vorstehend vorgenommenen Auslegung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Abspaltungsverbot (§§ 105 Abs. 2 HGB; 717 Satz 1 BGB) unwirksam:
Nach § 717 Satz 1 BGB können die Ansprüche der Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht übertragen werden. Das gilt insbesondere für das Stimmrecht. Sinn und Zweck der Regelung ist, eine Aufspaltung dieser Rechte auf verschiedene Personen zu verhindern (Staudinger-Habermeier, 13. Bearb. 2002, § 717 BGB Rz. 1). Dies beachtet § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages. Denn es werden keine neuen Stimmberechtigten geschaffen. Simmberechtigt blieben ausschließlich die Gesellschafterinnen der OHG, vertreten durch ihre jeweiligen Gesellschafter- Geschäftsführer. Geregelt wird dagegen, wie zu verfahren ist, wenn die gleichberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschafterin unterschiedlicher Auffassung sind. Für diesen Fall soll keine Blockade der OHG eintreten, sondern durch das Stimmrechtssplitting eine Mehrheitsbildung ermöglicht werden, die in der gewählten Gesellschaftsform der GmbH & Co OHG für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein konnte.
Die deshalb aus sachgerechten Erwägungen vorgenommene Aufteilung des Stimmrechts der Gesellschafterinnen unterliegt keinen Bedenken. Es ist vielmehr in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass das Stimmrecht zwischen zwei oder mehr an einem Gesellschaftsanteil Beteiligten aufgeteilt werden kann (Staub-Ulmer, 4. Aufl. 19. Lieferung Dezember 1999, § 119 HGB Rz. 72; Münchener-Kommentar (HGB) - K. Schmidt, 2004, v § 230 HGB Rz. 62; Baumbach/Hopt, 32. Aufl. 2006, § 119 Rz. 20; Staudinger-Habermeier, 13. Bearb. 2002, § 717 BGB Rz. 5ff jeweils m.w.N.; BGH NJW 1987, 2677 zur Publikums-KG; vgl. auch RGZ 137, 133f für die GmbH). Hier waren die jeweiligen Gesellschafter- Geschäftsführer der Gesellschafterinnen Beteiligte des Gesellschaftsanteils. Es macht für den Anwendungsbereich des § 717 Satz 1 BGB keinen Unterschied, ob das Stimmrecht der beiden GmbH aufgrund einer offenen Treuhand mit Zustimmung aller Gesellschafter gesplittet oder das Stimmrecht auf die jeweiligen Gesellschafter- Geschäftsführer verteilt wird.
e)
Die Gesellschafterversammlung vom 30.12.2002 war ordnungsgemäß einberufen:
Nach § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags waren für die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung keine Fristen und Formen einzuhalten, wenn alle Gesellschafter anwesend waren. Diese Voraussetzung ist für den 30.12.2002 zu bejahen, da alle Gesellschafter-Geschäftsführer beider GmbH erschienen waren. Auch i.S.v. § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages waren damit alle Stimmberechtigten vorhanden.
Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung bestehen keine Bedenken. Sie entspricht vielmehr § 51 Abs. 3 GmbHG (s. auch § 121 Abs. 6 AktG). Daraus folgt: Verstöße gegen Frist und/oder Form der Einberufung der Gesellschafterversammlung führen, wenn alle Gesellschafter anwesend sind, nur zur Nichtigkeit von Beschlussfassungen, wenn vor der Beschlussfassung der Mangel gerügt wird. Beteiligt sich dagegen ein Gesellschafter rügelos an der Abstimmung, ist der Mangel geheilt (BGH NZG 2003, 127).
Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass der Kläger sich an der Abstimmung über seine Abberufung beteiligt hat, ohne das Verfahren zu rügen (Ziff. 8 des Protokolls). Er hat ebenfalls keine Rüge erhoben, als ihm die anderen Stimmberechtigten mitteilen, er könne nur noch im Vertrieb arbeiten, und er die Kündigung erhielt. Ggf. bestehende Einberufungsmängel sind deshalb geheilt.
Die Vorgehensweise der anderen "Gesellschafter" ist schließlich nicht als sittenwidrig oder rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. In der dem Kläger übersandten Einladung war erwähnt, dass die Geschäftsführung, und damit auch er selbst, Gegenstand der Diskussion sein sollte. Zudem waren die Ertragszahlen bekanntermaßen schlecht. Des weiteren ist und war der Beklagte ein erfahrener Geschäftsmann, der gewohnt war, auf veränderte Situationen zu reagieren. Der Senat vermag deshalb die Ausnutzung eines hilflosen "Gesellschafters" und Vertragspartners nicht zu erkennen.
4. Materielle Wirksamkeit der Kündigung
Der Anstellungsvertrag des Klägers konnte nach § 10 Abs. 1 des Anstellungsvertrages mit einer Frist von 12 Monaten zum Halbjahresende gekündigt werden. Damit endete der Vertrag aufgrund der Kündigung vom 30.12.2002 zum 31.12.2003. Darüber hinaus bedurfte es keines besonderen Kündigungsgrundes. Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger seine Pflichten im Rahmen des Anstellungsvertrages verletzte.
II. Feststellungsantrag zum Tantiemeanspruch
Der Antrag ist zulässig. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung, dass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der vertragliche Tantiemeanspruch für die Dauer des Anstellungsverhältnisses fortbesteht.
Der Antrag ist für den Zeitraum bis zum 31.12.2003 begründet:
Bis zum 31.12.2003 folgt der Tantiemeanspruch aus §§ 611, 615 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 293ff BGB und § 3 Abs. 2 des Anstellungsvertrages. Danach war das Anstellungsverhältnis des Klägers mit der OHG beendet. Auf die Ausführungen zu I. wird verwiesen.
Vor dem 31.12.2003 ist das Anstellungsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen der OHG/Beklagten vom 25.06.2003, 27.11.2003 und 17.12.2003 nicht beendet worden. Diese Kündigungen sind formell unwirksam, weil ihnen kein Gesellschafterbeschluss vorausging. Allein die Beauftragung des Prozessvertreters durch zwei der Gesellschafter-Geschäftsführer ersetzt keine Versammlung aller nach § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages Stimmberechtigten, d.h. auch des Klägers. Die Notwendigkeit der Beschlussfassung entfiel schließlich nicht deshalb, weil bereits eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Denn dadurch hatte sich für das Jahr 2003 die Qualität des Anstellungsvertrages nicht verändert.
III. Weiterbeschäftigungsantrag
Dieser Antrag ist unbegründet, da das Dienstverhältnis wirksam beendet wurde und darüber hinaus aus dem Gesellschaftsvertrag oder sonstigen Vereinbarungen kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht. Auf die Ausführungen zu I. wird verwiesen.
IV. Zahlungsantrag
Der Zahlungsantrag ist im Umfang der rückständigen Vergütung des Jahres 2003 aus §§ 611, 615 S. 1 BGB begründet.
Für die Monate ab Mai 2003 bis Dezember 2003 steht dem Kläger ein Entgelt von 4.700,00 €/Monat abzüglich 100,00 €/Monat für die Leasingraten des Pkw zu. Darüber hinaus kann er einen Ausgleich für den nicht mehr zur Verfügung gestellten Dienstwagen im Umfang von 520,52 € verlangen. Der Dienstwagen war dem Kläger auch zur Privatnutzung überlassen worden, wie sich schon daraus ergibt, dass der anteilige Nutzungswert der Einkommensteuer unterworfen wurde. Dann war der Wert der Privatnutzung Gehaltsbestandteil und nach der Freistellung des Klägers zu zahlen. Den Betrag hat das Landgericht zutreffend anhand der steuerrechtlichen Vorschriften festgestellt.
Der Kläger kann also insgesamt 5.120,52 € x 8 Monate = 40.964,18 € brutto verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erging gem. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
OLG Hamm:
Urteil v. 17.01.2007
Az: 8 U 195/05
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